Ich bin mir nicht sicher, in welches Genre das Buch gehört. Es hat etwas von einem historischen Roman, von einem Thriller, einem Mysterybuch oder einem Liebesroman - also steck ichs mal in "Sonstige Belletristik", weil eine bestimmte Zuordnung einfach schwer möglich ist.
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Inhalt
Europa im 19. Jhd.: Hercule Barfuss wird in einer stürmischen Winternacht geboren, zeitgleich mit Henriette Vogel. Doch im Gegensatz zu dem wunderschönen Mädchen ist Hercule vollkommen entstellt. Beide wachsen zusammen in einem Bordell auf und sind bald unzertrennlich. Die Schließung des Freudenhauses zwingt sie jedoch dazu, sich voneinander zu lösen, Hercule landet im Irrenhaus und Henriette in einem anderen Bordell. Fortan ist Hercules einziges Lebensziel, das Mädchen wiederzufinden. Er wandert durch ganz Europa und mit seiner ungewöhnlichen Gabe, in die Gedanken anderer einzudringen, fasziniert und verstört er gleichermaßen. Doch wird Hercule seine Geliebte je wieder sehen oder wird er vorher an seinem Äußeren und seiner Gabe zugrunde gehen?
Meine Meinung
Das war mal wieder ein Buch, das viel zu lange auf meinem SuB gelegen hat. Hercule ist eine faszinierende Person, mit der ich gerne noch um einiges länger quer durch Europe gereist wäre.
Auch wenn sich die Beschreibung so anhört, handelt es sich bei dem Buch keinerfalls um eine reine Liebesgeschichte. Hercule ist zwar auf der Suche nach seiner großen Liebe Henriette, aber diese Suche bringt ihn immer wieder mit neuen Menschen zusammen und treibt ihn durch ganz Europa. So begegnet man den Herren der Inquisition, den Mitgliedern eines kuriosen Wanderzirkusses, verarmten Ladys, Mönchen und Mördern. Manche fürchten sich vor Hercule, andere nutzen ihn aus, haben einfach nur Mitleid mit ihm oder bauen eine Freundschaft auf. Man lernt also alle möglichen Menschenschläge kennen, was mir persönlich gut gefallen hat. Leicht hätte der Autor auf die Mitleidsschiene abrutschen können, indem er Hercule nur Schlechtes wiederfahren lässt oder immer wieder auf seine Behinderung hinweist. Aber das Buch ist völlig wertfrei geschrieben und hat, meiner Meinung nach, auch nicht zum Ziel, Verständnis für entstellte Menschen herbeizuführen. Außerdem ist Hercule keine durchweg sympathische und gütige Figur.
Zu diesem Bild trägt sicherlich auch Hercules Gabe bei. Er kann, taub und stumm wie er ist, über Gedanken mit anderen menschen kommunizieren. Das scheint erst einmal ziemlich verrückt zu klingen, aber diese Gabe fügt sich ohne Probleme in die weitestgehend realistische Handlung ein. Man überlegt nicht, ob das jetzt real oder logisch ist, weil man gar nicht auf die Idee kommt, Hercules Gabe und die Realität zu trennen.
Wer jetzt glaubt, mit Liebesgeschichte, Historienroman und Mystery seien die Facetten des Buches schon abgedeckt, der irrt sich. Es kommt nämlich noch eine gute Portion Thriller dazu. Wer also zimperlich ist und Brutalität überhaupt nicht abkann, sollte lieber die Finger davon lassen. Man bewegt sich in Bordellen, Irrenanstalten und Gefängnissen, man erlebt die Methoden der Inquisition und die von skrupellosen Mördern. Dass da einiges an Grausamkeit zu finden ist, dürfte nachvollziehbar sein und Vallgren hält sich nicht zurück.
Der Schreibstil Vallgrens trägt wahrscheinlich einiges zu der Atmosphäre bei. Am Anfang dachte ich mir noch, dass ich das Buch niemals überstehe, aber nach der etwas langweiligen Einleitung liefs richtig gut mit uns beiden. Die Geschichte ist spannend geschrieben und bis zum Schluss kam, zumindest bei mir, keine Langeweile mehr auf. Das Nachwort hat sich dann wieder etwas gezogen, aber was solls.
Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, dessen Aufmachung (zumindest die, die ich hatte) und Titel nicht vom Lesen abhalten sollten.
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