Karl May
Winnetou I
1893
Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Der Autor
Karl May (1842 - 1912) war das fünfte von 14 Kindern einer armen Weberfamilie aus Ernstthal/Sachsen. Vom Studium am Lehrerseminar wurde er zunächst ausgeschlossen, nachdem er Kerzenreste unterschlagen hatte. Später konnte er die Ausbildung fortsetzen, arbeitete nur 14 Tage in seinem Beruf, bevor er wieder des Diebstahls bezichtigt und von der Liste der Kandidaten gestrichen wurde. Wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei wurde er in den Jahren darauf immer wieder verhaftet und monatelang festgesetzt. Die Jahre zwischen 1840 und 1844 verbrachte er im Zuchthaus Waldheim. Erst viele Jahre nach dem Erscheinen des akribisch recherchierten Orientzyklus reiste Karl May tatsächlich in den Orient. Karl May war lange Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Er starb1912 in Radebeul (Quelle: Amazon)
Inhalt
Der Leser erfährt, wie der Ich-Erzähler zum berühmten Westmann Old Shatterhand wird und die Freundschaft des edlen Apatschen Winnetou erringt. Das tragische Schicksal Nscho-tschis verleiht dieser Geschichte jenen Hauch von Schwermut, der über dem verzweifelten Todesringen der roten Rasse liegt (Quelle: Karl-May-Verlag)
Die Winnetou-Filme zählen zu den ersten Filmen, für die ich als Kind abends auch schon mal länger aufbleiben durfte und die, selbst wenn man sie im Lauf der Jahre wiederholt sah, nichts von ihrer Faszination verloren. Ein wesentlicher Grund dafür war sicher dieses Edle, das Winnetou anhaftet. Er war keiner von den "Wilden", die wild schreiend und grell bemalt um ein Lagerfeuer sprangen, um sich für den Kriegspfad in Stimmung zu bringen, sondern verkörperte vielmehr Besonnenheit, Klugheit und Würde.
Karl May hält den Spannungsbogen fast durchgehend auf gleich hohem Niveau. Die Handlung selbst wäre in wenigen Worten erzählt, doch May schmückt alles mit vielen Details und Dialogen aus und schafft so ein komplexes Abenteuer. Der Höhepunkt fand für mich allerdings nicht am Ende des Buches statt, sondern im Mittelteil, in dem man miterlebt, wie der namenlose Erzähler sich den Namen Old Shatterhand verdient und durch Redlichkeit und Mut zu Winnetous Blutsbruder wird. Dieser Teil ist in sich geschlossen, so dass das Buch eigentlich hätte beendet werden könnte. Doch es wartet noch ein weiteres Erlebnis auf die beiden, das aber vergleichsweise schnell abgehandelt wird und mir fast wie ein nachträglicher Anhang an das Buch vorkam, der die Möglichkeit offen ließ, aus diesem Teil den Anfang einer Reihe zu machen.
Der Kontrast zwischen Gut und Böse ist sehr deutlich ausgebildet, dazwischen existiert fast nichts. Diese Schwarz-Weiß-Malerei wurde mit der Zeit sehr auffällig. Die Schlechten sind wirklich äußerst verkommen, vor allem gedanklich, egoistisch, und teilweise so naiv, dass es schmerzt. Die Guten sind intelligent, mutig und natürlich gut aussehend, sie denken nicht nur an sich selbst, sondern stellen das Gemeinwohl vor alles andere. Letzteres hört sich generell gut an, aber mit dem Abstand von mehr als drei Jahrzehnten sehe ich diese Überzeichnung der Charaktere viel deutlicher und stelle fest, dass sich die Bewunderung meinerseits inzwischen sehr in Grenzen hält. Die positiven Eigenschaften der jeweiligen Hauptpersonen sind wünschenswert, keine Frage, aber in dieser Fülle einfach unwirklich, besonders in einer Umgebung und Zeit, in der ein Menschenleben offensichtlich nicht viel zählte. Dass Winnetou auch von seiner Einstellung abweicht und blutrünstige Rachegefühle hegt, macht ihn eher realistisch als unsympathisch. Old Shatterhand dagegen, der als Greenhorn in den Wilden Westen kommt, sein Wissen lediglich aus Büchern bezogen hat und sich in der Ausübung als unfehlbar erweist, ist schlicht unglaubhaft.
Zu der Zeit, als die Karl-May-Romane erschienen, hatten nur wenige Leser Ahnung von den Verhältnissen im Wilden Westen, deshalb konnte May aus dem Vollen schöpfen und auch schon mal Behauptungen aufstellen, die aus heutiger Sicht fragwürdig erscheinen. Mit der Zeit nahmen auch die Zufälle überhand, die sich stets einstellten, wenn eine schnelle Lösung erforderlich oder keine logische Erklärung zu finden war. Stilistisch fand ich Winnetou streckenweise etwas zu blumig geschrieben, aber ansonsten akzeptabel.
Im Nachhinein stelle ich fest, dass meine Erinnerungen an Karl-May-Filme besser sind, als sich das Buch nun herausgestellt hat. Als Erwachsener sieht man die Charaktere einfach viel differenzierter und kritischer.
+