Deutscher Buchpreis 2013

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  • Am Samstag gab es nun 2,5 Stunden Lesungen mit den übrigen fünf Autoren der Shortlist im ausverkauften Frankfurter Literaturhaus. In der folgenden Reihenfolge wurde gelesen:


    Reinhard Jirgl - Nichts von euch auf Erden
    Monika Zeiner - Die Ordnung der Sterne über Como
    Clemens Meyer - Im Stein
    Marion Poschmann - Die Sonnenposition
    Mirko Bonné - Nie mehr Nacht


    Nach den fünf Lesungen, zusammen mit der Lesung von Mora am vergangenen Dienstag, steht der potentielle Sieger für mich fest. Es gibt zwei Töpfe, in den einen Topf gehören die traditionell, linear erzählten Romane in der Tradition eines Thomas Mann. Dazu gehören Zeiner, Poschmann und Bonné. Auf der anderen Seite Romane, die diese traditionelle Erzählhaltung zumindest teilweise durchbrechen. Sie montieren Stimmen zusammen, so wie es im Urmodell von Ulysses zu finden ist. Hier ragt Clemens Meyer heraus, der Quasi-Originaltöne aus dem Rotlichtmilieu montiert und diese dann in eine Rahmenhandlung bettet. Er las den zweiten Teil des ersten Kapitels, in dem zwei Bullen einen Kiosk observieren. Diese wenigen Seiten waren sehr ermüdend und die Besprechungen auf Amazon zeigen, dass das eng bedruckte Buch mit über 600 Seiten wohl eher eine Minderheit der Leserschaft begeistern wird. Auch Jirgl fällt in diesen Topf. Das liegt aber bei ihm mehr an seiner gewählten Orthografie, die an Arno Schmidt erinnert. Da tauchen viele merkwürdig geschriebene Worte und munter gesetzte Satzzeichen auf. Jirgls Roman spielt 500 Jahre in der Zukunft. Ein Teil der Menschheit lebt inzwischen auf dem Mars und nun gibt es eine Expedition zurück zur Erde. So wie man ein großes historisches Gemälde nur aus der Entfernung richtig wahrnimmt, blickt Jirgl aus der Entfernung des Marses auf die Erdbewohner. Der Autor möchte seinen Roman nicht als Sciene Fiction eingeordnet wissen, obwohl jede Menge Science erforderlich ist, um der Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Wenn Jirgl vorliest, dann sind seine Sätze einfach zu verstehen. Er schafft es mit seiner Sprache, eine beeindruckende Zukunftsatmosphäre zu schaffen, die mich aber über weite Strecken auch gelangweilt zurücklässt. Erst nachdem Zeiner mit ihrer gewöhnlichen Erzählweise anfing zu lesen, bemerkte ich die riesigen stilistischen Unterschiede zu ihm. Und das dritte Werk, welches hier reinfällt, stammt von Mora, die durch die Veröffentlichung der geheimen Dokumente von Darius Kopps Frau zumindest teilweise die traditionelle Erzählweise aufgibt. Alle drei Bücher empfinde ich als anstrengend, allen dreien kann man einen besonderen sprachlichen Ton attestieren, der Sieger stammt jedoch nicht aus dieser Gruppe. Allein Meyer ragt als "Typ" aus dem Kreis seiner Schriftstellerkollegen heraus. Er ist ungehobelt, unfreundlich zum Publikum, seine Sätze sind grammatikalisch nicht an jeder Stelle korrekt und auf ein Interview hat er auch keine besondere Lust. Dennoch merkt man ihm an, welchen Schweiß sein neues Buch gekostest hat, an dem er seit 2009 geschrieben hat und welches er viele Jahre zuvor bereits als Thema im Kopf hatte. Er schildert die Schwierigkeiten, nicht bloß eine Milieustudie abzuliefern, sondern ein literarisches Kunstwerk, welches im Kleinen als Bild für die ganze Gesellschaft gilt.


    Zeiner liest das erste Kapitel, man hört der Theaterwissenschaftlerin gerne zu, sie setzt mit der Szene eines frisch getrennten Paares ein und nun holt die Frau noch ein paar Gegenstände aus der gemeinsamen Wohnung ab. Eine Liebesgeschichte ohne Ecken und Kanten, zumindest was die kurze Leseprobe angeht. Das Feuilleton mag vor allem das Ende des Buches nicht sonderlich. Poschmanns Roman spielt in einem ostdeutschen verfallenen Schloss, in das eine psychatrische Klinik eingerichtet ist. Ein Arzt als Protagonist. Der Beginn besticht durch eine beeindruckende Sprache, Poschmann ist zugleich Lyrikerin, auf Amazon wird ihr diese Verspieltheit mit der Sprache vorgehalten. Ihr Thema ist ein Rückblick auf die Geschichte, in der Vergangenheit hat dieses Genre gute Karten für den Gesamtsieg gehabt. Bonné wählt auch die Liebesgeschichte, liest ein hinteres Kapitel, welches auf einem französischen Friedhof spielt. Ob die Geschichte mit dem 15jährigen Sohn des Protagonisten nicht zu nah an der Biografie des Autors hängt, möge der Leser entscheiden.


    Mein Favorit ist damit Marion Poschmann. Außenseiterchancen räume ich Clemens Meyer ein.


    Gruß, Thomas

  • Am Abend des 7. Oktober wird der Preisträger bekannt gegeben.


    Gruß, Thomas

  • Man hat sich fuer ein recht schwieriges Buch entschieden.


    Ich bin wirklich ueberrascht.


    Gruss Thomas

  • Ich warte mal auf ein paar Stimmen und entscheide dann, ob ich das Buch lese oder doch nicht (so wie jedes Jahr :zwinker: )

    //Grösser ist doof//

  • Falls es meine Bib in die Onleihe aufnimmt, kann ich ja mal reinschnuppern. Derzeit gibt es das Buch nur als Hartband und ist natürlich schon mehrmals vorbestellt. Was mich nicht wirklich überrascht.


    Katrin

  • Eines der Bücher ist mir hier im Forum schon einmal über den Weg gelaufen "Sterne über Como" und das klang recht interessant, aber davon abgesehen muss ich gestehen, dass mich keiner dieser Titel anspricht. Die Inhaltsbeschreibungen beziehen sich entweder nicht auf Themengebiete, die mich interessieren, oder aber die Bücher sind zu düster in ihrer Stimmung. Zumindest hatte ich bei keinem das Gefühl, dass hört sich interessant an.


  • Er scheint das Kritikererbe Reich-Ranickis antreten zu wollen. :zwinker:


    "Das Ungeheuer ist die Autorin", meinte Scheck ironisch in Anspielung auf den Buchtitel.


    Ja, das könnte von MRR sein :breitgrins:


    Katrin