Hanns-Josef Ortheil - Die große Liebe

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    Hanns-Josef-Ortheil (geb. 1951)[br]Die große Liebe[br]Erstveröffentlichung: 2003[br]Verlag: btb[br]Taschenbuch[br]320 Seiten


    In dem Roman Die große Liebe erzählt Hanns-Josef Ortheil davon, wie ein deutscher Fernsehreporter, der gerade an der italienischen Adriaküste unterwegs ist und für einen Dokumentarfilm über das Meer recherchiert, und eine italienische Meeresbiologin und Leiterin eines kleinen Meeresmuseums einander kennenlernen. Beide stellen schnell fest, dass sie sich für die gleichen Dinge begeistern: das Meer und seine Bewohner, die Kunst und das Leben im sonnigen Italien. Und bald bemerken sie, dass da mehr ist zwischen ihnen, dass sie füreinender geschaffen sind und sie möglicherweise die große Liebe gefunden haben...


    Keine große Sache für einen Roman also, könnte man meinen. Und das stimmt auch. In diesem Buch gibt es keine vertrackte Handlung, keinen großartigen Spannungsbogen, keine unerwarteten Wendungen. Nein, es handelt sich um eine schlichte Liebesgeschichte, in der vieles stark geschönt ist. Hier gibt es keinen Kummer, keine großen Sorgen, keine tiefe Verzweiflung, keine unglückliche Liebe. Die beiden Protagonisten finden sich, verlieben sich, kreisen zwar noch ein wenig umeinander herum, müssen auch noch den einen oder anderen dunklen Punkt in der Vergangenheit der Signora erhellen. Aber schließlich werden alle Unwägbarkeiten ausgeräumt und die beiden finden zueinander. Darf ich das hier verraten? Doch, ich denke schon. Das ganze Buch steuert schließlich darauf zu, und ich wäre enttäuscht gewesen, wenn's anders gewesen wäre.


    Das klingt fast wie ein Märchen, und wenn ich ehrlich bin, ist es eigentlich auch eins. Ach, sagt man sich so manches Mal beim Lesen - ach, wenn's doch im wirklichen Leben auch so wär'. Ja, ich muss es zugeben, es ist ein fast schon kitschiger Liebesroman, und er hat mir unheimlich gut gefallen. :breitgrins: Naja, ich wusste ja schon immer, dass ich ein verkappter Romantiker bin.


    Hinzu kommt die schöne und klare Sprache, in der Ortheil die Geschichte erzählt. Man merkt ihm an, dass er ein Sprachbesessener ist. Und wenn man sich seine Biografie anschaut (vgl. seinen halb-autobiografischen Roman Die Erfindung des Lebens), kann man auch verstehen, warum. Darüber hinaus ist Ortheil Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim und Herausgeber einiger Ratgeber rund ums Schreiben.


    Außerdem hat Hanns-Josef Orheil als junger Mann einige Jahre in Italien verbracht. Er versteht es, das Land und die Leute glaubhaft und lebendig darzustellen. Und auch für das italienische Essen muss Ortheil ein Faible haben, denn die Schilderungen der Szenen, in denen die Protagonisten essen - und das tun sie recht häufig - sind so farbig und lebensecht, dass mir so manches Mal beim Lesen das Wasser im Munde zusammengelaufen ist und ich spontan Lust verspürte, sofort eine Packung Spaghetti in den Topf zu werfen. :breitgrins:


    Trotz, nein, wegen der schlichten aber schönen Geschichte gibt's von mir 4ratten

  • Danke für die schöne Rezi, MacOss!


    Du hast das Buch ziemlich gut zusammengefasst. Es stimmt, es passiert nichts Aufregendes oder Unerwartetes in dem Buch und trotzdem habe ich es wahnsinnig gerne gelesen. Als zu kitschig habe ich es allerdings beim Lesen nicht empfunden, auch wenn man es anhand der Geschichte irgendwie meinen könnte und der Plot es anmutet. Vielleicht weil es keine extreme Tiefen und Brüche gab, sondern alles gleichsam auf das Ende hinarbeitete.
    Auf jeden Fall, wie du schon sagtest, wunderschön geschrieben und obwohl die Lektüre bei mir schon mindestens ein halbes Jahr zurück liegt, kann ich mich an die Essensszenen (und Gerichte!) noch sehr lebhaft erinnern.

  • Wieso ist das Buch eigentlich nicht bei den Liebesromanen eingeordnet? Sollte ich den Thread nicht besser dorthin verschieben?

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Wieso ist das Buch eigentlich nicht bei den Liebesromanen eingeordnet? Sollte ich den Thread nicht besser dorthin verschieben?


    Nein.


  • Nein.


    Warum nicht? Eine Erklärung zu dem einfachen "Nein" wäre ganz nett. Ich selbst habe das Buch auch gelesen und hätte kein Problem, es unter den Liebesromanen einzusortieren. Liebesromane müssen ja nicht zwangsweise kitschig sein, um so definiert zu werden.

  • Der Autor schreibt genrefreie Literatur. Unter "Liebesromanen" sind hier im Forum doch eher die Werke vertreten, die nicht der "Hochliteratur" zuzurechnen sind. Ansonsten müsste man auch die Klassiker der Liebesromane umsortieren. Oder ein Werk wie von Siegfried Lenz: Schweigeminute.


    Gruß, Thomas

  • Ich weiß, dass solche Dünkel hier nicht gut ankommen, aber ich habe mich ehrlich gesträubt, dieses Buch bei den Liebesromanen einzusortieren, auch wenn das Thema Liebe im Vordergrund steht. Aber unter "Liebesromanen" verstehe ich wie Thomas eher Werke der Trivialliteratur, und Ortheil zwischen irgendwelche Nackenbeißer zu stellen, das habe ich nicht über mich gebracht. :breitgrins:


    Damit sich keiner angegriffen fühlt: Ich habe nichts gegen Trivialliteratur, ich lese auch ab und zu mal einen Schmöker oder einen meiner geliebten Heftromane (z.B. Perry Rhodan). Das erzähle ich hier bloß nicht. :zwinker:


  • und Ortheil zwischen irgendwelche Nackenbeißer zu stellen, das habe ich nicht über mich gebracht. :breitgrins:


    Ja, ok. Da würde er sich sicher etwas fremd fühlen. :breitgrins:


    Liebe ist eben ein großer Begriff. :zwinker: Aus den von euch genannten Gründen und weil es überwiegend so gehandhabt wird, hätte ich es wohl auch hier eingeordnet, auch wenn ich Liebesromane nicht gleich mit Trivialliteratur in Verbindung setze. Aber ich verstehe was ihr meint.


    Wenn ich nach meinem Gefühl gehen würde, würde ich dieses Buch aber am liebsten trotzdem in eine Rubrik einordnen, die den Titel Liebesromane trägt, da es eben ein Buch über die Liebe ist. :smile:


  • Wenn ich nach meinem Gefühl gehen würde, würde ich dieses Buch aber am liebsten trotzdem in eine Rubrik einordnen, die den Titel Liebesromane trägt, da es eben ein Buch über die Liebe ist. :smile:


    Da unser Unterforum "Liebesromane - Auch Männer sind in dem Forum jederzeit willkommen!" heißt, ist das Buch dort mit Sicherheit korrekt. Weder das Buch noch das Unterforum können was für die nicht passende Definition von Klassikfreund und MacOss :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Das wäre doch das Ende der "Sonstigen Belletristik". Welches Buch handelt nicht von der Liebe? Da gäbe es eine Menge Arbeit zum Umsortieren.


    Gruß, Thomas


  • Was war nicht die Frage: Was ist das zentrale Thema dieses Buches?


    Das ist bei genrefreier Literatur eben schwer zu sagen: Es geht um den Menschen und sein Leben.


    Gruß, Thomas

  • Ich habe mich jetzt mal auf die Suche begeben, was Ortheil denn selbst zu diesem und seinen anderen Romanen der sog. Liebestrilogie sagt. Und da bin ich auf zwei ganz interessante Aussagen gestoßen:


    In einem Gespräch mit dem Rheinischen Merkur spricht er selbst zwar ebenfalls von "seinen Liebesromanen", schränkt diese Typisierung aber gleich wieder ein:


    »Meine Liebesromane sind sehr versteckte Verweise auf Formen und Sprachen der Liebes-Mystik. Ich schreibe über ›Liebe‹ überhaupt nur in diesem Sinn, mit Liebesromanen im zeittypischen Sinn, der Beschäftigung mit Konflikten, hat meine Liebesapologetik rein gar nichts zu tun.«


    Ihm geht es also insbesondere in seinem letzten Buch Liebesnähe um die Kommunikation zwischen zwei Menschen, darum, wie sie sich mittels stummer und sprachlicher Verständigung aufeinander zubewegen.
    (Quelle: Leseland Hessen)


    Dann bin ich auf eine Leseprobe von Stephanie Catanis Buch Kunst der Erinnerung, Poetik der Liebe: Das erzählerische Werk Hanns-Josef Ortheils gestoßen, in dem Ortheil in einem Interview sagt:


    »Natürlich ist Die große Liebe nach den drei historischen Romanen und dem Familienroman Lo und Lu der Beginn von etwas wiederum Neuem, also von etwas Drittem. Zum ersten Mal habe ich einen lupenreinen Liebesroman geschrieben.«


    Etwas später gibt er eine ausführliche Erklärung, wie er zu diesem Roman gelangt ist und was ihn dazu bewogen hat, eine derartige Liebesgeschichte zu schreiben, aber auch, was seine Liebesgeschichte von "modernen" Liebesgeschichten abgrenzt.


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    Stephanie Catani: Kunst der Erinnerung, Poetik der Liebe: Das erzählerische Werk Hanns-Josef Ortheils
    Link zur Leseprobe: klick. Sehr interessant, die Leseprobe. Ich sollte mir das Buch mal zulegen.


    Also unterm Strich bin ich ebenfalls unschlüssig, was die Zuordnung dieses Buches betrifft, denn zum einen ist die Liebe und ihre Entstehung durchaus zentrales Thema, andererseits kann ich aber auch Thomas' Argumentation folgen, denn ein typischer Liebesroman, also das, was man (oder ich) landläufig darunter versteht, ist es nicht, weil so vieles andere drumherum noch eine Rolle spielt.


  • Also unterm Strich bin ich ebenfalls unschlüssig, was die Zuordnung dieses Buches betrifft, denn zum einen ist die Liebe und ihre Entstehung durchaus zentrales Thema, andererseits kann ich aber auch Thomas' Argumentation folgen, denn ein typischer Liebesroman, also das, was man (oder ich) landläufig darunter versteht, ist es nicht, weil so vieles andere drumherum noch eine Rolle spielt.


    Sorry MacOss,


    aber ich bin erschrocken über dieses Klischeedenken. Nur weil es vielleicht ein anspruchsvoller Liebesroman ist hat er in diesem Genre nichts zu suchen?
    Um welches Klischee geht es hier überhaupt? Dass Männer keine Liebesromane lesen, oder dass nur ein Nackenbeisser ein Liebesroman per Definition sein kann?


    Ich habe das Buch nicht gelesen aber ich habe im Netz mal einige Kritiken und ähnliches rausgesucht. In vielen wird hier von einem Liebesroman gesprochen:


    SWR - Literatur im Foyer


    buchhandel.de


    titel - kulturmagazin


    Davon einmal abgesehen ist das Buch jetzt auf meiner Wunschliste gelandet, ist doch auch etwas :breitgrins:

    Einmal editiert, zuletzt von Papyrus ()


  • Sorry MacOss,


    aber ich bin erschrocken über dieses Klischeedenken. Nur weil es vielleicht ein anspruchsvoller Liebesroman ist hat er in diesem Genre nichts zu suchen?
    Um welches Klischee geht es hier überhaupt?


    Die Ordner hier im Forum entsprechen der Regalsortierung einiger größerer Buchhandlungen. Dort findet man dann Ortheil nicht in der Liebesroman-Ecke. Es scheinen also noch andere Leute diesem Klischee zu folgen.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()


  • Die Ordner hier im Forum entsprechen der Regalsortierung einiger größerer Buchhandlungen. Dort findet man dann Ortheil nicht in der Liebesroman-Ecke. Es scheinen also noch andere Leute diesem Klischee zu folgen.


    Da fällt mir aber direkt der Spruch mit den vielen Fliegen ein :zwinker:


    Wir halten es hier im Forum übrigens eher mit der Wikipedia-Definition eines Liebesromanes:


    Zitat

    Unter einem Liebesroman versteht man einen Roman, dessen zentrales Thema die Liebe ist. Obwohl viele Liebesromane der Trivialliteratur zuzurechnen sind (siehe Liebes- und Familienroman), schließt der Begriff grundsätzlich auch Werke der Hochliteratur ein. Zu den historischen Vorläufer des modernen Liebesromans – sowohl in seiner trivial- als auch in seiner hochliterarischen Form – zählen der barocke Schäferroman, der galante Roman und der englische Sittenroman des 18. und 19. Jahrhunderts.


    Vor allem, weil unser Unterforum nichts hinsichtlich "Trivialliteratur", "Nackenbeißer", "BücherDieManOffiziellNichtLiest" im Beschreibungstext hat. Somit bin ich so frei und verschiebe das Buch nun in den entsprechenden Bereich. Die oben verlinkten Rezensionen betonen ja auch immer wieder "Liebesroman". Die Diskussion darum ist ja schon länger als die um das Buch ansich :rollen:


    Und wenn dieses Buch dabei hilft, das Unterforum "Liebesroman" aufzuwerten, dann soll mir das nur recht sein. Ist doch schön, wenn man etwas gegen festgefahrene Klischees tut.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Sorry MacOss,


    aber ich bin erschrocken über dieses Klischeedenken. Nur weil es vielleicht ein anspruchsvoller Liebesroman ist hat er in diesem Genre nichts zu suchen?
    Um welches Klischee geht es hier überhaupt? Dass Männer keine Liebesromane lesen, oder dass nur ein Nackenbeisser ein Liebesroman per Definition sein kann?


    Auch wenn das Thema jetzt erledigt ist, wollte ich doch mal kurz eine Lanze für die zwei männlichen Forenteilnehmer brechen. Ich hätte das Buch spontan auch nicht bei den Liebesromanen einsortiert, obwohl die Liebe eine große Rolle darin spielt. Aber sie ist mehr Antriebskraft der beiden Protagonisten als greifbares Zentrum. Schwer zu erklären. Vielleicht ist das Genre "Liebesroman" mit Klischeedenken verbunden, aber dann bin ich davon ebenso eingenommen. Ich habe nichts dagegen, wenn das Buch hier steht, verkehrt ist es ja nicht. Aber auch ich kann Thomas Empfinden verstehen und ich hätte das Buch weder hier noch in einer Buchhandlung bei den Liebesromanen gesucht.

  • Was für eine Diskussion. :elch:


    Ich lese das Buch ja grade und war wirklich erschrocken =O, einen Ortheil in der Liebesroman-Ecke zu finden.

    Aber na ja, so ist das halt mit der Demokratie oder so.


    Übrigens super schade, dass MacOss nicht mehr aktiv zu sein scheint. ;(

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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    ~ IDLES ~