Die FAZ über Lese-Communities

Es gibt 108 Antworten in diesem Thema, welches 14.473 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Suse.


  • Das ist halt was ganz anderes als ein Statement: Der Protagonist ist mir nicht sympathisch.


    Ich mache das aber auch schon eine Weile und außerdem rezensiere ich offiziell für Literaturschock mir zur Verfügung gestellte Bücher. Das ist also eher so was wie ein Halb-Hobby. Und ja, ich stimme euch zu: Mit reinen Inhaltsbewertungen kann ich auch nichts anfangen. :winken: Allerdings lernt man mit der Zeit auch dazu und meine Rezensionen von früher sollten wir unter den Tisch fallen lassen :breitgrins: Trotzdem sehe ich das ganze Thema sehr entspannt. Mein Anspruch an Rezensionen auf Literaturschock ist ein anderer als der des Feuilleton (Feuilletons?) und wiederum ein anderer als der in anderen Communitys. Alles hat seine Berechtigung, für alles gibt es Leser. Ebenso kann ich übrigens mit Neuzugangsmeldungen auf Blogs nichts anfangen. Auch hier im Forum interessiert mich das nicht (mehr). Früher habe ich in diese Bildchenthreads reingesehen, heute nicht mehr. So ändert sich das im Laufe der Zeit. Ich frage mich, ob ich daran merke, dass ich alt werde :ohnmacht:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ich bezweifle, dass man ein gutes oder schlechtes Buch alleine aufgrund des Sprachstils erkennen kann.


    Ein gutes nicht, weil noch mehr dazu gehört. Ein schlechtes: ja - weil alles stimmen muss für ein gutes Buch. Deswegen gibt's davon so wenige...


    Das würde jede Diskussion über Literatur und deren Kritik ad absurdum führen.


    Das verstehe ich jetzt nicht, tut mir leid.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Das verstehe ich jetzt nicht, tut mir leid.


    Soll heißen: Literatur ist keine Mathematik. Literatur ist lebendig, individuell und wenn man sich ansieht, wie alleine renommierte LiteraturkritikerInnen sich teilweise die Köpfe einschlagen, dann beweist das doch, dass die Bewertung eines Buches alleine aufgrund eines Kriteriums nicht möglich ist.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Sagt sandhofer ja auch nicht. Es sind immer mehrere Kriterien. Aber eben diskutierbare Kriterien. Und nicht rot ist schöner als blau.


  • Sagt sandhofer ja auch nicht. Es sind immer mehrere Kriterien. Aber eben diskutierbare Kriterien. Und nicht rot ist schöner als blau.


    Wenn sie nicht diskutierbar sind, dann wären die Diskussionen im Literarischen Quartett eben absurd gewesen. Das meinte ich damit.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Und ja, ich stimme euch zu: Mit reinen Inhaltsbewertungen kann ich auch nichts anfangen.


    Wobei eine Inhaltsbeschreibung schon wichtig ist und auch dazu betragen kann, eher zu einem Buch zu greifen oder eben auch nicht. So wie man nicht jeden Tag Appetit auf Fisch hat. Ich würde nur nicht die Bewertung vom Inhalt abhängig machen wollen.

  • Das ist also eher so was wie ein Halb-Hobby.


    Ein Halb-Hobbit? Ach so, nee...


    Ebenso kann ich übrigens mit Neuzugangsmeldungen auf Blogs nichts anfangen. Auch hier im Forum interessiert mich das nicht (mehr). Früher habe ich in diese Bildchenthreads reingesehen, heute nicht mehr. So ändert sich das im Laufe der Zeit. Ich frage mich, ob ich daran merke, dass ich alt werde :ohnmacht:


    Willkommen im Club! Die Smarties-Threads überlasse ich mittlerweile auch ihrem Schicksal. Und so mancher Blog hat mich wieder verscheucht, weil er nur Neuzugänge bebilderte. Oder Monatszusammenfassungen mit nochmals denselben Bildchen hinstellt.


    Soll heißen: Literatur ist keine Mathematik. Literatur ist lebendig, individuell und wenn man sich ansieht, wie alleine renommierte LiteraturkritikerInnen sich teilweise die Köpfe einschlagen, dann beweist das doch, dass die Bewertung eines Buches alleine aufgrund eines Kriteriums nicht möglich ist.


    Man kann verschiedene Kriterien anwenden, ja. Man kann sich auch über die Gewichtung einzelner Kriterien die Köpfe einschlagen, ja. Aber dazu müssen die Kriterien bekannt sein. Einfaches "Ich mag den Protagonisten nicht", ist kein Kriterium. Ich kenne ja den/die nicht, der/die das schreibt. Und ausserdem will ich den Protagonisten ja nicht heiraten.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Reich-Ranicki hat solche Bücher nie gelesen (dafür wurde er aber auch gescholten). Wenn er sich nicht gut unterhalten fühlte, dann fand er es auch nie gut gemacht.


    Okay, das driftet jetzt vielleicht etwas ab, aber ich gehe trotzdem mal drauf ein. :smile: Mir persönlich ist diese Ansicht zu schwarz-weiss. Ich finde ein Buch nicht automatisch schlecht, weil ich mich nicht gut unterhalten fühle davon. Wie Suse schon so schön ausgeführt hat, gibt es ja mehrere Kriterien (und ja, ich habe Kriterien). Und es gibt meine persönliche Wahrnehmung, jemand sagte mir einmal "Brille", was ich sehr passend fand. Es gibt bestimmte Themen, mit denen ich grundsätzlich nichts anfangen kann, bestimmte Einstellungen, die ich grundsätzlich ablehne und bestimmte "Typen" (seien das Charaktere, stilistische oder thematische Dinge), die mir unsympathisch sind bzw. für die ich weniger offen bin als für andere. Solch ein Buch hat automatisch weniger Chancen bei mir, einfach weil ich mich mangels Interesse gar nicht richtig darauf einlassen kann. Es ist gut möglich, dass ein solches Buch eine tolle Sprache hat und der Plot völlig ausgeklügelt und tiefgründig ist. Dinge, die mir eigentlich gefallen. Es kann aber dennoch irgendetwas enthalten, das mich dermassen stört, dass es mir trotzdem nicht gefällt. Dann ist ein Buch für mich "gut gemacht", sagt mir aber nichts.


    Ein schlechtes Buch ist es für mich erst, wenn mir wirklich das Meiste daran nicht gefällt. Gleichzeitig muss mir für ein gutes Buch nicht alles gefallen, es kann auch gut sein, wenn mir nur ein Grossteil davon gefällt und ein kleinerer Anteil weniger. Dann ist es zwar nicht so gut, wie ein Buch, bei dem mir alles gefällt (was dann ein sehr gutes Buch wäre), aber es kann trotzdem immer noch gut sein. Zwischen "gut" und "schlecht" gibt es für mich viele Schattierungen.

  • Nur ein kurzer Einwurf von mir, weil die Bälle hier so schnell hin- und herfliegen, dass ich kaum noch hinterherkomme. :breitgrins: Schön, dass die Diskussion bislang so ruhig und sachlich verläuft. Da hatten wir hier schon ganz andere Auseinandersetzungen zu diesem Thema.


    Klassikfreund und Sandhofer haben schon alles gesagt, was auch ich hätte sagen wollen. Ob mir ein Buch gefällt, mache ich nicht davon abhängig, ob mir der Protagonist sympathisch ist. Nehmen wir zum Beispiel Dostojewskis "Schuld und Sühne": Raskolnikow ist nun wahrlich kein Sympathieträger, dennoch hat es Dostojewski großartig verstanden, mir das Wesen dieses durchgeknallten Widerlings näherzubringen. Deswegen hat mir dieses Buch gut gefallen: nicht weil ich die Figuren sympathisch oder die Handlung spannend fand (verkürzt "Inhalt"), sondern weil mir die Präsentation zusagte ("Stil").


    Gleichwohl ist mir im Laufe dieser Diskussion klargeworden, dass nicht jeder Leser solch einen - ich sage mal objektiven - Maßstab ansetzt, sondern dass hier durchaus auch Sympathie und Antipathie mit den Figuren oder eine spannende Handlung eine große Rolle für die eigene, subjektive Beurteilung eines Werks spielen.


    Wie Du schon schreibst, Stormy:



    Ich bekomme den Verdacht, dass wir es nicht nur mit verschiedenen Wahrnehmungen, sondern auch verschiedenen Arten zu lesen zu tun haben.


    Ich auch. Gut, dass wir darüber reden. :smile:


    Wenn ich mich selbst so betrachte, habe ich allmählich den Verdacht, dass dies auch eine Frage des Alters oder der eigenen Lesehistorie sein könnte. Früher, als Jugendlicher und junger Erwachsener, habe ich auch hauptsächlich anspruchslose Literatur gelesen (von "John Sinclair" und "Perry Rhodan" schweige ich jetzt mal lieber :breitgrins:), weil für mich der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund stand. Irgendwann im Laufe der letzten Jahre begann ich mich jedoch mehr und mehr für Bücher zu interessieren, die nicht in erster Linie handlungsgetrieben oder "spannend" sind, sondern die mir etwas über den Menschen und die Welt da draußen zu sagen haben und aus denen ich etwas für mich selbst ziehen kann. Insofern muss ein guter Roman für mich keine spannende Handlung oder sympathische Figuren haben. Im Gegenteil: Literatur, bei der eine spannende Handlung im Vordergrund steht, die aber keine interessanten Figuren zu bieten hat (gerne auch Unsympathen :zwinker:), beginnt mich mehr und mehr zu langweilen.

  • Ich habe den Artikel aus Zeitmangel nicht komplett gelesen und kenne nur die Zitate hier. Ich bin ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits ärgert es mich, wenn (gefühlt?) die Leser "anspruchsloser" Bücher im Feuilleton (Mehrzahl Feuilletöner? :breitgrins: ) durch den Kakao gezogen werden, weil für mich durchaus manchmal eine leichte Arroganz mitschwingt oder zumindest so ein leises Belächeln, so als sei Lesen erst richtiges Lesen, wenn man Tolstoi und Jelinek liest und nicht "nur" Rebecca Gablé oder Elizabeth George.


    Andererseits kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Welt der Bücherforen und anderer Communities für so manchen Feuilletonisten tatsächlich Neuland ist und er sich da wie auf einem fremden Planeten vorkommt. Die Bemerkung, "man" hätte von den meisten Autoren, die gerade beliebt zu sein scheinen, noch nie gehört, mag sich für deren Fans durchaus arrogant anfühlen (ich nehme mich da in einigen Fällen selber ja auch nicht aus), und vielleicht hätte es sich auch weniger spitz angehört, persönlicher zu formulieren und nicht das allgemeine "man" zu wählen.


    Aber wenn wir ehrlich sind, geht es uns doch allen so, dass es x Autoren gibt, von denen wir noch nie gehört haben. Weil uns das Genre nicht interessiert, weil sie zu frisch oder schon viel zu lange auf dem Markt sind, oder vielleicht einfach nur, weil sie uns rein zufällig noch nie über den Weg gelaufen sind. Und bestimmt hat der eine oder andere von uns ja auch schon mal insgeheim den Kopf geschüttelt, wenn Freunde, Verwandte oder Kollegen freudestrahlend behaupteten, gerne zu lesen, und sich dann über "Shades of Grey", Vampirschnulzen oder Nackenbeißer [oder wahlweise irgendeinem anderen Genre/Titel, womit man selbst nichts anfangen konnte] austauschen wollte ;)


    MacOss' letzter Absatz hat für mich (mal wieder :breitgrins: ) einen ziemlichen Wiedererkennungseffekt. Auch ich lese mittlerweile selektiver. Nicht unbedingt nur Anspruchsvolles - für einen guten Krimi oder eine unterhaltsame Familiengeschichte bin ich nach wie vor zu haben - aber ich wähle doch viel stärker aus und ärgere mich über abgedroschene Plotelemente, unglaubwürdige Figurenzeichnung oder missglückte Sprache viel mehr als früher. Wahrscheinlich sind das einfach Erfahrungswerte :belehrerin:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Die Diskussion entzündete sich ja nicht zuletzt an dem Begriff der "anspruchslosen" bzw. "anspruchsvollen" Literatur. Und beim Versuch, diesen Anspruch zu definieren wird klar, dass jeder unter anderen Voraussetzungen an die Dinge herangeht. So muss auch der Leser selbst bestimmte Ansprüche erfüllen, z.B. was die Fähigkeit betrifft, das Gelesene zu verarbeiten und einzuordnen, und hierfür spielen u.a. der Bildungsstand, das literarische Vorwissen und die eigene Lebenserfahrung eine Rolle. Diese Voraussetzungen sind bei allen unterschiedlich ausgeprägt, insofern mag dem einen anspruchsvoller sein, was dem anderen zu anspruchslos ist.


    Und dass einem belesenen FAZ-Feuilletonredakteur (der unter Umständen auch eine entsprechende wissenschaftliche Vorbildung hat) die bei LovelyBooks hauptsächlich behandelte Mainstreamliteratur zu anspruchslos ist und dies auch so benennt, mag er möglicherweise gar nicht abwertend gemeint haben. Es ist ja auch immer zu berücksichtigen, für welche Zielgruppe er seinen Beitrag geschrieben hat. Denn offenbar tummelt sich der typische Feuilletonleser selten in Büchercommunities. Und umgekehrt. :zwinker:

  • Erschwerend kommt natürlich hinzu, das Ironie und Sarkasmus in einem Text auch fehl gedeutet werden können. Man hat ja keine Mimik und Gestik die manches eventuell etwas weniger hart erscheinen lassen könnte.


  • Die Bemerkung, "man" hätte von den meisten Autoren, die gerade beliebt zu sein scheinen, noch nie gehört, mag sich für deren Fans durchaus arrogant anfühlen (ich nehme mich da in einigen Fällen selber ja auch nicht aus), und vielleicht hätte es sich auch weniger spitz angehört, persönlicher zu formulieren und nicht das allgemeine "man" zu wählen.


    Okay, stimmt, sowas geht nicht. Formulierungen wie z.B. "Wie man weiß..." gehen meistens daneben, weil eben nicht unbedingt jeder weiß. Sowas kommt überheblich rüber. Das muss einem professionellen Schreiber bewusst sein.

  • Wobei mir beim nochmaligen Lesen des Textes auffällt, dass er generell "man" sagt, wenn er "ich" meint, so z.B. hier:


    Zitat

    So steht man etwa als feuilletongeprägter Bestsellerlistenignorant zunächst einigermaßen entgeistert vor der größten deutschsprachigen Online-Literaturplattform LovelyBooks, auf der eine riesige Community beneidenswert enthusiastisch Bücher wälzt. Es ist der lebendige Buchmarkt - und man erkennt nichts wieder. Jamie McGuire, Emma Hart, Aileen P. Roberts, Kevin Hearne, Abby Clements, Tom Finnek, Martin Krist oder Samantha Young heißen etwa die auf der Startseite ins Auge springenden Edelfedern, die offenbar mordsbeliebte Liebes-, Ritter-, Fantasy-, Kriminal- und Erotikromane verfasst haben. Und so geht das immer weiter beim Durchklicken: Namen über Namen, die man noch nie gehört hat.


    Insofern meint er das vielleicht gar nicht mit Allgemeingültigkeitsanspruch, sondern drückt nur etwas unglücklich seine Sicht aus...

  • Da merkt man vielleicht auch den wissenschaftlichen Hintergrund des Autors (ich hab ihn gegoogelt, er hat u.a. Germanistik studiert). Es ist in wissenschaftlichen Arbeiten in Deutschland oftmals noch sehr verpönt von Ich zu sprechen, auch wenn sich das momentan langsam durchsetzt.

  • Ich habe gerade auch mal einen Blick in die Zeitung geworfen: Das "man" scheint journalistisch üblich zu sein, es sei denn, es soll eine explizit persönliche Meinung (z.B. ein Kommentar) transportiert werden. Insofern darf man (:zwinker:) ihm das "man" nicht vorwerfen, auch wenn's im ersten Moment bei Aussagen wie den obigen irritierend wirkt.

  • Stimmt, das liest man ( :breitgrins: ) wirklich häufig. In diesem speziellen Falle hätte ich aber tatsächlich ein persönlicheres Pronomen begrüßt, dann wäre auch dem nicht-so-häufig-Feuilleton-Leser klar gewesen, wie's gemeint ist.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich habe gerade auch mal einen Blick in die Zeitung geworfen: Das "man" scheint journalistisch üblich zu sein, es sei denn, es soll eine explizit persönliche Meinung (z.B. ein Kommentar) transportiert werden. Insofern darf man (:zwinker:) ihm das "man" nicht vorwerfen, auch wenn's im ersten Moment bei Aussagen wie den obigen irritierend wirkt.


    Ich finde es gut, dass er es so gewählt hat: Sonst würden wir eine sehr interessante Diskussion vielleicht gar nicht führen :zwinker:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Aber was mich noch interessieren würde: Wie ist der FAZ-Artikel eigentlich bei LovelyBooks selbst aufgenommen worden? Ist jemand von uns dort angemeldet und kann was zur Reaktion der Mitglieder sagen?


    Ich glaube, da finden keine "klassischen" Diskussionen statt, sondern nur die Buchdiskussionen. Jedenfalls wüsste ich nicht, wo ich dort danach suchen sollte (aber ich bin kaum auf der Seite, weil ich mich dort regelmäßig verirre :breitgrins: ). Eine Antwort würde mich aber auch interessieren.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.