"Politisch korrekte" Neuauflagen

Es gibt 275 Antworten in diesem Thema, welches 47.838 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Anubis.

  • Hier gehen viele allzu verkrampft an die Sache heran. Ich glaube wirklich nicht, dass es einen Schwarzen stört wenn man ihn Neger nennt. Es stört ihn nicht wenn man dies unverkrampft macht und wirklich ohne böse Hintergedanken. Keine Reaktion oder ein verkrampftes Rumgehampel (was sag ich jetzt, wie verletzte ich ihn denn jetzt nicht) kann viel schmerzhafter sein. Sandhofer hat Recht. Der Rassismus steckt nicht in der Sprache, er steckt in den Gedanken.


    Ein persönliches Beispiel:
    Als meine Eltern mit mir noch als Mieter in einem Mehrfamilienhaus gewohnt haben fuhren meine Mutter und ich im Aufzug. Neue Nachbarn stellten sich im Aufzug vor und meinten sie mussten Umziehen da in dem alten Haus Ausländer eingezogen sein und die stinken ja immer so. Da wolle man nicht mehr wohnen, das ginge ja gar nicht. Die Antwort meiner Mutter: "Mein Mann ist Ägypter." Die Antwort der Nachbarn kam prompt: "das sei ja ganz was anderes, das kann man ja gar nicht vergleichen." Was ist denn da was anderes? Dass meine deutsche Mutter schon aufpasst, dass er nicht stinkt? Dass er ja jetzt nur noch ein halber Ausländer ist, weil er eine Deutsche geheiratet hat?
    Es ist wirklich absolut egal ob man meinen Vater als Ägypter oder Schwarzen (Neger geht nicht, das passt rein optisch nicht) bezeichnet solange Menschen noch die Häuser wechseln da Ausländer ja stinken.


    Und ein Buch ist ein Stück Kultur / Kunst. Bilder und Filme werden doch jetzt auch nicht geändert, weil manche nicht wissen wie man damit umgeht.
    Neue Bücher kann und muss man anders schreiben, da gebe ich Nimue Recht, aber an Bestehendem rum pfuschen und die Historie ändern. Nie und nimmer.



    Viele Menschen machen Fehler aus Gedankenlosigkeit. Sie machen frauenfeindliche, ausländerfeindliche, usw. Witze und wissen gar nicht was sie da anrichten. Da hilft nur Aufklärung und Sensibilisierung. Aber aus vorhandenen Büchern ungeliebte Worte zu entfernen hilft nicht, es versucht zu vertuschen ohne aufzuklären. Man kann Geschehenes nicht verleugnen indem man einfach Worte tilgt und man sollte es auch nicht verleugnen. Das kann gefährlich werden!

    Einmal editiert, zuletzt von Papyrus ()

  • Cemetry: Es ist ja auch eine geographische Bezeichnung. Soweit ich Sandhofer verstanden habe, meint er, dass - wenn wir den Negerkönig nun so umschreiben - irgendwann das Wort "Südsee-" zum politisch inkorrekten Begriff wird. Dann sagen wir halt statt Afro-Amerikaner Südsee-Amerikaner - egal, ob das nun geographisch korrekt ist oder nicht.
    Dann wird Südsee- durch ein neues korrekteres Wort ersetzt usw. usw. Bald darf man sich gegenseitig gar nicht mehr ansprechen. Dann sind wir alle nur noch "human beings" wie in Community. :breitgrins:

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    Einmal editiert, zuletzt von Wendy ()

  • Eine Umfrage dazu:


    Höher Gebildete gegen Streichung von "Neger"



    Woran das wohl liegt? Ist unter den "höher Gebildeten" die Bereitschaft größer, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen? Traut man sich das eher zu? Oder (was ich weniger vermute) legen sie weniger Wert auf PC?

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie

    Einmal editiert, zuletzt von Madicken ()

  • Ich habe heute zufällig ein Buch aus dem gleichen Jahr wie die kleine Hexe begonnen:


    "Der Nigger da auf der Straße", sagte Dr. H. [...]
    Der Neger war auf einem Auge blind, [...]


    Gerade angesichts der aktuellen Diskussion ist mir das direkt ins Auge gesprungen und während "Nigger" dank direkter Rede für mich hier absolut okay ist, den Sprecher aber ebenso schnell für mich direkt als Rassisten einstuft (was angesichts des damals sicherlich häufigeren Gebrauchs dieses Begriffs gar nicht so 100% sicher ist) , finde ich "Neger" schon bedenkenswerter.
    Hätte bei der Neuübersetzung 1995 auch das mittlerweile unzeitgemäße Neger geändert werden müssen oder ist der Übersetzer dem Originalwortlaut nicht verpflichteter als den Wandlungen des üblichen Sprachgebrauchs?


    Wenn ein Autor sich entscheidet, sein Buch umzuschreiben um ein paar Szenen zeitgemäßer darzustellen, kann er es gerne tun. Das Buch kann dann als überarbeitete Neuauflage erscheinen und wenn das Interesse von Nostalgikern groß genug ist, auch weiterhin zusätzlich als Originalauflage. Die Leser/Vorleser, die nicht reflektieren können oder wollen, ob einiges vielleicht zumindest Erklärungsbedarf hat, werden vermutlich sowieso eher zur aktuellen Ausgabe greifen. Im Fall der "kleinen Hexe" klingt es für mich aber eher so, als habe der Verlag Druck auf Preußlers Familie (der Mann selber ist bald 90!) ausgeübt, um die Änderungen durchzusetzen.


    Aber Rassismus, Sexismus oder sonstige Vorurteile sind meiner Meinung nach auch im Ansatz im Menschen angelegt (doch ja, ich glaube schon, dass eine gewisse Xenophobie genetisch im Menschen angelegt ist, um ihn vor unbekannten Gefahren zu schützen) und dagegen hilft nur ein vertraut machen mit dem jeweiligen Fremden - da hilft es aber nicht, Begriffe für dieses Fremde aus dem Sprachgebrauch zu streichen, sofern sie tatsächlich nur beschreibend und nicht beleidigend gemeint sind.

  • Ganz Deiner Meinung.



    Weil wir das Pferd damit am Schwanz aufzäumen. Die Sprache anzupassen, hilft nicht.


    Das ist eine Annahme. Sie müsste allerdings belegt werden.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Trotzdem ist Sprache auch Ausdruck unserer Gedanken. Diese werden wiederum erst in Form von Sprache überhaupt vermittelbar. (Das können ebenso Zeichen wie Laute sein). Wie auch Literatur Ausdruck einer der vielen Ausdrücke unserer Kultur ist.


    In dem von Nimue herausgesuchten und ihrem Zitat geht es ja um die Frage ob wir selbst verdrängen wollen das es diese latenten Alltagsrassimus gibt und ins unserer eigenen Kindheit eventuell sogar stärker gab. Für mich stellt sich dabei die Frage ob man mit der Übertragung eines Wortes in ein anderes das wirklich reflektiert oder nur so tut als habe sich das maßgeblich geändert...


    Eine eindeutige Position kann und will ich aber trotzdem nicht einnehmen. Man kann die ganze Sache nicht schwarz - weiß definieren. Es gibt von beiden Seiten Argumente die mich absolut überzeugen.

  • Der Unrast-Verlag hat hierzu einen guten Text verfasst :winken:


    Und zur weiteren Information: Spuren des Rassismus in der deutschen Sprache


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    Und noch mehr: Rassismus in der Alltags-Sprache


    Interessant finde ich übrigens, dass ausgerechnet in einem Literaturforum der Sprache so wenig Macht beigemessen wird :zwinker: (das ist für mich übrigens der Schlüsselreiz, der mir zeigt, dass mit dem Thema zu lapidar umgegangen wird). Die meisten argumentieren hier nur aus ihrer persönlichen (noch immer stark privilegierten) Sicht. Ich wünschte mir hier ein bisschen mehr Recherche und Eintauchen in dieses sehr komplexe Thema.

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    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()


  • Interessant finde ich übrigens, dass ausgerechnet in einem Literaturforum der Sprache so wenig Macht beigemessen wird


    Was ich an der Diskussion hier schwierig finde, ist für mich zu trennen, diskutieren wir darüber alte Bücher umzuschrieben oder geht es darum wie man heute mit den Begriffen umgeht? Grundsätzlich war ja mal nur Ersteres der Fall. Und in dem Fall bin ich der Meinung, dass es nichts bringt, einfach Wörter aus den Büchern umzuändern.

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh


  • Was ich an der Diskussion hier schwierig finde, ist für mich zu trennen, diskutieren wir darüber alte Bücher umzuschrieben oder geht es darum wie man heute mit den Begriffen umgeht? Grundsätzlich war ja mal nur Ersteres der Fall. Und in dem Fall bin ich der Meinung, dass es nichts bringt, einfach Wörter aus den Büchern umzuändern.


    Hm, kannst Du auch begründen oder belegen, weshalb es nichts bringen soll? Oder ist das nur ein Gefühl? Ich muss zugeben, dass ich mich beim Thema Rassismus ungerne auf Gefühle verlassen möchte :winken:

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  • Interessant finde ich übrigens, dass ausgerechnet in einem Literaturforum der Sprache so wenig Macht beigemessen wird

    Ich bin eher überrascht, dass einige einem Buch als Kunstwerk so wenig Respekt und Bedeutung beimessen.
    Und überrascht, dass von so vielen Kinderbücher anscheinend immer noch von der Kunst ausgeschlossen werden. Ist ja nur für Kinder. Das soll ihnen doch nur was beibringen...
    Ich finde es mehr als falsch Kinderbücher nur auf ihre didaktische Funktion zu reduzieren. Für mich haben sie genauso viel Respekt verdient wie jedes Buch für einen Erwachsenen.


    Wir können die Fehler der Vergangenheit nicht verschwinden lassen und schon gar nicht den Rassismus ausrotten, in dem wir beginnen alte Werke umzuschreiben.
    Schon gar nicht in diesem Fall. Gerade das Wort "Neger" hat in den letzten Jahren einen starken Bedeutungswandel durchgemacht. Früher wurde er tatsächlich von den meisten Menschen ohne rassistische Hintergedanken als synonym mit "Schwarzer" verwendet. "Die kleine Hexe" wurde 1957 veröffentlicht. Heute ist das natürlich ganz anders. Wenn diese Bezeichnung in einem modernen Buch auftauchen würde, wäre ich wirklich empört. Ebenso wie nimue bei "Lucy und Leander".
    Aber ein den Text eines älteren Werks zu ändern halte ich für falsch. Und wo hört man auf? Noch mag es nur um ein Wort gehen, aber ist die Hemmschranke erst mal gefallen, dann wird schnell hier ein Satz, dann dort ein Absatz geändert...
    Und bei welchen Themen hören wir auf? Hexen sind zwar durch moderne Romane momentan "cool", betrachtet man aber die Vergangenheit, dann steht das Wort für die Unterdrückung, Folterung und Ermordung von Frauen, für religiöse Didaktur etc.
    Wollen wir die Hexe zukünftig zu "einem magisch begabten Wesen" machen, besonders in Hinblick auf Angehörige von Wicca-Religionen? Oder wir lassen es eben. Drucken es gar nicht mehr, damit wir auch möglicherweise ja niemanden verletzten.
    Ich finde wir verletzten dann gerade erst recht.


    Ich sehe das Problem. Aber das Lösen wir nicht nur Veränderungen von Kunstwerken. Das Verändern wir durch die Gedanken in unseren Köpfen. Und was bietet sich besser an als darüber zu reden oder nachzudenken, wenn man explizit durch eine Fußnote darauf aufmerksam gemacht wird?
    Das Problem sollte nicht totgeschwiegen werden.
    Das macht alles keineswegs besser.
    Fußnoten sind in meinen Augen das beste Mittel, um aus diesem ganzen Dilemma herauszukommen.
    Kinder können mit so etwas hervorragend umgehen, erst recht, wenn sie interessierte Eltern haben. Aber auch wenn nicht, können sie eigenständig solche Dinge erfassen, wenn sie ihnen kurz in der Fußnote erklärt werden. Und gerade bei den Kindern müssen wir ansetzten damit unsere Welt besser wird.
    Wir dürfen ihnen die großen Probleme dieser Welt nicht verschweigen. Im Gegenteil. Wir müssen sie genau hier in die richtige Richtung lenken. Am besten so, dass die Überzeugung durch Nachdenken aus ihnen selbst kommt.


    Ganz zu schweigen von der bekannten "Euphemisus-Spirale", die sandhofer angesprochen hat. Gut, die Verkleidungen in diesem Fall kann man ändern. Aber in anderen Büchern wird es schon schwieriger. Wenn man da bestimmte Worte such andere ersetzt, wie lange dauert es bis wir diese auch wieder ersetzen müssen? Einfach aus dem Grund, weil das Grundproblem nicht verschwindet nur weil wir die Sprache anpassen.


    Ich finde es ist noch etwas anderes, wenn der Autor selbst die Änderung vornimmt. Insofern ist es Ottfried Preußlers Entscheidung. Ich höre jedoch nie etwas von ihm selbst, sondern immer nur von der Familie Preußlers, die das Einverständnis zur Änderung gab.

  • Wir können die Fehler der Vergangenheit nicht verschwinden lassen und schon gar nicht den Rassismus ausrotten, in dem wir beginnen alte Werke umzuschreiben.


    Ich lese das hier immer wieder. Aber bisher konnte mir diese Aussage keiner belegen. Nehmt ihr das alle an? Ist das ein Gefühl? Oder gibt es dazu entsprechende Untersuchungen, die das eindeutig belegen? Alles andere ist mir persönlich im Falle von Rassismus zu gefährlich und zu schwammig. Verlasst ihr euch auch auf das Gefühl anderer, wenn euch etwas persönlich betrifft? Wenn eure Existenz oder gar euer Leben oder das eurer Kinder deshalb gefährdet sein könnte? Wie ist es mit Literatur, in der detailliert sexuelle Handlungen an Kindern geschildert werden? Ist das dann auch Kunst? Mord für Kunst ist ja auch legitim, weshalb schon zahlreiche Tiere dafür sterben mussten. Wo zieht ihr denn die Grenze? Erst dann, wenn ihr selbst betroffen seid?

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    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Ich lese das hier immer wieder. Aber bisher konnte mir diese Aussage keiner belegen. Nehmt ihr das alle an? Ist das ein Gefühl? Oder gibt es dazu entsprechende Untersuchungen, die das eindeutig belegen?


    Mit einer Studie oder Untersuchung kann ich jetzt nicht dienen, aber die Geschichte zeigt doch was wir meinen. In meinem Freundeskreis ist es etwa akzeptabel jemanden als "Schwarzer" zu bezeichnen. Wenn man sich aber die Entwicklung in den USA ansieht, wurden was jetzt African Americans sind auch mal Negroes genannt (in den 60ern war das, soweit ich weiß, ein Begriff, der ok war), dann black, jetzt eben African American. Irgendwann wird auch dieser Begriff eine negative Konnotation bekommen, wenn die Gedanken und Handlungen dahinter rassistischer Natur sind. Warum sollen wir also alle paar Jahrzehnte ein neues Wort hernehmen, das - wie Sandhofer so schön beschrieben hat - dann doch nur über den tatsächlichen Rassismus "drübermalt". Das ist ein Kreislauf, aus dem wir nicht herauskommen, wenn wir nicht andere Ansätze gegen den Rassismus finden als die Sprache.


    Und ich muss Kiala auch zustimmen. Ein literarisches Werk einfach umzuändern widerstrebt mir auch prinzipiell. Da muss ich allerdings gestehen, dass das ein Gefühl ist. Gegen Neuübersetzungen habe ich z.B. nichts. Ein Original zu adaptieren löst bei mir aber sofort unangenehme Gefühle aus.

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  • Ich lese das hier immer wieder. Aber bisher konnte mir diese Aussage keiner belegen. Nehmt ihr das alle an? Ist das ein Gefühl? Oder gibt es dazu entsprechende Untersuchungen, die das eindeutig belegen?

    Dazu braucht es keine Untersuchungen, sondern gesunden Menschenverstand.
    Millionen von Juden sind trotzdem gestorben, auch wenn immer noch erschreckend viele Menschen behaupten, dass es die KZs nie gegeben hätte.
    Der Schmerz und das Trauma einer Vergewaltigen wird nicht verschwinden, wenn ich jegliches schriftliches Zeugnis zu der Tat auslösche.
    Die Sklaverei und die Unterdrückung der Schwarzen wird nicht verändert, nur weil ich nicht mehr darüber reden möchte.
    Leider kann keiner mehr von uns die Vergangenheit ändern. Wir können nur an der Zukunft arbeiten.
    Und ich gehöre zu den komischen Menschen, die glauben, das man nur die Fehler der Vergangenheit vermeiden kann, wenn man sie auch kennt.


    Auch jetzt gibt es schon Diskussionen (die im Übrigen verstehe) ob das Wort "Schwarzer" in Ordnung ist. Sollte man nicht lieber Afrodeutscher sagen?
    Das zeigt mit deutlich, dass nicht die Bezeichnung das Problem ist, sondern die Gedanken dahinter. Solange wir alle solchen Äußerlichkeiten (ob man es nun beleidigend meint oder ob man eben ganz besonders behutsam sein möchte) noch so viel Bedeutung schenken, solange wird sich das Problem leider nicht lösen. Wendy hat da völlig Recht.
    Beide Seiten, die Rassisten und die "Gutmenschen" (um den Begriff hier mal zu zitieren) konzentrieren sich immer noch zu sehr auf die Unterschiede und eben die problematische Vergangenheit.
    Wäre das nicht so könnte man jeglichen Begriff losgelöst von seiner historischen Bedeutung einfach als objektiv beschreibend verwenden. In etwas so wie wir jemand anderen eben als blond oder brünett mit Locken beschreiben.
    Das Wort "Neger" ist durch seinen historische Bedeutung so problematisch. Und wir löschen die Geschichte und die bis in die Gegenwart reichenden Probleme nicht aus, in dem wir das Wort in jedem verfassten Text streichen.



    Und ich muss Kiala auch zustimmen. Ein literarisches Werk einfach umzuändern widerstrebt mir auch prinzipiell. Da muss ich allerdings gestehen, dass das ein Gefühl ist. Gegen Neuübersetzungen habe ich z.B. nichts. Ein Original zu adaptieren löst bei mir aber sofort unangenehme Gefühle aus.

    Weil gebildete Menschen da sofort an Willkür, Zensur und Unterdrückung denken.
    In der Geschichte wurden oft Kunstwerke zerstört oder verändert, weil sie nicht in das momentane Weltbild passten.
    Im Nachhinein sind wir entsetzt darüber.


    Dabei geht es nicht darum, ob man etwas moralisch oder unmoralisch findet. Die Zerstörung von Kulturgut ist falsch, egal wie gut ich es meine.
    Aus wissenschaftlicher Sicht ist das eine absolute Katastrophe. Und ich bin nun mal Wissenschaftlerin.


  • Aus wissenschaftlicher Sicht ist das eine absolute Katastrophe. Und ich bin nun mal Wissenschaftlerin.


    Gerade dann sollte Dir klar sein, dass man so etwas nicht einfach lapidar mit gesundem Menschenverstand begründen kann :zwinker: Sorry, mir persönlich ist dieses Thema einfach nach wie vor zu komplex und zu gefährlich, als dass ich das einfach so mal eben vom bequemen Sofa als Privilegierte für andere entscheiden wollte :winken:

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  • Hm, kannst Du auch begründen oder belegen, weshalb es nichts bringen soll? Oder ist das nur ein Gefühl? Ich muss zugeben, dass ich mich beim Thema Rassismus ungerne auf Gefühle verlassen möchte :winken:


    Weil ich der Meinung bin, dass man Rassismus nicht aus Büchern lernt.

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  • Das nicht, aber sie spiegeln ihn wieder, oder eher das Land, die Kultur in dessen Kontext der Roman/das Sachbuch/der Aufsatz/der Artikel usw. entstanden ist.


    Eben. Warum dann alte Bücher ändern, sie spiegeln das Land zu der Zeit wieder. (Wobei ich das nicht auf alle Bücher geltend, generell so stehen lassen möchte)


    Und nur weil eine Kommission, ein Verlag, wer auch immer, den Rassismus aus den Büchern streicht, deswegen verschwindet er nicht.


    Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Umkehrschluss funktioniert. Das erinnert ein bißchen an die Computerspielthematik.

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

    Einmal editiert, zuletzt von Arjuna ()


  • Hm entscheidet aber der Verlag nicht genauso als priveligierter von seiner Seite aus wenn er Veränderungen vornimmt? (Provokant gefragt ;) )


    In Absprache mit dem Autor und dessen Familie? Vermutlich haben die dann auch keinen logischen Menschenverstand bewiesen? :zwinker:


    Mir sind in der Diskussion vor allem zwei Dinge wichtiger als der Respekt vor Kunst:


    1. Der Respekt vor Menschen und
    2. Der Respekt vor der Entscheidung des Künstlers selbst

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Aber ist es nicht respektlos so zu tun als wäre das Wort Neger nie verwendet worden?


    Wenn du für den Respekt an Menschen plädierst, sollte man wohl eher die "betroffene" Gruppe befragen, ob sie sich besser fühlen würden, wenn jedes "Neger" durch ein anderes Wort ersetzt würde. Ich behaupte nicht, hierzu etwas sagen zu können - als weiße, privilegierte Frau steht mir das auch nicht zu. Aber Geschichte totzuschweigen, indem man die Sprache in einem Buch verändert, würde doch die historischen Fakten nicht auslöschen.


    Heute ein Buch zu schreiben, das in unserer Zeit spielt und an einem realen Ort und ständig mit dem Wort Neger um sich zu werfen, ist eine andere Sache. Aber selbst da muss ich sagen: Warum sollten fiktive Charaktere nicht rassistisch sein? Wenn man hier zu sehr auf politische Korrektheit achtet, gibt es bald keine Geschichten mehr, die sich zu lesen lohnen. Sie leben schließlich von Konflikt. Ich möchte nicht nur glattgebügelte, korrekte Charaktere lesen. Ich bin auch als Mensch so weit, dass ich ein Buch mit offensichtlich rassistischem Unterton lesen und wieder ins Regal stellen kann. Dadurch ändert sich mein Charakter nicht.


    Das einzige Argument, das ich verstehen kann, ist dass hier von Kinderbüchern die Rede ist und Kinder nicht die nötige Erfahrung und das nötige Hintergrundwissen haben, um solche Worte in ihrer Gesamtheit zu verstehen. ABER: Kinder sind nicht so dumm wie viele glauben. Kinder lesen spannende Geschichten und wenn da das Wort Neger vorkommt, dann lernt das Kind eben, was mit diesem Wort einhergeht. Oder es nimmt das Wort auf und schiebt es in sein Unterbewusstsein für später. Schlimmstenfalls verwendet es das Wort in der Öffentlichkeit - spätestens da liegt es an den Eltern, Klarheit zu schaffen.


    Für mich endet die gesamte Diskussion damit, dass ich mich als Leser als für dumm verkauft fühle. Ich traue mir selbst zu, diesen Worten kritisch genug gegenüber zu stehen, dass ich sie in einem Roman verdauen kann. Und ich möchte für meine Kinder keine abgestumpfte, verdummende Literatur im Haus haben! Wie sollen sie denn sonst jemals etwas lernen? Jeder, der mal Zeit mit einem Kind verbracht hat, weiß, dass die ohnehin Tausende von Fragen stellen (es ist ja auch die ganze Welt neu!) und gerne Neues lernen. Man kann ihnen auch erklären, was ein Neger ist und warum man dieses Wort nicht verwendet. Verlage, die jeden Negerkönig in einen Südseekönig umwandeln, trauen das unseren Kindern offenbar nicht zu.

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