Dave Eggers - Der Circle
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erstausgabe (D): 2014
Seiten: 560
Ausgabe: Gebundene Ausgabe
Originaltitel: The Ci: 2013
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Klappentext:
Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »drei Weisen«, die den Konzern leiten – wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Kollegen ändert alles … Mit seinem neuen Roman »Der Circle« hat Dave Eggers ein packendes Buch über eine bestürzend nahe Zukunft geschrieben, einen Thriller, der uns ganz neu über die Bedeutung von Privatsphäre, Demokratie und Öffentlichkeit nachdenken und den Wunsch aufkommen lässt, die Welt und das Netz mögen uns bitte manchmal vergessen.
[hr]
Meine Meinung:
Dave Eggers ist Gründer von McSweeney's, einem unabhängigen Verlag in San Francisco, der nicht nur Bücher veröffentlicht, sondern auch Zeitschriften und Magazine. Darunter "The Believer" und "Voice of Witness", die es sich zum Ziel gemacht haben, Zeitzeugen über Gefährdungen der Menschenrechte weltweit berichten zu lassen. Eggers hat ebenfalls "826 Valencia" gegründet, ein gemeinnütziges Schreib- und Förderzentrum für Jugendliche. Mit Preisen wurde der Autor inzwischen überschüttet.
Die ZEIT bezeichnet "Der Circle" als "zornig" und "das '1984' fürs Internetzeitalter, während der Tagesspiegel das Buch als "Roman für analoge Anachronisten und Internet-Hasser" tituliert. Die FAZ ist begeistert, netzpolitik.org das Gegenteil. Was also ist dran an diesem Buch? Vermutlich kann ich dafür auch keine Antwort liefern, denn ich bin hin- und hergerissen.
Die 24-jährige Mae Holland kann ihr Glück kaum fassen. Ihrer Freundin Annie verdankt sie eine Stelle in dem renommiertesten Internetunternehmen der Welt: Dem "Circle". Keine mit Jute verkleidete Arbeitsbox mehr, sondern Yoga- und Meditation im Unternehmensgarten. Abendliche Teamevents und mit den Kollegen feiern. Es ist offensichtlich, dass der Circle neben einer großen Marktmacht auch noch ein anderes Ziel hat: Hier sollen sich unsere Mitarbeiter wohl fühlen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein hohes Maß von zwischenmenschlichen Komponenten eingebracht. Die Menschen teilen ihr Leben miteinander, indem sie alle über Soziale Netzwerke an ihren Leben teilhaben lassen.
Wie wäre die Welt, wenn es im Internet eine Klarnamenpflicht gäbe? Trolle hätten es dann schwer, der Umgang würde freundlicher, die Menschen glücklicher und zufriedener. Was, wenn man immer damit rechnen muss, dass eine Kamera das eigene Tun aufzeichnet? Würde man sich da nicht für sein Publikum "besser" verhalten? Sich zurückhalten? Wären dann vielleicht sogar Verbrechen seltener? Was, wenn man jederzeit über einen Chip erkennen könnte, wo sich ein Mensch gerade befindet? Eine Entführung wäre völlig sinnlos.
Mae Holland lebt in einer phantastischen Welt. Der Circle hat die Vision, die Welt besser zu machen. Google, Facebook, Youtube, Twitter - all' diese Unternehmen sind nun unter einem Dach vereint. Man verwaltet nur noch einen Account für alles. Mae ist völlig überzeugt von dem Konzept, doch dann trifft sie auf einen geheimnisvollen Mann, der nicht ganz so transparent ist, wie es die Firmenphilosophie vorlebt. Was hat er zu verbergen?
Ich hatte es schon erwähnt: Ich bin einerseits hingerissen von diesem Buch. Die Tendenzen, die sich hier abzeichnen, sind bereits jetzt schon zu erkennen und Dave Eggers versteht es, ein stimmungsvolles und besorgniserregendes Bild zu vermitteln. Ich hatte das Glück, vor einiger Zeit einen Vortrag von Daniel Domscheit-Berg zu hören. Der deutsche Informatiker, ist ehemaliger Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks und Gründer von OpenLeaks. Anhand von drei sehr eindrucksvollen Beispielen konnte er mich schnell davon überzeugen, dass es gar nicht so gut wäre, wenn alle Daten über jeden Menschen so transparent wären. Am erschütterndsten fand ich dabei seine Herleitung zum Dritten Reich: Mithilfe einer Volkszählung und umfangreichen Erfassung der Bevölkerungsdaten konnten Juden überhaupt erst identifiziert werden. Damals dachte noch niemand daran, dass die gesammelten Daten gegen eine ganze Menschengruppe verwendet werden könnte.
Heutzutage teilen wir fast alles mit völlig Fremden: Urlaubsbilder, Bilder unserer Kinder, Gefühle wie Wut, Trauer oder Schmerz. Wir laden Nacktbilder in die Cloud hoch und wundern uns, dass diese in Umlauf geraten. Wir facebooken und twittern, wir sind süchtig nach Likes und machen uns immer transparenter und transparenter. Sobald man auf eine Nachricht länger als 30 Minuten nicht antwortet, machen sich "Freunde" Sorgen um einen. Es gibt viele, die davor warnen. Viele Menschen, denen Datenschutz und Diskretion wichtig ist. Und viele, die fragen: Warum? Ich habe doch nichts zu verbergen. Ich bin schließlich kein Verbrecher.
Eggers bedient sich einiger Klischees und er mag es, Verschwörungstheorien mit seiner Geschichte zu verknüpfen (die Regierung betreffend). Leider zieht sich seine Geschichte manchmal wie Kaugummi, aber je mehr ich davon las, umso bedrückender wurde die Stimmung. Mae Holland ist euphorisch. Sie ist begeistert und begeisternd. Fast will man sich mitreißen lassen, doch dann wird man von einem anderen Gefühl überwältigt und man will sie nur noch wach rütteln. "Der Circle" wäre keine Dystopie, würde er ein positives Bild der Social-Network-Entwicklungen zeichnen.
Hut ab, David Eggers, ein Buch, das mich nachdenklich machte über meine Social-Media-Aktivitäten. Vielleicht sollte doch nicht alles mit allen geteilt werden. Aber vielleicht sieht man manchmal die Welt auch einfach nur zu schwarz.
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