Mark Watson - Überlebensgroß / The Knot

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 4.368 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Dominic ist die zentrale Person, der Erzähler der Geschichte seines Lebens.
    Jünger als seine beiden Geschwister, in deren Schatten er ständig steht, scheint er auch weniger erfolgreich. Mit seinem Bruder Max, der in Oxford studierte und danach im Sportgeschäft eine Menge Geld verdient, hat er sich nie verstanden. Anders seine Schwester Veronica, zehn Jahre älter, die er schon immer bewunderte, die er als „überlebensgroß“ bezeichnet und die sich um den kleinen Bruder kümmerte. Diese Bruder-Schwester-Beziehung wird zu einer besonderen Beziehung, auch als Veronica einen berühmten Sportler heiratet und mit ihm in der Welt unterwegs ist. Immer wieder zieht es die Geschwister zueinander.
    Bei seinem Beruf als Fotograf lernt Dominic Lauren kennen, in die er sich verliebt und die er später heiratet. Sie ist ihm zufolge die „zweite der drei Frauen, die er in seinem Leben geliebt hat“. Die dritte wird kurz nach der Hochzeit geboren, Tochter Elisabeth.
    Doch die Beziehung zu Lauren ist schwierig, die Erkrankung des Vaters belastet Dominic und die Familie zusätzlich. Als Veronica schwer erkrankt und Elisabeth dann mit 18 Jahren heiraten möchte, ist für Dominic der Augenblick gekommen, in dem er selbst handeln muss.


    Es ist schwierig, einen kurzen Überblick über die Handlung zu geben, weil ich zum einen nicht zu viel verraten möchte, zum anderen aber auch so viel passiert, da Dominic quasi sein ganzes Leben erzählt, von den ersten Kindheitserinnerungen bis zum Moment der Niederschrift, als seine Tochter 28 ist.
    Aus dieser langen Zeitspanne ergibt sich auch eine Fülle von verschiedenen Themen, die Mark Watson in seinem Roman anspricht. Manche werden nur kurz angeschnitten, andere ziehen sich als roter Faden durch die ganze Handlung, die Bandbreite ist groß. Es geht um die großen Themen, die man erwartet, wie Familienzusammenhalt und –streit, um Liebe, Krankheiten, Alkoholprobleme, Erfolg und Niederlagen, aber im Mittelpunkt steht die besondere Beziehung zwischen Dominic und Veronica, die über normale Geschwisterliebe hinausgeht.


    Ich hätte das Buch gerne im Original gelesen, aber da es auf Deutsch ausleihen konnte und ich nicht so viele Bücher kaufen möchte, hab ich die deutsche Übersetzung gelesen, die mir dann aber auch gut gefallen hat. :smile:


    Schon gleich zu Beginn war ich in der Geschichte drin. Ich mag es, wie Dominic sein Leben erzählt, sehr anschaulich, ausführlich, aber dennoch nie langweilig. Die Seiten flogen nur so dahin, manchmal passierte relativ wenig und dann wiederum völlig Unvorhergesehenes. Und obwohl das meiste, das Dominic erzählt, doch eher nachdenklich oder traurig macht, lässt einen „Überlebensgroß“ nicht in einer traurigen Stimmung zurück. Auch die schwierigen Themen geht Mark Watson recht locker an, regt zum Nachdenken an und lässt den Leser selbst urteilen.
    Insgesamt ein toller Roman, den ich nur empfehlen kann. Wenn auch nicht ganz so gut wie „Eleven“, ist „Überlebensgroß“ dennoch ein Roman, der bei den Höhepunkten meines Lesejahres ganz weit oben stehen wird und von Mark Watson mag ich unbedingt mehr lesen!


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  • Das hört sich toll an (und erinnert mich ein bisschen an die Bücher von Mark Haddon, den ich auch super gerne über solche Familienthemen lese).

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ah, mit Mark Haddon kann ich leider nicht vergleichen, von ihm habe ich noch nichts gelesen (aber bald,"The Red House" wartet hier schon auf mich :zwinker:).

  • Dominic wächst in den 50er Jahren als Nachzügler in seiner Familie auf. Seine beiden Geschwister sind deutlich älter als er, mit seinem Bruder versteht er sich gar nicht, zu seiner Schwester Victoria hat er hingegen ein sehr gutes Verhältnis. Dies kühlt sich auch nur ein wenig ab, als sie einen erfolgreichen Cricketspieler heiratet, in eine andere Gesellschaftsschicht aufsteigt und von da an nicht mehr so viel mit ihrer Familie zu tun hat.


    Dominic wird Hochzeitsfotograf und verbringt quasi jedes Wochenende damit, die Trauungen und Feiern glücklicher Paare festzuhalten. Auch er selber gründet irgendwann eine Familie.


    Vordergründig eine ganz normale Familiengeschichte, doch wie in Familien so üblich, laufe unterschwellig viele Dinge ab, die man von außen nicht direkt sieht. Das ist zum einen die fortschreitende Krankheit seines Vaters, zum anderen aber das teilweise mehr als geschwisterliche Verhältnis zwischen Dominic und Victoria.


    Wer hier eine Skandalgeschichte erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. "Überlebensgroß" ist ein Buch der leisen Töne. So recht beschreiben kann ich die Stimmung des Buches nicht, aber trotzdem war ich beim Lesen doch irgendwie gefesselt.


    Die Schreibweise des Autors ist sehr angenehm und so verfliegen die Seiten nur so, obwohl eigentlich gar nicht viel passiert. Dominics Geschichte, die aus seiner Ich-Perspektive erzählt wird, war einfach gut zu lesen und hat mir trotz der eher nachdenklichen, nicht sonderlich positiven Grundstimmung des Buches gut gefallen.


    4ratten

    LG, Dani


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  • Dominic Kitchen erzählt uns seine Geschichte. Er ist Hochzeitsphotograph und ist immer der, der hinter den Dingen steht. Nicht nur Samstags, wenn er wieder einmal das Glück völlig Fremder auf Bilder festhält. Er hat immer das Gefühl zu spät zu kommen. Das fängt schon in seiner Kindheit an.
    Er ist der Letztgeborene einer konventionellen, fast langweiligen Familie. Alles was er als Jugendlicher ausprobiert, haben seine viel älteren Geschwister schon längst erlebt.
    Im Grunde ist dieses Buch ein Geständnis, fast eine Entschuldigung, an seine Schwester die er über alles liebt und die er bewundert und als "überlebensgroß" bezeichnet.
    Dominic mochte ich als Person zwar sehr gerne. Manches mal hätte ich ihn aber liebend gerne geschüttelt denn er macht sich immer selber kleiner als er ist. Er glaubt, viel verpasst zu haben und merkt gar nicht was er schon alles hat und erreichen konnte.
    Dieses Buch ist sehr flüssig und einfühlsam erzählt. Dominic hörte ich bei seiner Erzählung gerne zu, auch wenn die Stimmung im Buch öfters sehr bedrückend war.
    Ein tolles Buch über Sehnsucht und verbotenes Verlangen, um Richtig oder Falsch und über die ganz normalen Dinge, wie sie nur das Leben schreiben kann. Um Überlebensgröße halt.


    5ratten

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Es liest sich sehr flüssig, das stimmt. Doch es entwickelt sich nicht. Ich habe zwar nur das erste Kapitel gelesen, aber Dominic Kitchen spricht mich noch überhaupt nicht an. Ich frage mich die ganze Zeit, wohin diese eintönige Geschichte führen soll und ob ich dafür meine Zeit opfern möchte. Eure Meinungen über das Buch sind echte Appetizer, aber mein Geschmack ist letztlich vielleicht doch ein anderer.


    Empfandet ihr Einstieg auch so langatmig?

  • Hmm, bei mir ist die Lektüre schon über ein Jahr her, so genau erinnere ich mich nicht mehr, aber ich schrieb, dass ich gleich in der Handlung drin war. Als langatmig habe ich das Buch auch nicht in Erinnerung.
    Falls du dem Buch noch eine Chance gibst, wünsche ich dir jedenfalls, dass es bald besser wird und dich "Überlebensgroß" vielleicht doch noch überzeugen kann. :winken:

  • In der Handlung drin war ich auch gleich, sie ist ja bislang nicht sehr komplex. Aber es ist zu simpel. So, wie Dominik dargestellt wird, interessiert es mich überhaupt nicht, was in ihm vorgeht.


    Ich schwanke noch. Vielleicht lese ich das zweite Kapitel noch. Wenn es mich dann nicht wenigstens halbwegs anspricht, lasse ich die Finger davon.

  • :winken: Ich lese noch.
    Inzwischen hat sich doch einiges getan. Die Handlung wird abwechslungsreicher und die Charaktere haben an Tiefe gewonnen.


    Etwas Sorgen macht mir der Gedanke, dass das E-Book, das ich lese, gekürzt sein könnte. Die Papierbücher haben 400 Seiten, dagegen zeigt mein E-Reader nur eine Anzahl von 267 Seiten. Und die sind nicht so eng gedruckt, dass man ein Drittel der Seiten einsparen könnte.

  • Die Seiten-Anzeige von Readern variiert aber doch immer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ebook gekürzt ist.

    LG, Dani


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  • Ja, bei meinem Reader werden auch immer weniger Seiten angezeigt als das entsprechende Papierbuch hat und manchmal sind die Unterschiede schon groß.
    Ich hatte übrigens auch das eBuch von Überlebensgroß gelesen.

  • @Spatzi
    Diese Unterschiede zu Papierbüchern kenne ich, aber hier ist die Differenz doch sehr groß. Anfangs hatte ich sogar den Verdacht, das E-Book sei gekürzt und deshalb so nichtssagend.


    Wie auch immer, das Wesentliche steht drin.

  • Die Familie Kitchen hat ein Problem: Es wird viel geredet, aber nichts gesagt. Leider entspricht das Buch auf den ersten 50 - 60 Seiten genau diesem Problem. Die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben, sind hinlänglich bekannt: Kein Draht zu den Eltern, Geschwisterneid, Aufsässigkeit. Dominic, der Jüngste, erzählt als Erwachsener in sehr ruhigem Ton über diese schwierigen Jahre. Dabei kommen kaum Emotionen auf, und genauso liest sich die Geschichte auch. Erst als sich Dominic langsam abnabelt und beginnt, auf eigenen Beinen zu stehen, wird die Handlung spannender, auch wenn die ruhigen Töne beibehalten werden. Es kristallisiert sich heraus, dass er eine ganz besondere Beziehung zu seiner älteren Schwester hat. Daher nimmt er regen Anteil an ihrem Leben, selbst als er eine eigene Familie gründet, die er sehr liebt. Doch irgendwann muss er feststellen, dass er genau das Vorbild seiner Eltern nachahmt und das Modell des Verschweigens von potenziellen Problemen übernommen hat.


    Weiter oben hatte ich noch kritisiert, dass die Charaktere zu farblos bleiben. Das hat sich mit der Zeit zwar geändert, trotzdem ließ sich eine ständige Distanz zu den Figuren nicht überbrücken. Dominic ist das Problem der mangelnden Kommunikation zwar bewusst, doch er unternimmt nichts, um wenigstens in seiner eigenen Familie Abhilfe zu schaffen. Stattdessen benebelt er sich mit Alkohol, um nicht ständig mit seiner Unzulänglichkeit konfrontiert zu werden. Im Schatten seines erfolgreichen Bruders sieht er sich selbst als ewigen Verlierer. So lässt er ohnmächtig zu, dass ihm sein Leben und seine berufliche Existenz wie Sand zwischen den Fingern zerrinnen. Er ist unfähig, seine Liebe zum Ausdruck zu bringen. Eigentlich ein spannende Konstellation, aus der sich etwas machen ließe, aber letztlich war es mir der negativen Seiten zu viel. Es war schwer, sich für Dominic zu erwärmen. Die aus den Bahnen geratende Beziehung zu seiner Schwester barg zwar einige Brisanz, endete aber für meine Erwartungen wenig zufriedenstellend.


    Streckenweise gefiel das Buch, aber insgesamt betrachtet war mir die Geschichte zu banal.


    3ratten

  • Dominic war in seinem Leben schon auf mehr Hochzeiten, als er zählen kann, denn er verdient seine Brötchen als Hochzeitsfotograf und hat wohl schon so ziemlich alles gesehen, was man auf solchen Feierlichkeiten mitkriegen kann, mit der einen oder anderen Brautjungfer geknutscht und sich dabei eine ziemlich zynische Einstellung zu Hochzeiten und zu den sich wandelnden Zeiten zugelegt.


    Fotografiert hat er schon seit früher Jugend gerne und sogar die Hochzeit seiner zehn Jahre älteren Schwester Victoria gerettet, als die Kamera des Hochzeitsfotografen ein paar übermütigen Gästen zum Opfer fiel und er mit seiner kleinen Box einige wenige erfrischend ungestellt Aufnahmen knipste. Und das, obwohl er sich nicht besonders gefreut hat, dass seine geliebte Victoria einen großspurigen Cricketstar heiratet und mit ihm zukünftig ein mondänes Jetset-Leben rund um den Globus führt.


    Victoria ist für Dominic immer die Frau gewesen, an der sich alle anderen messen lassen mussten. Selbst als er Lauren kennenlernt und heiratet, ist das Beziehungsglück von kurzer Dauer, mit Ankunft von Töchterchen Elizabeth, einem Schreikind, geht es rapide bergab mit der Ehe, und Dominics Leben gerät immer mehr aus den Fugen, vor allem, nachdem bei seinem Vater eine frühe Demenz einsetzt und eine fatale Begegnung auch noch sein Verhältnis zu Victoria belastet.


    Das klingt alles ziemlich niederschmetternd, und Dominic hat tatsächlich in seinem Leben nicht sehr viel Grund zur Freude, aber das Buch liest sich bei aller Tragik und allen Problemen nicht deprimierend, was wohl hauptsächlich an Dominics häufig selbstironischem Erzähltonfall und treffend-bissigen Beschreibungen liegt und daran, dass Mark Watson bei allem vordergründigem Zynismus viel Einfühlungsvermögen an den Tag legt.


    Die Charaktere mögen ein wenig überzeichnet sein, vor allem Dominics ätzender Bruder Max, aber nicht so stark, dass es nervt, und die Geschichte der zunächst recht normal bis bieder wirkenden Familie Kitchen erweist sich als vielschichtiger, als es anfangs scheint, so dass mit diesem Entwicklungs- und Familienroman für unterhaltsame und auch durchaus spannende Lektüre gesorgt ist.


    Der Titel "Überlebensgroß" gefällt mir ausnahmsweise tatsächlich besser als der Originaltitel "The Knot" (wobei dessen Mehrdeutigkeit im Englischen auch durchaus passend ist). Dominic empfindet die selbstbewusste Victoria immer als "überlebensgroß" und sich selbst im Vergleich dazu als unbedeutend und langweilig, bis er irgendwann begreift, dass auch er im nötigen Moment über sich selbst hinauszuwachsen imstande ist.

    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen