Leo Tolstoi - Anna Karenina

Es gibt 69 Antworten in diesem Thema, welches 34.412 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kati.

  • Gelesen habe ich das Buch bisher nicht, aber was mich doch etwas wundert:
    Ich habe 2 Ausgaben, eine hat mit Register usw. etwa 1000 Seiten. Die ältere, so genannte "Volksausgabe" hat knapp 420 Seiten. Nicht mal die Hälfte übrig?? Merkwürdig.

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • [size=13pt]Leo Tolstoi – Anna Karenina[/size]

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    OT: Anna Karenina
    OA: 1877
    878 Seiten
    ISBN: 978-3458352075


    Inhalt:
    Erzählt wird die Geschichte der adligen Familie Karenin, einer dekadenten, in gesellschaftlichen Normen erstarrten Sippe. Die Kälte ihres Gatten treibt die sensible Anna dem wesentlich jüngeren Grafen Wronskij in die Arme.
    In der anderen großen Figur des Romans, dem Gutsbesitzer Lewin, hatte sich Tolstoi selbst verewigt. Dessen Rückzug aus der Moskauer Gesellschaft und seine Selbstbescheidung auf ein bäuerlich schlichtes Leben verkörperten auch Tolstois Ideale. (Quelle: Amazon)


    Eigene Meinung:
    Zu Anfang erst einmal: Dieses Buch hat mich sehr berührt und bewegt und das auf eine sehr persönliche Weise.
    Würde mich jemand fragen, worum es in diesem Buch geht, so würde ich ganz spontan antworten, dass dieses Buch von der Ehe, von erfüllter und unerfüllter Liebe handelt, aber ist das wirklich alles? Nein. Dieses Buch hat eine so große Fülle von Themen, dass ich gar nicht so recht weiß, wo ich beginnen soll.
    Es handelt ebenso von Schuld und Vergebung, von Konsequenzen welche der Mensch, auf Grund seiner getroffenen Entscheidungen und Handlungen, zu tragen hat. Es geht um den Sinn des Lebens und den Tod.


    Es geht aber auch um die Wurzeln des Menschen und zwar in sehr vielfältiger Weise. Da wären einmal die Wurzeln der Heimat, der Familie, der Gesellschaft und auch die des Glaubens. Egal wo die stärksten Wurzeln des einzelnen liegen, sie bestimmen, ob wir in diesem Leben bestehen oder nicht, ob wir überleben und ob wir durch sie denn Sinn in unserem Leben, in unserem ganz eigenen kleinen Universum, finden. Nur dann werden wir auch zu einem starken Teil des Ganzen. Diese Wurzeln geben uns Menschen, wie eben auch den Pflanzen, den Halt und die notwendige Nahrung, die wir zum Überleben benötigen. Haben wir all dies in ausreichendem und auch ausgewogenem Maße, dann kann der Mensch, ähnlich wie die Pflanze, erblühen und andere erfreuen.
    Anhand der verschiedenen Protagonisten zeigt Tolstoi, wie sich das Leben der einzelnen, eben auf Grund von starken oder aber auch fehlenden „Lebenswurzeln“, entwickeln kann.


    Die Charaktere sind nicht schwarz-weiß. Sie sind sehr differenziert, jeder Protagonist kommt zu Wort, spricht sein eigenes Plädoyer und niemals macht sich ein erhobender Zeigefinger des Autors bemerkbar. Es geht auch nicht um ein vorgefertigtes Urteil. Tolstoi gibt uns die Möglichkeit, uns unsere eigene Meinung zu bilden, aus der Flut von Gedanken, welche beim Lesen auf den Leser einströmen.
    Liest man dieses Buch, dann hat man das Gefühl, Tolstoi schreibt nicht um zu schreiben, sondern um auszudrücken, was er fühlt und was ihn bewegt. Das erzählt ein Mensch, der sich Gedanken um seine Mitmenschen macht und man merkt, dass es irrelevant ist zu welcher Zeit dieses Geschichte spielt, denn es ändert nichts an der Thematik.


    Tolstoi verleiht seinen Charakteren eine Lebendigkeit, die überwältigend ist. Die Beschreibungen der Personen, sowie ihre Gedanken, ihre inneren Zerissenheiten, ihr Freuden und ihre Zweifel, sie lassen vergessen, dass es sich hier um fiktive Gestalten handelt. Sie sind in ihrem Wesen so differenziert, dass sie unglaublich real wirken. Genau das macht dieses Buch zu diesem großartigen Werk. Die Fülle an Emotionen, Gedanken und inneren seelischen Kämpfen ist überwältigend, zumal man immer wieder eigenen bekannten Empfindungen begegnet.
    Es gab für mich keine Stelle, welche ich als langatmig oder überflüssig empfand, denn alles war Teil des Ganzen und auch wenn dieser "Epos" sehr gewaltig in seiner Fülle an Themen war, so war es niemals anstrengend zu lesen, sondern lediglich purer Genuß.


    5ratten + :tipp:


    Tina

  • Tolle Rezi, Tina. Dem kann man nicht mehr viel hinzufügen! :klatschen:

  • Die ist wirklich gelungen :daumen: Ich muss das Buch erst noch ein wenig verdauen, bevor ich mich an die Rezi mache.

    //Grösser ist doof//


  • Hallo,


    das empfinde ich als ganz extremen Spoiler. Hätte ich das doch nur nicht gelesen - jetzt weiß ich ja schon wie es ausgeht :traurig: .


    Kann das irgend jemand bearbeiten oder ist das für die Mehrheit so okay und ich überempfindlich?


    LG
    Alexa

  • Hallo,


    das empfinde ich als ganz extremen Spoiler. Hätte ich das doch nur nicht gelesen - jetzt weiß ich ja schon wie es ausgeht :traurig: .


    Kann das irgend jemand bearbeiten oder ist das für die Mehrheit so okay und ich überempfindlich?


    Bei solch bekannten Klassikern ist m.E. allgemein bekannt, wie sie ausgehen.


    Gruß, Thomas

  • Okay. Die sinnvollste Vorgehensweise meinerseits wird dann eben sein, diese Threads zu meiden :winken: . Ich wusste das nämlich weder von Frau Kareninan noch von Frau Bovary :zwinker: und die Liste lässt sich vermutlich meinerseits endlos fort führen.


    Grüsse
    Alexa

  • Dann darfst du aber auch keine Inhaltsangaben oder Rezis bei Amazon lesen - der von dir zitierte Satz stammt nämlich daher. :zwinker:
    Aber ich verstehe, was du meinst - ich habe leider schon oft genug Spoiler gelesen, die mich dann ein wenig ums Lesevergnügen gebracht haben, jüngst hier bei der Leserunde zu Anna Karenina. Das kann man manchmal schlecht vermeiden.

  • Ich wusste das auch nicht, und ich finde auch, dass es ein Spoiler ist. Ich kann zwar damit leben, weil ich es Anna eh nicht anders vergönne, aber ich finde, auch bei einem Klassiker sollte man das Ende nicht vorweg nehmen.

  • Was hast du denn erwartet? Selbst in vielen Klappentexten steht, dass das Ende tragisch ist. M. M. n. gibt es im Buch genügend Hinweise und Symbole, die darauf hinweisen, was passieren wird. Und es ist letztlich auch nur logisch.

  • Das Ende von Anna Karenina und von Madame Bovary kannte ich auch schon laaaange vor der Geschichte. Aber bei diesen Bücher gilt für mich eindeutig: Der Weg ist das Ziel! :breitgrins: Da finde ich die "Spoiler" absolut nicht tragisch, obwohl ich sonst sehr empfindlich bin.

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Ich wusste vor der Lektüre auch nicht, wie die Geschichte ausgeht. Niemand kennt alle "Klassiker". Natürlich kann man sich die Geschichte während des Lesens zusammenreimen. Aber ich denke, mich hätte es auch ein wenig gestört, wenn mir jemand zu Beginn des Buches gesagt hätte, wie es ausgeht...

    //Grösser ist doof//


  • Entschuldigung, ich habe es abgeändert, denn ich wollte hier nichts vorwegnehmen, aber ich habe es aber auch nicht so gesehen, denn


    Also bitte ich um Vergebung. Ich dachte nicht, dass diese Beschreibung etwas über das Ende verrät und mit Sicherheit möchte ich niemals jemandem den Spaß an einem Buch nehmen. :traurig:


  • Ich dachte nicht, dass diese Beschreibung etwas über das Ende verrät und mit Sicherheit möchte ich niemals jemandem den Spaß an einem Buch nehmen. :traurig:


    Das weiß ich doch :knuddel: . Wie Du ja aber gesehen hast scheine ich eben etwas überempfindlich zu sein, dachte aber trotzdem, dass es sinnvoll ist, hier etwas zu sensibilisieren (ich weiß nämlich auch, dass sich noch ein paar Sensibelchen rumtreiben).


    Dank Alzheimer habe ich alles schon wieder vergessen und freue mich darauf, am Wochenende weiter zu lesen.


    Grüsse
    Alexa

  • Lew Tolstoj ~ Anna Karenina



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    Seiten: 1205
    Verlag: insel
    Ersterscheinung: 1878


    [hr]


    Zum Inhalt:
    Tolstoj verarbeitet in seinem achtteiligen Romanepos aus 1878 die Geschichten dreier adliger Familien im Russland des 19. Jahrhunderts: da wären zum einen die Oblonskijs - Stepan und seine Frau Darja, die er mit der Gouvernante des Hauses betrogen hat, des Weiteren die Fürstenfamilie Schtscherbatzkaja, vordergründig deren jüngste Tochter Kitty, die den Gutsbesitzer Lewin heiratet, sowie die Familie Karenin. Anna Karenina fühlt sich zu ihrem Mann Alexej, der das Amt eines angesehenen Staatsbeamten bekleidet, schon lange nicht mehr hingezogen. Als sie dem jungen und charismatischen Graf Wronskij begegnet, verliebt sie sich leidenschaftlich in ihn - und beginnt eine verhängnisvolle Beziehung.


    Meine Meinung:
    Mit ein wenig Bauchgrummeln habe ich dieses Buch begonnen, da ich nicht genau wusste, was mich erwarten wird, und ich angesichst des "großen Russen" schon von vornherein ein wenig Respekt vor diesem bedeutenden Werk der Weltliteratur hatte. Ich kann alle, die dieses Buch noch nicht kennen, beruhigen: es ist überraschend angenehm zu lesen, mit einer gewählten, aber nicht hochgestochenen Ausdrucksweise. Am faszinierendsten ist Tolstojs Art, Emotionen und innere Widersprüche seiner Charaktere glaubwürdig und realistisch darzustellen. Binnen kurzer Zeit hat dieses Buch mich gepackt und nicht mehr losgelassen, denn es entwickelt eine starke Sogwirkung.


    Ich kann Tinas Gedanken nur zustimmen, dieses Werk ist in seiner Thematik ebenso vielschichtig wie zeitlos. Es geht um das, was einen Menschen im Innersten ausmacht, seine Antriebe, seine Leidenschaften, Stärken und Schwächen, und welchen Weg er im Leben gehen wird - soll der Mensch sich vom Schicksal leiten lassen, sich treiben lassen und sehen, wohin ihn sein Weg führt, oder soll er seine Ideale, seine Wünsche und Emotionen bündeln und selbst aktiv werden, um das zu erreichen, wonach er strebt? Für ersteres steht in diesem Werk niemand mehr als Anna - sie verfällt Wronsjis Reizen und verliert darüber ihre Vernunft, ihre Vorsicht. Als sie ihrem Mann schließlich die Affäre beichtet, legt sie ihm gleichzeitig die Bürde auf, für sie zu entscheiden. Unfähig geworden, die Situation klar und nüchtern zu betrachten, wartet sie darauf, dass etwas geschieht, das sie aus der Misere retten wird. Daran zerbricht Anna langsam und stetig, da sie merkt, dass niemand für sie so weit geht, sie entweder komplett zu verstoßen oder sie und ihre Fehler zu akzeptieren.


    Aber es geht eben auch um gesellschaftliche Konventionen und menschliche Heucheleien. Tolstoj bricht eine Lanze für die Frauen des 19. Jahrhunderts, die, wirtschaftlich abhängig von ihren Ehegatten, ihren eigenen Weg gehen wollen, frei von allen Urteilen der Gesellschaft. Die Untreue der Männer wird heruntergespielt (von der Gesellschaft, nicht von Tolstoj!), akzeptiert, ja gar erwartet. Die Untreue der Frau jedoch ist "verbrecherisch" und gehört auf alle Zeiten geächtet. Die Menschen, die sich über Annas Untreue echauffieren und sie meiden, handeln selbst keinen Deut moralischer. Während Oblonskijs mehrfache und öffentlich bekannte Untreue niemanden aufregt, verliert Anna langsam den Boden unter den Füßen angesichts der Feindseligkeit, die ihr entgegengebracht wird. Dabei sehnt sie sich nur nach einem - nach Liebe, die ihr Mann ihr nicht geben konnte und die sie sich anderweitig gesucht hat. Kann man einen Menschen dafür verdammen? In einer Zeit, in der Vernunftehen die Regel waren und zwischen den Ehegatten selten mehr als Respekt füreinander bestand?


    Das Angenehme an Anna Karenina ist, dass Tolstoj als wahrlich meisterhafter Beobachter dem Leser keine vorgefertigte Meinung serviert, sondern ihn selbst seine Schlüsse ziehen lässt - ob nun zugunsten oder zuungunsten eines Charakters. Die Persönlichkeiten in diesem Werk haben alle ihre Ecken und Kanten, die nach und nach zu Tage treten. So hat sich bei mir anfängliche Sympathie für eine Person schnell ins Gegenteil verkehrt und andersherum. Die Charaktere sind greifbar, mehrdimensional, und entwickeln sich mit der Handlung, sie reifen. Die Handlungen sowie Gedanken und Gefühle der Personen sind immer nachvollziehbar und plausibel. Tolstoj vermag es, unheimlich tief in die Seelen der Personen hineinzuschauen und ihr Innerstes nach außen zu kehren, vor allem in puncto Frauen. Wie er Annas Widersprüchlichkeiten, ihre innere Zerrissenheit und ihre Verzweiflung dargestellt hat, das ist einfach ganz große Kunst und ich habe mich beim Lesen immer wieder gefragt: "Woher kennt der Mann meine Gedanken?" Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir Anna eine der liebsten Protagonisten ist und ich sie sehr gut verstehen kann.


    Die Lektüre von Anna Karenina hat mich tief berührt, aufgewühlt, zum Nachdenken gebracht und zu Tränen gerührt. Es ist ein Buch, das man in seinem Leben mehrfach lesen sollte, denn ich bin mir sicher, dass man mit jedem Mal andere Dinge entdeckt, die einem vorher nicht aufgefallen sind.


    5ratten:tipp:

  • Das sind ganz wunderbare Rezis, die ihr hier schreibt! :klatschen:
    Ich glaube, ich muss das Buch endlich auch lesen.


    Grüße von Annabas :winken: