Max Frisch - Mein Name sei Gantenbein

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    Max Frisch hat in diesem Roman, wie ich mir habe sagen lassen, der Montagetechnik bedient. Ich kann die Merkmale nicht erläutern oder anführen (erzählt mir jemand was darüber?), aber ich kann sagen, dass Frisch einige Personen erschaffen hat, die er in immer wieder neu ausgedachten Situationen agieren lässt, was dann natürlich für die anderen Personen eine Änderung bedeutet. Diese Gedankenspielereien machen es unglaublich spannend diesen Roman zu lesen, weil es eben keinen (vielleicht) voraussehbaren Erzählstrang gibt, sondern sich die Situation innerhalb weniger Zeilen um 180° wenden kann.
    Es gibt drei männliche Hauptfiguren, Svoboda (ich hoff er hierß wirklich so, Buch ist grad nicht zur Hand), Enderlin und eben Gantenbein, die eben inunterschiedlichen Situationen mit Lila, die mal Schauspielerin ist, mal nicht, zusammen sind. Wie der Titel aber schon sagt ist die Hauptfigur Gantenbein, der irgendwann beschließt blind zu sein. Ausgestattet mit Blindenbinde, -brille und -stock lässt er sich das sogar von einem Arzt bestätigen. Nun lebt er mit allen Konsequenzen. Er kann Menschen von einer anderen Seite sehen, weil sie sich von ihm nicht beobachtet fühlen. Aber er muss auch so zun als sähe er manche Dinge nicht, beispielsweise als Lila ihn betrügt, muss er das hinnehmen. Meine Lieblingssituation ist allerdings, als Lila vergisst die dusche abzudrehe und die ganze Wohnung unter Wasser steht. Gantenbein wischt alles auf, bis ihm auffällt, dass der Parkett Flecken zurückbehalten wird und auch der feuchte Teppich Lila zeigen wird, dass er gesehen haben muss, wie die Wohnung aussah und er aufgeräumt hat. Deswegen macht er nach stundenlanger Arbeit einfach wieder die Dusche an.
    Nach Montauk ist Mein Name sei Gantenbein jetzt mein Lieblingswerk von Max Frisch. Ich mag seine Sprache und den schwarzen Humor.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Das ist nicht zu sagen, was ich auszustehen habe von meinem Durst und meiner Begierde nach ihr, ich wollte, ich könnte sagen, es wird mein Tod sein, aber man kann damit weder leben noch sterben."

  • Hey,


    eigentlich hast du durch diese Gedankenspielereien, das Zusammenfügen aus lauter einzelnen Handlungssträngen zu einem großen Ganzen, schon erkannt, was der Montage-Stil überhaupt ist. :)
    Dazu kann ich dir dann nur Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" empfehlen, dort wird der Stil ganz offensichtlich angewendet.


    Soweit ich mich noch erinnere stammt dieser Stil ursprünglich aus dem Bereich des Films. In der Epoche des Expressionismus findest du ganz oft sprachliche, alogische, inhaltliche Montagen. Oftmals sollte damit Simultanität erreicht werden oder auch als Spiegelbild für die Verwirrung/ das Chaos der Zeit stehen.


    Da ich Frischs Werk nicht gelesen habe, kann ich jetzt leider nicht genauer darauf eingehen, aber vielleicht haben dir meine Gedankenfetzen schon etwas gebracht :zwinker:


    Bella*

  • Das Buch hab ich abgebrochen. Ich fand den Stil furchtbar, verwirrend. Irgendwann werd ichs aber nochmal versuchen.

  • Schön, dass das hier nun auch eine Rezi findet!


    Ein unglaublich geniales Buch! Ich habe es geliebt es zu lesen!


    Verwirrend mag es sein, aber eben darin so facettenreich und spannend. Die Charaktere sehr gut beleuchtet, die Situationen gut in Zusammenhang gebracht...


    Eigentlich ist das ganze Buch ja ein einziges Gedankenspiel. Nichts von dem was dort beschrieben wird, soll "wirklich geschehen" sein (wie es ja sonst gemeinhin in Romanen der Fall ist), es sind alles Möglichkeiten, wie etwas laufen könnte, wenn die Rahmenbedingungen so oder anders wären und dennoch ist es genau darin wieder so realistisch.
    Mich fasziniert schon alleine die Idee, sich vorzustellen, man spiele einen Blinden, obgleich man sehen kann und spiele der ganzen Welt dieses Theater vor. Das ergibt wirklich ungeahnte Einblicke.
    Ich könnte jetzt noch mehr in Details gehen, fürchte aber dann zu viel über den Inhalt zu verraten... und schließlich wollen wir's ja spannend machen, damit das Buch auch gelesen wird... :zwinker:

    Alles an dem Buch hat mir gefallen... ich könnt's immer noch auffressen! :smile:


    Von mir daher uneingeschränkt:
    5ratten


  • Hey,


    eigentlich hast du durch diese Gedankenspielereien, das Zusammenfügen aus lauter einzelnen Handlungssträngen zu einem großen Ganzen, schon erkannt, was der Montage-Stil überhaupt ist. :)
    Dazu kann ich dir dann nur Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" empfehlen, dort wird der Stil ganz offensichtlich angewendet.


    Naja natürlich habe ich beim lesen bemerkt, dass es der Titel Montagetechnik hübsch passt auf das wie Frisch da schreibt. Aber ich erkenn auch ein Drama daran, dass es in Dialogform und mit Bühnenanweisungen versehen ist und nicht an den ganzen Kriterien von wegen wieviel Akte etc.
    Wollte mich nicht mit Halbwissen profilieren ;). Aber lieben Dank für die Hinweise! "Berlin Alexanderplatz" habe ich bisher nicht gelesen, aber sollte ich wohl echt mal tun... :zwinker: und du solltest "Mein Name sei Gantenbein" lesen, ist nämlich echt toll!

    "Das ist nicht zu sagen, was ich auszustehen habe von meinem Durst und meiner Begierde nach ihr, ich wollte, ich könnte sagen, es wird mein Tod sein, aber man kann damit weder leben noch sterben."

  • Bei mir gilt bei diesem Roman, den ich sehr schätze: "Du sollst das Leben nicht verstehen, du sollst es genießen" :zwinker:
    Und so ist es bei Gantenbein, so ganz habe ich dieses Verwirrspiel nicht verstanden, aber ich habe es geliebt und genossen :smile:

  • Auch ich habe meine Probleme mit der Verständnis der ganzen Zusammenhänge. Was ich bis jetzt verstanden habe ist, dass Gantenbein, Enderlin, Lila und Svoboda alle etwas gemein haben, sie hängen alle zusammen. Verwirrend finde ich, wie Frisch den Personen teilweise neue Namen gegeben hat (welche das jetzt im einzelnen sind, hab ich nichtmehr im Kopf), wobei mich das Buch trotz dieser Verwirrung (oder gerade desshalb?) anzieht und auch neugierig darauf macht, wie es denn wohl ausgehen wird. Momentan sind ja alle Weichen darauf gestellt, das Gantenbein in seiner Blindenrolle verharren und sich niemehr als gesunder Mensch offenbart wird (befinde mich zZ. auf seite 225).

  • Meine Meinung: Ein Buch, das zum Träumen einlädt. Die Sprache und das Einfühlungsvermögen, die 'Homo Faber' für mich interessant gemacht haben, kommen hier zur vollen Blüte. Ein Mensch, der sich alles mögliche vorstellt, der sich neue, eigene Identitäten erfindet, die erleben, was er nicht erleben kann. Er distanziert sich von diesen Personen, bleibt der Beobachter, manchmal der Besucher, aber gleichzeitig benutzt er sie, als eine Erweiterung seiner Welt. Darüber entfernt er sich jedoch auch von sich selbst. Die Person, die er eigentlich ist, Enderlin, wird zum 'fremden Herrn', während Gantenbein immer öfter 'Ich' ist oder wird. Enderlin kann diese Personen sein oder eben nur zu Besuch. Überhaupt, meine Lieblingsszenen, wenn eine Person plötzlich zum 'er' wird, zu einer Person, die man nun von außen betrachtet, während das 'Ich' auftritt und einen Besuch tätigt, sich unterhält, sich heraus hält in den meisten Fällen und häufig doch rein gar nichts ändern kann.
    Am schönsten fand ich, dass ich mich in die Person hinein versetzten konnte. Wer tut das nicht, sich vorzustellen, wie dies und das wäre? Man steht vor einer Entscheidung und danach überlegt man, was passiert wäre, hätte man dies oder das getan.
    Gleichzeitig nutzt Frisch diese vielen Geschichten in der Geschichte, um die Liebe und die Ehe zu beleuchten und das Verhältnis der Menschen generell. Am Anfang, als Enderlin beginnt, sich vorzustellen, wie es wäre, blind zu sein, träumt er von einer großen Karriere, vielleicht als Politiker. Der ausgereifte, sich entwickelnde Gantenbein hingegen ist arbeitslos. Es geht nicht mehr um seine Karriere, sondern um seine Beziehung zu Lila. Eine Frau, die als wundervoll beschrieben wird und gleichzeitig, an einigen Stellen, als grausam und selbstsüchtig, ohne es selbst zu bemerken.
    Es ist eine wundervolle Liebe, eigentlich die perfekte, aber sie kann nicht bestehen, sondern ist zum Scheitern verurteil, auf die eine oder die andere Weise, es sei denn Gantenbein spielt den Blinden weiter, es sei denn er weiß, er darf nichts sehen. Denn ansonsten glaubt er, er würde sehen. Und das tut er nicht.


    Ein Buch, das das nächste Frischbuch nach ganz oben auf meinen Wunschzettel katapultiert. 5ratten :tipp:

    Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.<br />~ A. Einstein<br /><br />Man umgebe mich mit Luxus; auf das Notwendige kann ich verzichten. <br />~ Oscar Wilde

  • Hallo,


    ich habe "Mein Name sei Gantenbein" im Rahmen meines Lesekreises lesen dürfen und ich muss sagen, mich konnte die Geschichte nicht überzeugen. Ich habe zwar irgendwann verstanden das es nichts bringt nach einem roten Faden oder einem Zusammenhang zu suchen, aber ich habe mich immer wieder dabei erwischt. So konnte ich das Ganze einfach nicht lose auf mich wirken lassen und durch viele Episoden habe ich mich fast gequält.
    Und doch gab es immer wieder Erkenntnis- Blitze die mich überrascht, berührt und aufgerüttelt haben. So war es am Ende doch schön es gelesen zu haben und ich versuche meinen Grundtenor daraus - nicht immer alles zu Ernst zu nehmen und zu hinterfragen in Bezug auf meine Mitmenschen - ein wenig mehr zu verinnerlichen.


    Grüße
    schokotimmi