John Vermeulen - Der Garten der Lüste

Es gibt 38 Antworten in diesem Thema, welches 9.523 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Ich dachte ich kann das Buch heute beenden, aber jetzt sind mir die kleine Nichte und das TV-Duell Merkel - Steinbrück dazwischengekommen :rollen:


    Jeroen hat die schöne, kluge und reiche Aleyt geheiratet, aber sein Herz gehört immer noch seiner Schwester Herberta. Nach deren Tod steht er ziemlich neben sich, findet aber durch die Liebfrauenbruderschaft zur Künstlerkommune "Ecce Homo", wo er sich zumindest künstlerisch ausleben kann und das titelgebende Werk "Der Garten der Lüste" erschafft. Seine düsteren Visionen wird er aber auch in dieser freien Atmosphäre nicht los, zumal der lange Arm des Inquisitors Sprenger, dem Jeroens versteckt ketzerische Andeutungen ein Dorn im Auge sind, auch dieses Idyll bedroht.


    Das Leben zu Zeiten des Hieronymus Bosch muss sehr bedrückend gewesen sein, mit der allgegenwärtigen Kirche, die alle Freude verbietet und mit Folter und Hexenverbrennungen Angst und Schrecken verbreitet. Laut Wikipedia gibt es keinen Hinweis, dass Hieronymus Bosch tatsächlich so offen gegen die Macht der Kirche angemalt hat, aber John Vermeulen hat hier in jedem Fall die beklemmende Stimmung dieser Zeit sehr gut rübergebrach. Ich bin schon sehr gespannt, was die letzten 100 Seiten noch bringen.

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  • Ich habe das Buch nun beendet; wie fast schon zu erwarten war kann "Ecce Homo" mit seiner Idee des freien Menschen, der freien Gedanken und der freien Liebe nicht bestehen bleiben und Jeroen, der mit diesem "Ort der Verderbtheit" in Verbindung gebracht wird, wird ins Gefängnis gebracht und von seinem Widersacher Sprenger in die Mangel genommen. Dem Schicksal seiner Schwester kann er jedoch entgehen.


    Das (fiktive) Leben des Hieronymus Bosch war sehr interessant zu verfolgen und ich habe mir an mancher Stelle gedacht, ob heute aus einem Menschen wie ihm auch ein geachteter Künstler werden würde oder ob er in eine psychiatrischen Einrichtung eingewiesen werden würde. Ganz abgesehen davon fand ich die Schilderung einer Zeit, in der die Menschen in ständiger Angst leben mussten (wenn sie der Kirche glaubten, vor dem Höllenfeuer und der ewigen Verdammnis, wenn sie ihr nicht glaubten, vor der Inquisition) sehr beeindruckend und auch die Geschichte Herbertas, die aufgrund ihres Geschlechts ihre Klugheit und Begabung nicht ausleben konnte, hat mich sehr berührt.
    Einzigster kleiner Wermutstropfen war das allerletzte kurze Kapitel, das für mich zu sehr Friede-Freude-Eierkuchen war und nach meinem Empfinden zum restlichen Buch nicht gepasst hat. Ich vergebe deshalb 4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus: und setze die anderen Romane von John Vermeulen auf meine Wunschliste.

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    Einmal editiert, zuletzt von knödelchen ()

  • So viele überzeugte Leserinnen - da kann ich nicht daran vorbeigehen. Vermeulen ist mir noch unbekannt, aber auf meinem SUB liegt schon ein Buch von ihm, das ich nach einer Empfehlung hier im Forum gekauft habe. Und da aller guten Dinge drei sind, habe gleich noch seinen Roman über Bruegel erstanden.

  • Ich werde mir die anderen Romane von Vermeulen nach und nach auch zulegen, meine Bibliothek hat sie leider nicht.
    Doris, wenn du was von ihm zuhause hast, unbedingt bald lesen :leserin:! Du wirst sicher nicht enttäuscht werden.

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  • Doris, wenn du was von ihm zuhause hast, unbedingt bald lesen :leserin:! Du wirst sicher nicht enttäuscht werden.


    Das denke ich mir schon, seit das erste Buch ("Zwischen Gott und der See") hier steht. Aber es kommen immer so viele andere dazwischen...


  • Aber es kommen immer so viele andere dazwischen...


    Ja, das Problem kenne ich nur zu gut :rollen:...

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  • John Vermeulen - Der Garten der Lüste. Roman über Leben und Werk des Hieronymus Bosch


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    Klappentext
    Wer war Hieronymus Bosch, dessen Werk von Ungeheuern und Traumwesen bevölkert ist? Der die Gabe hatte, das "andere" Gesicht von Mensch und Natur zu sehen. Ein Ketzer, der dem Scheiterhaufen nur entging, weil er als namhafter Künstler und wohlhabender Mann gewisse Privilegien genoss? Ein Drogensüchtiger? Ein Lüstling, wie man aus seiner unverkennbar erotischen Symbolik schließen könnte? Dieser Roman führt mitten hinein in eine aufregende Zeit voller Widersprüche und Umbrüche.



    Niederlande, um 1460. Jeroen (Hieronymus) etwa zehn Jahre alt ist. Er ist ein stilles Kind, traut sich wenig zu und hängt sehr an seiner älteren Schwester Herberta. Sein Vater und sein Onkel sind Maler, und auch Jeroen hat dieses Talent, obwohl es noch niemand so richtig zur Kenntnis nimmt. Er liebt es, Tiere zu sezieren und Zeichnungen der Organe und Körperteile anzufertigen. Manchmal kombiniert er zeichnerisch Teile von verschiedenen Tieren und schafft so bizarre Wesen. Herberta hat die Begabung zu malen ebenfalls geerbt, außerdem ist sie für ihre 15 Jahr schon sehr reif und äußert harsche Kritik an der Kirche. Damit sollte sie vorsichtig sein, denn gerade von einer Frau hört der Klerus solche Redensarten nicht gerne. Man denke an die Hexenverbrennungen. Schade um ihr Talent, denn als Mädchen bzw. Frau darf sie es nicht anwenden. Das macht der Vater ihr bald klar. Furchtbar, die Vorstellung, welche Talente da Jahrhunderte lang unterdrückt und nicht gefördert wurden, nur weil Frauen für Haus und Kinder zuständig waren.


    Noch bin ich nicht sehr weit gekommen, etwa Seite 60, aber der erste Eindruck ist positiv.

  • Jeroen nennt sich mittlerweile offiziell Hieronymus Bosch und fällt schon unangenehm auf. Wegen eines Bildes wird er vor einen Ausschuss von Geistlichen zitiert und muss erläutern, wie einzelne Ausschnitte des Gemäldes zu verstehen sind. Ich habe mir das Bild angesehen und muss gestehen, dass mir keine gotteslästerlichen Besonderheiten auffallen. Entweder kenne ich zu wenig Hintergründe oder es ist reine Definitionssache, darin Gotteslästerung zu erkennen. Ich habe den Verdacht, dass man Bosch zu verstehen geben möchte, dass der Klerus ein Auge auf ihn hat. Nicht nur Jeroens Schwester ist sehr kritisch, auch er hat mittlerweile als 25-Jähriger eine Meinung, auch über die Geistlichkeit, die sich mit der Inquisition im Hintergrund zum Machthaber aufgeschwungen hat. Wer schön brav kuscht, hat nichts zu befürchten, aber wer kritisiert, rückt in den Blickpunkt.


    Auch anderweitig muss Jeroen vorsichtig sein. Er hat eine Liebesbeziehung, die in der Öffentlichkeit nicht toleriert wird. Das könnte noch problematisch werden.


    Die Geschichte liest sich gut, allerdings stören mich die Zeitsprünge. Meist vergehen zwischen den Kapiteln einige Jahre, was man aber nur beiläufig erkennt. Inzwischen weiß ich, dass ich damit rechnen muss, aber bis es so weit war, war es ein bisschen verwirrend.

  • Welches Gemälde ist es denn? Wenn man so nach Hieronymus Bosch sucht, kommen da schon ziemlich extreme Bilder zum Vorschein. Mir gefallen sie aber, da es viel zu entdecken gibt. :smile:


  • Es ist "Die Hochzeit zu Kana. Gegen seine späteren Bilder es vergleichsweise harmlos.


    Danke! Es mag uns harmlos erscheinen aber das Verderbliche ist wohl eher im Hintergrund zu finden. Ich habe ja keine Ahnung davon aber der Altar im Hintergrund soll eher heidnisch sein. Dazu kommt der gebratene Schwan - statt Mäßigung zeigt Bosch Völlerei.
    Da sind sicherlich viele Dinge, die wir nicht erkennen, weil uns schlicht der religiöse und zeitgeschichtliche Hintergrund fehlt.


  • Danke! Es mag uns harmlos erscheinen aber das Verderbliche ist wohl eher im Hintergrund zu finden. Ich habe ja keine Ahnung davon aber der Altar im Hintergrund soll eher heidnisch sein. Dazu kommt der gebratene Schwan - statt Mäßigung zeigt Bosch Völlerei.


    Ich habe auch keine Ahnung von Malerei. Allerdings denke ich, dass man bei einer Hochzeit ja ruhig ein bisschen Völlerei betreiben darf. Von daher finde ich an dem Schwan nicht Verwerfliches.



    Da sind sicherlich viele Dinge, die wir nicht erkennen, weil uns schlicht der religiöse und zeitgeschichtliche Hintergrund fehlt.


    Der Teufel steckt eben im Detail. Vermutlich zeigte Bosch in diesem Bild nur andeutungsweise und vorsichtig, was er in späteren Werken offensichtlich machte. Man muss eben seine Denkweise kennen, um es zu deuten.

  • OT
    Wenn man bedenkt, wie viel Planung und Arbeitsstunden in ein Gemälde flossen, finde ich es immer wieder bemerkenswert, welches Risiko einige Künstler mit einigen ihrer Bilder auf sich genommen haben.
    Nicht nur, dass sie potentiell schwer verkäuflich waren, sondern man steckte auch noch massenhaft Stunden an Überlegung, Planung und Ausführung in ein Projekt, dass den eigenen Ruf oder sogar das eigene Leben schädigen konnte.


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • @ nimue
    Danke!



    OT [...] in ein Projekt, dass den eigenen Ruf oder sogar das eigene Leben schädigen konnte.


    So OT ist das in Boschs Fall nicht. Seine Bilder waren "anders", und er ist damit bei den Geistlichen schon ordentlich angeeckt. Inzwischen ist er ungefähr Mitte Dreißig und steht sozusagen unter kirchlicher Beobachtung. Nicht nur, dass seine Bilder insgeheim oft Kritik üben - allerdings nicht nur an der Kirche - er malt auch Dinge, die nicht von dieser Welt sind und nach Ansicht so mancher Betrachter einem kranken Gehirn entspringen müssen. Das hieß damals, dass es mit Hexerei zu tun haben konnte. Er übt auch verbal Kritik, allerdings nur verhalten, weil ihm klar ist, was er damit heraufbeschwören kann.


    Seine Schwester Herberta dagegen hält damit nicht hinter dem Berg. Sie ist jetzt ungefähr 40 Jahre, noch nicht verheiratet und betätigt sich unter anderem damit, für andere deren Schicksal in Tarotkarten zu lesen. Ich will nicht zu viel verraten, aber man kann sich vorstellen, dass das Ärger bedeutet in einer Zeit, in der nahezu täglich die Scheiterhaufen lodern.


    Jeroen hat inzwischen Aleyt geheiratet, aber es gibt zwei Probleme, weswegen die Ehe nicht ganz so glücklich verläuft. Mir tun die Herberta und Aleyt Leid. Zusammen mit Jeroen bilden sie eine ungute Konstellation, bei der keiner glücklich werden kann.

  • Nach langer Zeit steht nun endlich Boschs Tätigkeit als Maler mehr im Mittelpunkt. Seine vorsichtigen Dispute mit dem Vertreter der Inquisition haben zwar ihre Ursache in seinen Bildern, aber als aktiven Maler konnte man ihn fast nicht wahrnehmen. Im Moment befindet er sich in einem Zufluchtsort, wo eine Hand voll Menschen nach ihren eigenen friedlichen Vorstellungen leben, ohne die ständige Angst vor der Kirche. Dort kann man ihm quasi über die Schulter blicken, als er ein Gemälde schafft, das wohl "Der Garten der Lüste" sein wird. Schade, dass diese Arbeit so lange zur Nebensache gemacht wurde, denn es ist ein intensives und fesselndes Erlebnis, bei der Entstehung dieses Werkes dabeizusein.


    In seiner Umgebung wird es jetzt heikel für ihn. Der oberste Geistliche, der die Folter im Namen der Inquisition zu seinem Werkzeug gemacht hat, ist skrupellos, wenn es um vermeintlich abtrünnige Gläubige geht. Noch steht Bosch nur unter Beobachtung, aber seine Bilder sprechen für sich. Gut vorstellbar, dass ihm irgendwie der Strick gedreht wird.


  • Wenn man bedenkt, wie viel Planung und Arbeitsstunden in ein Gemälde flossen, finde ich es immer wieder bemerkenswert, welches Risiko einige Künstler mit einigen ihrer Bilder auf sich genommen haben.
    Nicht nur, dass sie potentiell schwer verkäuflich waren [...]


    Diesbezüglich sieht es mittlerweile so aus, dass Bosch seine Gemälde gut losbekommt. Er muss nicht einmal Preise benennen, sondern bekommt Angebote, die ihn zufrieden stellen. Unter den Käufern sind auch Kirchenleute. Und das, obwohl immer wieder versteckte Details in den Bildern enthalten sind, die für den Inquisitor Ketzerei darstellen.

  • Leider kann ich eure Begeisterung nicht so ganz teilen. Schon beim Lesen fehlte der Kick, der das Buch für mich zu einem herausragenden Werk macht. Durch immer wieder auftretende Zeitsprünge erscheint die Handlung abgehackt, und mitunter hatte ich den Eindruck, als würde sich Vermeulen bestimmte Ereignisse aus Boschs Leben herauspicken und ein Kapitel drumherum stricken. Fließende Übergänge sind mir da lieber, das klingt nicht so schulbuchmäßig.


    Spannend war es aber doch, denn John Vermeulen beschreibt in seinem Roman eine Zeit, in der es nicht angeraten war, sich allzu öffentlich gegen die Kirche zu äußern. Schon eine Kleinigkeit genügte, um als Hexe oder Ketzer die Aufmerksamkeit der Inquisition auf sich zu ziehen. Boschs Schwester Herberta spielt eine gewichtige Rolle in diesem Schauspiel. Sie verkörpert die Frauen, denen es nicht erlaubt war, ihre Talente einzusetzen und die sich stattdessen um Haus und Kinder kümmern sollten. In Verbindung mit ihr erkennt man in Bosch den empfindsamen Menschen hinter der Fassade, mit der er sich umgibt. Nach außen dringen sonst nur wirre Gedanken und Fantasien, die er in seine Bilder einarbeitet. Sie sind schwer zu deuten, daher ist es nicht verwunderlich, dass er die Aufmerksamkeit des Inquisitors auf sich zieht.


    Der Maler steht leider ein bisschen im Hintergrund. Zwar ist immer gegenwärtig, dass Boschs Gemälde für den aufmerksamen Betrachter durchaus als ketzerisch eingestuft werden können, doch die künstlerische Arbeit als solche kommt zu kurz. Bis auf einige Ausnahmen erfährt man über seine Werke erfährt man nicht viel, ebenso wenig über seine künstlerische Entwicklung. Immerhin wird die Erschaffung des Bildes „Der Garten der Lüste“ ausführlich beschrieben.


    Die Biografie ist eine gute Mischung aus Wahrheit und Fiktion, wenn man sich nicht darum kümmert, was tatsächlich aus Hieronymus Boschs Leben gegriffen ist. Ein Nachwort, in dem das aufgeschlüsselt wird, wäre nicht schlecht gewesen.


    4ratten