Wieviel «Science» benötigt diese «Fiction»?

Es gibt 83 Antworten in diesem Thema, welches 23.459 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von sandhofer.

  • Hallo zusammen!


    Angeregt durch eine Diskussion mit Kringel im Neuen Allgemeinenen Laberthread möchte ich hier mal die Grundsatzdiskussion anregen:


    Wieviel "Science" braucht SF?


    Persönlich bin ich der Meinung, dass eine gewisse wissenschaftliche Plausibilität zu einer "anständigen" Science Fiction gehört. (Man mag den Reste dann "Fantasy" nennen oder wie auch immer.)


    Ich meine: Ich habe mich daran gewöhnt und akzeptiere es, wenn eine Reise mit einem Raumschiff von Punkt A an einem Ende der Milchstrasse nach Punkt B am andern Ende von 17.00 - 20.00 Uhr stattfindet, und dabei sowohl im Raumschiff, wie an den Punkten A und B auch nur drei Stunden vergangen sind und dazu noch ein Funkspruch meine Ankunft bereits vor zwei Stunden gemeldet hat. Nur wenig Science Fiction wäre anders möglich.


    Wenn aber die Pointe eines Werks auf etwas beruht, das keinen Sinn gibt und wohl nie einen Sinn geben wird, wie zum Beispiel der Gewinnung von Energie aus Bioelektrizität im Grossen à la Matrix - dann rollen sich mir alle Zehen- und Fingernägel. Es ist meiner Meinung nach ganz einfach zu wenig davon vorhanden (wenn die Roboter wenigstens Zitterrochen halten würden!) und was da ist, braucht doch wohl der Körper selber, sonst wär's ja nicht da, oder?


    Was meint Ihr?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Wie ich schon im ALT schrieb, sollte man mit einem Satz wie "...das keinen Sinn gibt und wohl nie einen Sinn geben wird..." nicht so schnell bei der Hand sein. Man sollte nicht dogmatisch an dem festhalten, was man zum jetzigen Zeitpunkt für gültig hält.


    Der Unterschied zwischen SF und Fantasy besteht grob gesagt eigentlich nur darin, daß Magie in der Fantasy funktioniert, in der SF aber nicht. In der SF kann die Technologie allerdings so weit entwickelt sein, daß ihre Ergebnisse usw. von Magie kaum noch zu unterscheiden sind. Man überlege sich nur mal, was ein Kelte wohl gedacht hätte, wenn ein Zeitreisender mit Taschenlampe, Handy, Laptop, iPod und Auto bei ihm aufgelaufen wäre.


    sandhofer: Im von dir monierten speziellen Beispiel klammerst du dich meiner Meinung nach zu sehr an die Logik einer Sache, die ganz andere Hintergründe haben kann. Im ALT wurde ja schon gesagt, daß die Maschinen in "Die Matrix" andere Gründe haben, die Menschen gefangen zu halten. Daß sie aus ihren Körpern Energie gewinnen, kann ein nützlicher Nebeneffekt sein. Vielleicht sind die Maschinen ja so sparsam im Umgang mit Energie, daß ihnen das bißchen reicht, was Menschen an Bio-Elektrizität abgeben? So weit ich weiß, verwertet der menschliche Körper die Bio-Elektrizität nicht selbst.


    Es gilt aber auch bei der SF immer die Regel, daß der Autor einer Geschichte nicht zuviel vom Leser verlangen sollte. Ich weiß nicht, wer diese Regel aufgestellt hat, aber sie lautet in etwa so, daß der Autor pro Geschichte nur eine fiktive/unwahrscheinliche/unrealistische Grundbedingung, auf der alles beruht, verwenden sollte. Anders gesagt: Man sollte es mit der Fiktion nicht zu weit treiben.


    Mir reicht es allerdings, wenn eine Story in sich schlüssig ist, d.h. wenn sie die fiktiven Regeln, die in ihrem fiktiven Universum gelten, nicht selbst allzu krass verletzt.

  • Nun ja, ich habe mit der "Science" teilweise so meine Probleme. Zum Beispiel habe ich gerade "Lord Gamma" gelesen. Dort stürmen am Ende soviel Wissenschaft und Formeln auf mich ahnungslosen Leser ein, da komme ich einfach nicht mehr mit.
    Für jemanden, der sich wirklich mit Physik u. Co. auskennt, mag das ja seinen Reiz haben, aber für mich sind -zumindest in diesem konkreten Beispiel- die wissenschaftlichen Belege genauso wenig nachvollziehbar wie irgendwas weit hergeholtes -will sagen: ich kann nicht mal unterscheiden, ob die dort geschilderten Fakten "science" oder "fiction" sind.


    Und im Notfall kann man sich ja immer noch sagen, daß das ganze in einem alternativen Universum spielt, wo eben andere physikalische Gesetze gelten...
    :breitgrins:

    ich lese: "Lumen"- Christoph Marzi

  • Ich benötige nicht besonders viel Science.
    Ich bin kein Naturwissenschaftler und darum auch nicht in Quantenphysik oder Hochenergietechnik (oder was auch immer) besonders bewandert. Ich möchte ein SF Buch verstehen und mich nicht von wissenschaftlichen Theorien blenden/verwirren lassen.


    Außerdem bin ich der Meinung, das man dem "Nichtwissenschaftlichen Leser" jede Menge wissenschaftlichen Unfug erzählen kann und dieser es gar nicht mitbekommen würde. Wer macht sich schon die Mühe all dieses Zeugs nachzulesen und zu kontrollieren? Die wenigsten - und ich gehöre dazu. Also kann ich auch auf wissenschaftliche Abhandlungen in den Büchern gerne verzichten.

  • Hallo zusammen, hallo sandhofer,


    ich verstehe deine Frage nicht normativ (wieviel S braucht das F, um zu gefallen?), sondern deskriptiv (wieviel S und welche S braucht das F, um noch von anderen Fs unterscheidbar zu bleiben?).
    Und hier ist eigentlich auch begriffsgeschichtlich klar: SF braucht unbedingt S und zwar naturwissenschaftliche S. Nun bestand Naturwissenschaft aber lange Zeit nicht ausschließlich aus Formeln und experimentellen Messungen, ja bis zum Ende des 19. Jahrhunderts galt die theoretische Physik, die nicht im Labor, sondern am Schreibtisch denkenderweise praktiziert wurde, als die eigentliche Physik. Wichtig war: das Nachdenken musste sich auf Naturphänomene und ihre Erklärung, Klassifizierung etc. beziehen.
    In dieser Tradition einer eher spekulativen Naturbetrachtung stehen noch viele frühe SF-Werke (und wenn du mich fragst: die besseren), in denen es nicht so sehr darauf ankommt, ob eine Erkenntnis experimentell exakt gewonnen und dann literarisch umgesetzt wurde. Wenn du eine so harte Definition für SF aufrecht erhalten willst, fallen viele klassische Texte der SF aus diesem Begriff heraus.


    Wie Kringel sehe ich außerdem ein Problem mit dem "geht niemals". Dass zB in "Matrix" aus menschlichen Körpern Elektrizität gewonnen wird, ist ein naturwissenschaftlich/technisches Element. Ich kenne nur den ersten Teil und hier ist es nicht zwangsläufig die direkte Elektrizität des Körpers, die genutzt werden muss, es könnte zB auch die Abwärme des Körpers sein, die zur Elektrizitätsgewinnung mit einer sehr effizienten Transformationstechnik genutzt wird. Und eine genaue Nachvollziehbarkeit dieser Technik vor heutigem Kenntnisstand der Naturwissenschaften kann ja nicht als Kriterium gelten, denn dann fehlt irgendwann das Element, dass für SF ja auch wichtig ist: dass sie in einer weiter fortentwickelten Zeit/Gesellschaft angesiedelt ist. Wenn du den Begriff so stark am heutigen Kenntnisstand der Physik ausrichtest, fallen ganz schnell Sachen aus ihm heraus, die nun wirklich prototypisch im Zentrum der Gattung stehen, etwa "Star Trek". Die Transportertechnologie (das "Beamen") gilt ja, glaube ich, als totaler wissenschaftlicher Humbug und sie war in der Originalserie auch nur ein Kniff, um möglichst einfache und billige Szenenwechsel zu ermöglichen. Mit einem allzu strengen Begriff hast du also in nullkommanichts das ganze Genre ausgehebelt.


    Herzlich, B.

  • Hallo,


    in Bezug auf die Menge an Science in der Fiction kann ich mich nur voll und ganz Vallenton anschließen. Ob in einem Buch das Raumschiff mit Materie-Antimaterie Antrieb oder mit dem unwahrscheinlichen Unwahrscheinlichkeitsantrieb fliegt :breitgrins: - der Otto-Normal-Schulphysiker wird sich den Kopf darüber kaum zerbrechen, ob das wissenschaftlich möglich oder totaler Humbug ist.


    Auch mit der Annahme, dass etwas nie einen Sinn ergeben wird, wäre ich eher vorsichtig. Sogar Stephen W. Hawkin und m.W. Einstein zweifelten einige ihrer eigenen Theorien aufgrund späterer Erkentnisse selber an. Wer weiß, welche Entdeckungen die Wissenschaft noch machen wird?


    sandhofer: zu "Matrix" im speziellen wollte ich noch sagen, dass für mich die Pointe der Story nicht so sehr in der Gewinnung von Energie aus Biomasse liegt, sonder darin, dass die von den Menschen gekannte "Realität" gar nicht real ist, sondern eben nur eine programmierte Matrix. Interessante Vorstellung, geniale Idee, finde ich.


    @Kringel: denke schon die ganze Zeit über den Satz "Magie funktioniert in der SF nicht" nach. Wie ist das dann mit der Macht in Star Wars? Wäre Krieg der Sterne in der Grauzone zw. Fantasy und SF? Und die massenhaften Telepathen und "Seher", die sich in div. SF auf anderen Planeten tummeln? Knifflig, knifflig...

  • Hallo trinity,


    Zitat von "trinity"

    aber für mich sind -zumindest in diesem konkreten Beispiel- die wissenschaftlichen Belege genauso wenig nachvollziehbar wie irgendwas weit hergeholtes -will sagen: ich kann nicht mal unterscheiden, ob die dort geschilderten Fakten "science" oder "fiction" sind.


    Einverstanden, aber das ist ein Problem der Darstellung, keines der Konstruktion, dh es gibt natürlich wie in jedem anderen Genre die Möglichkeit, dass ein Autor versagt. Ein SF-Buch ist keine physikalische Fachliteratur und dem muss die Darstellung Rechnung tragen. Das gilt natürlich genauso für das umgekehrte Phänomen: Wenn ein Text durch den Bezug auf naturwissenschaftliches Wissen aufgepeppt werden soll, ich aber schon als blutiger Laie merke, dass der Autor sich um genaue Beschreibungen drückt und mich mit Blendwerk bei der Stange zu halten versucht, dann taugt so ein Text natürlich auch nichts. Aber das liegt ja wiederum nicht am schieren Vorhandensein der wissenschaftlichen Elemente, sondern an der mangelhaften literarischen Umsetzung.


    Herzlich, B.

  • Zitat von "WannaBe"

    @Kringel: denke schon die ganze Zeit über den Satz "Magie funktioniert in der SF nicht" nach. Wie ist das dann mit der Macht in Star Wars? Wäre Krieg der Sterne in der Grauzone zw. Fantasy und SF? Und die massenhaften Telepathen und "Seher", die sich in div. SF auf anderen Planeten tummeln? Knifflig, knifflig...


    "Die Macht" ist ja nichts anderes als die Fähigkeit bestimmter Personen, mit Hilfe von Symbionten (Midichlorianer) ein kosmisches Energiefeld "anzuzapfen". Also keine Magie, sondern was pseudowissenschaftliches. Bei Telepathen und anderen Psi-Begabten ist es immer eine Frage der Erklärung. Steht ihre Fähigkeit im Einklang mit den (fiktiven) Naturgesetzen? Dann ist es keine Magie. Im Perry Rhodan - Universum werden Paragaben ebenfalls pseudowissenschaftlich erklärt: Dort nutzen Mutanten die superhochfrequenten Bereiche der Hyperenergie. Magie wird stattdessen ja immer dann eingesetzt, wenn es darum geht, die Naturgesetze zu brechen oder zu umgehen. Dann handelt es sich eben um Fantasy. Aber es stimmt schon: Die Grenzen sind fließend.


    @Barti: Ich würde die SF auch nicht gern auf die "Science" einengen wollen, würde die Betonung mehr auf die "Fiction" legen. Im Zeitalter der "New Wave" wurden viele Romane geschrieben, die heute als SF-Klassiker gelten, aber nur sehr wenig oder gar keine "Science" enthalten. Nimm zum Beispiel "Bruderschaft der Unsterblichen" von Robert Silverberg. Nach anderen Beispielen müßte ich jetzt erst suchen, aber es gibt mehr als genug davon.

  • Hallo alle!


    Eine Frage an sandhofer: Nur damit ich eine Vorstellung habe, was ist für dich bspweise SF mit genug S?
    Ich bin nicht übermäßig SF erfahren, aber wenn ich so drüber nachdenke, fällt mir auf die Schnelle kein Werk ein, das vom S-Faktor her wirklich wissenschaftliche Plausibilität besitzt.


    LG,


    Ragle

  • Hallo zusammen!


    Vorweg: Ich habe den Titel des Threads geändert, damit dieses blöde "&qou" aus der Anzeige verschwindet ...


    Wieviel "Science" braucht SF? Meiner Ansicht nach nicht einmal wahnsinnig viel. Damit ein Text für mich Science Fiction ist, genügt es, dass ich sehe, dass der Autor davon ausgeht, dass eine Wissenschaft (egal ob Naturwissenschaft wie Physik, Humanwissenschaft wie Psychologie) eine signifikante Veränderung bzw. Entwicklung durchgemacht hat im Vergleich zu heute. Diese Entwicklung kann durchaus etwas sein wie ein ein nach heutigen Begriffen unmöglicher Hyperraumantrieb, ein "Spungtor" oder was weiss ich. Solange die Geschichte im übrigen in sich konsistent bleibt, akzeptiere ich das.


    Was ich nicht akzeptieren kann, sind Dinge, die ich nicht glauben kann.


    Wenn einer (wie in nimues SF-Forum geschehen) eine Internet-SF-Seite vorstellt, die schon damit beginnt, dass der Autor behauptet, zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei die Zahl Pi bis auf die letzte Stelle berechnet worden, weiss ich nicht, ob ich heulen soll oder lachen - ernst zu nehmende SF ist so etwas jedenfalls nicht. Wenn ein Autor seinen Helden (einen professionellen Archäologen!) auf einer Ausgrabung in eine Höhle abseilen lässt, und beim Anhalten ziehen sich die Karabiner (!) zusammen und der Held stöhnt vor Schmerz, dann zieht sich in mir auch so einiges zusammen.


    Was für Dinge kann ich denn nun nicht glauben?


    C.K. Chesterton hat in einer seiner Father Brown-Geschichten ungefähr Folgendes gesagt. (Er sprach natürlich vom damaligen Premierminister und der damaligen Königin. Ich übersetze auch ein bisschen in die heutige Zeit.)


    Wenn mir jemand erzählt, der Premierminister sei der Geliebte der Königin von England, so kann ich das schockierend finden - aber: Ich kann es glauben, denn die Menschen könnten tatsächlich so ticken.
    Wenn mir aber einer erzählt, der Premierminister hätte in Gegenwart der Königin gerülpst und gefurzt, sich auf ihren Stuhl gesetzt und die Füsse auf ihren Schreibtisch gelegt und sie in den Hintern gezwickt, dann kann ich das schlicht nicht glauben. Warum? Kein Premierminister und keine Königin ticken "wirklich" so, nicht einmal Tony Blair und Elizabeth II.


    Und so gibt es eben auch sog. SF, die ich nicht lesen kann, weil ich ihre Grundvoraussetzung nicht glaube. Ich kann glauben (ich bin tatsächlich sogar davon überzeugt und ich habe Angst davor ... ), dass die USA sich auf eine religiös-fundamentalistische Diktatur hin bewegen. Aber ich kann nicht glauben, dass der Fundamentalismus so tickt, wie ihn Atwood beschrieben hat.


    Ich kann glauben, dass Roboter und Computer die Energiegewinnung auch aus kleinsten Energiemengen entwickeln können. Aber ich kann nicht glabuen, dass das effizienter und kostengünstiger sein soll als das Anzapfen eines riesigen Energievorrates wie z.B. der Erdwärme. Hingegen glaube ich, dass Effizienz eine Grundmaxime eines Roboterhirns sein müsste, wenn die denn schon einen Krieg gegen die Menschen gewinnen.


    In beiden Fällen sind es aber Grundvoraussetzungen der ganzen Story, die ich nicht glauben kann. Damit fallen für mich solche Werke ausser Rang und Traktanden.


    Das Beamen bei Star Trek kann ich hingegen glauben, auch wenn ich weiss, dass es physikalisch unmöglich oder gar unsinnig ist. Aber ich kann ja auch an Geister glauben, an Wesen, die plötzlich irgendwo auftauchen. Schliesslich erlebe ich es im Alltag immer wieder, dass ein Objekt (z.B. meine Schlüssel) an einem Ort auftauchen, wo sie vor zwei Minuten noch nicht gewesen sind ...


    Ich hoffe, ich war nun etwas klarer.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo sandhofer,


    Die Gesellschaft in Gilead, ist nicht unglaubwürdig, nur weil in ihr etwas institutionalisiert ist, was du nicht mit Fundamentalismus in Übereinstimmung bringen kannst, nämlich der außereheliche Beischlaf. Nebenan habe ich bereits geschrieben, dass du hier mE eine zu starke Jenseitsfixierung fundamentalistischer Strömungen, noch dazu solcher, die staatstragend sind, annimmst, und die praktischen Zwänge eines Staatsgebildes, seines Macht-und Selbsterhaltungswillens außer Acht lässt. Ich wiederhole es gerne: Der Fundamentalismus besteht nicht ausschließlich aus Selbstmordattentätern, sondern auch aus denen, die zurückbleiben und durch den Terror für sich selbst sehr diesseitigen politischen Handlungsspielraum erzwingen.


    Die Elektrizitätsgewinnung in "Matrix" mag weniger effizient sein als die aus Erdwärme, doch sie erfüllt ja noch einen zweiten Zweck: Die Kontrolle der Menschen durch die Maschinen. Die Frage ist natürlich, warum die Menschen dann in "Matrix" nicht einfach vollkommen ausgerottet werden. Wahrscheinlich, weil sonst der handlungstragende Konflikt zwischen Mensch und Maschine verschwunden und der Film damit hinfällig geworden wäre. Ich gebe zu, dass es elegantere Begründdungen für den Erhalt der Menschheit durch die Maschinen gibt. Hier kann ich nach einigem Überlegen deine Kritik ein Stück weit nachvollziehen, wenn ich auch anderes im ersten Matrix-Film deutlich schlimmer fand (nämlich das Überwinden der Matrixbarriere durch die Lie-hiebe - das war mal unglaubwürdig!).


    Das Beamen stört dich deshalb nicht, weil es zwar wissenschaftlicher Unsinn, aber eben nicht handlungstragend ist - wobei das nicht ganz richtig ist, viele brenzlige Situationen werden bei Star Trek durch das Beamen zum Guten gewendet, es gibt sogar Folgen, in denen die Technologie des Transporters eine Handlung allererst in Gang setzt, zB indem sich eine Figur in einem Transporterpuffer über Jahrzehnte am Leben erhält und sich daraus die handlungsbestimmende Situation ergibt, dass für diese Person die individuelle Zeit nicht vergangen ist (also das klassische "Jemand wird eingefroren, nach zig Jahren wieder aufgeweckt und findet sich in der neuen Zeit nicht mehr zurecht"-Syndrom).


    Alles in allem stellt sich mir deine Kritik nun eher als eine an logischer Inkonsequenz denn an wissenschaftlicher Ungenauigkeit dar: das Beamen akzeptierst du trotz seiner wissenschaftlichen Unhaltbarkeit, weil du es einfach als gesetztes Accessoire der Dramaturgie begreifst. Die menschlichen Batterien in "Matrix" akzeptierst du trotz wissenschaftlicher Vorstellbarkeit nicht, weil du keinen Grund für das Leben-Lassen der Menschen in der dort beschriebenen Welt siehst. Die Institution der "Magd" akzeptierst du nicht, weil du im fundamentalistischen Denken ein unüberwindliches Hindernis für diese Form der Instrumentalisierung des Beischlafs siehst.


    Wenn ich dich nun richtig verstanden habe, dann halte ich den Titel des Threads für irreführend.


    Herzlich, B.

  • Zitat von "Bartlebooth"

    Alles in allem stellt sich mir deine Kritik nun eher als eine an logischer Inkonsequenz denn an wissenschaftlicher Ungenauigkeit dar [...] Wenn ich dich nun richtig verstanden habe, dann halte ich den Titel des Threads für irreführend.


    Hallo Bartlebooth!


    Erstes: Ja. Zweites: Mea culpa - ich bin in meinem eigenen Thread off topic geraten ... :redface: Weil: Eigentlich wollte ich schon das disktutieren, was der Titel anzeigt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • sandi: Was die innere Logik des Unwahrscheinlichen angeht, gebe ich dir völlig recht. Besonders krasse Logik-Bugs stören mich auch, in Romanen aber viel mehr als in Filmen, weil die Gewichtung bei letzteren mehr auf dem optischen Eindruck, der Atmosphäre, den SFX und anderem liegt (bei mir jedenfalls).


    Das Problem, das du mit manchen Ideen hast, kann man in wenigen Worten zusammenfassen: Du kannst (willst) es nicht glauben. Darth Vader würde sagen: "I find your lack of faith disturbing, Mr. Sandi" - oder so. Glaub es doch einfach. Du wirst sehen: Schon machen dir die Filme/Romane viel mehr Spaß. Oder, um es mit Fox Mulder zu sagen: "I want to believe".

  • Hallo zusammen,


    @Kringel, ich dachte auch erst, sandhofer ginge es um das, was du zu Anfang angesprochen hast, nämlich um die Kohärenz eines fiktiven Universums. Doch wenn ich recht sehe, gleicht sandhofer das immer noch einmal mit seiner eigenen Erfahrung in der realen Welt ab. Und ich kann schon verstehen, dass man bestimmte Dinge nicht einfach ausblenden kann (ich kann es, wie erwähnt, bei "Matrix" ja auch nicht bei allem). Und ich finde schon, dass sandhofer mit der Frage danach, was handlungstragend ist, einen Punkt hat. Der Transporter als Accessoire zum Szenewenchsel - das wäre dann akzeptabel, der Transporter und seine nicht funktionierende Technologie als Ausgangspunkt für eine genau darauf gestützte Handlung - das funktioniert schon nur noch, indem man beide Augen zukneift.


    sandhofer, ich habe nichts gegen OTs :lachen:, manchmal sind sie ja auch notwendig und/oder bringen neue Aspekte des Problems zur Geltung (wie in diesem Fall geschehen). Es wäre allerdings dann immer noch spannend zu sehen, ob wir auch die ursprüngliche Frage ausreichend geklärt haben.


    Herzlich, B.

  • Zitat von "Bartlebooth"

    Und ich finde schon, dass sandhofer mit der Frage danach, was handlungstragend ist, einen Punkt hat.


    Dazu hatte ich ja schon geschrieben, daß es eine uralte Regel gibt, der zufolge man pro Roman/Film immer nur die Akzeptanz einer einzigen unwahrscheinlichen oder gar unmöglichen Sache voraussetzen darf. Wenn man also schon genötigt wird, die Existenz einer unmöglichen Sache zu akzeptieren, weil sonst die ganze Geschichte nicht funktionieren würde, dann sollte es nicht noch mehr unmögliche Dinge geben.


    Wobei ich Sandis Beispiel mit dem rülpsenden und furzenden Premierminister gern als Muster für etwas nehmen würde, was wir uns unter den jetzigen realen Bedingungen nicht vorstellen können. Sandi bzw. C.K. Chesterton meint, das könne er sich nicht vorstellen. Er vielleicht nicht, aber wie wird es in 60 Jahren sein? Hätte man sich vor 60 Jahren vielleicht eine weibliche Bundeskanzlerin oder einen homosexuellen Parteivorsitzenden / OB der Bundeshauptstadt vorstellen können?


    Nur weil unsere Vorstellungskraft nicht ausreicht, über reale Gegebenheiten hinauszugehen, heißt das nicht, daß es nichts gibt, was wir uns nicht vorstellen können.


    Wenn SF "nur" die Extrapolation realer Gegebenheiten ist, kann sie ziemlich langweilig sein. Gerade die extrem exotischen, "unmöglichen" Dinge sind doch im Grunde jene, mit denen man am besten spielen kann.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bartlebooth"

    [...] die Kohärenz eines fiktiven Universums. Doch wenn ich recht sehe, gleicht sandhofer das immer noch einmal mit seiner eigenen Erfahrung in der realen Welt ab.


    Es geht mir um Beides. Es ist für mich ein Kriterium für Science Fiction, dass sie mit der aktuellen Welt (des Autors!) einen logisch-inhaltlichen Zusammenhang hat. (Andernfalls handelt es sich meiner Meinung nach um Fantasy oder ähnliches ... ) Und da muss ich gewisse Dinge mit der aktuellen Welt vereinbaren können, um die Story zu glauben.


    Wenn ich sehe, dass in kleinen oder grossen Dingen geschludert wird, indem etwas beschrieben wird, dass so aus Grünen einer inneren Kohärenz oder einer Kohärenz mit "meiner" Welt nicht möglich ist, kann ich nicht weiterlesen.


    Gewisse Dinge akzeptiere ich, und wahrscheinlich bin ich auch nicht ganz kohärent in dem, was ich akzeptiere. (Ich akzeptiere in Film oder TV auch mehr als im Buch. Aber ich bin in Bezug auf Filme auch auf einem kindlichen Niveau stehen geblieben. Last but not least: Ich würde weder Star Trek noch Star Wars noch meinen Liebling Die Raumpatrouille als ernst zu nehmende SF bezeichnen. Das ist Unterhaltung ohne weiteren Anspruch.)


    @Kringi: Ich habe Chestertons Beispiel bereit den heutigen Gegebenheiten angepasst. (Bei ihm war es, wenn ich mich recht erinnere, die Tatsache, dass der Premier den Hut aufbehält und sich eine Zigarre anzündet.) Es geht nicht um die konkrete Handlung an sich, vielleicht haut man sich in 100 Jahren tatsächlich gegenseitig auf den Arsch, um sich zu begrüssen. Aber was ich nicht glauben kann, ist, dass ein Staatsmann sich seinem Staatsoberhaupt gegenüber unehrerbietig benimmt. Weil Staatsmänner und -frauen in dieser und in jeder von dieser abgeleiteten Welt einfach nicht so ticken. Natürlich kann ich mir eine Welt à la "Conan der Barbar" vorstellen, wo so etwas gang und gäbe ist. Aber dann haben wir wie gesagt, Fantasy vor uns.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • @sandl: Nee, die Unterscheidung zwischen SF und Fantasy ist eine andere, aber das hatten wir doch eigentlich schon?


    Schau: Du gehst halt immer von den Verhältnissen aus, die du kennst. Damit muß die SF irgendwie übereinstimmen, damit du sie akzeptieren kannst. Aber genau das wäre - für mich - eine Schwäche! Will sagen: In der SF sollte es möglich sein, von ganz anderen Ansätzen auszugehen. Man sollte nicht nur einfach das extrapolieren (weiterentwickeln), was man kennt, sondern man sollte in der Lage sein, sich etwas ganz neues auszudenken.


    Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Warum sollte eine Staatsform, bei dem es zum guten Ton gehört, daß man sich gegenseitig beleidigt, nicht denkbar sein? Nur weil sie JETZT nicht denkbar ist? (A propos: Warum ist sie nicht denkbar? Nur in unserem westlichen Kulturkreis? Man müßte mal recherchieren, ob es so eine Staatsform nicht vielleicht schon gibt!) Vielleicht werden unsere Begriffe von Ehre und Freundlichkeit sich in ein paar Jahren so grundlegend verändern, daß wir sie nicht wiedererkennen würden? Oder vielleicht wären sie bei einem anderen Intelligenzvolk, das eine völlig andere Mentalität hat, ganz anders? Schönes Beispiel für exotische Mentalitäten ist eine Story, deren Autor/Titel mir gerade nicht geläufig ist. Da gilt es als undenkbar, irgend etwas zu behaupten, was man nicht durch eigene Erfahrung untermauern kann (d.h. "Hörensagen" ist verpönt) und es gilt als Gipfel der Peinlichkeit, wenn man z.B. ein Gewässer durch die Zersetzungsprodukte der eigenen Leiche verschmutzen würde, so daß andere Leute zu Schaden kommen.


    Anderes Beispiel: In "Das Unsterblichkeitsprogramm" von Richard Morgan wird eine Möglichkeit entwickelt, das menschliche Bewusstsein zu digitalisieren. Soll heißen: Alle Erinnerungen, die Persönlichkeit und die Seele eines Menschen können auf einen Chip gespeichert und in einen anderen Körper übertragen werden. Das entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage, es basiert also auf nichts, was du in unserer Realität finden würdest, aber herausgekommen ist ein hochinteressanter Roman.


    Du schreibst immer: "ich kann nicht weiterlesen", "ich kann es nicht akzeptieren" usw. - schade eigentlich! Wie heißt es doch so schön: "Ich kann nicht wohnt in der Ich will nicht - Straße"... :zwinker:

  • Warum muß man eigentlich immer auf einen gemeinsamen Konsens hinarbeiten? Wenn sandhofer eine andere Meinung, eine andere Schmerzgrenze hat als der Rest, ist das doch OK.


    Wenn sandhofer sagt, "ich kann nicht weiterlesen" oder "ich kann es nicht akzeptieren" ist das doch völlig in Ordnung. Das muß man doch auch mal so stehen lassen. Diesen Thread habe ich nicht als Grundsatzdiskussion empfunden, sondern als ganz normale Fragestellung mit Meinungsäußerung.


    Um mal das Beispeil von Kringel zu strapazieren:


    "Ich kann nicht wohnt in der Ich will nicht - Straße, direkt neben der -mußt du aber trotz allem so sehen wie ich- Villa." Sorry, Johannes ist nicht bös gemeint. :winken: