"Politisch korrekte" Neuauflagen

Es gibt 275 Antworten in diesem Thema, welches 48.794 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Anubis.


  • Zur Diskussion selbst habe ich nichts mehr zu sagen, aber hier ist ein Artikel ausder Zeit in dem die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger ihre Meinung zu dem Thema kundtut. Und ich muss sagen: Ich stimme ihr in vielen Passagen zu: Nöstlinger in der Zeit


    Danke! :winken:

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie


  • Nö, eben nicht "Genau bekannt". Was denn nun? Der von Anubis zitierte Artikel erklärt, dass der Verlag auf die Familie zugegangen sei, während die von ChinaGirl verlinkte Verlagsseite erklärt, es wäre von der Familie ausgegangen.


    Welche Verlagsseite ist denn gemeint? Ich kenne die hier, in der steht, dass der Verlag sich anlässlich der Neuausgabe zu der Änderung veranlasst fühlte und dass dies mit dem Autor abgesprochen wurde. Also nichts, was dem von mir verlinkten Artikel widersprechen würde.


    Ob nun ein Vater oder der Verlag die Idee hatten, wenn man hier anfängt, Dinge zu verändern, wer bestimmt dann, wo wir aufhören?


    Ich finde, es kann gar nicht genug betont werden, dass überarbeitete Ausgaben von Klassikern und Kinderbüchern gang und gäbe sind. Insbesondere bei Klassikern nimmt das oft die Form an, dass die Überarbeitungen in Wirklichkeit freie Nacherzählungen sind, die mit dem Original bis auf die Grundelemente der Story wenig gemein haben. Wenn wir als Kinder oder Jugendliche Robinson Crusoe, Moby-Dick, Gulliver's Travels oder Oliver Twist kennengelernt haben, dann mit großer Wahrscheinlichkeit durch solche Nacherzählungen. Das ist problematisch, ganz klar. Es suggeriert, dass „kindgerecht“ verhackstückte Ausgaben von Erwachsenenbüchern die geeignetste Lektüre für Kinder seien, und erweckt den Eindruck, dass bei der Herausgabe von Kinderliteratur weniger editorische Sorgfalt an den Tag gelegt wird.


    Der Punkt ist nur: Normalerweise interessiert das außer ein paar Literaturwissenschaftlern so gut wie niemanden. Die meisten Leute, die mit Karl May aufgewachsen sind, werden an die grünen Bände gewöhnt sein. Sie wissen nicht, dass der Karl-May-Verlag mit dieser Ausgabe massive, oft kaum nachvollziehbare Änderungen an Mays Texten vorgenommen hat. Sie fragen auch nicht danach. Durch die Öffentlichkeit rollende Empörungswellen gibt es bemerkenswerterweise immer nur dann, wenn die an Klassikern vorgenommenen Änderungen diskriminierende Sprache betreffen. Da stellt sich meines Erachtens schon die Frage, welche Motive hinter diesem Verhalten stehen: Es wird einerseits kaum wahrgenommen, dass es haufenweise willkürliche Eingriffe in alte Texte gibt. Es wird andererseits wutentbrannt dagegen agitiert, dass Verlage einzelne Wörter ändern und dafür gute Gründe nennen.


    Denn ganz ohne editorische Eingriffe geht es eben auch nicht. Es ist die Aufgabe von Verlagen, Texte dem Publikum näherzubringen. Jede Übersetzung ist im Grunde ein Kompromiss zwischen dem Anspruch eines Textes auf Authentizität (auch dies übrigens ein Konzept, das kritisiert werden kann) und dem Wunsch, dem Publikum möglichst breiten Zugang zu einem Buch zu ermöglichen. Eine gute Ausgabe ist deshalb eine, bei der das Publikum nachvollziehen kann, wie es zu der vorliegenden Textgestalt gekommen ist.


    Während also in der Wahrnehmung von Klassikerausgaben generell eine ziemliche Schieflage herrscht, ist beim gegenwärtigen Fall (so, wie ich es sehe) folgendes zu beachten: Hier wird sichtlich kein willkürlicher Umgang mit dem Text eines Klassikers an den Tag gelegt. Die geplanten Änderungen sind nach Auskunft des Verlags behutsam. Die Gründe dafür hat der Verlag auf transparente Weise dargelegt. Niemandes Rechte wurden verletzt. Statt dem Verlag also vorzuwerfen, dass er tut, was alle Verlage tun, wäre es in meinen Augen angebracht, den Verlag dafür zu loben, dass er es auf geradezu vorbildliche Weise tut.


    Ansonsten denke ich: Wer es anders sieht, dem steht es ja frei, an den Verlag oder den Autor zu schreiben und zu fragen, ob vielleicht auch eine historisch-kritische Ausgabe geplant ist. So etwas kann funktionieren. Nachdem die Neuübersetzung des Lord of the Rings heftig umstritten war, hat sich der Verlag entschieden, auch die alte Übersetzung neu aufzulegen. Im Falle Karl Mays haben einige Kritiker einfach begonnen, selber eine historisch-kritische Ausgabe zu veranstalten. Es kostet halt etwas Mühe, und wenn es nur die Mühe ist, einen Brief an den Verlag zu formulieren.



    Tut mir leid, da stieg ich gleich beim ersten Satz aus, als bei ihr der "Ostwind" von Deutschland Richtung Wien blies. Wenn es um ihr politisches Bewusstsein genauso gut bestellt ist wie um ihr geographisches, muss ich mir das nicht geben.


    Ja, da geht es mir ähnlich wie mit all den eifrigen Sprachschützern, die gerade von sich geben, das sei doch Zensur und Orwell würde sich „im Grabe umdrehen“. Womit sie zeigen, dass sie von der deutschen Sprache nicht allzuviel verstehen.


    Der Artikel von Nöstlinger trägt in meinen Augen keine neuen Gesichtspunkte zur Debatte bei. Es werden nur die üblichen Behauptungen wiedergekaut, ohne wirklich Argumente dafür zu bringen: Die Political-Correctness-Sheriffs sind an der Arbeit; Rassismus hat doch nichts mit Wörtern zu tun; man muss das N-Wort benutzen, um vor Rassismus zu warnen (also hat er anscheinend doch etwas mit Wörtern zu tun?); das Überarbeiten solcher Passagen ist doch das gleiche wie das Überarbeiten erotischer oder aufmüpfiger Passagen; und überhaupt, Sprache wird nur noch verschandelt.


    Ich finde es schon aufschlussreich, wie viele Autoren in der gegenwärtigen Auseinandersetzung offenbaren, dass sie in Bezug auf Rassismus und Sprache entsetzlich dumm und verständnislos sind.


  • Tut mir leid, da stieg ich gleich beim ersten Satz aus, als bei ihr der "Ostwind" von Deutschland Richtung Wien blies. Wenn es um ihr politisches Bewusstsein genauso gut bestellt ist wie um ihr geographisches, muss ich mir das nicht geben.


    Sorry, aber das ist echt typisch. Ich als "Uninformierte" soll mir unzählige Links durchlesen um mich mehr zu informieren und kaum wird ein Artikel verlinkt der anderer Meinung ist, wird dieser schon nach dem ersten Satz als unqualifiziert abgetan.
    Wenn ich das bei den ganzen anderen Links getan hätte, hätte man mir vorgeworfen, dass ich mich nur nicht informieren will.


    Und damit steige ich nun endgültig aus dieser Diskussion hier aus, denn das einzige was ich hier nur mehr sehe ist dass andere Meinungen sowieso nicht gern gesehen sind.


    Katrin

  • Ich frage mich schon die ganze Zeit, warum es bei der tschechischen Verfilmung 'Wie die kleine Hexe das Zaubern lernte' von 1986 (also die Verfilmung der 'Kleinen Hexe') keinen Aufschrei gab. In der benannten Szene gibt es ganz andere, sehr einfallsreiche Verkleidungen. Ist das jetzt auch Verletzung des Kulturguts? Und was ich mich noch frage: Was sagt meine Hautfarbe über mich aus, das so wichtig sein könnte, dass alle diesen Begriff so vehement verteidigen? So im Sinne von: nimue liebt keine Bücher, nimue ist Weiße?


    Warum dieser Aufschrei der Empörung gerade bei rassistischen Begriffen so laut wird, kann ich auch nicht nachvollziehen. Vor allem nicht bei Kinderbüchern, die immer und immer wieder sprachlich angepasst werden, damit Kinder die für sie geschriebenen Bücher weiterhin genießen können. Bei dem Wort "Muhme" hat sich jedenfalls niemand beschwert, als es aus so manchem Kinderbuch verschwand. Kinder können halt mal veraltete Ausdrücke nicht mehr verstehen. Erwartet ihr wirklich, dass sie ständig nachfragen müssen? Dann sind wir bei der Szene, die Anubis auf seiner Seite zitiert hat:


    Zitat

    Dr. Mutti schreibt in einem schon etwas älteren Beitrag: »Man sieht die Szene direkt vor sich: Gemütlich sitzen da Kind und Eltern beisammen, das aufgeschlagene Buch vor sich, sie reden über Alltagsrassismus, das Kind lauscht aufmerksam den Ausführungen der Eltern mit ihren kultur- und sozialwissenschaftlichen Studienabschlüssen. Schließlich hat das Kind verstanden, es steht dem unterschwelligen Rassismus des Textes jetzt kritisch gegenüber, nun greift es wieder zum Buch und liest genussvoll weiter. Die Eltern trinken zufrieden ihren Tee und knabbern noch ein Stück fair gehandelte Schokolade. Was, unrealistisch? So geht es bei Ihnen zu Hause NICHT zu?«


    Zitat

    Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich rede mit meinen Kindern, auch wenn es manchmal schwer ist, das in Ruhe zu tun. Ich rede viel mit ihnen. Das muss man auch, denn die Welt ist komplex und man kann der Komplexität nur schwer entgehen. Deshalb rede ich darüber, warum man bei Gewitter trotzdem im Auto fahren kann, aber lieber nicht schwimmen. Wieso der Vater von Antonia einen eigenen Pool hat. Warum wir keinen haben......


    Deshalb meine Frage: Soll ich nun auch noch selber Bücher oder Spielzeuge anschleppen, die weitere Stereotype transportieren? Damit ich dann auch diese wieder erklären, entkräften und historisch einordnen kann? So sehr ans Herz gewachsen ist mir keine Figur, kein Buch, kein Film, keine Serie, dass ich darauf nicht verzichten kann. Denn Katrin Rönicke hat Recht: Es kann und muss vieles erklärt werden. Aber die Zeit, die man hat, den Kindern die Welt zu erklären, ist begrenzt. Die Zeit, die die Kinder tatsächlich zuhören, ist knapp. Der mediale und soziale Input, dem Kinder ausgesetzt sind, ist nicht zu unterschätzen. Um Themen wie Rassismus, Sexismus, Fremdenhass, Behinderung, Benachteiligung, Ungerechtigkeit und Intoleranz wird man deshalb sowieso nicht herumkommen. Aber die begrenzte Zeit, den Kindern Toleranz und kritisches Bewusstsein beizubringen, sollte gut genutzt sein. Und der kleine Ausschnitt des Inputs, den ich selber auswähle, der sollte meine Bemühungen unterstützen, nicht konterkarieren.


    Quelle


    Ernsthaft: Solche Kinder würden mir von Herzen leid tun und ich hoffe nicht, dass ihr so mit ihnen umgeht.


    Der Thienemann-Verlag macht diese ganze Aktion, damit auch künftige Generationen "Die kleine Hexe" mit Freude lesen können. Ottfried Preußler hat für Kinder geschrieben und nicht für Literaturwissenschaftler.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Danke für den Artikel.


    Besonders der letzte Absatz spricht mir aus der Seele.


    Zitat

    Mit Kindern kann man nämlich sehr vernünftig reden. So wie sie verstehen, dass in einem Buch, das vor 30 Jahren geschrieben wurde, die Kinder kein Handy, aber einen Plattenspieler haben, so würden sie auch verstehen, dass damals das Wort Neger üblich war und verändertes Bewusstsein veränderte Sprache bringt.


    Ich hatte hier noch einen längeren Beitrag geschrieben, diesen aber wieder gelöscht. Ich setze mich jetzt zu Jaqui und halte hier endgültig den Mund.


    Sorry, aber das ist echt typisch. Ich als "Uninformierte" soll mir unzählige Links durchlesen um mich mehr zu informieren und kaum wird ein Artikel verlinkt der anderer Meinung ist, wird dieser schon nach dem ersten Satz als unqualifiziert abgetan.
    Wenn ich das bei den ganzen anderen Links getan hätte, hätte man mir vorgeworfen, dass ich mich nur nicht informieren will.


    Und damit steige ich nun endgültig aus dieser Diskussion hier aus, denn das einzige was ich hier nur mehr sehe ist dass andere Meinungen sowieso nicht gern gesehen sind.


    Katrin

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Immer noch schade finde ich übrigens, dass so gut wie niemand auf meine Fragen und Zitate eingeht :zwinker:


    Besonders würde mich interessieren, wie es die Eltern finden würden, wenn sich die Kinder zu Fasching als "Arier" verkleiden würden :winken:

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    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Den Artikel von Nöstlinger habe ich gelesen, aber hier stellt sich bei mir erneut der Wunsch nach einem entsprechenden Etikett auf dem Buch ein:


    Zitat

    Kinderbücher sind keine Pflichtlektüre. Wer meint, ein bestimmtes Buch könnte einen Schaden in Kinderseelen anrichten oder Minderheiten verletzen, muss es nicht erwerben.


    Ja, dann aber wirklich mit dem Aufdruck "Vorsicht! Dieses Buch beinhaltet rassistische, diskriminierende und sprachlich veraltete Ausdrücke. Lesen unter 15 Jahren auf eigene Gefahr!" Damit wäre das ganze Problem auf einen Schlag gelöst. Keine störenden Fußnoten und die Eltern könnten sich für oder gegen den Kauf entscheiden. :schulterzuck:


    @Holden: Das Buch ist auch auf meine Wunschliste gewandert. Gib mal Rückmeldung, wenn Du es gelesen hast (oder es liest) :winken:


    Noch eine Frage an die Eltern hier: Haben eure Kinder "Die kleine Hexe" gelesen bzw. habt ihr daraus vorgelesen? Und wie wurde die Diskussion dann zu den Begriffen geführt?

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  • Hier noch ein artikel - ebenfalls in der Zeit erschienen:


    Von Zensur kann keine Rede sein


    Zitat

    Erstaunlich dabei ist nicht bloß die Vehemenz der anschwellenden Verteidigungsreden..... Von den (man muss sagen: minimalen) Eingriffen in die Bücher fühlt man sich bevormundet oder intellektuell gekränkt: Die einen sehen eine linksliberale Hausordnung walten und eine "Euphemismus-Tretmühle" am Werk (zu der die Titanic alles Nötige gesagt hat). Die anderen geben sich vornehm und schmeißen mit geheiligten Vokabeln um sich wie "Werktreue" und "Originalcharakter" – als gäbe es keine Editionsgeschichten und keine modernisierten Übersetzungen und Übertragungen. Als läsen die Leute noch die Lutherbibel in ihrer Urfassung, was ja bekanntlich keiner tut außer ein paar arme Theologen.


    Schon erscheinen in Zeitungen schlimme Worte wie Zensur und Sätze in der Tonlage von: "Alle Schwarzen, die ich kenne, finden das Wort nicht schlimm." Als sei damit irgendwas bewiesen.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Ah... interessant:


    Weiß-Sein im Selbstversuch


    Das Buch kenne ich nicht, aber der zuletzt genannte Selbstest würde mich sehr interessen (um daraus zu lernen, nicht um irgendetwas "beweisen" zu wollen).


    Da fällt mir ein: kennt hier jemand eigentlich die Impliziten Assoziationstests der Uni Harvard? Beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema Rassissmus und inwieweit dieser unbewussten Einstellungen unterliegen könnte.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Noch eine Frage an die Eltern hier: Haben eure Kinder "Die kleine Hexe" gelesen bzw. habt ihr daraus vorgelesen? Und wie wurde die Diskussion dann zu den Begriffen geführt?


    Ich habe unserer Tochter das Buch erst vor kurzem vorgelesen. Sie hat zu dem Buch zwar einige Fragen gestellt, aber die Dingen in eine andere Richtung. Mit vier Jahren beschäftigt sie mehr die Frage, warum jemand Hunger haben muss oder warum Kinder gemein sind.


    Allerdings weist sie mich jedes Mal zurecht, wenn ich noch Mohrenkopf statt Schokokuss sage. "Das darf man nicht sagen", wurde im Kindergarten erklärt. Wir haben dann den Rest erklärt, nämlich warum man das Wort nicht mehr benutzen soll. Das wurde ihm KiGa für ihren Geschmack nicht ausreichend erklärt. Wir haben ein sehr neugieriges Kind, dem viel auffällt und die viel fragt. Wir bemühen uns, ihr immer die richtige Antwort so zu geben, dass sie sie versteht. Ich hoffe, wir können das beibehalten.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Welche Verlagsseite ist denn gemeint? Ich kenne die hier, in der steht, dass der Verlag sich anlässlich der Neuausgabe zu der Änderung veranlasst fühlte und dass dies mit dem Autor abgesprochen wurde. Also nichts, was dem von mir verlinkten Artikel widersprechen würde.


    Den Link findest du in meinem Posting von gestern. Hier nochmals:
    http://cms.thienemann.de/index…%3Anews-artikel&Itemid=29


    Zitat

    Ich finde, es kann gar nicht genug betont werden, dass überarbeitete Ausgaben von Klassikern und Kinderbüchern gang und gäbe sind.
    ...
    Der Punkt ist nur: Normalerweise interessiert das außer ein paar Literaturwissenschaftlern so gut wie niemanden. ...
    Durch die Öffentlichkeit rollende Empörungswellen gibt es bemerkenswerterweise immer nur dann, wenn die an Klassikern vorgenommenen Änderungen diskriminierende Sprache betreffen.


    Schön gesagt und auf den Punkt gebracht. Gerade deshalb verstehe ich nicht, daß die Diskussion so emotional geführt wird.


    Zitat

    Denn ganz ohne editorische Eingriffe geht es eben auch nicht. Es ist die Aufgabe von Verlagen, Texte dem Publikum näherzubringen. Jede Übersetzung ist im Grunde ein Kompromiss zwischen dem Anspruch eines Textes auf Authentizität (auch dies übrigens ein Konzept, das kritisiert werden kann) und dem Wunsch, dem Publikum möglichst breiten Zugang zu einem Buch zu ermöglichen. Eine gute Ausgabe ist deshalb eine, bei der das Publikum nachvollziehen kann, wie es zu der vorliegenden Textgestalt gekommen ist.


    Da sehe ich mich in die ewige Diskussion mancher Sinologen zu chinesischen Übersetzungen ins Deutsche" versetzt... Ein anderes Thema, ähnliche Diskussionen, gleiche Argumentationen. Ich will aber hier nicht abschweifen sondern lediglich darstellen, daß gerade deshalb Verallgemeinerungen und Volkspanik vor Veränderungen nicht angebracht sind, sondern der Einzelfall geprüft werden sollte.



    Tut mir leid, da stieg ich gleich beim ersten Satz aus, als bei ihr der "Ostwind" von Deutschland Richtung Wien blies.


    Das finde ich hingegen sehr schade und auch nicht fair gegenüber Andersgesinnten. Im Gegensatz zu Anubis finde ich nämlich schon, daß der Artikel etwas zur Diskussion beiträgt. Nichts Neues vielleicht, aber durchaus Aufschlußreiches. Ich zitiere den Artikel von Nöstlinger:


    Zitat

    [color=rgb(51, 51, 51)][size=1em]Ich kann ja ohnehin nichts dagegen tun. Soll ich vielleicht alle meine Bücher aus mehr als dreißig Sprachen auf eigene Kosten rückübersetzen lassen, um sie hernach auf Werktreue zu kontrollieren? Also, erstens nehme ich mich nicht so ernst, dass ich das für angebracht hielte, zweitens verdiene ich nicht so viel, dass ich mir das leisten könnte, und drittens habe ich nicht den Marktwert von Astrid Lindgren, deren Protest gegen eine Veränderung reuige Zerknirschung bewirkte. [/size][/color]


    Mit anderen Worten: Was mit meinen Texten geschieht, ist mir eigentlich schnuppe, da sollen sie doch ändern was sie wollen. Aber grundsätzlich sollen die Verleger keine Leute beschäftigen, die darauf bedacht sind, Texte von Autoren zu editieren, welche einen höheren Marktwert als ich haben....



    :gruebel:

  • So, und jetzt noch diese Frage beantworten:


    Wie würdet ihr euch verhalten bzw. was würdet ihr denken, wenn euer 9 bis 10 jähriges Kind ein Buch liest, in dem sich Kinder zu Fasching als "Arier" verkleiden würden? Dies würde in einem neuzeitlichen Buch ohne Bezug auf die Geschichte passieren und der Satz besteht einzig aus der Beschreibung, wie sich die Kinder verkleiden. Keinerlei Bewertung ersichtlich, weder negativ noch positiv.


    :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • So, und jetzt noch diese Frage beantworten:


    Wie würdet ihr euch verhalten bzw. was würdet ihr denken, wenn euer 9 bis 10 jähriges Kind ein Buch liest, in dem sich Kinder zu Fasching als "Arier" verkleiden würden? Dies würde in einem neuzeitlichen Buch ohne Bezug auf die Geschichte passieren und der Satz besteht einzig aus der Beschreibung, wie sich die Kinder verkleiden. Keinerlei Bewertung ersichtlich, weder negativ noch positiv.


    :breitgrins:


    Nachdem ich es jetzt schon so oft von dir gelesen habe, was meinst Du? Wenn sich in einem Buch schwarze Kinder als Arier verkleiden?



    Weil Arier ja auch ein Begriff ist, der erst mit der Zeit eine andere Bedeutung erhalten hat.

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

    Einmal editiert, zuletzt von Arjuna ()

  • @Nimue: dazu müßte ich es erst mal mitbekommen. Mit zehn Jahren habe ich nämlich meinen Eltern nicht mehr erzählt, was ich gelesen habe. Wenn sie mich darauf anspricht, werde ich mit ihr reden und wie auch oben hoffen, dass ich die richtigen Worte finde. Ich sage die in sechs Jahren Bescheid :zwinker:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Immer noch schade finde ich übrigens, dass so gut wie niemand auf meine Fragen und Zitate eingeht :zwinker:


    Das liegt daran (also in meinem Fall), dass mir in der Diskussion zu viel mit Links und Blogs und Zitaten herumgeworfen wird von "beiden Seiten". Der eine findet dort einen Satz, der das belegt, der andere dort einen Artikel der die andere Seite wieder bestärkt.


    Den Link zum Buch Deutschland Schwarz-Weiß hingegen finde ich sehr interessant und er hebt sich auch aus der Masse der anderen Links ab.

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Nachdem ich es jetzt schon so oft von dir gelesen habe, was meinst Du? Wenn sich in einem Buch schwarze Kinder als Arier verkleiden?


    Genau :winken:



    @Nimue: dazu müßte ich es erst mal mitbekommen. Mit zehn Jahren habe ich nämlich meinen Eltern nicht mehr erzählt, was ich gelesen habe. Wenn sie mich darauf anspricht, werde ich mit ihr reden und wie auch oben hoffen, dass ich die richtigen Worte finde. Ich sage die in sechs Jahren Bescheid :zwinker:


    So, und genau das ist doch der Punkt. Ich gehe nämlich auch davon aus, dass diese Altersgruppe das Buch alleine liest und es nicht vorgelesen bekommt - und dann gehen die wenigsten Kindern eben zu ihren Eltern und fragen wegen so eines Wortes nach.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Da fällt mir ein: kennt hier jemand eigentlich die Impliziten Assoziationstests der Uni Harvard? Beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema Rassissmus und inwieweit dieser unbewussten Einstellungen unterliegen könnte.


    Danke für diesen Link!




    Ja, das war nicht fair von mir, tut mir leid. Aber ich führe diese Diskussion jetzt wirklich seit acht Tagen und die Argumente sind die immer gleichen, da sprach wohl die Frustration aus mir. Außerdem hat Anubis den Text so schön zusammengefasst, und na ja, Du machst ihn jetzt ja auch lächerlich, auf etwas höherem Niveau als ich, zugegeben :zwinker:


  • So, und jetzt noch diese Frage beantworten:


    Wie würdet ihr euch verhalten bzw. was würdet ihr denken, wenn euer 9 bis 10 jähriges Kind ein Buch liest, in dem sich Kinder zu Fasching als "Arier" verkleiden würden? Dies würde in einem neuzeitlichen Buch ohne Bezug auf die Geschichte passieren und der Satz besteht einzig aus der Beschreibung, wie sich die Kinder verkleiden. Keinerlei Bewertung ersichtlich, weder negativ noch positiv.


    :breitgrins:


    Ich muss mich Kirsten anschließen, vermutlich würde mir das auch nicht auffallen, würde mein nicht-existierendes Kind das Wort nicht explizit verwenden :redface:
    Das mit den "in 6 Jahren Bescheid sagen" gilt aber nicht für mich :breitgrins:

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.