Dave Eggers - Der Circle

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  • Ich glaube, Bands oder Organisationen werden anders betrachtet, nicht als Personen-User.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Für Bands gibt es Facebook-Seiten, die von Personen (mit Klarnamen) betrieben werden. Das ist etwas anderes :winken:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

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    Klappentext
    Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim "Circle", einem Internetkonzern, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Mae stürzt sich begeistert in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros, High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Mitarbeiter ändert alles.



    Ich habe schon gut ein Drittel des Buches gelesen und befinde mich mitten im Geschehen. Mae hat sich eingearbeitet und erkennt schon bald, dass diese Firma einen Großteil ihrer Zeit beansprucht. Sie hat viel zu tun und nebenbei wird von ihr erwartet, auch an der sehr regen Kommunikation innerhalb des Unternehmens teilzunehmen. Das bedeutet, Unmengen von Mails zu sichten und zu beantworten. Auf den ersten Blick sind alle sehr kollegial und hilfsbereit, aber der von oben streng überwachte Austausch zwischen den Mitarbeitern läuft doch auf ein Ranking hinaus, was zu Schwierigkeiten zwischen Kollegen führen kann.


    Schon den Einstieg in das Arbeitsleben fand ich seltsam, denn Mae muss einige Unterschriften leisten, ohne genau zu sehen, was sie damit genehmigt und akzeptiert. Schon bald erkennt sie, welche Menge an Daten über sie von ihrer neuen Firma im Internet gesammelt werden kann und sie zu einem gläsernen User macht. Dann diese wahre Flut an Mails und die Erwartung, dass sie an diesem Austausch teilnimmt! Auf diese Weise hält man die Leute im Haus, wo es sich zugegebenermaßen gut leben lässt und beschränkt ihre Zeit außerhalb auf ein Minimum. Wenn ich schon lese, dass Maes Freundin Annie oft bis Mitternacht arbeitet! :entsetzt: Mich macht das schon als Leserin höchst misstrauisch, aber Mae nimmt das noch relativ gelassen hin. Im Moment bekommt sie die Zusage, dass der "Circle" die dringend benötigte Krankenversicherung für ihren Vater übernehmen wird, wodurch das Abhängigkeitsverhältnis noch vertieft wird. Aber Mae ist so froh, dass dieses gewichtige Problem gelöst ist, so dass ihr noch gar nicht klar ist, dass sie sich dadurch weiter bindet.

  • Als ich deine Rezi gelesen habe ist mir aufgefallen, dass ich einen anderen Circle gelesen habe, nämlich den von Ted Dekker. Deiner klingt übrigens viel interessanter.


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    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Dann diese wahre Flut an Mails und die Erwartung, dass sie an diesem Austausch teilnimmt! Auf diese Weise hält man die Leute im Haus, wo es sich zugegebenermaßen gut leben lässt und beschränkt ihre Zeit außerhalb auf ein Minimum.


    Diesen Zwang, ständig online zu sein, ständig zu posten und zu kommentieren und an den zig Veranstaltungen auf dem Campus teilzunehmen, wobei quasi nicht stattgefunden hat, was nicht irgendwie im Social Network dokumentiert ist, fand ich ganz furchtbar. Das hat mich schon beim Lesen förmlich gestresst :entsetzt: Wie soll man denn da mal durchatmen und zur Ruhe kommen?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Als ich deine Rezi gelesen habe ist mir aufgefallen, dass ich einen anderen Circle gelesen habe, nämlich den von Ted Dekker. Deiner klingt übrigens viel interessanter.


    Ich kenne Ted Dekkers Circle nicht, finde aber auch, dass mein Buch hier interessanter ist. Lustig ist übrigens der Kommentar zu Dekkers Buch bei Amazon: "Das Buch beinhaltet alle 4 Teile der Triologie." :breitgrins:



    Diesen Zwang, ständig online zu sein, ständig zu posten und zu kommentieren und an den zig Veranstaltungen auf dem Campus teilzunehmen, wobei quasi nicht stattgefunden hat, was nicht irgendwie im Social Network dokumentiert ist, fand ich ganz furchtbar. Das hat mich schon beim Lesen förmlich gestresst :entsetzt: Wie soll man denn da mal durchatmen und zur Ruhe kommen?


    Arbeiten soll sie ja auch noch. Von ihrem direkten Vorgesetzten wurde sie schon aufgefordert, sich an dem internen Austausch mehr zu beteiligen. Die Erwartung, dass sie mit den anderen Circlern kommuniziert, bedeutet, dass sie sehr viel aus ihrem Privatleben offenlegt. Eines Abends setzt sie sich hin, um ihr Kommunikations-Ranking zu verbessern, das irgendwo um Platz 8000 liegt. Nach einigen Stunden hat sie sich schon bis in die 3000er Ränge vorgearbeitet, und da packt sie der Ehrgeiz. Sie will zu den oberen Zweitausend gehören. Dafür schreibt sie die halbe Nacht durch. Das erinnert mich sehr an manche facebook-User, die sich an den Zahlen ihrer Freunde und Likes messen. Das kann sich zu einer richtigen Sucht entwickeln.


    Während eines Gesprächs mit ihrem Chef erklärt sie bei einer Gelegenheit: "Ich gehöre ganz euch" (also dem Konzern). Die Antwort: "Schön, schön, das höre ich gern." Kleine Sätze, die vermutlich eine große Bedeutung haben werden. Circle bietet seinen Angestellten enorm viel, was ihnen natürlich gefällt. Alle sind sehr motiviert und positiv eingestellt, und wer möchte da nicht ein Teil davon sein? Maes Problem ist, dass sie sich nicht in der Form mit der Unternehmensphilosophie identifiziert, wie es vor ihr erwartet wird. Sie ist eigentlich nicht der Typ, der überall mitredet, nur um dabei zu sein oder um Plätze gutzumachen. Aber durch die ganzen Annehmlichkeiten der Firma fühlt sie sich verpflichtet.


    Mit zwei Männern hat sie schon nähere Bekanntschaft geschlossen. Der eine ist mit Vorsicht zu genießen, weil er eine schwere Kindheit hatte, die ihm meiner Ansicht nach traumatisiert hat. Außerdem hat er ein Video aufgenommen, das jetzt in der Circle-Cloud steht und problematisch werden könnte, falls es in Umlauf kommt. Aus der anderen Bekanntschaft bin ich noch nicht schlau geworden. Er könnte alles mögliche sein, genial-verrückter Mitarbeiter oder Industriespion.


  • Ich kenne Ted Dekkers Circle nicht, finde aber auch, dass mein Buch hier interessanter ist.


    Ich kenne deinen Circle nicht, bin aber der selben Meinung :zwinker:



    Lustig ist übrigens der Kommentar zu Dekkers Buch bei Amazon: "Das Buch beinhaltet alle 4 Teile der Triologie." :breitgrins:


    Echt jetzt? :lachen:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Echt jetzt? :lachen:


    Ja, tatsächlich. "Triologie" höre ich ja öfter, aber gewöhnlich wissen die Leute wenigstens, wie viele Teile das sind.



    Ich bin unterdessen um einiges vorangekommen. Das Buch liest sich gut, sowohl inhaltlich als auch stilistisch, wenn es auch wenig anspruchsvoll ist. Mae erfüllt inzwischen die Erwartungen, die man in sie setzt. Bei dieser Kommunikation durch Postings, Zings und Likes etc. frage ich mich, wie ehrlich das alles ist, wenn man in erster Linie postet, um Plätze gutzumachen. Das müsste doch auch den Chefs klar sein, die so viel Wert darauf legen. Auch gedanklich passt sie sich den Vorgaben an. Sie ist jetzt auch "transparent", was bedeutet, dass sie mit einer Minikamera den ganzen Tag live ins Internet sendet und jeder Schritt, jedes Wort von ihr unter den Augen von teilweise Millionen Menschen geschieht. Dadurch steht sie ständig vor der Aufgabe, sich so zu verhalten, dass sie eine Vorbildfunktion erfüllt. Die spontane, echte Mae bleibt dabei fast völlig auf der Strecke.


    Die Vorstellung von der technischen Ausrüstung fasziniert und erschreckt mich gleichzeitig. Mae hat an beiden Handgelenken Minicomputer, die ihr alle möglichen Daten aktuell anzeigen. Außerdem noch diese Kamera um den Hals. Noch ist sie eine von wenigen, die so herumläuft, aber das Ziel des Circle ist es, alle Menschen so gläsern zu machen, weil jeder ein Recht auf sämtliche Informationen hat. Die hehren Ziele sind z. B. Vermeidung von Verbrechen oder Minimierung von Steuern, das aber auf Kosten der Privatsphäre des Einzelnen. Natürlich gibt es heute schon Leute, die alles mögliche ins Netz stellen, aber im Buch davon auszugehen, dass alle dieses Bedürfnis haben, ist schon reichlich blauäugig von den Circle-Bossen. Ich frage mich ohnehin, welches Ziel die drei Chefs verfolgen. So ganz selbstlos kann das nicht sein. Abgesehen von dem Reichtum steht da sicher noch ein gewisses Machtbedürfnis dahinter.


    Mae hat im Moment das Problem, dass ihre Eltern, die wegen der Übernahme der Krankenversicherung nun auch unter den Augen von mehreren Kameras leben müssen, die Sache eigentlich völlig ablehnen. Auch Maes Ex-Freund Mercer steht dem Internet grundsätzlich skeptisch gegenüber. Mae versteht diese Ablehnung nicht, was zu einigen Unstimmigkeiten führt.


  • Sie ist jetzt auch "transparent", was bedeutet, dass sie mit einer Minikamera den ganzen Tag live ins Internet sendet und jeder Schritt, jedes Wort von ihr unter den Augen von teilweise Millionen Menschen geschieht. Dadurch steht sie ständig vor der Aufgabe, sich so zu verhalten, dass sie eine Vorbildfunktion erfüllt. Die spontane, echte Mae bleibt dabei fast völlig auf der Strecke.


    Das fand ich total gruselig. Einfach so die Privatsphäre zu opfern :entsetzt:


    Zitat

    Die hehren Ziele sind z. B. Vermeidung von Verbrechen oder Minimierung von Steuern, das aber auf Kosten der Privatsphäre des Einzelnen. Natürlich gibt es heute schon Leute, die alles mögliche ins Netz stellen, aber im Buch davon auszugehen, dass alle dieses Bedürfnis haben, ist schon reichlich blauäugig von den Circle-Bossen.


    Dass praktisch alle da einfach mitziehen, ohne zu hinterfragen, fand ich auch sehr unrealistisch. Das würde in der Wirklichkeit nicht ganz so einfach funktionieren (zum Glück).

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    Leonard Cohen





  • Dass praktisch alle da einfach mitziehen, ohne zu hinterfragen, fand ich auch sehr unrealistisch. Das würde in der Wirklichkeit nicht ganz so einfach funktionieren (zum Glück).


    Es wird aus der Sicht des Circle erzählt, daher ist es verständlich, dass wenig Ablehnung kommt. Mitarbeiter, die das Firmenziel nicht unterstützen, dürften das Unternehmen schnell wieder verlassen, wenn nicht aus eigenem Antrieb, dann auf Betreiben von oben. Im echten Leben gäbe es bestimmt Widerstand. Es gibt immer Leute, die von Haus aus dagegen sind, egal worum es sich handelt. :zwinker:


  • Im echten Leben gäbe es bestimmt Widerstand. Es gibt immer Leute, die von Haus aus dagegen sind, egal worum es sich handelt. :zwinker:


    Stimmt, die gibt's immer. Und auch ein paar, die mit etwas mehr Grips protestieren :breitgrins:


    Kann sein, dass das im Buch erst später kommt - es gab auch ein paar Entwicklungen, die die Gesellschaft im allgemeinen betrafen und nicht nur den Circle als Firma, gegen die mir zu wenig Protest aufkam.


    Allein schon dieses "TruYou"-Konzept würde im Leben nicht funktionieren.

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    Leonard Cohen





  • Mae hat inzwischen die Firmenleitsätze so sehr verinnerlicht, dass sie selbst einen bahnbrechenden Vorschlag für ein neues Tool macht, der mit Begeisterung aufgenommen wird, im Grund aber auf eine Bevormundung der Circle-User und eine Monopolisierung des Unternehmens hinausläuft. Die Frage ist, ob sich das umsetzen lässt. Dank der Kamera sind Millionen von Menschen live dabei. Die Reaktionen mancher dieser Menschen bringt Mae zum Staunen. Sie kann sich nicht vorstellen, dass man das neue Tool anders als zu dem gewünschten Zweck einsetzt, aber es gibt sicher Zeitgenossen, die das zu ihrem eigenen Vorteil nutzen möchten. Nicht anders als die drei Circle-Chefs. Wie kann man nur so gutgläubig sein? Wie oft gibt es Menschen, die nicht früher oder später ihre Macht zu ihrem ganz persönlichen Vorteil nutzen? Vermutlich ziemlich selten. Da von Maes Vorschlag die amerikanische Regierung ganz wesentlich profitiert, könnte ich mir vorstellen, dass am Ende Circle verstaatlicht wird. Sonst sitzt die Regierung irgendwann nicht mehr in Washington, sondern in San Vincenzo, Kalifornien.


    Zwischen Mae und ihrer Freundin Annie geht auch schon unbewusst das Gerangel um den besseren Platz innerhalb der Circle-Spitze los. Das Unternehmen ist auf dem Weg in eine absolute Monopolstellung und da wollen beide mitmischen, auch wenn ihnen wohl noch nicht klar ist. Ob sich Mae ab und zu Gedanken über ihren Lebensweg macht? Vor einem Jahr war sie noch Angestellte bei den Gaswerken mit geregeltem Acht-Stunden-Tag und einem normalen Privatleben, und davon ist jetzt rein gar nichts mehr übrig.


    Ich bin wirklich gespannt, wie das endet.

  • Ich bin jetzt fertig mit dem Buch und noch voller Gedanken. Sich noch mehr mit den Circle-Innovationen zu identifizieren als Mae ist wohl kaum möglich. Sie hat jetzt alle Möglichkeiten und nutzt sie auch. Sie hat Macht und setzt sie ein, aber ich glaube, das ist ihr gar nicht bewusst. Oder sie würde es anders interpretieren.


    Die Symbolik mit dem gläsernen Hai im Gemeinschaftsbecken gefällt mir gut, auch wenn sie schon fast ein bisschen zu offensichtlich daherkommt. Selbst wenn er im wahrsten Sinn des Wortes durchschaubar ist - was hilft es, wenn man sich ihm völlig anvertraut? Bevor die anderen merken, was los ist, sind sie schon mit Haut und Haaren gefressen. Nichts ist es mit Koexistenz. Bleibt nur zu hoffen, dass die Leser sich in ihrer Rolle als kleine Fische wiedererkennen.


    Schade, dass ich das Buch nicht schon gelesen hatte, als die Diskussion dazu hier im Gang war. Aber jetzt werde ich alles nachlesen und sehen, wie die Geschichte bei euch angekommen ist.

  • Noch ein paar abschließende Gedanken zum Schluss. Das Buch hat mir gefallen, auch wenn es stilistisch relativ anspruchslos ist, aber es hat mich sehr nachdenklich gemacht. Die tatsächliche Handlung ist mit wenigen Schauplätzen und Figuren eng gesteckt. Dafür habe ich weit intensiver darüber nachgedacht als bei manch anderem Buch, denn was hier passiert, geht uns alle an.


    Die meisten von uns sind in irgendwelchen sozialen Netzwerken oder kaufen zumindest online ein. Dabei macht man sich manchmal wenig Gedanken über die Spuren, die man im Netz hinterlässt. Doch schon spärliche Angaben genügen, um uns als Nutzer genau zu kategorisieren und unser Verhalten im Netz zu beeinflussen. Jeder kennt die Werbebanner, die ständig aufpoppen und auf genau auf unseren Internetkonsum zugeschnitten sind. Dave Eggers geht noch weiter und zeigt auf, welche Machtpositionen manche Unternehmen schon einnehmen oder darauf hinarbeiten. Bei ihm läuft alles auf eine Monopolstellung hinaus.


    Im wirklichen Leben ist das noch nicht der Fall, aber wenn man sieht, welche Vormachtstellung Unternehmen wie facebook oder Amazon inzwischen einnehmen, ist es gut vorstellbar, dass wir auf etwas Ähnliches wie den Circle zusteuern könnten. Jeder sollte sich überlegen, wie er den Größen des Internets in die Hand spielt, wenn er aus reiner Bequemlichkeit alles beim selben Anbieter online kauft oder sich mit unzähligen Likes, Followern und Freunden in sozialen Netzwerken umgibt. Oder ob er unbedingt jede Tätigkeit mit Fotos in aller Öffentlichkeit präsentieren muss.


    Ich für meinen Teil bin da eher zurückhaltend und werde es angesichts des Circle-Szenarios auch weiterhin bleiben.


    4ratten

  • Ich freue mich nach Beendigung des Romans so viele unterschiedliche Meinungen hier lesen zu können und ich kann mich im Bezug auf Social Media nur Suse anschließen. Ich merke das selber ganz persönlich - durch zwei Video-Apps. Auf beiden bin ich aktiv und wenn ich es nicht bin bekomme ich mehrere Nachrichten von Followern oder intern aus der Community. Es hat mir eine richtige Gänsehaut bereitet wie Mae auf ihre Anfragen eingegangen und konkret Wünschen nachgekommen ist. Nicht weil ich es selber so handhabe, sondern sehe, wie andere es tun die täglich Videos posten. Was auch beängstigend ist, ist der Glaube von fremden Menschen, dass sie einen kennen. Die paar Snippets die man von sich gibt entwickelt sich in den Köpfen vieler direkt zu einem Gesamtbild von einer Person die man selber gar nicht darstellt.


    Zu dem Roman selbst, ich bin auch der Meinung, dass die Sprache sehr gut lesbar gestaltet wurde und auch junge Leser damit zurecht kommen. Ich hätte mich auch nicht in jeder Situation so verhalten wie Mae, niemals. Aber darum ging es auch gar nicht, ich sollte mich nicht mit dem Hauptcharakter identifizieren, sondern die 21jährige, die denkt, dass die vielen Follower und ständige Internetpräsenz durch z.B. Facebook, äquivalent ist zu echter Zuneigung und echten Emotionen mit Freunden und der eigenen Familie.


    Es regt zum diskutieren und nachdenken an. Und ich habe es schon mehreren Leuten aus näherer Umgebung und auch Netzwerken empfohlen.


    4ratten

  • In einer Realität, in der das Mitgefühl mit Fremden und der Respekt vor dem Eigenen durch die Forderung nach absoluter Transparenz aufgelöst wird, findet sich die ehrgeizige Mae wieder. Sie ist eine junge Frau am Beginn ihrer Berufskarriere, frustriert von ihrer ersten Anstellung und der Sorge um ihren an MS erkrankten Vater.
    Das Gesundheitssystem der USA verhindert, dass Maes Vater medizinisch betreut wird. Die Krankenversicherung verweigtert ihm nach ein paar Jahren der medikamentösen Behandlung die Fortsetzung der Finanzierung. Mae selbst, Absolventin einer guten Univerität und hoch verschuldet durch die Studiengebühren, kann es kaum erwarten beim Weltkonzern "Circle" anzufangen. Was genau der "Circle" tut wird nicht beschrieben, er sammelt hauptsächlich Daten im Internet, führt diese zusammen und bewertet beständig alles, was durch ihn ermittelt wird; man kann Firmenanteile an der Börse kaufen und er verkauft die gesammelten und ausgewerteten Daten.
    Mae nimmt alles in Kauf. Blauäugig lässt sie sich verwanzen, sie unterschreibt Verträge mit ihrem neuen Arbeitgeber ohne sie zu lesen und gibt in täglichen Surveys alle möglichen persönlichen Informationen preis.


    Der Circle ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil steigt Mae beruflich ein und wird gemeinsam mit dem Leser an die Materie herangeführt. Im zweiten, eigentlich wichtigsten Teil, gibt es eine spannende Konfrontation mit Maes früherem Leben, das sie mittlerweile ablehnt. Ihr Exfreund Mercer spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dass sich getrennte Paare gegenseitig Vorwürfe machen und viele Reibungspunkte besonders hervorgehoben werden ist nichts besonderes. Mercer möchte nicht, dass sein Privatleben in der Onlinegemeinschaft bekannt wird, was Mae jedoch nicht respektiert. Der Konflikt spitzt sich immer weiter zu und zeigt Mae und die Mitglieder des Circle als komplett empathielos und nur auf ihr Ziel fokussiert - die Transparenz aller Gesellschaftsmitglieder.


    Der Circle ist mittlerweile mehr als nur eine Daten sammelnde Analysewerkstatt. Es wird kartographiert, Geschichte wird aufgearbeitet und das Ziel ist, dass alle Informationen zugänglich sind. Am Bespiel von Maes Kollegin und Freundin Annie wird gezeigt, wie drastisch die Offenlegung der eigenen Familienvergangenheit sein kann.
    Der Circle fordert transparente Politiker und all jene, die sich weigern ihr Leben mittels Kameras und Überwachungstechnologie öffentlich einsehbar und nachverfolgbar zu gestalten, passieren plötzliche Unfälle, sie werden unheilbar krank oder als Perverse geoutet werden, etwa durch Kinderpornographieaffären. Solche Ereignisse hinterfragt Mae nicht. Eggers flicht andere Figuren ein, die Mae beharrlich als Verschwörungstheoretiker abtut.


    So nimmt die Geschichte des Circle seinen Lauf und kausal schlüssig, wenn auch wenig nachvollziehbar erlebt die Hauptfigur Mae eine Wandlung.
    Mir hat beim Lesen eindeutig eine starke kritische Stimme gefehlt, eine die mehr ist als ein Briefe schreibender Exfreund oder besorgte, aber ansonsten passive Eltern. Eingangs konnte ich Maes Verhalten sehr gut nachempfinden. Wäre ein geliebter Mensch krank und wäre meine berufliche Tätigkeit die einzige Option diesem Menschen eine Krankenversorgung sicherzustellen, dann würde ich mich auch gezwungen sehen zu arbeiten. Aber Mae tut mehr als das. Sie ist dankbar für die Chance.


    Für mich war Der Circle eine echte Überraschung. Ich habe im Vorfeld nur gelesen, dass er oft mit Aldous Huxleys Schöner neuer Welt verglichen wird und kann dem nur wenig zustimmen. Natürlich ist es eine schreckliche Vorstellung, aber Der Circle ist wesentlich greifbarer und näher an der Realität als die völlige Abschaffung von Menschenrechten für Frauen und einer totalitären Überwachung wie es in Huxleys Roman passiert. Wir geben täglich enorme Mengen Daten über uns preis und sind auch durch unsere Volksvertreter einverstanden mit Vorratsdatenspeicherungen, mit Nacktbildscannern, mit Datenverkehr über unsere intimen Details wie Krankenakten und Aufenthaltsorte.
    Die Frage, die bleibt, ist ob wir die Datenspeicherung verurteilen müssen und ob es nicht eher an der Zeit wäre, sinnvolle Kontrollinstanzen zu schaffen. Eine neue Form von Kartellamt, das die Konzerne überwacht und das die Sicherheit der Daten über Menschen und die Umwelt gewährleistet und schützt.
    Dafür müsste man Forschung betreiben, definieren was schützenswert und was privat ist. Wahrscheinlich wird es eine solche Entwicklung erst geben, wenn durch den Verlust der Kontrolle über unsere Daten eine ernstzunehmende Problematik entsteht, denn zu großen Entwicklungen sind Menschen oft erst nach Katastrophen und Krisen in der Lage.
    Für mich ist Der Circle ein wichtiger Buchtipp.

  • Inhalt


    Aufgrund ihrer Kontakte aus College-Zeiten erhält die junge Mae einen Job beim „Circle“, des Internetgiganten der Zukunft, der die aktuellen Riesen wie Facebook oder Google weit hinter sich gelassen hat. Bahnbrechend war hierbei der Siegeszug des „TrueYou“, eine Art Deanonymisierung der Internetnutzer.
    Während Mae sich durch die sozialen Hierarchien und Gepflogenheiten des Circles kämpft, überflutet der Kreis die Welt mit preiswerten und hochwertigen Kameras. Als einer der ersten Menschen wird Mae „transparent“, das heißt, ihr ganzes Leben wird von einer der Kameras begleitet – ihre Privatsphäre ist damit zunichte und der Totalüberwachung Vorschub geleistet. Dann taucht der mysteriöse Kalden auf und beginnt, ein seltsames Spiel mit ihr zu treiben…


    Meinung


    Auch wenn der Roman von seiner literarischen Qualität eher schwach ausfällt, sowohl was das schriftstellerische Niveau als auch die der Handlung betrifft, hat Eggers einige nette Ideen, wie eine informationstechnische, zukünftige Dystopie aussehen könnte.


    Das beginnt schon mit der Schilderung der „Circle“-Zentrale: ein gläserner Bau, ähnlich wie ein Panoptikum aufgebaut, Transparenz und Durchsichtigkeit, wohin man sieht. Um die Angestellten abzulenken, das darf man zweien der drei Weisen getrost unterstellen, wird er mit luxuriösem Ambiente und materiellen Konsumgütern abgelenkt. Für jeden Geschmack finden sich Gleichgesinnte. Kann eine Firma schlecht sein, die ihren Angestellten so viel Gutes tut? Kaum, dass dieser Gedanke auftaucht, ist er auch schon wieder zwischen Wellnesstempeln und wilden Partys verschollen. Auch die Kameras greifen unter dem Namen „SeaChange“ das Panoptikum-Thema wieder auf: moderne Technik macht die besondere Architekturform unnötig.


    Symptomatisch für die völlige Überfrachtung der Mitarbeiter ist die tägliche Zunahme von Maes Bildschirmen – erneut eine geniale Idee des Autors. Die Informationsflut, die täglich, nein stündlich auf Mae niedergeht, hat schon bald die Ausmaße eines Tsunami angenommen. Aufgrund der Vielzahl an „Zings“, dem Twitter/Facebook/Instagram/et. –Ersatz kann Mae sich kaum noch auf ihre Arbeit konzentrieren, bzw. verbringt Stunden damit, mit wildfremden Leuten zu kommunizieren.


    Unweigerlich fühlt man sich an die aktuellen Entwicklungen erinnert. Kaum ein schöner Augenblick, der nicht sofort über Netz verteilt, kommentiert und geliked werden kann, keine Unterhaltung, kein Essen, ohne dass ständig der Blick in Richtung Smartphone geht – Eggers beschreibt bloß satirisch eine mögliche, aber realistische Entwicklung. Etwas stutzig macht allenfalls die Zahl von Maes Kontakten: sie steht in Kontakt mit allen Circlern (mehr als 10.000), bei jeweils „vorgeschriebenen“ 10 Zings am Tag und bei einer rekordmäßigen Sekunde pro Nachricht, wäre Mae schon allein mit dem beantworten der Zings bzw. dem Lesen rund um die Uhr beschäftigt. Der PartizipationsRang erinnert an den Wert der Daten in Elsbergs „Zero“ (dieses Buch habe ich ebenfalls rezensiert), und wenn Mae von „sozialem Rückstand“, also unbeantworteten Zings spricht, muss man Mercers Ansicht zustimmen: Maes Ex, beschrieben beinahe als internetfeindlicher, hoffnungslos konservativer Hinterwäldler, bezeichnet es richtigerweise als Klatsch und Tratsch.


    Die „moralische“ Verpflichtung, in den sektenähnlichen Kreis der Circler vollumfänglich einzutreten, zu partizipieren, die Aufgabe der Anonymität im Internet durch das wahre ich, des TrueYou, und das geniale Ende (der angedrohte Angriff auf die gedankliche Privatsphäre – „Die Gedanken sind frei“ war einmal) machen den Roman zu einer fantasievollen Dystopie mit vielen gelungenen Elementen. Insgesamt lesenswert, wenn auch wie bemerkt mit literarischen Schwächen.


    Sonnige Tage und erholsame Nächte!


    4ratten

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