Sarah Waters - The Little Stranger/Der Besucher

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    Sarah Waters - The Little Stranger


    Inhalt:
    Während des Nachkriegssommers wird im ländlichen Warwickshire ein Arzt zu einem Patienten auf das einsame Anwesen Hundreds Hall gerufen. Das georgianische Haus ist seit zwei Jahrhunderten das Heim der Familie Ayres. Einst ein grossartiges und schönes Gebäude, ist es mittlerweile dem Zerfall anheim gefallen, das Mauerwerk bröckelt und der Garten ist überwachsen mit Unkraut. Die Besitzer, Mutter, Sohn und Tochter, kämpfen darum, mit der sich verändernden Gesellschaft Schritt zu halten. Jedoch scheinen die Ayres mit noch etwas Düstererem zu kämpfen als einem aussterbenden Lebensstil. Der Arzt ahnt nicht, wie sehr und auf welch schreckliche Art sich die Geschichte der Familie mit seiner verflechten wird.


    Meine Meinung:
    Nachdem ich bereits "Solange du lügst" und "The Nightwatch" von Sarah Waters gelesen hatte, freute ich mich darauf, ihr aktuellstes Buch zu lesen. Ihre detailreichen Beschreibungen lassen das ländliche England der Nachkriegszeit sehr lebendig vor dem inneren Auge entstehen. Die düstere Atmosphäre von Hundreds Hall hat mich sehr gefangen genommen und auch die streckenweise unheimlichen Geschehnisse haben mich gefesselt, so dass ich das Buch an diesen Stellen nicht mehr weglegen konnte. Zwischendurch war es für meinen Geschmack doch etwas langatmig, da ansonsten nicht sehr viel passiert. Die Geschichte wird aus der Sicht des Arztes erzählt, welcher sich mit der Zeit regelrecht bei den Ayres "einnistet", so kam es mir zumindest vor. Die Charaktere des Buches empfand ich als vielschichtig und sehr interessant, wenn auch nicht immer sympathisch. Insbesondere gegenüber dem Arzt entwickelte ich während des Lesens mehr und mehr eine Abneigung. Die Art und Weise, wie er mit der Familie umgeht und mit den einzelnen Personen spricht, erschien mir oft überheblich, besserwisserisch und egoistisch. Es macht Spass, während des Lesens über den Grund der mysteriösen Vorkomnisse mitzurätseln, leider wird am Ende vieles offen gelassen.
    Insgesamt fand ich das Buch durchaus lesenswert, wenn auch nicht das Beste von Sarah Waters.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    [size=6pt]EDIT: Deutschen Titel im Betreff eingefügt. LG, Saltanah[/size]

    :leserin: <br />Joyce Carol Oates - Du fehlst

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Ich habe gerade bei Amazon nachgeforscht - die Übersetzung ist auch schon auf dem Markt und heißt Der Besucher:


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    Interessant finde ich, dass die englische Version durchschnittlich nur zweieinhalb Sterne bekommen hat, die deutsche hingegen vier. Nach dem Lesen deiner Rezension und dem Überfliegen derer auf Amazon glaube ich aber, dass man (ich :breitgrins: ) dem Buch durchaus etwas abgewinnen könnte, wenn man mit den richtigen Erwartungen herangeht. Jedenfalls habe ich es mal auf meine Merkliste gesetzt.



    Ihre detailreichen Beschreibungen lassen das ländliche England der Nachkriegszeit sehr lebendig vor dem inneren Auge entstehen.


    Dann könnte Die Frauen von London auch etwas für dich sein, das hat mir vor einigen Jahren ziemlich gut gefallen. Ansonsten habe ich von der Autorin noch Die Muschelöffnerin gelesen, was mich aber nicht ganz so überzeugt hat.


    Danke jedenfalls für den Thread, ansonsten wäre ich wohl nicht auf das Buch aufmerksam geworden.

    [color=darkblue]&quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Ingroscha
    Falls du die anderen Bücher von Sarah Waters magst, gerne Sachen liest, die auf eher subtile Weise ein bisschen gruselig sind und du dich nicht gleich langweilst, wenn nicht immer etwas passiert, dann könntest du es mögen. Für mich ist es kein Buch, das ich gross weiter empfehlen würde, fand es aber doch in ausreichendem Masse spannend, so dass ich nie überlegt habe, es abzubrechen oder die Lektüre nun bereue. Ob dir das jetzt weiterhilft... :smile:


    Bluebell
    Danke für den Hinweis zum deutschen Titel, den wollte ich noch vermerken, hab es dann aber vergessen. "Die Frauen von London" (The Nightwatch) hab ich gelesen und das Buch hat mir auch gut gefallen. Bei "Die Muschelöffnerin" bin ich noch am überlegen, irgendwie reizt es mich schon...

    :leserin: <br />Joyce Carol Oates - Du fehlst


  • "Die Frauen von London" (The Nightwatch)


    :spinnen: Oh.



    Bei "Die Muschelöffnerin" bin ich noch am überlegen, irgendwie reizt es mich schon...


    Es scheint ja Myriaden von Frauen zu geben, die total darauf abfahren, aber ich fand die Story (bzw. die Hauptfigur) unglaubwürdig. Ich glaube, es geistert sogar ein Thread durchs Forum ...

    [color=darkblue]&quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b


  • Ingroscha
    Falls du die anderen Bücher von Sarah Waters magst, gerne Sachen liest, die auf eher subtile Weise ein bisschen gruselig sind und du dich nicht gleich langweilst, wenn nicht immer etwas passiert, dann könntest du es mögen. Für mich ist es kein Buch, das ich gross weiter empfehlen würde, fand es aber doch in ausreichendem Masse spannend, so dass ich nie überlegt habe, es abzubrechen oder die Lektüre nun bereue. Ob dir das jetzt weiterhilft... :smile:


    Ich habe noch nichts von der Autorin gelesen, mag aber Geistergeschichten und ausgiebige, sogar langatmige Beschreibungen :zwinker: Wenn es aber irgendwie in die Richtung Frauenbuch geht, ist es nichts für mich, damit habe ich schon schlechte Erfahrung gemacht.
    Das hochgelobte "Die Teerose" fand ich z. B. furchtbar und habe es nach ca. 100 Seiten abgebrochen.


  • Wenn es aber irgendwie in die Richtung Frauenbuch geht, ist es nichts für mich, damit habe ich schon schlechte Erfahrung gemacht.
    Das hochgelobte "Die Teerose" fand ich z. B. furchtbar und habe es nach ca. 100 Seiten abgebrochen.


    Da kann ich dich beruhigen. Mit "Die Teerose" ist "Die Frauen von London" zum Beispiel nicht vergleichbar. Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich "Die Frauen von London" gelesen habe, habe die Geschichte und die für mich besondere und etwas melancholische Atmosphäre aber positiv in Erinnerung. Ich denke sogar immer mal wieder an die Geschichte zurück und das ist, was mich betrifft, ein gutes Zeichen. :zwinker:

  • Da kann ich dich beruhigen. Mit "Die Teerose" ist "Die Frauen von London" zum Beispiel nicht vergleichbar. Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich "Die Frauen von London" gelesen habe, habe die Geschichte und die für mich besondere und etwas melancholische Atmosphäre aber positiv in Erinnerung. Ich denke sogar immer mal wieder an die Geschichte zurück und das ist, was mich betrifft, ein gutes Zeichen. :zwinker:


    "Die Teerose" habe ich auch gelesen und "The Little Stranger" ist ebenfalls ganz anders. Ich finde die Charaktere in Sarah Waters Büchern haben mehr Ecken und Kanten. Die weibliche Hauptperson des Buches beispielsweise ist keine dieser liebreizenden Frauen mit wunderschönem Aussehen, die unzählige dramatische Schicksalsschläge überwinden muss, um am Ende dann endlich ihr Glück zu finden, sondern nicht besonders hübsch und wirkt relativ bodenständig. Ob sie ihr Glück findet, lasse ich mal noch offen. :zwinker:

    :leserin: <br />Joyce Carol Oates - Du fehlst

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich habe die deutsche Ausgabe "Die Besucher" vor kurzem gelesen und hier kommt meine Meinung:


    Alleine aufgrund des Covers hatte ich bereits ein düsteres und schauriges Buch erwartet und meine Neugier wurde noch verstärkt, als ich im eingeschlagenen Schutzumschlag gelesen habe, dass dieser Roman in der Tradition der viktorianischen Schauerromane geschrieben ist.


    Düster und geheimnisvoll ist das Buch auf jeden Fall. Als schaurig habe ich es jetzt eher nicht empfunden. Dafür bleibt die Handlung weitestgehend eher ruhig und plätschert doch gefühlt vor sich hin, was mich aber zu meiner Verwunderung gar nicht so sehr gestört hat. Dieses Ruhige passt irgendwie zu dem Buch.
    Das gesamte Buch wird in der Ich-Form aus Sicht des Arztes Dr. Faraday erzählt. Er ist Landarzt in Warwickshire und wird in den 40er Jahren kurz nach Ende des 2. Weltkriegs nach Hundreds Hall zur Familie Ayres gerufen. Hundreds Hall war mal ein majestätisches Anwesen und sehr glanzvoll. Im Zuge des 2. Weltkriegs und der Reformen nach Ende des Krieges hat die Familie jedoch fast ihr gesamtes Vermögen eingebüßt und führt jetzt ein eher asketisches Leben auf dem Anwesen.


    Dr. Faraday schafft es zur Vertrauensperson der Familie zu werden und erzählt in Rückblenden über die tragischen Ereignisse, die die Familie Ayres schließlich heimsuchen. Dabei wurde mir der Doktor im Verlaufe des Buches immer unsympathischer und irgendwann empfand ich ihn nur noch als unmöglich. Durch die Erzählweise aus der Ich-Perspektive lernt man Faraday ziemlich gut kennen, trotzdem hatte ich als Leser immer das Gefühl, dass er etwas verbirgt. Spannend ist, dass obwohl mir diese Figur wirklich sehr unsympathisch wurde, ich trotzdem gerne das Buch weitergelesen habe. Auch dieser unmögliche Charakter passt sehr gut für mich in die Gesamtstruktur des Buches.


    Die Familie Ayres, bestehend aus der Mutter und den beiden erwachsenen Kindern Roderick und Caroline, ist mir dabei im Laufe des Buches immer mehr ans Herz gewachsen und ihr tragisches Schicksal hat mich ganz schön mitgenommen. Alle sind irgendwie an dieses Haus gebunden und man hat so richtig das Gefühl, dass das Haus ihnen ihren letzten Lebenssaft aussaugt.
    Die Autorin beschreibt dabei das gesamte Anwesen so richtig düster und im Verlauf des Buch nimmt das Anwesen immer schaurigere Formen an. Die gesamte Landschaft und auch der englische Ort, in dem sich alles abspielt werden sehr detailliert, aber auch düster beschrieben und in meinem Kopf hat das gesamte Buch inklusive der Geschichte so einen richtigen Schwarz-Weiß-Film ergeben. Mit dunklen Ecken, verwinkelten Zügen und über allem liegt eine graue Schicht, die alles zu überdecken scheint.


    Ob schließlich wirklich irgendetwas Fantastisches in den Mauern passiert oder gar wirklich ein jahrelanger Fluch auf der Familie liegt, wird komplett offen gelassen. Jedoch bietet die Autorin auch eine rationale Erklärung, die man als Leser mehr zwischen den Zeilen liest und die mir aber trotzdem am Wahrscheinlichsten erscheint. Trotz dieses doch sehr offenen Endes, bin ich trotzdem mit dem Schluss sehr zufrieden. Das gesamte Buch über wird nämlich immer wieder für Gänsehaut gesorgt und man kann sich überlegen: Steckt ein Mensch hinter den Vorkommnissen oder sind es doch die Geister der Vergangenheit oder sogar das Haus selber?


    Ein düsterer Roman, der sehr ruhig abläuft. Das Buch hat bei mir zu keiner Zeit dazu geführt, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte, trotz allem habe ich die Lektüre sehr genossen.


    Dafür gibt es 3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Meli: Was glaubst du eigentlich gegen Ende des Buches?


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Der Arzt Dr. Faraday wird eines Tages in das Anwesen der Familie Ayres gerufen, um dort ein Hausmädchen zu behandeln. Das Haus, welches er als Kind zuletzt gesehen und das ihn zutiefst beeindruckt hat, ist mittlerweile im Verfall begriffen. Nur noch Mrs. Ayres und ihre Kinder Caroline und Roderick leben verarmt in dem Gebäude und versuchen das einst prächtige Herrenhaus aufrecht zu erhalten.


    Faraday freundet sich bald mit der Familie an und wird ein häufiger und gern gesehener Gast. Doch schon bald gehen merkwürdige Dinge im Haus vor sich, die sich auch mit den rationalen Erklärungen des Arztes nicht mehr verdrängen lassen und die Familie Ayres langsam in den Wahnsinn treiben.


    Laut Klappentext wurde mit diesem Roman die "Tradition des viktorianischen Schauerromans neu belebt", das war der Grund, warum ich danach gegriffen habe und ich kann dieser Aussage absolut zustimmen. Tatsächlich wartet die Geschichte mit den typischen Motiven einer klassischen Gruselgeschichte auf.


    Diese Motive des Geisterhauses in dem seltsame Vorfälle passieren sind nicht neu und hier trotzdem packend. Die Szenen spielten sich beim Lesen so lebendig wie eine Filmszene vor meinem inneren Auge ab und ich war bis zuletzt gespannt auf das Ende.
    Hier wartet man nun leider vergeblich auf eine klare Auflösung und Klärung der Geschehnisse, vielmehr lässt sich eine Deutung nur erahnen und die Gedanken hängen dem Gelesenen noch eine Weile nach.
    Und in welchem waschechten Schauerroman wird schon alles glasklar aufgedeckt?
    Die Geschichte hat ein eher langsames Erzähltempo und wird aus der Sicht des Arztes Faraday erzählt, der viele Vorkommnisse nicht persönlich miterlebt, sondern erst im Nachhinein erzählt bekommt. Doch die eigentliche Hauptrolle spielt in diesem Buch das Haus selbst, das einen eigenen Willen zu haben scheint, der den Bewohnern nicht wohlgesonnen ist.



    Wer Erzählungen wie "Der Untergang des Hauses Usher" von Edgar Allan Poe oder Filme wie "Das Geisterschloss" mag, wird dieses Buch lieben. Diejenigen, die auf ein schnelleres Erzähltempo oder Schocker stehen, könnten hier enttäuscht werden.


    Ich habe das Buch gerne gelesen, würde es aber nicht vorbehaltlos jedem weiterempfehlen.

  • Dr. Faraday ist praktischer Arzt im ländlichen Warwickshire kurz nach dem 2. Weltkrieg. Sein Leben ist äußerst unspektakulär und dreht sich hauptsächlich um die Versorgung seiner Patienten. Frau oder Freundin hat er nicht, und er ist mit seinem Dasein als Landarzt weder besonders glücklich noch besonders unglücklich.


    Einer seiner vielen Hausbesuche führt ihn nach Hundreds Hall, einem herrschaftlichen Landsitz, den er aus seiner Kindheit noch in ehrfürchtiger Erinnerung hat, weil seine Mutter dort als Hausmädchen arbeitete. Dreißig Jahre nach Faradays letztem (und einzigem) Besuch dort ist aus dem schönen Herrenhaus ein ziemlich heruntergekommener alter Kasten geworden, mit dessen Unterhalt sich die Familie Ayres zunehmend schwertut, obwohl die verwitwete Hausherrin und vor allem ihre beiden Kinder Caroline und Roderick sich alle Mühe geben. Das Geld reicht einfach hinten und vorne nicht, Roderick hat schwer mit den körperlichen und psychischen Nachwehen des Krieges zu tun, und irgendwann ist es, als finge das Haus höchstselbst an, sich gegen seine Besitzer zu wenden.


    Geisterhafte Vorkommnisse, mysteriöse Zeichen an den Wänden und das Gefühl, nicht alleine im Haus zu sein, lassen sich zunächst noch als Hirngespinst eines heimwehkranken Dienstmädchens abtun, doch dann wird Faraday mit eigenen Augen Zeuge eines fatalen, schwer zu erklärenden Ereignisses, und Roderick vertraut ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit noch Seltsameres an.


    Sarah Waters ist eine Meisterin der Atmosphäre. Wunderbar ihre Schilderung des alten Besitzes, dessen einstige Pracht nur noch zwischen abgesperrten Zimmern mit verhängten Möbeln und dem verwahrlosten Parkgarten zu erahnen ist, und der verzweifelten, vergeblichen Bemühungen der Familie, Haus und Grund zu erhalten. Auch ihre Figuren sind großartig gezeichnet, keine glattgebügelten Genreklischees, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, die sich alle auf ihre Art durchs Leben zu kämpfen versuchen. Das Zwischenmenschliche fand ich fast noch spannender als den vermeintlichen Geist von Hundreds Hall, der Faraday und den Ayres' Rätsel aufgibt. Auch die Beschreibungen des ländlichen Lebens nach dem Krieg, noch geprägt von Warenknappheit, Lebensmittelmarken und Kriegsruinen in den Städten, oder Szenen aus Faradays ärztlicher Tätigkeit habe ich unglaublich gerne gelesen.


    Das soll nicht heißen, dass die "Geister"-Handlung mich nicht gepackt hätte, im Gegenteil, ich habe förmlich auf die Auflösung hingefiebert, die hinter den sich bewegenden Gegenständen und den Schriftzeichen an den Wänden und den anderen Kuriositäten steckte. Waters hat in ihren anderen Büchern ja erfreulicherweise auch für die seltsamsten übersinnlich erscheinenden Phänomene immer eine rationale Erklärung gefunden. Diesmal konnte ich mir so gar nicht vorstellen, wohin die Reise führt - und leider, leider ist das mein großer Kritikpunkt an dem Buch, was auch zu einer schlechteren Bewertung geführt hat: das Ende hat mich überhaupt nicht zufriedengestellt. Nachdem ich 500 Seiten lang gehofft, gebangt und mich gegruselt hatte, nachdem sich die Situation auf Hundreds Hall immer dramatischer zugespitzt hatte, war der Schluss für mich eine echte Enttäuschung. Sehr, sehr schade.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • @Tammy
    Ein halbes Jahr später bekommst du endlich eine Antwort... Bitte entschuldige, das Forum ist bei mir die letzten Monate leider ein bisschen in den Hintergrund geraten (soll sich nun wieder ändern :smile:).


    :leserin: <br />Joyce Carol Oates - Du fehlst

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich habe das Buch leider nicht mehr da, aber ich habe das damals schon so interpretiert,

    :redface:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Nun sitze ich schon fast zwei Wochen an dem Buch und habe gerade einmal 100 Seiten gelesen.


    Normalerweise finde ich solche Beschreibungen wunderschön - und gerade hier fühlt man sich mitten in diese Zeit versetzt.
    Doch irgendwie packt es mich einfach nicht und ich habe das Gefühl, als würde die Geschichte einfach so vor sich hin plätschern und im Grunde absolut nichts passieren. Natürlich kann sich dies noch ändern, aber spätestens nach 100 Seiten möchte ich mehr als nur schöne Beschreibungen!


    Abbrechen möchte ich es eigentlich nicht, überlege aber, ob ich nicht nebenbei ein anderes Buch lesen sollte, um etwas Abwechslung zu schaffen und mich nicht zu "zwingen", das Buch zu lesen.

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • So, das passiert mir wirklich nicht oft: Ich habe meine Meinung zu diesem Buch radikal geändert! Begonnen hatte ich das Buch vor Monaten, habe es nach ca. 120 Seiten beiseitegelegt und erst vor wenigen Tagen wieder zur Hand genommen.


    Nun weiß ich nicht, ob es ab Seite 150 plötzlich spannend wurde oder jetzt einfach die richtige Zeit war. Denn von da an habe ich es kaum zur Seite legen können. Nicht, weil es dann richtig losgeht – zuvor wurde schon gesagt, dass die Handlung dahinplätschert. Im Grunde ist es eine Geschichte über eine Familie, die ihre besten Zeiten hinter sich hat, das Herrenhaus nicht instand halten kann, weil das Geld an allen Ecken und Enden fehlt; und so langsam schleichen sich seltsame Vorkommnisse ein. Die Geschichte zieht einen in ihren Bann und zwar auf ihre ganz eigene Weise! Sie ist wohl nicht für jedermann geeignet. Nichts passiert hier Knall auf Fall, aber die Atmosphäre ist so intensiv, dass ich so stark wie nie zuvor wirklich in der Geschichte war und mich in ihr verloren habe. Das heruntergekommene abseits gelegene Anwesen, fehlendes Licht, die Schatten in den Zimmern…


    Das Buch war ein Coverkauf: Es fängt die Stimmung richtig ein und das Gefühl, das ich beim Anblick dieses Bildes empfunden habe, zog sich durch das gesamte Buch!
    Die Gruselanteile fließen immer mal wieder ein und addieren sich zu einer unheimlichen Atmosphäre. Ich wäre schon längst aus diesem Haus geflohen! Insbesondere die Stelle, als die Mutter im ehemaligen Zimmer der Tochter eingeschlossen wird, fand ich absolut angsteinflößend. Durch das Schlüsselloch zu sehen, hätte ich mich niemals getraut, aus Angst, dass mir plötzlich jemand von der anderen Seite entgegenblickt. Die Schritte, der Schatten und das Kratzen an der Tür waren so deutlich in meiner Fantasie, dass ich selbst Herzklopfen bekam und auch erst einmal aufsehen musste und mich wieder in die Gegenwart zurückrufen musste.


    So richtig sympathische Charaktere gibt es meines Erachtens gar nicht, am ehesten noch Caroline. Dr. Faraday war mir zu Beginn noch sympathisch, gegen Ende aber das totale Gegenteil! Zwar ist verständlich, dass er als Arzt eher nach rationalen Erklärungen sucht und das Verhalten und die Wahrnehmungen der Bewohner als Nervenzusammenbrüche, Hysterie, Wahnvorstellungen deutet.


    Zwei Dinge sind zu beachten: Das Buch wird wohl nicht jedem gefallen, da es nur langsam in Fahrt kommt und eher von der Atmosphäre lebt. Diese ist absolut intensiv. Daher ist es wunderbar für stürmische, dunkle Novembertage geeignet!
    Zum anderen wird einem das Buch wohl eher gefallen, wenn man sich bereits zu Beginn bewusst ist, dass man hier keine Auflösung serviert bekommt, sondern verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen und man sich als Leser selbst entscheiden kann, welche Alternative einem am geeignetsten erscheint! Da ich im Vorhinein wusste, dass am Ende eigentlich nichts aufgelöst wird, hat mich das nicht enttäuscht und ich finde es schön, auch im Nachhinein zu überlegen, was tatsächlich geschehen sein könnte.


    4ratten

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

    Einmal editiert, zuletzt von British_Soul ()


  • Hihi! Spannend! Ich bevorzuge ja eher die bitterböse Variante. Also ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass

    :teufel: Aber das ist wirklich das Schöne an diesem Buch, dass es verschiedene Interpretationen zulässt.



    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Also ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass


    Daran würde ich irgendwie auch gerne glauben, aber da fällt mir kein überzeugender Grund ein?!


    So oder so - ich bin heilfroh, dass ich dem Buch doch eine zweite Chance gegeben habe und werde es in der kühleren Jahreszeit irgendwann bestimmt wieder lesen! :klatschen:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • Ich finde es ziemlich spannend, was hier so für Deutungen aufkommen - und dass ich anscheinend die einzige bin, die den Erzähler nicht als unsympathischen Typen empfunden hat. Sollte ich mir jetzt irgendwie Gedanken machen? :gruebel:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich finde es ziemlich spannend, was hier so für Deutungen aufkommen - und dass ich anscheinend die einzige bin, die den Erzähler nicht als unsympathischen Typen empfunden hat. Sollte ich mir jetzt irgendwie Gedanken machen? :gruebel:


    Das Buch steht auch auf meinem SUB. Mal schauen, vielleicht bist du dann ja bald nicht mehr alleine. :breitgrins: