Sibylle Lewitscharoff hält Skandalrede zu künstlicher Befruchtung

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  • Sibylle Lewitscharoff (Büchner-Preisträgerin) wendet sich gegen künstliche Befruchtung und löst einen Skandal aus:


    http://www.spiegel.de/kultur/l…-und-onanie-a-957254.html


    Hier der Redetext:
    http://www.spiegel.de/media/media-33276.pdf


    Zitat:
    Früher habe ich mich über das drastische biblische Onanieverbot gern lustig gemacht, inzwischen
    erscheint es mir geradezu als weise. Die Vorstellung, dass ein Mann in eine Kabine geschickt
    wird, wo er, je nach Belieben, mit oder ohne Hilfe von pornographischen Abbildungen,
    stimuliert wird, seine Spermien medizingerecht abzuliefern, die später in den Körper einer
    Frau praktiziert werden, ist mir nicht nur suspekt, ich finde sie absolut widerwärtig.
    Zitat Ende.


    Im Kontext von Leihmutterschaft folgende Ausführungen:
    Zitat:
    Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die
    Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden
    blauäugigen ss-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor. Ich übertreibe,
    das ist klar, übertreibe, weil mir das gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse derart widerwärtig
    erscheint, dass ich sogar geneigt bin, Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden
    sind, als Halbwesen anzusehen. Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifel13
    hafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas. Das ist gewiss ungerecht, weil
    es den Kindern etwas anlastet, wofür sie rein gar nichts können. Aber meine Abscheu ist in
    solchen Fällen stärker als die Vernunft.
    Zitat Ende.


    Ohne Worte.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Du liebe Zeit! Aus welchem Jahrhundert ist die denn zu uns gekommen? Wenn ein Markus Lanz für seine Äußerungen schon so zerrissen wird, was passiert mit Leuten wie Lewitscharoff?

  • Ich frage mich wie diese Ansicht wohl Menschen erklären möchte die keine oder nur sehr schwer selbst Kinder bekommen können. Sehr traurig das es immer noch Menschen gibt die solche Ansichten vertreten.

  • Was ist das denn für ein Müll?


    Es bleibt ihr ja unbenommen, gegen künstliche Befruchtung zu sein, aber was ist das denn bitte für eine Argumentation, die die Dame da anbringt? Und was soll dieser saudumme Nazi-Vergleich?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Am bemerkenswertesten in dem FAZ-Interview finde ich diesen Satz:


    Zitat

    Aber dass manchmal bestimmte Dinge, die in der Bibel vorhergesagt sind, in dem Moment, in dem sie zu einer so katastrophalen Entwicklung führen können, plötzlich eine ganze andere Dimension bekommen, das kann man doch sagen.


    Heißt das, sie glaubt allen Ernstes, das künstliche Befruchtung in der Bibel „vorhergesagt“ wurde? Na ja, innerhalb eines fundamentalistischen Weltbilds ist so was wohl möglich.


    Fun Fact: Es gibt kein Onanierverbot in der Bibel. In den Zehn Geboten wird Ehebruch verboten (Exodus 20,14). In Exodus 22,18 wird Sex mit Tieren verboten. In Leviticus 18 gibt es ein Inzestverbot, abermals ein Verbot von Sex mit Tieren und ein Verbot von Analsex unter Männern. In Leviticus 20 wird das Verbot von Inzest, Sex mit Tieren und Analsex unter Männern wiederholt. Zusätzlich wird dort Sex während der Menstruation verboten. Mehr Verbote in puncto Sexualität kennt die Bibel meines Wissens nicht. Masturbation wird nirgendwo erwähnt.


  • Die Bibelstelle mit Onan hat nichts mit onanieren zu tun.


    Die wird natürlich stets benutzt, um ein Onanierverbot aus der Bibel herzuleiten. Aber es geht in der Geschichte von Tamar und Onan (Genesis 38) tatsächlich um was ganz anderes: Der sozialhistorische Hintergrund ist der, dass man in patriarchalen Familienverbänden lebte. Entsprechend gehörten Witwen zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, denn sie fielen (sofern sie kinderlos waren) aus dem patriarchalen Versorgungssystem heraus. Deshalb gab es die Regel, dass eine kinderlose Witwe mit ihrem Schwager ein Kind zeugen durfte. Das Kind galt dann als vollwertiger Nachkomme des verstorbenen Mannes, der Fortbestand der männlichen Linie war garantiert und die Witwe hatte Anrecht auf einen Platz im familiären Versorgungssystem. In der Geschichte wird Onan bestraft, weil er Coitus interruptus praktiziert und damit der Witwe seines Bruders ihr Recht auf Nachkommen verweigert. Vermutlich gab es viele Schwäger wie Onan, die sich davor drücken wollten, ein Kind zu zeugen und zu versorgen, das rechtlich nicht mal als ihr eigenes galt. Es handelt sich um eine einfache morality tale: Wenn du deine Schwägerin hintergehst, wirst du von Gott bestraft.


    In einem gewissen Sinn propagiert die Onangeschichte also ein System ‚künstlicher‘ Befruchtung für Menschen, die sonst kinderlos geblieben wären. :breitgrins:


  • Ohne Worte.

    Genau so ging es mir gestern als ich das gelesen habe. Bei solchen unglaublich widerwärtigen (um mal ihre eigene Wortwahl für die Gegenseite zu benutzen) Ausführungen KINDER betreffend, kann ich einfach nichts sagen, sondern die Worte bleiben mir im Hals stecken.


    Dann habe ich erst einmal die gesamte Rede gelesen um mir ein besseres Bild zu machen.


    Ich muss sagen, wäre ich in Dresden dabei gewesen wäre es mir wahrscheinlich größtenteils wie dem Publikum gegangen. Dessen fehlende Reaktion wird ja immer wieder erwähnt. Ich bin nicht schnell in so etwas und die meisten anderen Menschen anscheinend auch nicht.


    Die nun immer wieder zitierten grässlichen Passagen kommen nämlich erst am Ende der langen Rede. Vorher war die für mich ziemlich „wischiwaschi“, als wüsste die Frau selber nicht, was und wie sie fühlen soll und wie sie das Thema überhaupt angehen soll. Wirkte irgendwie alles ziemlich ziellos und unrund auf mich. Klar umspannt der erste große Teil der Rede vor allem das Thema „Tod“ in allen möglichen Varianten, aber planlos und ohne klare Essenzen. Alles Mögliche wird angesprochen, nichts weiterverfolgt. Nur der gesamte Grundton ist negativ, selbst bei allen Widersprüchlichkeiten. Lösungsvorschläge werden sowieso nicht erwähnt, geschweige das überhaupt irgendetwas differenziert dargestellt wird. Objektive Argumente findet man keine, nur emotionales Kuddelmuddel, dazwischen Bibelzitate und literarische Anspielungen. Wie man dem Tod entgegengeht, Selbstmord, wettern gegen künstliche Lebenserhaltungsmaßnahmen, aber ebenso gegen Sterbehilfe, Misstrauen Organspenden gegenüber…


    Irgendwie kann man das alle sogar verstehen, denn uns allen geht es ja oft so.


    Das sind typische Unsicherheiten, die eine Menge Leute haben. Diese Frau anscheinend noch wesentlich schlimmer aufgrund ihrer eigenen persönlichen Probleme, besonders ausgelöst durch den Selbstmord ihres Vaters. Das hat anscheinend zu einer ziemlich kruden Sichtweise gerade der modernen Medizin gegenüber geführt (der Vater war Arzt, genauer gesagt Gynäkologe, was wohl dann das weiterführende Thema erklärt). Das tut einem irgendwie schon leid, aber entschuldigt nichts.


    Also nach all dem unsicheren Geschwafel, das nirgendwo hin führt und in dem irgendwie kein klarer Standpunkt geäußert wird (außer dem, das alles irgendwie schlecht ist), schwenkt sie dann plötzlich auf die moderne Reproduktionsmedizin. Von Tod also zu Geburt. Und hier hat sie auf einmal eine sehr klare Meinung. Eine wirklich gruselige. Ich konnte gar nicht glauben, was ich da lese. (Es ist in Ordnung, wenn ein Mann eine Frau schwängert und dann verlässt, aber nicht wenn ein heterosexuelles oder homosexuelles Paar ein Kind mit Hilfe der modernen Medizin bekommt, das dann über alles geliebt wird? Häh? Das musste ich zwei Mal lesen, um es zu begreifen.)


    Schlimmer wäre es mir wohl gegangen, wenn ich das alles nur einmal gehört hätte. Erst einmal Geschwafel, bei dem ich ganz sicher abgeschweift wäre (Vielleicht war es beim Hören interessanter? Das Lesen hat mich jedenfalls sehr viel Überwindung gekostet. Gähn!), dann die Bombe ganz zum Ende. Ich hätte erst mal gar nicht wirklich realisiert, was sie da sagt. Nachdem die Gehirntätigkeit wieder eingesetzt hätte, hätte ich das Ganze erst einmal rekapitulieren müssen. „Was hast sie da gesagt? Hat sie das wirklich gesagt? Ist das ihr Ernst? Habe ich mich verhört?“ Und da war die Rede schon lange vorbei.


    Selbst nachdem ich die Zitate nun mehrmals gelesen habe, habe ich eine Nacht gebraucht um mich dazu äußern zu können. Kein Wunder, das es vielen im Publikum auch so ging.
    Tja, nun kann ich sagen, dass auch ich zu den simplen Menschen gehöre, die die Möglichkeiten der modernen Medizin für einen Segen bei unerfüllten Kinderwunsch halten. Die gute Frau hat anscheinend auch nur wenig Ahnung vom Verfahren an sich und noch weniger naturwissenschaftlichen Hintergrund. Mit ihren Gefühlen scheint auch nicht wirklich alles zum Besten zu stehen, sonst kann ich mir ihre Toleranzlosigkeit und fehlende Empathie nicht erklären.


    Ich persönlich frage mich immer, wie kluge, gebildete Menschen heutzutage noch solche schrecklichen und menschenverachtenden Meinungen entwickeln können. Das ist schon erschreckend.


    Der offene Brief hat mir jedenfalls gut gefallen, dem kann ich mich nur anschließen.



    In einem gewissen Sinn propagiert die Onangeschichte also ein System ‚künstlicher‘ Befruchtung für Menschen, die sonst kinderlos geblieben wären. :breitgrins:

    Wohl wahr! :breitgrins:


  • Tja, nun kann ich sagen, dass auch ich zu den simplen Menschen gehöre, die die Möglichkeiten der modernen Medizin für einen Segen bei unerfüllten Kinderwunsch halten.


    Sich gegen künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft auszusprechen wäre m.E. überhaupt nicht skandalträchtig gewesen. Dass sie jedoch Kinder, die auf diese Weise entstanden sind als Halbmenschen und zweifelhafte Geschöpfe bezeichnet, das ist ein menschenverachtender Wortschatz, der so unglaublich ist, dass man ihr nun nur noch die Versenkung im Tal der vergessenen Autoren wünschen kann. Das Interview in der FAZ macht es nicht besser. Dort lese ich nur Verharmlosung ihrer Worte.


    Gruß, Thomas

  • Schön gesagt, Thomas.


    Ich verstehe auch überhaupt nicht, was dieses Thema auf dieser Veranstaltung zu suchen hatte. Wollte sie das unbedingt in irgendeiner Form loswerden?


    Und was hat eigentlich der Selbstmord ihres Vaters mit künstlicher Befruchtung zu tun, selbst wenn der Gynäkologe war? Hä?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Da gibt es auch keinen Zusammenhang. Keinen logischen. Und er wird in der Rede auch nicht gezogen, aber da sie in der Rede und im Interview so oft über diesen Selbstmord spricht, muss da wohl etwas für sie sein.
    Ich bin zwar keine Psychologin, aber es scheint mir ein klassischer Fall von Übertragung zu sein. Die Wut auf dem Vater kehrt sich zu einer Wut der modernen Medizin gegenüber, besonders der Fruchtbarkeitsmethoden.



    Sich gegen künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft auszusprechen wäre m.E. überhaupt nicht skandalträchtig gewesen.

    Rein theoretisch nicht. Das Thema kann man sicher kontrovers diskutieren, ganz ohne Skandale. Gerade die Leihmutterschaft ist ja wirklich ein sehr schwieriges Thema und auch bei der künstlichen Befruchtung gibt es problematische Züge. Keine Frage. Aber das sollte man bitte rational und objektiv tun.
    Und nicht mit Nazi-Vergleichen und Beleidigungen um sich werfen. Menschen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen als "simpel" zu bezeichnen, weil sie sich entschieden haben alle medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen, finde ich mehr als dreist. Und das von einer Frau, der nach eigenen Angaben Muttergefühle und Zuneigung zu Kindern fremd sind. Das kritisiere ich ja auch nicht und ist ihr gutes Recht.
    Warum kann sie dann wiederum nicht den dringlichen Kinderwunsch anderer zulassen?


    Und dass die künstliche Befruchtung eine Art teuflische Verschwörung der Feministinnen gegen die Männer ist, darf man doch nicht wirklich ernst nehmen.


    Keine Frage, das ihre Äußerungen zu den Kindern die schlimmsten in ihrer Rede waren, aber deswegen muss man den Rest nicht gut finden.