Ken Follett: Sturz der Titanen
1024 Seiten, 28,00€, ebook 19,99€
Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Inhalt:
Aberowen, Wales, ist Heimat der Familie Williams, deren Sohn Billy im Bergwerk arbeitet, während Tochter Ethel auf Ty Gwyn, dem Anwesen des Earls Fitzherbert als Dienstmädchen eine Anstellung gefunden hat. Diesem Landsitz steht 1914 ein großer Besuch bevor: König George V. wird dort ein Wochenende verbringen und hat den Wunsch geäußert, sich mit jungen Männern verschiedener Nationen über die aktuelle politische Lage auszutauschen. Im Vordergrund steht besonders die Frage: Wird es einen Krieg zwischen ihren Völkern geben?
Der erste Satz:
An dem Tag, als George V. in der Westminster Abbey den Thron bestieg, fur Billy Williams zum ersten Mal in die Grube von Aberowen ein.
Meine Meinung:
Zunächst ein Tipp: Man sollte sich nicht vom überaus umfangreichen Personenverzeichnis abschrecken lassen. Ich weiß nicht, wie viele Seiten es in der Printausgabe hat, aber in meiner ebook-Version wirkte es durchaus imponierend. Allerdings war es während des Lesens dann kein Problem, die Personen auseinanderzuhalten, weil sie sich ja auf verschiedene Länder und Schichten verteilen.
Hauptfiguren sind der oben bereits erwähnte Billy Williams, seine Schwester Ethel, der Earl Fitzherbert, genannt Fitz, und seine Schwester Maud sowie zwei Gäste aus der Diskussionsrunde mit dem König, der deutsche Diplomat Walter von Ulrich sowie der Amerikaner Gus Dewar, Sohn eines Senators.
Damit deckt Follet schon die britische und die deutsche Perspektive ab. Hinzu kommt ein russisches Brüderpaar aus Petrogard, Grigori und Lew, zwei Arbeiter. Eine Verbindung nach Großbritannien besteht insofern, dass Fitz' Frau Bea eine Russin ist.
Abwechselnd stehen diese Personen im Vordergrund des Geschehens. Dankenswerterweise verzichtet Follet dabei auf billige Cliffhanger am Ende eines solchen Abschnittes. Dafür versucht er immer wieder, die Lebenswege der Figuren miteinander zu verknüpfen - und das wirkt doch manchmal arg konstruiert und bemüht, alle Erzählstränge unter einen Hut zu bringen und zwangshaft miteinander zu verbinden.
Zudem hat man manchmal den Eindruck, das Schicksal ganz Europas bzw. der Ausgang des 1.Weltkrieges hängt von niemandem anderen als Folletts fiktiven Personen ab. Das war mir dann doch ein bisschen viel.
Da findet sich aber auch schon ein Punkt, der mich an dem Buch fasziniert hat: die politischen Ereignisse von 1914-18 werden aus der Perspektive verschiedener Länder gesehen. Und das gibt ein ganz ausgewogenes Bild (soweit ich das einschätzen kann) und trägt zum Facettenreichtum des Buches bei. Ich kann auch nur den Hut abziehen vor der Recherche, die Follett da betrieben hat.Trockene Geschichte ist das nicht, was er da beschreibt, sondern eben gelebtes Leben, bei dem man als Leser mitfühlen kann. Andererseits kann man nicht leugnen, dass er wirklich verdammt viel an Themen in diesem Buch verpackt.
Da geht es direkt von der Front zur russischen Revolution und weiter zum Kampf für das Frauenwahlrecht in England. Auch das Elend der Berg-/Fabrikarbeiter darf nicht fehlen.
Aber ich muss auch ehrlich sagen, dass Follett es schafft, einem als Leser zu zeigen, wie diese Dinge zusammenhängen und einander wieder beeinflussen. In diesem Sinne ist es sicherlich ein lehrreiches Buch. Zum Ausgleich gibt es aber noch die persönliche Seite mit, wie das eben bei Follett so ist, viel Liebe, Sex und Drama, Baby.
Manchmal hatte ich trotz all der Dramatik aber den Eindruck, dass das Geschehen einfach nur ein bisschen dahinplätschert. Follett lässt sich und seiner Geschichte da viel Zeit und Raum und schmückt sehr weit aus. Ein paar Längen hat das Buch also sicherlich und mir fehlen eben manchmal die Anstiege in der Spannungskurve. Dazu kommt, dass wir als (in dieser Beziehung allwissende) Leser natürlich mehr über den weiteren Verlauf der Geschichte wissen als die Figuren. (Das hat mich manchmal richtig traurig gemacht, gerade wenn sie so sehr auf langen Frieden nach dem Krieg und eine bessere Zukunft für ihre Kinder hoffen.)
Allerdings schafft es Follett, durch die Perspektivwechsel wieder Schwung in das Ganze zu bringen, bevor es langweilig wird. Und auch wenn manches vorhersehbar ist, gibt es da Figuren, die doch für so manche Überraschung sorgen, z.B.
Ethel und Billy, die ja sehr interessante Lebensläufe haben. Billys Verteidigungsrede relativ am Ende des Buches vor Fitz fand ich übrigens ganz, ganz stark, für mich eigentlich der Höhepunkt des Buches. Das war etwas, was ich dem zu Beginn doch eher naiven Billy nicht zugetraut hätte.
Fazit: Für mich nicht unbedingt Folletts spannendstes und packendstes Buch. Aber trotz einiger Längen und einer manchmal etwas konstruiert wirkenden Geschichte hat mir das Lesen Spaß gemacht und ich werde auch den Nachfolgeband lesen.
Was die Bewertung betrifft, kann ich mich nicht entscheiden zwischen 3,5 und 4 Ratten.