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Es gibt 40 Antworten in diesem Thema, welches 7.029 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Ruby Tuesday.

  • So, ich habe nun auch mal den ersten Abschnitt gelesen. Der Erzählstil ist nicht so ganz mein Ding, aber nachdem ich mich mal eingelesen hatte, ging es.
    So richtig gepackt hat es mich aber noch nicht.


    Aron ist kein Sympathieträger, eigentlich keiner in dieser Geschichte bisher. Jeder kämpft sich irgendwie durch. Ich finde, es kommt gut rüber, wie wenig die polnischen Juden teilweise von den Zusammenhängen und Plänen wussten. Jeder kümmert sich nur um sich selbst und seine Familie und wartet ansonsten ab, was geschieht. Immer mehr Verbote und Schikanen, aber dennoch protestiert kaum einer, sondern alle bleiben merkwürdig passiv.


    Und wir erleben das aus Sicht eines Kindes, das sich naturgemäß noch weniger als die Erwachsenen um große Politik schert, sondern sich mit dem täglichen (Über)Leben beschäftigt. Aron und seine "Freunde" scheinen die ganzen Diebstähle, Tauschaktionen und was sie sonst noch so treiben, als eine Art Sport zu sehen, aber sie wissen auch, dass es kein Spiel ist.


    Ich bin gespannt, wann Janusz Korczak nun eine größere Rolle in der Geschichte einnehmen wird. Bisher ist er ja nur 1-2mal kurz aufgetaucht, aber laut Klappentext landet Aron später bei ihm im Waisenhaus. Heißt das, er verliert seine Familie? :sauer:

    LG, Dani


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  • Jeder kümmert sich nur um sich selbst und seine Familie und wartet ansonsten ab, was geschieht. Immer mehr Verbote und Schikanen, aber dennoch protestiert kaum einer, sondern alle bleiben merkwürdig passiv.


    Alle scheinen hauptsächlich in der Gegenwart zu leben. Nur Arons Vater liest diverse Zeitungen, um sich einigermaßen auf dem Laufenden zu halten. Sicher haben das auch andere gemacht, aber Aron wird nicht so viel davon mitbekommen haben. Das Wichtigste war für die meisten den Tag zu überleben. Was rege betrieben wurde, war, wie ich schon in anderen Büchern gelesen habe, der Schmuggel und Tauschhandel. Die jüdischen Geschäfte bekamen nicht genug Waren und das wenige wurde teuer gehandelt.
    Einmal hat Arons Mutter die gefälschten Papiere erwähnt, die für die Familie jedoch unerschwinglich waren.


    Korczak hatte bisher nur ein paar kurze Auftritte, schade! Ich hoffe, er tritt bald mehr in Erscheinung. Arons Erzählstil ist doch recht oberflächlich, nichts, was man in anderen Büchern nicht auch schon gelesen hat. Und die jüdischen Ausdrücke, die nicht weiter erklärt werden, erregen langsam meinen Unmut. Gut, es handelt dabei nur um irgendwelche Speisen, aber ich hätte schon gern eine Vorstellung davon, was es sein könnte.


    Dass die Machenschaften der Kinder gefährlich ist, ist ihnen schon klar, aber der Reiz, die Einnahmen und die Anerkennung überwiegen.
    Arons Mutter hat Angst ihren Sohn zu verlieren. Entweder durch Tod oder durch die Verdorbenheit, die ihm schon zu viel seiner kindlichen Unschuld geraubt hat.

  • Mir gefällt Jim Shepards Stil, die Geschichte zu erzählen. Aron ist ein traumatisierter Junge, der von den Ereignissen überrollt wird. Genauso liest sich seine Erzählung. Es ist die Sichtweise eines Kindes, das in einer dysfunktionalen Familie aufwächst und nie gelernt hat, über seine Gefühle zu reden oder sie überhaupt benennen zu können. Gegenseitige Zuneigung gibt es, sie ist aber unter den schwierigen Lebensverhältnissen (auch schon vor den Nazis) so verschüttet, dass sie nur vereinzelt aufblitzt und wahrgenommen wird.


    Damit meine ich zum Beispiel den Gasthausbesuch mit seinem Vater oder die Geschäftspartnerschaft mit seiner Mutter. Das sind klare Zeichen einer empfundenen Liebe von Menschen, die selbst nicht gelernt haben, diese zu zeigen oder zu empfangen.


    Den Kindern ist die Gefährlichkeit ihres Tuns bewusst, dieses Bewusstsein hält sie aber nicht davon ab. Immerhin geht es um das nackte Überleben - das eigene und das der Familie. Wie das Überleben gesichert wird, ist nebensächlich, auch wenn das bedeutet, von jemanden zu stehlen, der vielleicht noch weniger besitzt als jemand selbst. In Viktor Klemperers Tagebüchern "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten" beschreibt dieser hochgebildete Mann ebenfalls nüchtern, wie er seiner Mitbewohnerin das rare Essen stiehlt, weil ihn der Hunger dazu treibt. Seine einzige Entschuldigung dafür ist, dass sie weniger brauche als er und das Essen sonst verderben würde, wohl wissend, dass er ihr es so oder so stehlen würde.


    Der Unterschied zwischen Klemperer und Aron und seiner Bande liegt eigentlich nur darin, dass Klemperer nicht stolz darauf ist, die Kinder aber schon. Wer will den Kindern ihren Stolz verdenken, wenn sie doch mit ihren illegalen Machenschaften das Überleben der Familie sichern?

  • Ich bin schnell in die Geschichte reingekommen - die 1.Person als Erzählerstimme hat mir immer schon am besten gefallen beim Lesen - und finde die etwas wirre, unstrukturierte Erzählweise ganz passend für den Roman, der ja aus der Perspektive von Aron geschildert sein soll. Mir ist es schon häufiger negativ aufgefallen, wenn Kinder in Romanen nicht ihrem Alter entsprechend reden und handeln, so dass sie fast schon erwachsener wirken als die Erwachsenen. Dies ist hier definitiv nicht der Fall und es passt auch zum Charakter des Aron.
    Ob er mir sympathisch ist oder nicht, kann ich noch gar nicht sagen; ich finde ihn jedenfalls überzeugend dargestellt. Jemand hat die Vermutung geäußert, dass Aron entweder hochbegabt oder leicht autistisch sein könnte, was ich für eine spannende Überlegung halte. Von den Verhaltensweisen her ist das ja tatsächlich nicht immer so leicht voneinander zu unterscheiden; man hat nur den Eindruck, dass Aron anders ist als andere Kinder. Da es ihm aber selbst bewusst ist, würde ich eher auf Hochbegabung tippen. Asperger-Autisten neigen eher dazu, den Rest der Welt für seltsam zu halten.



    Mir gefällt Jim Shepards Stil, die Geschichte zu erzählen. Aron ist ein traumatisierter Junge, der von den Ereignissen überrollt wird. Genauso liest sich seine Erzählung. Es ist die Sichtweise eines Kindes, das in einer dysfunktionalen Familie aufwächst und nie gelernt hat, über seine Gefühle zu reden oder sie überhaupt benennen zu können. Gegenseitige Zuneigung gibt es, sie ist aber unter den schwierigen Lebensverhältnissen (auch schon vor den Nazis) so verschüttet, dass sie nur vereinzelt aufblitzt und wahrgenommen wird.
    Damit meine ich zum Beispiel den Gasthausbesuch mit seinem Vater oder die Geschäftspartnerschaft mit seiner Mutter. Das sind klare Zeichen einer empfundenen Liebe von Menschen, die selbst nicht gelernt haben, diese zu zeigen oder zu empfangen.


    Das stimmt. Ich mag es ja generell beim lesen gerne, wenn man nicht alles auf dem Serviertablett vorgesetzt und jede einzelne Gefühlsregung erklärt bekommt, sondern sich selbst Gedanken machen muss, wie man das alles nun deuten kann. Gerade das macht es für mich spannend beim Lesen, denn ein anderer Leser mit anderen Erfahrungen wird das gleiche Verhalten vielleicht ganz anders deuten.


    Da ich seit Jugend an viele Bücher mit dem Hintergrund des 3.Reiches und der Judenverfolgung gelesen habe, fiel es mir nicht schwer, der Geschichte zu folgen. Ein Glossar für die jüdischen Ausdrücke hätte ich aber auch besser gefunden.
    Ich bin gespannt, wann Janusz Korczak seinen ersten Auftritt im Buch haben wird. Ich habe vor einigen Jahren für ein Pädagogik-Seminar eine Hausarbeit über ihn geschrieben und bin neugierig, welche Themen ich in "Aron und der König der Kinder" wiederfinden werde. Ich erinnere mich vage daran, dass Korczak wie jeder andere Mensch auch mit seinen eigenen Schwächen zu kämpfen hatte und nicht von morgens bis abends ein vollkommener, geduldiger Pädagoge aus dem Lehrbuch war. Mehr weiß ich leider nicht mehr :redface:. Aber so, wie Jim Shepard Aron schildert, kann ich mir gut vorstellen, dass er auch Janusz Korczak seine Ecken und Kanten verleiht und ihn gerade dadurch als Persönlichkeit erlebbar macht.


  • Das stimmt. Ich mag es ja generell beim lesen gerne, wenn man nicht alles auf dem Serviertablett vorgesetzt und jede einzelne Gefühlsregung erklärt bekommt, sondern sich selbst Gedanken machen muss, wie man das alles nun deuten kann. Gerade das macht es für mich spannend beim Lesen, denn ein anderer Leser mit anderen Erfahrungen wird das gleiche Verhalten vielleicht ganz anders deuten.


    Mir geht es da wie dir. Anfangs dachte ich, dass der Vater für seine Familie wenig über hätte und erst später merkte ich an den wichtigen Kleinigkeiten, dass dem nicht so ist.


    Da ich seit Jugend an viele Bücher mit dem Hintergrund des 3.Reiches und der Judenverfolgung gelesen habe, fiel es mir nicht schwer, der Geschichte zu folgen. Ein Glossar für die jüdischen Ausdrücke hätte ich aber auch besser gefunden.


    Ein Glossar wäre wirklich hilfreich. Ich bin fasziniert, wie es Shepard gelingt, die Enge, den Gestank und die furchtbaren hygienischen Zustände im Getto mit wenigen Worten einzufangen.


    Ich muss ehrlich gestehen, dass mir bis jetzt Janusz Korczak kein Begriff war. Ohne die Runde wüsste ich gar nicht, dass es sich bei ihm um eine reale Person handelt.

  • Ich finde ihn auch immer wieder unglaublich. Wenn ich nicht schon öfter über ihn gelesen und mich daher schon mal mit ihm beschäftigt hätte, würde ich ihn sicher auch für fiktiv halten, seine Geschichte hat etwas Unwirkliches, weil sie eben so aus dem Grauen jener Zeit und jenes Ortes heraussticht.

    LG, Dani


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  • Ich finde ihn auch immer wieder unglaublich. Wenn ich nicht schon öfter über ihn gelesen und mich daher schon mal mit ihm beschäftigt hätte, würde ich ihn sicher auch für fiktiv halten, seine Geschichte hat etwas Unwirkliches, weil sie eben so aus dem Grauen jener Zeit und jenes Ortes heraussticht.


    Ich werde mich nach dem Buch sicher näher mit ihm beschäftigen. Eigentlich wundert es mich, dass ich noch gar nicht auf ihn gestoßen bin, denn ich beschäftige mich seit meiner Schulzeit immer wieder mit dem dritten Reich.

  • Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es ein schwieriges Buch ist, wenn man nicht schon etwas Vorwissen zum Warschauer Ghetto und seiner Geschichte hat.
    Das erwähnte Buch von David Safier ist da deutlich einfacher zu lesen, aber ich erinnere mich noch dran, dass es vielen zu oberflächlich war. Man kann es nie allen Lesern recht machen.


    Wobei ich es dennoch für wahrscheinlicher halte, dass dieses Wissen hier bekannt ist, wenn man sich denn für diese Zeit interessiert. Der Zweite Weltkrieg in der Südsee ist da doch eher eine Nische und dementsprechend muss dort natürlich viel mehr Hintergrund vermittelt werden.

    LG, Dani


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  • Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es ein schwieriges Buch ist, wenn man nicht schon etwas Vorwissen zum Warschauer Ghetto und seiner Geschichte hat.


    Da magst du recht haben, wobei mir das Buch nicht schwierig zu lesen vorkommt. Oder in anderen Worten: auch ohne dementsprechendes Vorwissen lässt sich die Willkür, der Terror und die irrationale "Gesetzesgebung" der damaligen Zeit herauslesen und eine gewisse Vorstellung bekommen.


    Pausen brauche ich aufgrund der Thematik. In einem Schwung durchlesen, geht bei dem Inhalt und wie er transportiert wird nicht.


  • Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es ein schwieriges Buch ist, wenn man nicht schon etwas Vorwissen zum Warschauer Ghetto und seiner Geschichte hat.
    Das erwähnte Buch von David Safier ist da deutlich einfacher zu lesen, aber ich erinnere mich noch dran, dass es vielen zu oberflächlich war. Man kann es nie allen Lesern recht machen.


    Wobei ich es dennoch für wahrscheinlicher halte, dass dieses Wissen hier bekannt ist, wenn man sich denn für diese Zeit interessiert. Der Zweite Weltkrieg in der Südsee ist da doch eher eine Nische und dementsprechend muss dort natürlich viel mehr Hintergrund vermittelt werden.


    28 Tage von David habe ich sogar im Regal stehen, das werde ich demnächst auf jeden Fall mal lesen.
    Mich stören eigentlich 2 Dinge hier, erstens das man zu viel vorher Wissen sollte ( auch wenn man das schlimme auch so versteht ) und zweitens eben, das alles in dieser Ichform aus Kindermund erzählt wird.
    Andere Bücher, wo das besser beschrieben ist, da kann man Rotz und Wasser flennen. Hier kann ich das Buch lesen, über die grauenvollen Dinge nachdenken, aber die Augen bleiben Trocken.


    Vielleicht hätte ich 2 verschiedene Erzählstränge auch besser gefunden, einmal eben aus der Sicht eines Erwachsenen mit etwas mehr Fakten.


    Das Buch von Australien war auch nur ein Beispiel, so wie es eben für mich sein sollte. Ich habe z.b. auch "Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford" gelesen, was auch ein bisschen komisch geschrieben war, aber eben mehr Fakten hatte und ich danach mehr wusste wie zuvor. Natürlich vieles andere auch noch, lach grinz


    Aber gut, Geschmäcker sind verschieden und was den einen gefällt, das mag der andere eben nicht so.


  • 28 Tage von David habe ich sogar im Regal stehen, das werde ich demnächst auf jeden Fall mal lesen.
    Mich stören eigentlich 2 Dinge hier, erstens das man zu viel vorher Wissen sollte ( auch wenn man das schlimme auch so versteht ) und zweitens eben, das alles in dieser Ichform aus Kindermund erzählt wird.
    Andere Bücher, wo das besser beschrieben ist, da kann man Rotz und Wasser flennen. Hier kann ich das Buch lesen, über die grauenvollen Dinge nachdenken, aber die Augen bleiben Trocken.


    Ja wie gesagt das kann ich dir echt nur empfehlen, denn da habe ich wirklich weinen müssen. Mich hat das total überrascht, weil Safier ja sonst nur lustige Bücher schreibt.


    Ansonsten gebe ich dir absolut recht, dass unser Buch hier einen emotional nicht abholt. Es ist zwar schrecklich, was da passiert, aber gefühlsmäßig packt mich das nur bedingt...

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)


  • Pausen brauche ich aufgrund der Thematik. In einem Schwung durchlesen, geht bei dem Inhalt und wie er transportiert wird nicht.


    So geht es mir auch. Allerdings brauche ich die Pausen auch, weil ich merke, dass ich beim Lesen nach einiger Zeit abschalte und mich nur schwer an das Gelesen erinnern kann. Ich muss immer wieder zurückblättern, um mir in Erinnerung zu rufen, was alles in diesem Abschnitt vorkam.

  • So geht es mir auch. Allerdings brauche ich die Pausen auch, weil ich merke, dass ich beim Lesen nach einiger Zeit abschalte und mich nur schwer an das Gelesen erinnern kann. Ich muss immer wieder zurückblättern, um mir in Erinnerung zu rufen, was alles in diesem Abschnitt vorkam.


    Ich musste in den letzten Tagen arbeitsbedingt immer mal Lesepausen einlegen, insofern hat es für mich ganz gut gepasst. Ich merke, dass mich das Verhältnis von Aron zu seiner Mutter beschäftigt. Neben Aron, seiner Mutter und dem verstorbenen Bruder bleiben die restlichen Familienmitglieder für mich relativ blass. Spannend finde ich, dass teilweise Aron das Gefühl hat, auf seine Mutter aufpassen oder sie aufmuntern zu müssen, indem er ihr bei der Hausarbeit hilft.
    Ich kann mir schon vorstellen, dass ein Kind in dieser Familie nicht unbedingt das Gefühl vermittelt bekommt, gut aufgehoben zu sein und sich auf die Erwachsenen verlassen zu können. :sauer: Andererseits wird ihm diese Selbstständigkeit sicher später zugute kommen, um überleben zu können.
    Im Vergleich zu Aron wirkt Zofia, so gern ich sie auch mag, doch ein bisschen hilflos und verhätschelt, besonders wenn sie sich so davor fürchtet, Läuse zu bekommen.


  • Spannend finde ich, dass teilweise Aron das Gefühl hat, auf seine Mutter aufpassen oder sie aufmuntern zu müssen, indem er ihr bei der Hausarbeit hilft.


    Ich denke, er macht das auch aus einem Selbstwertgefühl heraus, da seine Mutter ihm ja mal sagte, dass es ihr wichtiger sei, wie er sich anderen Menschen gegenüber verhielte, als nur auf die Noten zu schauen, wie etwa sein Vater das machte.
    Seine Brüder scheinen um einiges älter zu sein und nachdem sein jüngerer Bruder gestorben ist, ist er das Nesthäkchen der Familie. Dadurch scheint er der Mutter wesentlich näher zu stehen als die anderen Brüder.

  • Mir fiel es am Anfang etwas schwer, in das Buch einzusteigen, so dass ich für den ersten Abschnitt mehrere Anläufe benötigt habe. Ehrlicherweise liegt das nicht am Inhalt, sondern an der für mich etwas gewöhnungsbedürftigen Sprache. Diese kurzen Sätze und die Ich-Perspektive haben bei mir einen eher unflüssigen Leserhythmus hervorgerufen.
    Natürlich berichtet hier ein Kind und der Stil passt auch zu Aron, der ja nun kein großer Lerner war und damit doch verhältnismäßig ungebildet. Andererseits hat er dann auf der staatlichen Schule auch keine Chance mehr, da der Antisemitismus hier schon so offen und weit gediehen war, dass ich es gut verstehen konnte, dass seine Mutter ihn dort weggeholt hat. Es wäre ohnehin eine Frage der Zeit gewesen - was die Mutter jedoch nicht wissen konnte.
    Es gibt Autoren, die mit kurzen Sätzen sehr viel Atmosphäre transportieren können - Jim Shepard gehört in meinen Augen nicht unbedingt dazu. Für mich wird das alles dadurch besser greifbar, dass ich schon viel zu diesem Thema gelesen habe und deshalb vermutlich eher Bilder vor Augen habe.


    Aron ist mir nicht unsympathisch, aber mit seiner Familie weiß ich nicht sonderlich viel anzufangen. Seine Mutter hat eine seltsame Art, einzelne Kinder zu präferieren und der Vater ist für mich kaum greifbar. Aron scheint - spätestens nach dem Tod seines kleinen Bruders - der Liebling der Mutter zu sein, aber dennoch finde ich es seltsam, dass sie ihn auch als Tröster "nutzt", wenn es mal wieder Streit mit ihrem Mann gab... Diese sagt haarsträubende Dinge, wie zum Beispiel, dass er das Gejammer der Frau nicht mehr ertragen müsse, wenn sie an Fleckfieber sterben würde... Wer denkt oder sagt denn so etwas? :entsetzt:
    Im Umgang mit Aron ist der Vater sehr pragmatisch und duldet seine Beutezüge - im Gegensatz zur Mutter - von Anfang an. Dennoch habe ich den Eindruck, dass er seinen Sohn nicht sonderlich schätzt. Seine Emotionen für die älteren Brüder Arons zeigen jedoch, dass er nicht so sachlich und nüchtern ist, wie ich anfangs vermutet habe.


    Aron ist ziemlich tapfer und leistet einen nicht unerheblichen Beitrag zum Überleben seiner Familie. Ich bin gespannt, ob er sich auch dem Widerstand anschließen wird - zuzutrauen ist es ihm in jedem Fall. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass zwischen ihm und Zofia noch engere Bande entstehen - wenn diese unfassbar schlimme Zeit, die ihnen ja auch noch bevorsteht, es zulässt.


    Erstaunt bin ich, dass Korczak bislang recht wenig vorkommt - hier hatte ich irgendwie "mehr" erwartet...

    Liebe Grüße

    Tabea

    Einmal editiert, zuletzt von dubh ()


  • Seine Mutter hat eine seltsame Art, einzelne Kinder zu präferieren und der Vater ist für mich kaum greifbar. Aron scheint - spätestens nach dem Tod seines kleinen Bruders - der Liebling der Mutter zu sein


    Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Mutter Aron den anderen Kindern vorzieht. Wir erleben das Familienleben ja nur aus Arons Sicht, womit es subjektiv gefärbt ist. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie die Lieblosigkeit des Vaters ausgleichen und Aron zeigen wollte, dass er doch etwas wert ist. Sie nimmt ihn ja auch immer in Schutz, wenn der Vater Aron wieder runter macht.


    Vom Verhältnis der Mutter zu ihrem Ehemann erfährt man fast nichts und von dem zu ihren älteren Söhnen gar nichts. Wir wissen ja bis zum Schluss nicht, wieviele ältere Brüder Aron hat.

    Einmal editiert, zuletzt von dodo ()

  • dodo: Ja, Du hast recht, es kann durchaus an der Erzäählperspektive liegen, dass ich diesen Eindruck bekommen habe. Es wird eben nicht erwähnt, dass die Mutter sich in der Nacht auch zu Arons Brüdern legt und diese sie dann so trösten, wie Aron, der ihr seine Hand auf den Kopf legt.


    Aron scheint keine enge Beziehung zu den älteren Brüden zu haben, denn wir erfahren ja nicht einmal ihre Namen, oder? Geschweige denn, wieviele er hat, stimmt.

    Liebe Grüße

    Tabea

  • dubh: Ich habe mir die älteren Brüder immer in der Pubertät vorgestellt, ungefähr 14/15 Jahre alt. Daher hatte ich nie das Gefühl, die Mutter bevorzuge die Kleineren, einfach weil Kinder in dem Alter nicht mehr mit ihren Eltern kuscheln wollen (was auch normal ist).


    Interessant, wie ein- und derselbe Text unterschiedlich wirken kann. Denn es kann durchaus sein, dass die Mutter die Jüngeren bevorzugt und Aron Liebkosungen gegenüber den Älteren nicht erwähnt, weil sie nicht vorkamen. Nur wäre ich nie auf die Idee gekommen.



    Aron scheint keine enge Beziehung zu den älteren Brüden zu haben, denn wir erfahren ja nicht einmal ihre Namen, oder? Geschweige denn, wieviele er hat, stimmt.


    Das ist der Grund, warum ich glaube, dass der Altersunterschied zwischen Aron und seinen Brüdern größer ist. In diesem Fall fehlen die Gemeinsamkeiten und eine distanziertere Beziehung erklärt sich von selbst. Zu Gustav hat er eine deutlich engere Bindung.


  • Das ist der Grund, warum ich glaube, dass der Altersunterschied zwischen Aron und seinen Brüdern größer ist. In diesem Fall fehlen die Gemeinsamkeiten und eine distanziertere Beziehung erklärt sich von selbst. Zu Gustav hat er eine deutlich engere Bindung.


    Bei mir entstand auch der Eindruck, dass Aron und sein kleiner Bruder wesentlich jünger waren als die anderen Brüder. Das kann natürlich auch trügen, wenn man bedenkt, dass Aron für den Vater ein Dummkopf war. Die älteren Brüder, ich hatte immer den Eindruck es wären zwei gewesen, waren vielleicht auch schon im normalen Arbeitsalter gewesen, also 14 aufwärts. Aron dagegen war ja noch schulpflichtig. In den Augen seiner Mutter eben noch ein Kind. Um den jüngeren kranken Bruder hat sie sich auch oft gesorgt.


    Aron wirkt in seiner Tollpatschigkeit wahrscheinlich wesentlich jünger und auch in seinem Bemühen seiner Mutter zu gefallen. Ich finde es daher glaubwürdiger, dass die Mutter sich zu Aron ins Bett legt, als zu den älteren Brüdern. Das hat dann schon den Anflug von Unanständigkeit, wenn sie schon als Männer galten.