Agatha Christie - Ruhe unsanft

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    Titel: Ruhe unsanft
    Autor: Agatha Christie


    Allgemein:
    223 S.; Fischer; 2007; 7.95 €



    Inhalt:
    Alles könnte so wunderschön sein: Gwenda Reed, frisch verheiratet, ist nach Dillmouth, Südengland, gereist um sich ein Haus anzusehen das ihr auch auf den ersten Blick hin gut gefällt! Doch bald geschehen seltsame Dinge, im Garten möchte Gwenda gerne Treppen bauen lassen, als die Bauarbeiten beginnen, stellt man fest das es hier schoneinmal Treppen gegeben hatte, damit nicht genug, auch eine Tür im Haus, gab es schon einmal, ebenso eine Tappette in einem der Zimmer. Gwenda flüchtet zu Verwandten ihres Mannes nach London. Dort jedoch geschieht etwas unfassbares: wärend eines Theatherstücks rennt Gwenda schreiend aus der Vorstellung, eine Mordsezne hat sie zu Tode erschreckt, als Miss Marple, sie darauf hin befragt rutscht ihr nur ein Name heraus: Helen. Doch Gwenda kennt keine Frau namens Helen. Oder doch?



    Meinung:
    Ich persönlich finde dies ist einer der besten Miss Marple Romane überhaupt! Ds liegt hier vor allem an der Umsetzung der Idee. Agatha Christie bringt hier eine Spannung ins Spiel die an manchen Stellen schon fast unheimlich wird, weil man selbst, ebenso wie Gwennda ein unheimliches Gefühl bekommt. Man fragt sich, was könnte es mit diesem Haus auf sich haben und weshalb fühlt sich Gwenda einerseits so wohl und andererseits hat sie fast Angst in diesem Haus. Was vielleicht in eine schlechte Geistergeschichte abdriften könnte wurde hier zu einem spannenden Kriminalfall ausgearbeitet, bei dem Miss Marple wieder einmal ihre Hände im Spiel hat und maßgeblich zur Aufklärung beiträgt. Die alte Dame ist mir einfach unheimlich symphatisch, scheinbar harmlos und etwas verschroben löst sie die kniffligsten Fälle und hat dabei aber auch ein sehr gutes Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen, was meiner Meinung nach letztendlich der Schlüssel für ihre Begabung ist.
    In diesem Fall lässt Agatha Christie iher Heldin mal wieder mit einer großen Portion Humor agieren, mehr als einmal musste ich darüber schmunzeln welche Methoden Miss Marple anwendet um ans Ziel zu gelangen. Da werden dann in einem Geschäft schonmal Strickjäckchen gekauft - die sie eigentlich nicht braucht - um den Verkäufer ausfragen zu können ohne das dieser es bemerkt.


    Um noch einmal auf den Kriminalfall zurückzukommen, ich finde hier hat Agatha Christie sehr gute Arbeit geleistet. Wieder einmal streut sie falsche Fährten und man tut sich schwer, diese als solche zu erkennen. Nur wenn man wie ich, die Geschichte schon einmal gelesen hat, kann man eine klare Fährte erkennen. Gerade weil man zu Anfang nicht genau weiß was nun eigentlich wirklich passiert ist, möchte man unbedingt weiter lesen um zu erfahren ob die eigenen Vermutungen richtig waren oder nicht. Das Ende ist bei genauerer Betrachtung sehr logisch und zeigt einmal mehr die Abgründe der menschlichen Seele auf. Mir gefällt der psychologische Aspekt der hier auftaucht.


    Ich kann Ruhe unsanft nur wärmstens weiterempfehlen!


    4ratten

  • Muss ich mir mal merken den Titel - ich stehe ja auch sehr auf sie. Habe leider nicht so viele von ihr - aber man kann leider nicht alles haben was man möchte. Schöne Rezi Holden.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo!


    Ruhe unsanft habe ich zwar schon vor drei Jahren gelesen, aber ich kann mich noch gut daran erinnern. Holden hat den Grund schon genannt: hier tun sich wirklich Abgründe in der menschlichen Seele auf. Dabei finde ich gerade die Krimis um Miss Marple eher beschaulich. Dieser jedoch ist eine Ausnahme, vielleicht auch weil er mehr aus Gwendas Sicht erzählt wird.


    Im Moment gibt es viele Rezis zu Agatha Christie, das macht mir so richtig Lust auf ihre Krimis. Ich glaube, ich werde demnächt das entsprechende Regal in der Bücherei überfallen :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Stimmt Kirsten - fällt mir auch grad so auf.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

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    Klappentext:
    The owner of a seaside villa is plagued by strange feelings about its past...Soon after Gwenda moved into her new home, odd things started to happen. Despite her best efforts to modernise the house, she only succeeded in dredging up its past. Worse, she felt an irrational sense of terror every time she climbed the stairs...In fear, Gwenda turned to Miss Marple to exorcise her ghosts. Between them, they were to solve a 'perfect' crime committed many years before.



    Ja, dieser letzte aller Miss Marple-Romane, den ich im englischen Original ("Sleeping Murder") gelesen habe, ist wirklich gelungen. Eine wohlkomponierter Plot in passendem Stil erzählt, wie bei Christie üblich geruhsam, aber doch die Abgründe der menschlichen Seele darstellend. Rundum gelungen und als Kontrast zu den heute so populären Brutalosplatterkrimis sehr angenehm.


    Wie es sich für einen Whodunit gehört, ist die Lösung eigentlich offenbar - wenn man Miss Marple heißt. Die Spuren sind deutlich angelegt, aber doch geschickt versteckt, auch wenn ich schon recht früh die richtige Person verdächtigte. Das kann aber auch daran liegen, dass ich den Krimi vermutlich schon einmal gelesen hatte.


    Worüber ich eine Weile grübelte, war die Zeit, in der sie Geschichte spielt. Der Krimi erschien posthum 1976, einige Zeichen deuteten aber auf einen viel frühere Handlungszeit hin. Und tatsächlich hatte Christie den Roman schon 1940 geschrieben, was die Erwähnung von "Prinzessin Elisabeth" und dem König erklärt. Auch die als noch in voller Blüte stehend geschilderte Klassenstruktur zeugte von einer früheren Entstehung. Gerade auch deswegen schätze ich dieses Buch. Es erzählt nebenbei davon, wie die Gesellschaftsverhältnisse zwischen den Weltkriegen aussahen. Gerade weil sie nicht im Zentrum der Handlung stehen, sondern nur den Hintergrund bilden, neige ich dazu, sie als realistisch anzusehen.


    Ich vergebe überzeugte
    4ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Stimmt, da hatte ich auch mal was dazu geschrieben:


    Schlafende Hunde soll man nicht wecken - und in schlafenden Mordfällen nicht herumstochern. Dass das frisch verheiratete Pärchen Gwenda und Giles Reed diese alte Volkweisheit missachtet, bezahlt es um ein Haar mit dem Leben. Wenn - ja, wenn da nicht Miss Marple gewesen wäre...


    Der Untertitel des Romans (<em>Miss Marple's Last Case [Ihr letzter Fall]</em>) ist übrigens ein wenig irreführend. Im Gegensatz zu Poirot, der am Ende seines letzten Falls (<em>Curtain</em>) sogar stirbt, ist Miss Marple nicht nur den ganzen Roman hindurch putzmunter und so gesund, wie eine ältere Dame nur sein kann - sie löst auch den Fall brillant und stirbt keineswegs dabei. Auch von der inneren Chronologie ihrer Fälle her kann es sich nicht um den letzten Fall ihres Lebens gehandelt haben: Miss Marple besucht Colonel und Mrs Bantry (er seinerzeit der Hauptmordverdächtige in <em>The Body in the Library</em>) in ihrem Landhaus. Der Colonel wird in einem andern Miss-Marple-Roman als verstorben erwähnt, das Anwesen als verkauft. <em>Sleeping Murder</em> muss also vorher stattgefunden haben. Von den externen Fakten her muss die Geschichte zu Beginn der 1930er Jahre spielen, zu einer Zeit nämlich, als der englische Mittelstand sich Villen auf dem Land leisten konnte, und - Personal. Mindestens eine Nanny, eine Köchin, ein Dienstmädchen und einen (Teilzeit-)Gärtner. Denn der Plot von <em>Sleeping Murder</em> beruht sowohl bei seiner Schnürung wie bei seiner Auflösung auf dieser (nach heutigen Begriffen) Unmenge von Bediensteten. Tatsächlich wurde der Roman bereits 1940 geschrieben. Allerdings landete er als Eiserne Reserve in einem Banksafe, und erst 1975, als Agatha Christie wusste, dass sie nicht mehr in der Lage war, weitere Romane zu schreiben, wurde er hervorgeholt und zur Veröffentlichung vorbereitet. Es dauerte allerdings noch ein Jahr, und Agatha Christie verstarb in der Zwischenzeit, bis der Roman das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Nur im Sinne des Erscheinungsjahrs 1976 also ist es Miss Marples letzter Fall, den wir hier vor uns haben.


    <em>Sleeping Murder</em> ist denn auch noch nicht der Versuch, Miss Marple in ein psychologisches Kammerspiel einzuspannen, wie ihn Agatha Christie rund 10 Jahre später in <em>A Pocket Full of Rye</em> ausführte. (Dafür eignete sich ja Hercule Poirot bedeutend besser. Poirot ist per definitionem der Fremde, der solche eng zusammengekittete Gruppen sprengen kann. Miss Marple ist darauf angewiesen, einheimisch zu sein, zur Herde zu gehören.) Zwar spielt die Handlung nicht in Miss Marples Heimatdorf St. Mary Mead, aber Dillmouth ist ein ähnlich verschlafenes Kaff, in dem jeder jeden kennt und sich auf 20 Jahre zurück an die kleinsten Kleinigkeiten erinnert. So kann es nicht verwundern, dass es Miss Marple gelingt, sehr rasch Zugang zur Dorfbevölkerung zu finden, kennt sie doch immer jemanden, der jemanden kennt, der dort einheimisch (geworden) ist. Einmal mehr wird Miss Marple auch von ihrem Neffen als Relikt der viktorianischen Zeit bezeichnet - aber im Grunde genommen ist ja das ganze Setting ein Überbleibsel jener Epoche.


    Das junge Pärchen, das es sich in den Kopf gesetzt hatte, als Amateur-Detektive den Mord an Gwendas Stiefmutter, der vor fast 20 Jahren stattgefunden haben muss (wenn er stattgefunden hat - die allgemeine Überzeugung ist, dass die mannstolle Helen mit einem ihrer vielen Liebhaber durchgebrannt ist), irrt natürlich in seinen Verdächtigungen gar fürchterlich - im Gegensatz zu Miss Marple, der es sehr rasch klar ist, wer der Mörder gewesen ist, die aber fast den ganzen Roman über dazu schweigt. Wenn sie dann endlich die ganze Geschichte (er-)klärt, liefert sie gleichzeitig die Gebrauchsanleitung zum Verfassen von Kriminalromanen à la Christie mit: Das Pärchen nämlich, so führt Miss Marple aus, habe zu viel für wahr genommen, was nur auf der Aussage einer einzigen Person beruht habe. Das ist auch der Trick, mit dem Agatha Christie arbeitet. Subtil werden Aussagen vom Detektiv oder gar auktoriell wiederholt, die eigentlich nur Aussage eines einzelnen sind, auf diese Weise aber den Status gefestigter Wahrheit erhalten.


    <em>Sleeping Murder</em> ist bestens gemachte Unterhaltungsliteratur. Ich kann das Büchlein jedem empfehlen, der so etwas sucht, ohne sich gleich bei der Lektüre zu Tode ängstigen zu müssen. Obwohl es im Grunde genommen beängstigend ist, was Agatha Christie uns da vorstellt: Einmal mehr nämlich ist die an der Oberfläche so heile Welt des englisch-viktorianischen Landlebens keineswegs heil. Und einmal mehr ist der Mörder nicht der Gärtner (der ist nur und ohne Absicht Gehilfe beim Verscharren der Leiche), sondern ein Mitglied der Familie - die also alles andere als der heile und noch gesunde Rückzugsort ist, als der sie so gern dargestellt wird. Und wenn Miss Marple vorgeworfen wird, dass sie mit ihrer Art, von jedem zuerst einmal das Schlechteste anzunehmen, eine absolute Zynikerin sei, verneint sie das heftigst. Sie hoffe doch immer, dass alles sich zum Guten wende, meint sie. Implizit aber gesteht sie damit, dass es mit dieser Welt eben keineswegs gut bestellt ist, und bejaht somit hintergründig, was sie vordergründig zu verneinen scheint.


    (Eine Bemerkung noch zur Übersetzung des Titels ins Deutsche. Im Gegensatz zum deutschen Titel von <em>A Pocket Full of Rye</em> verrät der Titel zwar nichts Relevantes. Aber der Wunsch, unsanft zu ruhen, wird im ganzen Roman niemals und niemandem gegenüber geäussert. Den Rat hingegen, von einem schlafenden Mordfall die Finger zu lassen, hören Gwenda und Giles des öfteren.)


    Auch zu finden hier: http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=4965

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)