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Stéphane Hessel (geb. 1917)[br]Empört Euch![br]Originaltitel: Indignez-vous![br]Erstveröffentlichung: 2010[br]Aus dem Französischen von Michael Kogon (2011)[br]Verlag: Ullstein[br]Taschenbuch[br]30 Seiten |
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Stéphane Hessel (geb. 1917)[br]Engagiert Euch![br]Originaltitel: Engagez-vous![br]Erstveröffentlichung: 2011[br]Aus dem Französischen von Michael Kogon (2011)[br]Verlag: Ullstein[br]Taschenbuch[br]64 Seiten |
Der Autor
Stéphane Hessel wurde 1917 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren und erwarb 1937 die französische Staatsbürgerschaft. Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich der Résistance um Charles de Gaulle an. Er wurde 1944 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo er zwar zum Tode verurteilt wurde, jedoch überlebt hat, weil er mit Hilfe eines Mithäftlings eine fremde Identität annahm. Nach dem Krieg trat er in den diplomatischen Dienst ein und war Mitverfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, später Ständiger Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen sowie Beauftragter des UNO-Entwicklungsprogramms. Bis ins hohe Alter hinein setzt er sich auch heute noch lautstark und vernehmbar für eine Stärkung der Menschenrechte überall auf der Welt ein.
Die Bücher
"Empört Euch!" und "Engagiert Euch!" sind keine Bücher im eigentlichen Sinne, eher dünne Heftchen. Ersteres erschien im vergangenen Jahr in Frankreich und zu Beginn dieses Jahres in Deutschland und ist im Prinzip ein Aufsatz von gerade mal 19 Buchseiten plus Nachwort und Anhang. Das zweite - vor drei Wochen erschienen - ist eine Zusammenfassung von Interviews, die Hessel mit dem Autor und Journalisten Gilles Vanderpooten im Zeitraum von September 2009 bis Januar 2011 geführt hat, und das auch nur gut 30 Buchseiten umfasst. Die restlichen Seiten sind mit Fußnoten, einer biographischen Zeittafel und einem Lebenslauf Hessels sowie einem Komplettabdruck der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 gefüllt.
Viel Text enthalten diese Bücher also nicht, und dementsprechend kann das, was Hessel zu sagen hat, auch nur an der Oberfläche kratzen. Die Botschaft aber ist klar: Nehmt nicht alles hin, was an Ungerechtigkeiten auf der Welt geschieht!
Hessel prangert die immer größer werdenden Unterschiede zwischen Arm und Reich an, dass die sozial Schwachen immer zahlreicher werden und auf der Strecke bleiben, während einige wenige Egoisten immer reicher werden. Er nimmt den Umgang der Industriestaaten mit den Ländern und Menschen der Dritten Welt sowie die Profitgier der Banker und Finanzunternehmen aufs Korn, die immer wieder dafür sorgen, dass ganze Volkswirtschaften in die Krise geraten. Und auch der Umweltschutz liegt ihm am Herzen, er kann nicht verstehen, dass die Menschen es immer noch darauf anlegen, die Umwelt zu zerstören und die Erde für ihre Nachkommen bald unbewohnbar zu machen. Seine Appelle müssen nicht immer auf Gegenliebe stoßen, zum Beispiel wenn er Israels Palästina-Politik aufs Schärfste verurteilt. "Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich", schreibt er.
Natürlich kann man bei einer solchen Themenvielfalt angesichts des geringen Umfangs der Bücher keine tiefgehenden Analysen erwarten, das haben andere vor ihm schon weit ausführlicher und fundierter getan. Und so ganz neu sind seine Gedanken auch nicht. Der Reiz in diesen Büchern liegt aber zu einem großen Teil im Autor selbst, wenn man seine Biographie und sein hohes Alter im Hinterkopf hat. Stéphane Hessel weiß, wovon er spricht, wenn er zum Widerstand aufruft. Und seine Botschaft ist klar: So kann es nicht weitergehen. Tut was! Seid nicht gleichgültig!
So appelliert er an die Leser: Respektiert einander und setzt Euch für die Schwachen ein! Wendet Euch an die Verantwortlichen! Unterstützt die internationalen gemeinnützigen Organisationen! Seid nicht passiv, zieht Euch nicht ins Private zurück und tut so, als ginge Euch das alles nichts an! Jeder kann sein Scherflein dazu beitragen, sei es eine Verringerung des persönlichen Verbrauchs oder eine naturverträglichere Lebensweise.
Klar - im ersten Moment könnte man denken: Mein Gott, was für Plattitüden. Aber der Mann hat recht! Weltweit finden Entwicklungen statt, die mich sehr beunruhigen. Und ich darf nicht so tun, als könne ich daran nichts ändern.
Und auch, wenn er Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten und Missstände propagiert, so bleibt Hessel doch ein Verfechter von Gewaltlosigkeit und ruft stattdessen zum "Aufstand in Friedfertigkeit" auf. Die aktuellen brutalen Krawalle in London wären ganz bestimmt nicht in seinem Sinne. So funktioniert gesellschaftskritisches Engagement nicht. Auch wenn die Entwicklungen, die dazu geführt haben, ganz gewiss vermeidbar gewesen wären.
Das schöne an diesen Büchern ist, dass sie ohne all' die negativen Ressentiments auskommen, welche das deutsche "Empörungsbuch" des vergangenen Jahres, Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab", ausgemacht haben. Während Sarrazin nur all' das Schlechte anprangert, das uns alle in den Untergang treiben wird, und er dadurch eine negative und lähmende Stimmung verbreitet ("... ist alles so schlimm, kann man sowieso nix dran ändern"), haben Hessels Bücher einen unheimlich positiven, ermutigenden Grundton: "Es ist zwar schlimm, aber es liegt an Euch, es zu verbessern."
In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne noch mal Jakob Augstein, der Anfang des Jahres auf Spiegel-Online anlässlich des Erscheinens von "Empört Euch!" geschrieben hat:
"In Frankreich wurde ein Buch der Hoffnung zum Bestseller. In Deutschland ein Buch der Niedertracht. Wie kommt es, dass die deutsche Empörung etwas Böses hat und die französische etwas Befreiendes? Wie kommt es, dass die Franzosen Stéphane Hessel haben und wir Thilo Sarrazin?"
Hessels Bücher regen zum Nachdenken an, und wenn das Nachdenken in Engagement mündet, hat Stéphane Hessel sein Ziel erreicht. Ich bin jedenfalls schon am Überlegen, wie mein Beitrag aussehen kann. :smile:
Beide Bücher: