John Williams - Stoner

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 3.281 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Xirxe.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Stoner wächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einer kleinen Farm auf und wird vom Vater aufs College geschickt, um dort Agrarwissenschaften zu studieren. Eine Pflichtvorlesung zu englischer Literatur wird zu einer Erweckungsveranstaltung für ihn: er wechselt das Studienfach. Den Rest seines Lebens wird er an der englischen Fakultät verbringen.


    Bei seiner Neuauflage 2006 wird dieser vergessene Roman von 1965 als Meisterwerk gefeiert…
    Solche Lobpreisungen ignoriere ich ja gerne, finde sie eher abschreckend, aber Cover und Titel haben mich von Anfang an angesprochen und nach einer positiven Besprechung in einem Blog habe ich dann doch zugegriffen. Ich kann schon verstehen, dass der Roman einen gewissen Abstand zum Erzählzeitpunkt brauchte, um lesbar zu werden, denn eigentlich ist er voller belangloser Alltäglichkeiten und von denen mag man wohl nur lesen, wenn sie für einen selber nicht (mehr) alltäglich sind.


    William Stoners Leben kann man leider kaum als schön bezeichnen, doch er ist stoisch, die Unbilden des Lebens nimmt er so regungslos hin, wie ein Farmer schlechtes Wetter und ein schlechte Ernte hinnimmt. Weder seine unerträgliche, weil meiner Meinung nach psychisch kranke Ehefrau noch die Intrigen eines Kollegen können ihn aus seinem Trott reißen, Ausbruchsversuche sind nur von kurzer Dauer, dann gibt er auf und geht weiter den Weg des geringsten Widerstands. Davon zu lesen deprimiert einen schon und so tue ich mich mit einem Gesamturteil schwer. Schön oder angenehm war das Buch eigentlich nicht, trotzdem las es sich sprachlich ansprechend und ich habe mich nicht eine Minute gelangweilt. Für Leser, die sich von Normalität und realem, nichtssagendem Leben in einem Buch nicht abgeschreckt fühlen, durchaus eine Leseempfehlung.


    4ratten

  • Mir wurde das Buch auch schon mehrfach empfohlen, seither schleiche ich darum herum. Es klingt irgendwie interessant, dennoch schrecke ich auch ein wenig davor zurück. Ob ich es wirklich jemals lesen werde, kann ich nicht sagen...

    //Grösser ist doof//

  • John Williams ~ Stoner


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Originaltitel: Stoner
    Erscheinungsjahr: 1965 (Neuerscheinung 2013)
    Verlag: dtv
    Seiten: 352 (Taschenbuch)



    Die Neuerscheinung des nun gefeierten Romans "Stoner" ist völlig an mir vorbeigegangen, so dass ich recht unvoreingenommen war, als mir das Buch in der Buchhandlung ins Auge sprang.


    Es geht um das absolut durchschnittliche Leben des William Stoner, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Missouri lebt. Er wächst bei seinen Eltern auf einer Farm auf und hilft von Klein auf bei der Arbeit. Sein Vater, der nie viele Worte verliert, möchte, dass sein Sohn Agrarwissenschaften studiert, weil er sich davon auch Vorteile in der Bewirtschaftung seines eigenen Lands verspricht. Ohne große Euphorie geht William an die Universität, studiert fleißig wie ein Uhrwerk und arbeitet nebenbei bei Verwandten auf der Farm, um sich Kost und Logis zu verdienen. Als er dann eine Pflichtvorlesung in englischer Literatur absolviert, geschieht eine Veränderung mit ihm - er entdeckt seine große Zuneigung zur Literatur und wechselt prompt das Studienfach. Er soll sein ganzes Leben an dieser Universität verbringen.


    Stoner ist auf den ersten Blick ein stoischer, beharrlicher und genügsamer Mensch, der sämtliche Lebenswendungen als gegebenes Schicksal akzeptiert, ohne jemals ernsthaft aufzubegehren. Er versteckt sich in der Geborgenheit der Universität, die Welt da draußen ist nicht für ihn geschaffen. Von Anfang an ist klar erkennbar, dass seine Ehe zum Scheitern verurteilt ist, doch nicht nur sein eigener Gleichmut, sondern auch die gesellschaftlichen Konventionen führen dazu, dass sich nie etwas wirklich zum Positiven ändert. Er ist ein Mensch, der Probleme "aussitzt" und Konfrontationen aus dem Wege geht. Dabei bleibt er immer seinen Prinzipien treu. Letztendlich erweist sich dies in Universitätsangelegenheiten, sprich Intrigen, als gar nicht mal so schlechte Eigenschaft. Hinter der Fassade sehen wir aber auch einen Mann, der zu tiefer Freundschaft und Liebe fähig ist, in seinem Leben aber selten die Gelegenheit dazu bekommt. Das kurze, aber heftige Aufflammen der Leidenschaft zu einer Frau wird durch das Einmischen der Außenwelt zerstört, was Stoner mit der Zeit immer weiter "versteinern" lässt, bis er schließlich Zugrunde geht.


    Sicher hat es dieser vielen Jahre bedurft, diesen Roman würdigen zu können, da die Schilderung des alltäglichen Lebens im Kontext der Gesellschaft erst im Nachhinein interessant wird. Williams schildert "nur" ein einfaches Leben eines Mannes, doch dies in einer wunderschönen, fast schon lakonischen und beiläufigen Art, die einen von der ersten Seite an gefangen nimmt. Es sind unaufgeregte, doch profunde Charakterstudien, die einen tief in die Befindlichkeiten und Gedanken der Personen eintauchen lassen. Man fühlt mit Stoner, und möchte ihn so manches Mal in die richtige Richtung stoßen, wenn er die Launen seiner schwer psychisch gestörten Frau gleichmütig erträgt. Vielleicht werden sich nach seinem Tod nicht viele Menschen an ihn erinnern, aber wenigstens hat er sein Leben seiner einen großen Liebe gewidmet - der Literatur.


    Ein Buch von schlichter Wahrheit und in jedem Fall empfehlenswert.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Danke für eure Rezis. Ohne sie wäre ich nicht auf dieses Buch aufmerksam geworden. Ich habe in der letzten Zeit auch anderweitig schon darüber gelesen. Gibt es einen Grund, warum es jetzt so in den Blickpunkt rückt? Die Neuauflage ist auch schon wieder drei Jahre her, und da hat sich wohl kaum jemand stärker dafür interessiert.

  • Doris, ich habe mich vertippt. Das Buch erschien in Deutschland Ende 2013. Als Taschenbuch erschien es am 1. Dezember 2014, ist also noch nicht lange her. :winken:

  • Ah, okay. Also vielleicht doch das normale Interesse für eine Neuauflage. In unserer Bücherei ist es ständig entliehen. Da muss ich noch auf meine Gelegenheit warten.

  • Für mich war das Buch ein echter Volltreffer. Auch wenn es ein aus fremder Sicht unspektakuläres Leben beschreibt, war es doch spannender als mancher Thriller, so dass ich es ab der Mitte nicht mehr aus der Hand legen konnte und in einem Rutsch fertiggelesen habe.


    William Stoners Leben ist unauffällig, genauso wie er selbst. Er ist ein Gesicht, das in der Menge untergeht, und legt auch gar keinen Wert darauf, sich in irgendeiner Weise zu profilieren. Wäre da nicht seine Liebe zur Literatur und der Wunsch, diese Liebe auch in anderen zu wecken, hätte er sein Leben als Bauer in einem kleinen Ort in Missouri beschlossen. Stoner ist ein Mensch, der Streitigkeiten aus dem Weg geht. Bevor er sich ins Rampenlicht schiebt, weil er seine Vorstellungen durchsetzt, beugt er sich lieber dem Willen anderer und steckt zurück. Es ist nicht so, dass er den bequemsten Weg sucht; er gibt sich einfach mit wenig zufrieden, weil seine Ansprüche gering sind. Die Art und Weise, wie widerstandslos das selbst bei wesentlichen Dingen geschah, ließ mich immer wieder den Kopf schütteln. Jedes Leben ist kostbar, vor allem, weil es nur einmal stattfindet, deshalb sollten nicht andere Menschen darüber entscheiden, wie es abläuft.


    Eine großartige Nebenrolle spielt seine Frau, auch wenn sie einen Charakter darstellt, der äußerst negativ geprägt ist. Ihr ganzes Streben ist offensichtlich darauf ausgerichtet, ihrem Mann das Leben schwer zu machen und ihm die Freude an dem wenigen zu nehmen, das ihm wertvoll ist. Über die Ursache lässt John Williams die Leser im Dunkeln. Ich teile die Meinung, dass sie an einer psychischen Erkranking leidet, und vermute, dass die Beziehung zu ihrem Vater dabei eine große Rolle spielt. Es wäre interessant gewesen, mehr darüber zu erfahren, aber Stoner selbst nimmt sie hin, wie sie ist, unterwirft sich ihren Entscheidungen ohne Widerspruch und Hinterfragen, und so bleibt man auch als Leser im Unklaren.


    Auch wenn letztlich nicht Weltbewegendes geschieht, für Stoner war es sein Leben, das von anderen dirigiert wurde, und man kommt nicht umhin, mit ihm leiden und zu hoffen, dass er irgendwann sein Glück findet. Sprachlich ist das Buch an den Inhalt angepasst - sachlich, leise Töne, aber doch fesselnd.


    Schön, dass dieses Buch nach all diesen Jahren nun doch noch gewürdigt wird.


    5ratten

  • William Stoners Lebensweg scheint vorgezeichnet. Er wächst um die Jahrhundertwende auf einer Farm in Missouri auf und ist ein karges, von harter Arbeit geprägtes Leben gewohnt. Eines Tages wird er von seinen schweigsamen Eltern die Farm übernehmen und sie weiterführen, wie es eben so Tradition ist.


    Doch dann bekommt er die Chance, auf die Universität zu gehen. Fast etwas widerwillig ergreift er sie und wählt, wie könnte es anders sein, Landwirtschaft als Studienfach. Der Literaturkurs, der zu den Pflichtfächern im zweiten Studienjahr gehört, erscheint ihm wie ein lästiges Übel, das es abzusitzen gilt - bis eines Tages der Knoten platzt und er auf einmal hingerissen ist von der großen, weiten Welt der Literatur. Er wechselt sein Studienfach, wird schließlich Literaturdozent an seiner eigenen Uni, lernt eine Frau kennen, die ihn fasziniert.


    Ein strahlend erfolgreicher akademischer Held wird aber nicht aus ihm. Die Ehe mit Edith gleicht eher einem langen, zähen Ringen als einer liebevollen Verbindung, an der Universität gibt es Ränkespielchen und Rivalitäten, seine einzige Tochter entfremdet sich unter dem Einfluss ihrer Mutter von ihm. Wirklich glücklich ist William Stoner nur sehr selten.


    So zusammengefasst klingt das alles furchtbar trist und fade, aber dieser vor wenigen Jahren erst wiederentdeckte Roman, der erstmals 1965 erschienen war, ist alles andere als das. Stoner ist keiner, der Bäume ausreißt, laut herumtönt oder sonstwie herausragt. Er gehört eher zu den Stillen, zu denen, die sich zwar nicht widerstandslos in alles fügen, was das Schicksal ihnen zumutet, aber auch nicht zu heftig dagegen aufbegehren. Er liebt die Literatur über alles und geht ganz in seinem Beruf auf, ist dafür aber oft mehr als ratlos seinen Mitmenschen gegenüber, die ihn mit ihren Launen und Intrigen überfordern.


    Diese in leisen Tönen erzählte Charakterstudie fordert den Leser auf ganz sachte Art heraus. Man muss sich schon auf die entschleunigte Erzählweise und diese Hauptfigur, die nach außen hin sehr unauffällig wirkt, einlassen wollen. Stoner erlebt einige Dramen, insbesondere, was seine Ehe betrifft, aber nicht auf plakative Art, und scheut dabei häufig die Konfrontation, wo andere sie suchen würden, um reinen Tisch zu machen. Das ist manchmal schwer zu verstehen, doch sein Charakter wirkt in sich rund und glaubwürdig. Sein Leben ist unspektakulär, man bleibt jedoch trotzdem stets neugierig, was es als nächstes bringen wird.


    Etwas problematisch empfand ich allerdings den Beginn seines Werbens um Edith. Dass zwei Menschen, die sich nur wenige Male gesehen und dabei auch noch kaum miteinander geredet haben, urplötzlich zu heiraten beschließen, wirkt selbst in der damaligen Zeit weit hergeholt.


    Das bleibt jedoch der einzige Kritikpunkt in diesem ansonsten berührenden und ansprechenden Roman, den ich allen, die Bücher über "Menschen wie du und ich" mögen, in deren Leben nicht immer alles glattgeht, warm ans Herz legen möchte.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich teile die Meinung, dass sie an einer psychischen Erkranking leidet, und vermute, dass die Beziehung zu ihrem Vater dabei eine große Rolle spielt.


    Das denke ich auch.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • 4ratten


    Stoner, der Protagonist dieses Buches, wirkt auf Aussenstehende zeit seines Lebens wie ein schüchterner und immer schrulliger werdendes Wesen, wobei fast niemand ahnt, zu welch leidenschaftlichen Gefühlen er fähig ist. Anfang des 20. Jahrhunderts aus den ärmsten Verhältnissen kommend, gelingt es ihm dank der Unterstützung seiner Eltern, englische Literatur zu studieren und eine Professorenstelle zu erhalten. Er heiratet die Frau die er liebt, doch diese ist aufgrund ihrer Erziehung nicht zu positiven Gefühlen fähig - es wird eine lieblose Ehe. Dennoch hadert Stoner nicht mit seinem Schicksal, sondern widmet sich voller Hingabe seiner kleinen Tochter Grace, deren Wesen ganz ihrem Vater gleichkommt. Als seine Frau beschließt, Grace seinem Einfluss zu entziehen, widersetzt er sich nicht und nimmt das Unausweichliche hin.
    Immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt, was diesen Menschen so nachgiebig, 'weich' und ohne jeden Ehrgeiz sein lässt, während er andererseits bei anderen wenigen Dingen unnachgiebig auf seinen Prinzipien beharrt, auch wenn sie ihm zum Nachteil gereichen. So gut wie immer verzichtet er darauf seinen Willen durchzusetzen; Wut, Hass oder Ärger sind ihm fast gänzlich fremd, obwohl er dazu vermutlich jeden Grund hätte. Doch er nimmt sein Leben an wie es kommt, sieht die vermeintlichen Beweggründe Anderer hinter ihren Handlungen, auch wenn diese noch so ungerecht und verletztend für ihn sind, denn er ist voller Liebe. Der folgende Absatz, der sich im hinteren Teil des Buches befindet, macht dies vielleicht anschaulich:
    "Auf die eine oder andere Weise hatte er sie (die Liebe) jedem Augenblick seines Lebens gegeben und sie vielleicht am reichlichsten gegeben, wenn ihm dies gar nicht bewusst gewesen war. Diese Leidenschaft war weder eine des Verstandes noch des Fleisches, sondern vielmehr eine Kraft, die beides umschloss, als wären sie zusammen nichts anderes als der Stoff, aus dem die Liebe ist, ihre ganz spezifische Substanz. Angesichts einer Frau, eines Gedichts sagte sie einfach: Sieh her! Ich lebe."
    Ein Buch über einen Menschen voller Liebe, das einen dennoch etwas traurig zurücklässt - hätte ihn etwas weniger Liebe und ein klein bisschen Egoismus nicht mehr glückliche Momente erleben lassen? Ich weiss es nicht, aber etwas mehr von Stoners Wesen täte unserer Welt sicherlich gut!

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)