02 - Kapitel 4 - einschl. Kapitel 5 (S. 87 - S. 142)

Es gibt 59 Antworten in diesem Thema, welches 10.477 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von nimue.


  • Ich fand auch das Gespräch am Frühstückstisch zwischen Billy und Mrs Drake super, als sie ihm sagt, sie brauche ihren Schönheitsschlaf und beleidigt ist, dass er nicht widerspricht.
    Wahrscheinlich hat Billy das gar nicht böse gemeint. Aber so kann man Fishing for Compliments natürlich auch begegnen.


    Mir kam es vor, als hätte er wirklich nicht gemerkt, worauf sie hinaus will, aber ich fand's auch herrlich, dass er, warum auch immer, so gar nicht drauf eingegangen ist. Diese Einstellung, dass die holde Weiblichkeit ständig mit Komplimenten überschüttet zu werden hat, finde ich ja ganz schrecklich.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich glaub auch, er hat das gar nicht böse gemeint, sondern einfach nicht geblickt, was sie hören will - ich fands auch total witzig, geschieht der Frau ganz recht :breitgrins:

    LG, Dani


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  • Matthieu und Tom sind auch interessant, wobei ich den Jungen noch nicht besonders mag. Sicher hat er es nicht immer leicht gehabt in seinem noch kurzen Leben, aber allein die Szene, als er den Ball des kleinen Mädchens über Bord wirft... grundlos fies und damit ziemlich unsympathisch!


    Lustig, dass viele das so negativ aufgefasst haben. Ich dachte mir bei der Szene nur "aha, ein pupertierender Typ, der rebelliert" und hab nicht weiter darüber nachgedacht.

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.


  • Ich hänge etwas hinterher, das Buch liest sich toll, aber die langen Kapitel bremsen mich manchmal etwas aus - ich bin zurzeit voll der Häppchen-Leser :rollen:


    Das kenne ich. Wobei ih gestern gedacht habe, dass die Abschnitte in dieser Leserunde angenehm, weil nicht zu lang sind.

    Einmal editiert, zuletzt von Claudi ()


  • Lustig, dass viele das so negativ aufgefasst haben. Ich dachte mir bei der Szene nur "aha, ein pupertierender Typ, der rebelliert" und hab nicht weiter darüber nachgedacht.


    Hm, für mich war das schon mehr als das, ein negativer Charakterzug. Kleinen Kindern das Spielzeug zu klauen ist ja echt keine Glanzleistung. (Wobei ich mir vorstellen kann, dass Tom nicht so eindimensional ist, wie er hier erscheint.)

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    Leonard Cohen





  • Hm, für mich war das schon mehr als das, ein negativer Charakterzug. Kleinen Kindern das Spielzeug zu klauen ist ja echt keine Glanzleistung. (Wobei ich mir vorstellen kann, dass Tom nicht so eindimensional ist, wie er hier erscheint.)


    Das stimmt. Ist aber leider keine Seltenheit, wenn man ansonsten nicht viel zu sagen hat. In meinen Augen ist Tom aber auch gar nicht so schlimm. Er will sich halt nur beweisen und stellt sich dabei äußerst ungeschickt, um nicht zu sagen dumm, an.

  • Hallo zusammen,


    zu Beginn des Kapitels habe ich mich natürlich gleich mal gefragt, was denn der erste Fehler sein könnte - zum Ende ist es klar: Kapitän Kendall weiß nun Bescheid, dass eine unbekannte Frau vorgibt, ein Junge im Alter von 17 Jahren zu sein. Ich bin gespannt, was der Käpt'n unternimmt, denn er ist ja ein sehr korrekter, strenger Mann. Und wie reagieren Mr Robinson und "sein Sohn", wenn sie erfahren, dass sie ertappt wurden? Wo sie doch zu anfangs regelrecht ängstlich waren - vor allem Mr Robinson, der nicht mal auf das Deck wollte, um Antwerpen verschwinden zu sehen... Klar ist, dass Mr Robinson in Wahrheit Dr. Hawley Crippen ist, denn er wird auch im Gespräch unvorsichtiger als er sagt, dass er ursprünglich aus den USA stammt. Damals war es sicherlich ungewöhnlicher, dass ein US-Amerikaner so lange Zeit in Europa lebt, oder? Die Auswanderungen gingen doch eher in die andere Richtung.
    Mr Robinson und Crippen haben auf den ersten Blick sehr wenig gemeinsam. So wie wir Crippen bislang kennengelernt haben, scheint er mir ein relativ unscheinbarer, gefühlloser Mann zu sein - bei Mr Robinson habe ich diesen Eindruck nicht unbedingt. Auch er ist zurückhaltend, aber er scheint "Edmund" zu lieben, verspürt Verlangen nach ihr und wirkt in den Gesprächen beim Dinner deutlich offener als ich es vermutet hätte. Crippen hingegen ist mehr als nur verstockt, oder? Bei seiner Abgebrühtheit in der Schlachterei ist mir wirklich schlecht geworden! Was treibt ihn so dermaßen an? Das ist doch kein Interesse an Anatomie, sondern eine regelrechte Besessenheit von Fleisch, Messern und Blut. :entsetzt: Auch wenn ich später Crippens Ärger über diesen widerwärtigen Dr. Anthony Lake nachvollziehen kann, so kann ich seine Fantasien absolut nicht verstehen: er "träumt" ja sogar noch davon, mit welchem Messer er Dr. Lake zerstückelt... Nr. 9 hat offensichtlich besondere Schärfe, oder wie darf ich das verstehen? Hier zeigt sich schon mal, was er später vielleicht wirklich in der Lage ist, zu tun.
    Die Ehe mit Cora Bell ist sicherlich nicht ungewöhnlich für die damalige Zeit, in der Liebe oder Verliebtheit nicht unbedingt die entscheidende Rolle gespielt haben. Immerhin behandelt er seine Frau nicht schlecht - da hatte ich andere Befürchtungen! Dennoch ist er auch gegenüber ihr und seinem Sohn Otto erstaunlich empathielos. Ob er seinen Sohn jemals wiedersieht? Ich tippe eher nein.
    Außerdem bin ich gespannt, ob Crippen doch noch einmal studiert oder den Doktortitel - wie Dr. Lake senior einmal sagt - nur um des Vertrauens seiner Patienten willen trägt. Darf man das, ist das damals legal gewesen? Wahrscheinlich frei nach dem Motto "Wo kein Richter, da kein Kläger".


    Im Grunde muss ich sagen, dass ich noch keinen an Bord der SS Montrose besonders schätze, abgesehen von Billy, dem Ersten Offizier, und Matthieu, dem erfolgreichen Geschäftsmann. Gerade die Drakes sind mir ein besonderer Dorn im Auge, denn die beiden Frauen sind - jede für sich - wirklich unmöglich! Ich bin neugierig, welche Rolle sie weiter spielen.


    So, nun lese ich als nächstes erst einmal Eure Beiträge. Entschuldigt bitte, dass ich nicht schneller lese, aber die relativ umfangreichen Abschnitt machen mir häufigeres Lesen und Schreiben gerade ein bisschen schwer, da ich ein paar verrückte Tage hinter mir habe. Das Buch ist nicht einfach zu lesen, finde ich momentan.


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Was treibt ihn so dermaßen an? Das ist doch kein Interesse an Anatomie, sondern eine regelrechte Besessenheit von Fleisch, Messern und Blut. :entsetzt: Auch wenn ich später Crippens Ärger über diesen widerwärtigen Dr. Anthony Lake nachvollziehen kann, so kann ich seine Fantasien absolut nicht verstehen: er "träumt" ja sogar noch davon, mit welchem Messer er Dr. Lake zerstückelt... Nr. 9 hat offensichtlich besondere Schärfe, oder wie darf ich das verstehen? Hier zeigt sich schon mal, was er später vielleicht wirklich in der Lage ist, zu tun.


    Ja ganz genauso habe ich ihn auch gesehen - ein Monster, dem man wirklich einen brutalen, grauenvollen Mord zutraut! :breitgrins:
    Da wundert man sich schon, wieso er "freundlich" sein soll! Ein Widerspruch?
    Ich muss schmunzeln, weil ich mittlerweile eine etwas andere Sicht auf die Dinge habe ... :zwinker:

  • Ja ganz genauso habe ich ihn auch gesehen - ein Monster, dem man wirklich einen brutalen, grauenvollen Mord zutraut! :breitgrins:
    Da wundert man sich schon, wieso er "freundlich" sein soll! Ein Widerspruch?
    Ich muss schmunzeln, weil ich mittlerweile eine etwas andere Sicht auf die Dinge habe ... :zwinker:


    Wobei ich schon sagen muss, dass der Titel ja eindeutig in diese Richtung lenkt und man dann als Leser zurecht erst einmal misstrauisch ist. Im Englischen lautet der Titel einfach nur "Crippen".
    Ich empfinde Mr Crippen in den unterschiedlichen Abschnitten mal freundlich, mal gar nicht freundlich. Aber dem Titel nach hätte ich erwartet, dass wir einen durch und durch freundlichen Menschen kennenlernen, der entweder zu Unrecht verdächtigt wird oder dessen schwarze Seite sich erst auf den letzten Seiten offenbart.


    Ich finde, Boyne schafft es ganz wunderbar, diese Zwiespältigkeit, unter der Crippen offenbar leidet, auch beim Leser ankommen zu lassen. Mögen wir Crippen? Tut er uns leid? Verabscheuen wir ihn? Ich weiß es (noch) nicht. Und ob diesem Menschen ein Mord zuzutrauen ist, kann ich auch noch nicht entscheiden.


    LG
    Claudi


  • Wobei ich schon sagen muss, dass der Titel ja eindeutig in diese Richtung lenkt und man dann als Leser zurecht erst einmal misstrauisch ist. Im Englischen lautet der Titel einfach nur "Crippen".


    Den deutschen Titel finde ich einigermaßen misslungen. "Freundlich" ist Crippen für mich bisher nur in seiner Rolle als Mr. Robinson.


    Zitat

    Ich finde, Boyne schafft es ganz wunderbar, diese Zwiespältigkeit, unter der Crippen offenbar leidet, auch beim Leser ankommen zu lassen. Mögen wir Crippen? Tut er uns leid? Verabscheuen wir ihn? Ich weiß es (noch) nicht. Und ob diesem Menschen ein Mord zuzutrauen ist, kann ich auch noch nicht entscheiden.


    Dass ich ihn mag, könnte ich zwar nicht behaupten, aber ich verabscheue ihn auch (noch?) nicht. Das hat Boyne wirklich gut hinbekommen.

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    Leonard Cohen





  • Wobei es bisher ja nur in seiner Arztrolle aus der Freundlichkeit heraus fällt und selbst da denke ich, dass seine Patienten zwar nicht unbedingt wieder zu ihm gehen wollen, aber sie denken wohl durchaus, dass er ihnen helfen will. So gesehen hat er bisher noch nichts wirklich Gravierendes unternommen, sodass ich sagen würde, der Mann ist furchtbar. Wir wissen halt einfach schon, zu was er fähig ist.

  • Stimmt schon. Allerdings wäre "freundlich" jetzt nicht das allererste, was mir zu Crippen einfallen würde. "Zurückgezogen" oder "still" vielleicht.

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    Leonard Cohen






  • Stimmt schon. Allerdings wäre "freundlich" jetzt nicht das allererste, was mir zu Crippen einfallen würde. "Zurückgezogen" oder "still" vielleicht.


    Stimmt schon. Aber auf jeden Fall würde niemand denken, dass er seine Frau umbringen würde.

  • Ein interessanter Abschnitt! Und ich muss gestehen, jetzt wo ich weiß, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht, lese ich das Buch mit einer ganz anderen „Wahrnehmung“. Ich finde es noch spannender als vorher.

    Toll finde ich, dass wir abwechselnd etwas über Mr. Crippens Kindheit/Jugend erfahren sowie über die Gegenwart.
    Seine erste Frau tat mir leid. Sie scheint eine sympathische Frau gewesen zu sein, und ihre Sehnsucht nach ein bisschen Liebe und Wärme seitens ihres Ehegatten kann ich gut nachvollziehen. Immerhin sind sie auch noch recht frisch verheiratet. Und seinem Sohn gegenüber benimmt er sich auch recht gleichgültig und ist nicht fähig, Liebe zu empfinden (so jedenfalls mein Eindruck).

    An Bord des Schiffes benimmt er sich recht unauffällig und bemüht sich, allen aus dem Weg zu gehen. Umso erstaunter bin ich ja, dass er sich so einen dicken Patzer erlaubt und Edmund auf Deck küsst! Auf einem großen Schiff muss er doch immer damit rechnen, dass ihn zufällig jemand sehen könnte! Und so ist es ja nun auch – der Kapitän wird Zeuge der innigen Umarmung der beiden. Seine Überraschung kann ich mir gut vorstellen, immerhin dachte er, dass er Vater und Sohn vor sich hat!

    Da wird sich Victoria also anstrengen können bis zum Umfallen; Edmund wird sie nicht erobern können. Ein bisschen wundert mich ja, dass es niemanden auffällt, dass Edmund in Wahrheit eine Frau ist. Er bzw. sie muss gut schauspielern können bzw. sich gut verkleidet haben.

    Toms Onkel ist mir bisher recht sympathisch, ebenso wie Martha Haynes. Tom kann ich noch nicht wirklich einschätzen. Eigentlich ist er mir eher unsympathisch, aber andererseits ist er natürlich erst 14 und hat sicherlich schon manches wegstecken müssen. Das ist natürlich keine Entschuldigung für alles, aber mit 14 Jahren ist er noch recht unreif.

    Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es weitergeht!

    Lesen aus Leidenschaft

  • Ich bin noch nicht ganz durch diesen Abschnitt, muss aber unbedingt ein paar grandiose Sätze festhalten:


    Zitat

    Für den Abend hatte Mrs Drake ein extravagantes grünes Kleid ausgesucht und dazu ein Mieder, das ihre Brüste kräftig nach oben drückte. Sie hoben sich, wenn sie einatmete, und man konnte sie praktisch diskutieren hören, welche von ihnen als erste hervorschnellen sollte.


    :totlach:


    Und kurz davor die Diskussion von Kapitän Kendall und Billy Carter (als Carter ihm von den Passagieren erzählte, die am Abend mit ihm am Tisch sitzen durften):


    "Es sollte eine lebhafte Gruppe werden, Sir."
    "Ich bin ganz feucht vor Aufregung", sagte Kendall trocken.


    Ich musste herzhaft lachen. Das passt so gar nicht zum William-Bligh-verehrenden Kapitän :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ja, diese Anflüge von Humor fand ich auch herrlich, immer wieder so beiläufig eingestreut.

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    Leonard Cohen






  • Oh ja, solche Sätze möchte ich mir immer merken, um sie bei passender Gelegenheit mal anzubringen. :zwinker:


    Wobei jeden würde ich nicht verwenden wollen - das schickt sich selbst heute noch nicht! :breitgrins: Aber es stimmt schon: merken möchte ich mir diese Sätze auch immer zu gerne, weil ich mich so über sie freue - und Boyne dadurch noch mehr schätze. Er hat einen wirklich feinen Humor!


    Gute Idee, nimue, ich werde jetzt verstärkt auf besonders tolle Sätze/ Unterhaltungen achten! :smile:

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Der unterschwellige Humor gefällt mir auch unglaublich gut! Obwohl ich das Buch sehr spannend und faszinierend finde, kann es mich auch zum Lachen bringen.
    Eine tolle Mischung!

    Lesen aus Leidenschaft

  • Ich muss ja wirklich zugeben, dass dies eines der Bücher ist, die ich alleine aufgrund ihres Stiles genieße. Langsam und genüsslich lese. Die Handlung finde ich zwar auch interessant und ich bin neugierig, wie es weitergeht (ich kann mich gerade so davon abhalten, zu recherchieren :breitgrins: ), aber die rückt für mich da wirklich ein bisschen in den Hintergrund.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.