Deutscher Buchpreis 2015

Es gibt 82 Antworten in diesem Thema, welches 14.602 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • In gut 30 Minuten geht die Lesung los. Die Autoren stehen schon drauasen am Portal und geben Interviews.

  • Die Veranstaltung ging nach den üblichen Grußworten mit Erpenbeck los. Mich überzeugt ein Roman zur Flüchtlingsproblematik wenig, v.a. da er das große Thema Fremdenfeindlichkeit fast vollständig ausspart. Dieses Fass wollte sie nicht auch noch aufmachen, erläuterte Erpenbeck auf eine Frage des Moderators.


    Dann ging es mit Rolf Lappert weiter. Man erinnert sich kaum noch daran, worum es in dem Buch ging.


    Schwitter erzählt über die Liebe und wer hat nicht schon einmal im Internet nach seiner ersten Liebe mit Google gesucht. Die Anlage des Romans verlangt nun aber 12 Männergeschichten (passend zu den 12 Aposteln) und schon im gelesenen Kapitel 3 schreibt die Autorin darüber, ob sie denn wirklich auf 12 Kapitel komme. Das alles in einer recht alltäglichen Umgangssprache. Überzeugt mich so gar nicht.


    Nach der Pause ging es dann mit Frank Witzel weiter. Für mich die Entdeckung des Abends. Witzig, intelligent, politisch. Dennoch gut zu verstehen. Beleuchtet die Zeit der 60er und 70er Jahre. Märklin und Fleischmann, Pelikan und Geha. Und noch vieles mehr. Außerdem ein Wechsel vieler Stile (sogar Gedichte sind enthalten), auch wenn es nur wenig zu hören gab. Der Sieger des Abends. Aber sein Buch umfasst mehr als 800 Seiten, ist laut Leserrezensionen schwer zu verstehen und weist einige Längen auf. Also nur eine Anerkennung mit der Shortlist-Nominierung. Aussichtslos für einen Sieg.


    Dann kam Inger-Maria Mahlke mit ihrem Tudor-Thema "Wie Ihr wollt", dabei ganz bewusst aber keinen historischen Roman schreibt. Sie bleibt in der heutigen Alltagssprache und die zu Gehör gegebene Leseprobe ist sprachmächtig und macht aufgrund des gewalttätigen Inhalts ein wenig sprachlos. Starke Schreibe, aber recht beliebiger Stoff.


    Den Schlusspunkt setzte Ulrich Peltzer. Hier musste sogar der Moderator Gert Scobel (bekannt aus 3sat) zugeben, dass er an diesem Buch fast gescheitert wäre. Erst nach 200 Seiten habe es "Klick" gemacht und dann war es für ihn großartig. Beim Publikum sah ich doch einige Fragezeichen bei den Antworten des Autors auf die Fragen des Moderators.


    Letztlich wird dann wohl doch Jenny Erpenbeck gewinnen. Alle Romane haben durchaus ihre Qualitäten, für ein großes Leserpublikum sind sie meistens nicht geeignet.

  • Hallo Kalssikfreund,


    danke für deinen Bericht. Schade das es bei Herrn Lappert so gar nichts zu sagen gibt, aber ich denke ich gebe ihm eine Chance...


    Ich bin gespannt ob nun tatsächlich Frau Erpenbeck gewinnt, oder ob wir noch überrascht werden...


    Grüße
    schokotimmi

  • Danke für den Bericht, Klassikfreund! Ich wäre zu gerne bei der Veranstaltung dabei gewesen.


    Persönlich liege ich gerade in den letzten Zügen von Trojanows "Macht und Widerstand". Es ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel, warum es nicht den Sprung auf die kurze Liste geschafft hat. Verglichen mit den anderen von mir gelesenen Büchern spielt es doch in einer anderen Liga. Nicht perfekt, vor allem in der Personenzeichnung, aber sprachlich wie thematisch richtig gut.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Danke für den Bericht.


    Ich denke auch, dass Jenny Erpenbeck gewinnt. Bei dem Thema und der recht gefälligen Darbietung wird es wohl gar keine andere Wahl geben.


    Eigentlich wollte ich schon deutlich mehr von der Liste gelesen haben. Aber bei Herrn Lappert bin ich über ein paar Seiten bisher nicht herausgekommen. Peltzer interessiert mich gar nicht. Frank Witzel interessiert mich sehr, aber aufgrund der Dicke des Buches habe ich noch nicht angefangen. Und dann habe ich diese Woche bei einem Berlinbesuch ein paar so spannende Bücher aus eher abseitigen Verlagen entdeckt, die mich einfach mehr gereizt haben. Könnte also sein, dass ich bis zur Preisverleihung gar nichts mehr schaffe... Aber dann ist es eben so.


    Ulrich Peltzer wurde bei einer Diskussion im Hessischen Rundfunk (Schöne Aussichten) heute sehr gelobt, aber interessanterweise wurde nichts über das Buch gesagt, das mich zum Lesen angereizt hätte. Und auch die dort beteiligten Kritiker gaben zu, dass sie das Buch lange Zeit für die 'Exposition' hielten und sich wunderten, wann denn der Autor wohl endlich zum Thema käme. Bis sie dann merkten, dass er schon mittendrin ist. Sowas klingt für mich nicht verlockend...

  • Clemens J. Setz ist mit seinem Buch "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" nicht auf der Shortlist gelandet. Dafür erhält er jetzt den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis (klick). Ich hatte mir das Buch schon die Merkliste gesetzt, das muss ich weiter im Auge behalten.

  • Ich finde die Rezension zu Schwitters Buch im Spiegel äußerst zutreffend. Genau mein Eindruck von diesem Buch:


    http://www.spiegel.de/kultur/l…-im-andern-a-1054391.html


    Zitat:
    Da geht die Bespiegelung des saturierten bürgerlichen Milieus als "Röntgenblick in die weibliche Seele" durch, die Verweigerung der schriftstellerischen Arbeit, die lediglich Lebenserinnerungen literarisiert, als "gekonntes Spiel mit der doppelten Ebene", Redundanz als "raffinierte Wiederholung von Motiven" und schwülstiges Pathos als "klares Plädoyer für das Leben" - Phrasen, die nur zu gern in die Pressemappe des Verlags Eingang finden möchten.


  • Clemens J. Setz ist mit seinem Buch "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" nicht auf der Shortlist gelandet. Dafür erhält er jetzt den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis (klick). Ich hatte mir das Buch schon die Merkliste gesetzt, das muss ich weiter im Auge behalten.


    Im Deutschlandfunk wurde es gestern ausführlich von Martin Ebel als 'Buch der Woche' besprochen. Ich muss sagen: das klang alles ganz fürchertlich. Auch die Ausschnitte, die gelesen wurden. Über 1000 Seiten Lesemasochismus. Obwohl Martin Ebel das Buch wirklich zu loben versuchte, hatte ich Zweifel daran, ob der Autor überhaupt zurechnungsfähig ist. Jedenfalls streifte der Gedanke mein Bewusstsein, dass sich genau so (wie ich) seinerzeit die konservativen Zeitgenossen über Romane wie den 'Zauberberg' aufgeregt haben müssen. Und plötzlich fühlte ich mich sehr alt. :breitgrins:


  • Im Deutschlandfunk wurde es gestern ausführlich von Martin Ebel als 'Buch der Woche' besprochen.


    Das gibt es bestimmt als Podcast nachzuhören. Ich werde es mir zu Gemüte führen.



    Ich muss sagen: das klang alles ganz fürchertlich. Auch die Ausschnitte, die gelesen wurden. Über 1000 Seiten Lesemasochismus. Obwohl Martin Ebel das Buch wirklich zu loben versuchte, hatte ich Zweifel daran, ob der Autor überhaupt zurechnungsfähig ist.


    :breitgrins:
    Für die meisten Leser ist es Geschmackssache, aber in der Jury des Wilhelm-Raabe-Preises sitzen sicherlich Fachleute, die das Buch gut einschätzen können. So ganz aus dem Bauch heraus werden sie Setz nicht zum Gewinner erklärt haben. Letztes Jahr bekam "Pfaueninsel" den Preis, und das fand ich hervorragend.


  • Für die meisten Leser ist es Geschmackssache, aber in der Jury des Wilhelm-Raabe-Preises sitzen sicherlich Fachleute, die das Buch gut einschätzen können. So ganz aus dem Bauch heraus werden sie Setz nicht zum Gewinner erklärt haben. Letztes Jahr bekam "Pfaueninsel" den Preis, und das fand ich hervorragend.


    Ja, ich auch! Kann man in einem Jahr so altern? :breitgrins:

  • Und der Preisträger ist:
    Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Nun ja, kein Buch, das ich lesen werde.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()


  • Nun ja, kein Buch, das ich lesen werde.


    Ich ganz sicher auch nicht. In den Rezensionen auf Amazon werden einige Stellen aus dem Roman zitiert, und nachdem ich sie gelesen habe, weiß ich, dass dieser Stil nicht mein Fall ist. Das ist wohl wieder eines der Bücher, die polarisieren.

  • Welch Ueberraschung. Das literarisch beste Buch hat tatsaechluch gewonnen. Sicher kein Buch fuer breite Leserschichten. Und auch nicht fuer mich.

  • Der Spiegel bejubelt diese Non-Mainstream-Entscheidung. Ja, das war mutig.


  • Welch Ueberraschung. Das literarisch beste Buch hat tatsaechluch gewonnen. Sicher kein Buch fuer breite Leserschichten. Und auch nicht fuer mich.


    Wie kann man denn entscheiden, ob es das literarisch beste Buch ist, wenn man es nicht liest? :zwinker:


    Jedenfalls freut mich die Entscheidung. Ich war ziemlich sicher, dass Jenny Erpenbeck mit ihrem (für mich) wenig überzeugenden, aber politisch engagierten Roman gewinnt. Und nun hat sich die Jury doch immerhin etwas getraut. Nach einer aus meiner Sicht insgesamt recht reizlosen Shortlist nun doch ein Buch zum Aufhorchen. Es liegt schon seit einiger Zeit bei mir herum, ich freue mich jetzt drauf, es zu lesen. :klatschen:

  • Na ja, aufgrund der Veranstaltung in Frankfurt. Ich habe das ja auch schon in meinem Bericht deutlich gemacht. Natürlich kann man sich bei so einem Ausschnitt täuschen.