Bethan Roberts - Der Liebhaber meines Mannes

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    Bethan Roberts - Der Liebhaber meines Mannes



    England in den 50er Jahren. Im Badeort Brighton wachsen Marion Taylor sowie ihre Freundin Sylvie und deren Bruder Tom auf. Marion ist vom ersten Augenblick fasziniert von Tom. Der gutaussehende Fünfzehnjährige zeigt jedoch kein Interesse an ihr. Doch Marion lässt ihre Hoffnung nie schwinden. Weder als Tom zum Militär geht, noch als sie ihn während seiner Zeit als Polizist anfangs kaum zu Gesicht bekommt. Durch einen vor Jahren geäußerten Satz kann sie den Kontakt wieder intensivieren. Aber weder sein zurückhaltendes Benehmen, noch eine Bemerkung von Sylvie machen Marion bewusst, dass mit Tom etwas anders ist. Es passt nicht in ihr Weltbild, also verdrängt sie alles, was damit zu tun hat.
    Marion und Tom heiraten, aber immer mehr drängt sich die Wirklichkeit in ihr Leben und irgendwann kann auch Marion ihre Augen nicht mehr verschließen. Denn Patrick ist allgegenwärtig. Und noch ist Homosexualität unter Strafe gestellt.


    My Policeman, so lautet der englische Titel, wird dem Inhalt des Buches viel besser gerecht. Der deutsche Titel dagegen soll anscheinend verkaufsträchtiger wirken, lässt den Inhalt aber etwas einseitig vermuten.
    Die Geschichte dieser Dreiecksbeziehung beginnt 1999 als ein Rückblick. Marion, die inzwischen Patrick in die eheliche Wohnung geholt hat, möchte die damaligen Ereignisse genau aufschreiben. Als Beichte, als Reflexion - das wird sich zeigen. Während sie über die Ereignisse der 50er Jahre schreibt, fließt immer mehr der Alltag des Jahres 1999 mit ein. Patrick hat mehrere Schlaganfälle hinter sich und ist stark pflegebedürftig, außerdem ist er nicht in der Lage sich sprachlich zu äußern.


    Unterbrochen wird Marions Geschichte an einem Einschnitt in aller Leben. Darauf folgen die Tagebucheinträge Patricks, die er seit dem ersten Zusammentreffen mit Tom verfasst hat. Patrick, der die zentrale Figur ist, nennt Tom stets „Mein Polizist“.


    Es dauerte einige Seiten um mich richtig einzulesen, dann jedoch war ich dem Sog der Geschichte völlig erlegen. Obwohl man von Anfang an weiß, dass Marion und Tom verheiratet sind, fragt man sich, wie dies zu Stande kam. Wie lange diese Ménage-à-trois halten wird. Wann Marion sich der Wirklichkeit stellen muss, die Verdrängung nicht mehr funktioniert. Und über allem schwebend die Angst vor der Entdeckung, denn noch ist Homosexualität strafbar.


    Die jeweiligen Texte sind in der Ich-Form geschrieben. Durch den Plauderton, der teilweise angeschlagen wird, hat man den Eindruck die Geschichte direkt erzählt zu bekommen.
    Tom selbst erhält keine Stimme. Er, der Dreh- und Angelpunkt im Leben von Marion und Patrick, bleibt eher blass. An manchen Stellen war er mir sogar unsympathisch.
    Marion und Patrick sind sich in ihrer Schwärmerei/Liebe zu Tom oft recht ähnlich. Allen dreien ist gemein Opfer der damaligen Zeit zu sein. Wobei die gesellschaftlichen Zwänge nicht nur diese drei beeinflussen.
    Bethan Roberts lässt ihre Figuren authentisch erscheinen. Sie schreibt einfühlsam, nicht anklagend oder verurteilend. Man bleibt zurück mit der Frage: Hätte es etwas geändert, wenn sie frühzeitig miteinander geredet hätten?



    5ratten

  • Ich hab "Der Liebhaber meines Mannes" auch gelesen und kann mich dieser Rezension eigentlich nur anschließen und kann nichts mehr hinzufügen.


    Ich würde dem Buch zwar keine volle Punktzahl geben, aber allzu weit entfernt davon ist meine Einschätzung auch nicht.



    Bis ich in die Geschichte fand, bis ich einen ersten Überblick über die beiden Erzählebenen und die drei Protagonisten hatte, habe ich ebenfalls ein paar Seiten gebraucht.
    Gerade dass Marion Patrick bei ihren Erzählungen immer direkt ansprach, hat mich anfangs etwas gestört, ich kann das auch nicht genau erklären, aber ich bin beim Lesen immer darüber gestolpert.


    Abgesehen davon musste ich ab einem gewissen Punkt einfach weiter lesen, weil mich die Geschichte interessierte. Durch die Momente in der Gegenwart weiß man zwar ungefähr, was irgendwann kommt, aber dennoch musste ich einfach wissen, wie es dazu kommt, was genau passierte. Und die jahrelange Funkstille zwischen Tom und Patrick sowie deren Ursache hat mich dann doch überrascht.



    My Policeman, so lautet der englische Titel, wird dem Inhalt des Buches viel besser gerecht. Der deutsche Titel dagegen soll anscheinend verkaufsträchtiger wirken, lässt den Inhalt aber etwas einseitig vermuten.


    Genau das habe ich mir beim Lesen auch immer wieder gedacht. Gerade weil Patrick von Tom immer wieder als "mein Polizist" schreibt, und er aber auch eben Marions Polizist ist, finde ich den englischen Titel passender.

  • Auf den ersten Seiten hatte ich auch Probleme die Zusammenhänge zu verstehen. Allerdings taucht man schon bald in die Vergangenheit der drei Protagonisten ein und verliert sich in den Ereignissen, wodurch sich die Puzzleteile allmählich zu einem logischen Bild zusammenfügen.


    Marion erzählt ganz sachlich und ohne überflüssige Ausschmückungen. Trotzdem ist es nicht schwer, sich vor allem in ihr Seelenleben einzufühlen. Viele wesentlichen Einzelheiten werden vorab angedeutet oder als vollendete Tatsachen präsentiert, trotzdem ist es spannend mitzuerleben, wie sie sich entwickelt haben.


    Für mich war Marion so etwas wie eine heimliche Heldin. Wie schwer muss es sein, aus Liebe bei einem Mann zu bleiben in der Gewissheit, dass man mit ihm nie das Leben leben kann, das man sich erträumt hat? Irgendwann muss auch die Erkenntnis gekommen sein, dass sie ganz bewusst getäuscht wurde und quasi ein personifiziertes Alibi darstellt. Natürlich spielt ihr Gewissen auch eine Rolle, aber selbst nach Jahrzehnten noch opfert sie ihr persönliches Glück ihrem Schuldbewusstsein und der unerwiderten Liebe zu Tom. Und die Schuld lastet auch schwer auf Tom, dem Polizisten, der nach all den Jahren noch bei Marion bleibt, obwohl Homosexualität nun inzwischen toleriert wird. In dieser Geschichte gibt es keine Gewinner.


    Für mich war es ein tolles Buch. Es gab einige Dinge, die im Hintergrund blieben und es sicher wert waren, auch angesprochen zu werden, aber trotzdem war es eine runde Sache.


    5ratten



    An dem deutschen Titel habe ich mich nicht gestört. Ich finde ihn ebenso passend wie den englischen, aber er macht auf jeden Fall neugieriger als der Originaltitel.

  • Ich hab vor einiger Zeit mal reingelesen und mich persönlich hat der Schreibstil überhaupt nicht angesprochen. Auch der Verlauf der Handlung war nicht so ganz mein Ding. Schade, an sich hätte es mich ja schon interessiert. Ich finde aber auch das viele Autoren nur noch altbekannte Wege beschreiten und sich nicht trauen etwas undramatischer an das Thema heran zu gehen.


  • Ich finde aber auch das viele Autoren nur noch altbekannte Wege beschreiten und sich nicht trauen etwas undramatischer an das Thema heran zu gehen.


    Meinst du jetzt das Thema allgemein oder eben zu jener Zeit, als Homosexualität noch strafbar war?
    Ich hatte einige Monate vorher Geschichte einer Ehe von Andrew Sean Greer gelesen, die sich auch mit diesem Thema befasst, auch wenn es etwas anders gelagert war und ich muss sagen, dass mir dieser Roman hier wesentlich besser gefiel. Anfangs schienen wir alle leichte Schwierigkeiten gehabt zu haben, uns in den Stil einzufinden, aber das gibt sich.

  • yanni
    Eher allgemein. Ich finde es schade das Homosexualität nicht öfter mal auch in normalen Romanen positiver ausgeht. Natürlich ist es so das Homosexuelle in früheren Jahrzehnten (und das ist ja leider immer noch so) ein schwieriges Leben hatten und nicht zu dem stehen konnten was sie fühlten. Es endet aber in Romanen und auch im Kino irgendwie immer tragisch, sobald etwas Massenkompatibler wird.

  • Mir hat die Geschichte gerade deshalb gefallen, weil sie so authentisch erscheint. Zu dem Zeitpunkt, als die drei Hauptdarsteller zusammen kommen, war Homosexualität noch verboten und auch verpönt. Für die Betroffenen war es nicht einfach, sich selbst gerecht zu werden, ohne die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Oft reichte ja schon ein Gerücht, um den Polizeiapparat in Bewegung zu setzen. Da passt die Tragik gut ins Bild. Und Jahrzehnte später, als die Geschichte endet, hat sich etwas ereignet, das auch im real life oft genug passiert, wenn man gar nicht damit rechnet. Insofern passt alles zusammen. Ein anderes Ende wäre für mich unglaubwürdig gewesen. Das hätte nicht zu den Menschen im Buch gepasst.


    In diesem Buch macht es auch Spaß, sich Gedanken zu machen über die Dinge, die nicht so konkret angesprochen werden. Da kann man einiges für sich herausziehen, sofern man das mag.



    Ich hab vor einiger Zeit mal reingelesen und mich persönlich hat der Schreibstil überhaupt nicht angesprochen.


    Der Stil ist etwas spröde, das stimmt schon. Aber er passt zum Inhalt. Außerdem lebt das Buch durch die Handlung. Es erzählt von mehr oder weniger unauffälligen Menschen, die ihre Schicksale gut hinter einer Fassade verstecken, aber wenn man sich die Mühe macht, mal dahinter zu blicken, entdeckt man doch eine ganz andere Wirklichkeit. Solche Konstellationen gibt es bestimmt öfter, als man denkt.

  • Mir hat das Buch grundsätzlich gut gefallen, auch wenn ich eine gefühlte Ewigkeit daran gelesen habe. Das Problem war, ich habe immer einige Seiten gebraucht, bis ich im Fluss war und die Zeit habe ich mir nicht immer genommen. Aber wenn, dann hat es sich tatsächlich sehr gut gelesen, wobei ich mir fast gewünscht hätte, dass die beiden Seiten des Buches, Marions Beichte und Patricks Tagebuch, mehr ineinander geflochten gewesen wären, aber gut, es hat auch so funktioniert.


    Ich habe das auch so gesehen, dass Marion und Patrick einander relativ ähnlich waren und Tom, das geteilte Objekt der Begierde, ein bisschen blass blieb. Auch bei der Frage, wer - außer Gesellschaft und barbarischen Gesetzen - hier eigentlich der oder die Böse war, kam ich zu Tom. Klar, was Marion tut ist entsetzlich, aber was Tom ihr angetan hat, war ebenfalls grausam. Nur dass letzten Endes Patrick - auch kein Unschuldslamm, wie er sie sieht und behandelt - die Zeche zahlen muss. Andererseits aber, hätten wir hier eine dritte Seite gehabt, Toms Sicht, würde das Bild vielleicht auch wieder anders aussehen. Das macht das Buch sehr gut, weil es keine einfachen Antworten gibt, fand ich.

    Etwas mehr miteinander kommunizieren und vor allem Ehrlichkeit hätte ihnen definitiv nicht geschadet! Aber, da sind wir auch wieder bei der Gesellschaft in den 50ern.


    Zum Thema Ende.

  • PS: Das habe ich gestern komplett vergessen! Ich bin auf das Buch aufmerksam geworden, weil ich über die geplante Verfilmung gelesen habe und mir dachte, das klingt interessant.

    Jetzt habe ich keine Ahnung, was für eine Art Schauspieler Harry Styles (Tom - sehr blond ist Styles ja nicht gerade) ist, aber den großartigen David Dawson als Patrick kann ich mir gut vorstellen und Emma Corrin (Marion) sammelt ja gerade bei "The Crown" Erfahrungen als verletzte, vernachlässigte Ehefrau und ist auch sehr gut.

    Sieht vielversprechend aus, auch der Cast für die drei als ältere Leute. Aus der Vorlage kann man sicher viel machen.

  • Danke für die Info, Grisel. Die Verfilmung würde ich auch gerne sehen, auch wenn mir die Schauspieler so gar nichts sagen.

    Harry Styles (Tom) kenne ich nur als Boyband-Sänger, One Direction (also, ich weiß, dass er da dabei war, mehr weiß ich nicht über die! :D), der sich aber offenbar in der Zwischenzeit einen Namen als Schauspieler macht, David Dawson kenne ich von "The last kingdom" und Emma Corrin spielt zur Zeit Lady Diana in "The crown".

    Herrliches SchauspielerInnen-Recycling mit einem Bonus-Boyband-Sänger.


    Ach ja, die, die sie als Alte spielen, die kenne ich auch. Rupert Everett (Patrick alt) sowieso, Gina McKee (Marion alt) kenne ich auch "The Borgias" und Linus Roache (Tom alt) sagte mir vom Namen her gar nichts, aber das ist King Ecbert von "Vikings".


    Was lernen wir daraus? Ich schaue zuviele Serien. :saint:

    Aber bis auf die singende Wild-Card sind das alles gute SchauspielerInnen.