Tanja Kinkel - Grimms Morde

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    Mord wie im Märchen


    Es war ein Diener, der die Leiche der Frau unter der Überdachung der Brücke zum Hauptteil von Schloss Wilhelmshöhe, fand…
    Und bei der Leiche fand man einen Zettel mit einem Zitat aus einem Märchen, das die Brüder Grimm veröffentlicht hatten…
    Doch es stammte nicht von ihnen, denn sie hatten es von einer Bekannten, die sie um solche Volksmärchen gebeten hatten…
    Aber weil hier kaum jemand, der nicht von Adel war, Zutritt hatte, wurde Wilhelm Grimm verdächtigt…
    Aus einem ganz bestimmten Grund fühlten sich die Schwestern Annette und Jenny verpflichtet, nach dem Mörder zu suchen…
    Und dann fand man auch noch die Leiche eines jungen Mannes, dessen Buch Wilhelm Grimm – der der Zensurkommission angehörte – nicht veröffentlichen wollte…
    Nun wurden die Grimms noch mehr verdächtigt und mussten unbedingt den Mörder finden…
    Dann war da noch das, was mit Annette in Bökendorf geschehen war…
    Wie fand der Diener die Leiche? Konnte man sehen, womit sie ermordet worden war? Was hatte es mit dem Märchenzitat auf sich? Von wem hatten sie dieses Märchen erhalten? Warum wurde ausgerechnet Grimm verdächtigt? Warum wollten die Schwestern Wilhelm Grimm bei der Suche nach dem Mörder helfen? Welchen Gr4und hatten sie? Warum war der junge Mann getötet worden? Weshalb wollte Grimm sein Buch nicht veröffentlichen? Wieso musste Wilhelm Grimm unbedingt den Mörder finden? Was war in Bökendorf geschehen? Alle diese Fragen – und noch viel mehr – beantwortet dieses Buch.


    Meine Meinung
    Dieses Buch ließ sich sehr gut lesen. Es ist sehr interessant geschrieben, auch wenn mir in der ersten Hälfte etwas die Spannung fehlte. Doch die hervorragend recherchierten Fakten machten das durchaus wett. Ich hätte mir gewünscht, dass es um den Mord etwas mehr Verwicklungen gäbe, dass sich die Polizei nicht nur auf die Grimms als Täter konzentriert. Und wenn sie das nicht getan hat, so habe ich das diesem Buch nicht entnehmen können. Nur die Grimms hatten einige im Visier. Am Anfang des Buches befindet sich ein Personenregister, was ich sehr gut finde. Man kann dadurch immer mal wieder nachschauen, wenn etwas unklar ist. Am Ende hat die Autorin in einem Nachwort geschrieben, wer bzw. was historisch verbürgt ist. Das ist etwas, das ich in einem historischen Roman erwarte und in vielen, aber leider nicht in jedem finde. Ich kam gut in die Geschichte hinein, und in die Protagonisten konnte ich mich auch sehr gut hineinversetzen. Wie ein roter Faden ziehen sich die Ereignisse um Annette in Bökendorf durch das ganze Buch. Daher macht nicht nur der Mord den historischen Roman spannend, sondern auch die erwähnten Ereignisse, die sich für mich sogar in weiten Teilen des Buches in den Vordergrund geschoben haben. Alles in Allem hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Sehr gerne empfehle ich es weiter und vergebe vier von fünf Sternen bwz. acht von zehn Punkten.

    Liebe Grüße

    Lerchie

    ____________________________

    nur wer aufgibt, hat schon verloren

  • Im Kassel des 19. Jahrhunderts wird die Freiin von Bachros ermordet - mit einem Hinweis auf ein Märchen der Brüder Grimm. Das können die beiden natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Und so machen sie sich auf die Suche nach dem Mörder, bei der sie Unterstützung von den beiden Droste-Schwestern erhalten.


    Das Konzept von "Grimms Morde" muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Jacob und Wilhelm Grimm sowie Jenny und Anette von Droste-Hülshoff ermitteln im Kassel des Jahres 1821 in einem Mordfall. Dies hat mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Doch wie sieht das Endergebnis aus - aus Sicht eines historischen Romans und aus Sicht eines Krimis?
    Aus historischer Sicht gibt es an diesem Buch nichts zu bemängeln. Tanja Kinkel hat brilliant recherchiert und nimmt uns auf eine Reise in ein Kassel, dass noch mit den Nachwehen der Französischen Revolution und der daraus resultierenden Abneigung gegen alles Französische zu kämpfen hat. Auch über die historischen Persönlichkeiten erfährt man mehr. Hier ist vor allem Anette von Droste-Hülshoff hervorzuheben, deren Schicksalsschlag neben dem Mordfall das zweite zentrale Thema von "Grimms Morde" ist. Hier lernt man viel und wird auch angeregt, selbst zu recherchieren und sich über diese Themengebiete zu informieren.


    Doch ich verstehe dieses Buch als historischen Krimi, insofern werde ich in dieser Rezension auch den Kriminalaspekt des Buches beleuchten. Und hier bin ich bei meinem großen Problem des Buches angelangt. Denn so schön das eingangs genannte Konzept auch klingt: Ich hatte über weite Teile des Romans den Eindruck, dass es nicht funktioniert.
    Dies beginnt schon beim ersten Treffen der beiden Geschwisterpaare, dass eher von gegenseitigen Vorwürfen und Sticheleien geprägt ist, bei denen der Betroffene natürlich eingeschnappt reagiert und entsprechend kontert, als von einer ergebnisorientierten Ermittlung. Man hat über den Verlauf des Buches den Eindruck, als wächst zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehört und unter dem Aspekt verwundert es wohl nicht, dass ich die zweite Hälfte des Romans als die deutlich bessere ansehe.
    Bleibt noch das Ende und die Auflösung des Falles. Hier habe ich den Eindruck, dass alles ein bisschen zu schlagartig kommt. Von anfänglicher Orientierungslosigkeit nähert man sich der Lösung an und während sich der Leser immer noch annähert, sind die Protagonisten wohl schon weiter und die Lösung scheint klar auf der Hand zu liegen. Hier haben mir ein paar Gedankenschritte gefehlt, die zu einem besseren Verständnis geführt hätten.


    So habe ich bei "Grimms Morde" mal wieder einen Fall des zwiegespalten seins. Hätte sich Tanja Kinkel rein auf die historischen Aspekte beschränkt, wäre meine Bewertung eindeutig höher ausgefallen. Doch der Krimiaspekt zerstört meiner Ansicht nach ein gutes Konzept, so dass das Buch nicht über eine Durchschnittsbewertung herauskommt. Schade!


    3ratten

    Hier ist mein SuB und mein SgB :)

  • Kassel in den 20ern des 19. Jahrhunderts. Als eine frühere Mätresse des hessischen Kurfürsten tot aufgefunden wird, gerät Jacob Grimm in Tatverdacht. Immerhin wurde das Opfer mit heißem Wachs grausam zugerichtet - was an ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm erinnert!
    Zum Glück kommen die Schwestern Annette und Jenny von Droste-Hülshoff nach Kassel zur Hilfe, denn auf sonderlich viele Unterstützer können die Grimms nicht zählen. Überhaupt ist es keine einfache Zeit - Zensur und Unfreiheit sind an der Tagesordnung, ganz zu schweigen davon, dass Frauen nicht nach ihren Ansichten gefragt werden.
    Klingt nach einem historischen Krimi? Ja, durchaus - noch dazu mit literarischen Größen! Denn was man meines Erachtens heutzutage gar nicht richtig weiß, ist, dass Jacob und Wilhelm Grimm nicht bloß Sammler und Veröffentlicher von Märchen waren, sondern einen großen Dienst für die deutsche Sprache geleistet haben.
    Tanja Kinkel schafft es mit diesem Roman, bekannten Namen der deutschen Literaturgeschichte Leben einzuhauchen. Auch wenn wir alle die Grimms kennen, ist es bemerkenswert, dass wir dank der Autorin einen Einblick in ihre Charaktere bekommen - sehr unterschiedliche übrigens. Dabei ist vor allem auch die Sprache hervorzuheben, denn Tanja Kinkel unterhält in meinen Augen auf einem richtig tollen Niveau. Die politische wie gesellschaftliche Situation ist fragil, so haben die Protagonisten nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit, sondern auch mit Vorurteilen, Standesdünkel und Hass zu kämpfen. Politische Meinungsäußerung ist ebenso wenig erwünscht wie Frauen, die sich nicht an die ihnen zugedachte Rolle halten möchten. So sind letztendlich die Auseinandersetzungen zwischen Adel und Bürgertum und Männern und Frauen die besonderen Faktoren, die beweisen, dass die Autorin nicht nur das Schreiben beherrscht, sondern auch noch brillant recherchiert und die historischen Fakten in einen spannenden Roman eingebettet hat.
    Vor allem aber ist „Grimms Morde“ keine schnelle Kost - viel zu schade wäre es, wenn dieser sehr lesenswerte Roman in Kürze verschlungen wäre. Viel mehr gilt es, die Sprache, die Charakterzeichnung und so manche Intrige und ihre Auflösung zu genießen.


    Absolute Leseempfehlung für einen etwas 'anderen' historischen Roman!


    5ratten

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Zwei berühmte Geschwisterpaare und ein Mordfall


    Die beiden Schwestern Jenny und Annette von Droste-Hülshoff aus Münster reisen ins hessische Kassel, um den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm bei der Aufklärung eines Mordes beizustehen, dessen sie verdächtigt werden.
    Die Dichterin, die zum Zeitpunkt der Handlung, um 1820, erst Mitte Zwanzig war und deren schriftstellerische Ambitionen noch kaum Anerkennung fanden, fühlt sich verantworlich dafür, dass die Brüder, vor allem der Ältere, Jacob, unter Mordverdacht gerieten, weil bei der Leiche, einer ehemaligen Mätresse des Kurfürsten, ein Zitat gefunden wurde, das aus einem der Märchen stammt, die sie und ihre Schwester der Märchensammlung der Brüder haben zukommen lassen und, heimlicherweise, sogar selbst verfasst haben.
    Die Ermittlungen gestalten sich mühselig, allerlei Hindernisse werden den Geschwisterpaaren in den Weg gestellt - und bald wird der gescheiten Annette klar, dass dem bei den Kassler Autoritäten wenig beliebten Jacob die Rolle des Sündenbocks zugeschoben werden soll. Mit der ihr eigenen Klugheit, Rationalität und einer gehörigen Portion unkonventioneller Unbefangenheit macht sie sich daran, auf eigene Faust und gelegentlich auch inspiriert durch Jacob, der seinerseits auch ermittelt, den wahren Mörder zu finden.
    Aber ob das gutgehen mag in einer Epoche, in der den Frauen Eigenständigkeit und Selbstbestimmung weitgehend versagt wurde, in der sie sich unterordnen mussten und den Männern alles andere als ebenbürdig angesehen wurden?


    Im Rahmen der historischen Fakten hat sich Tanja Kinkel eine Geschichte ausgedacht, die sich durchaus so hätte zutragen können, denn die vier Protagonisten ihres historischen Romans, in dem ein fiktiver Kriminalfall im Mittelpunkt steht, kannten einander, wenn auch nicht auf die hier geschilderte Weise.
    Wie hätte eine Zusammenarbeit der beiden Geschwisterpaare aussehen können und wäre eine solche überhaupt möglich gewesen angesichts der damals herrschenden strengen Rollenverteilung der Geschlechter?


    Sich eng an die jeweiligen Biographien und vorhandenen Zeugnisse, Briefe, etc. haltend ersinnt die Autorin ein mögliches Szenario, in dem sie die Grimms und die Drostes miteinander agieren lässt, getreu ihrer Persönlichkeiten.
    Annette erscheint uns als selbstbewusste und überraschend unkonventionelle junge Frau, die durch ihre Intelligenz, ihren Scharfsinn und ihre Schlagfertigkeit keinen leichten Stand in der Zeit hatte, in der sie lebte, während ihre Schwester und lebenslange engste Vertraute, Jenny, durchaus dem damaligen Frauenbild entsprach, ohne dass sie dabei allerdings ihre Persönlichkeit opferte.


    Doch lernen wir zu Beginn der Romanhandlung eine Annette kennen, die aufgrund einer einschneidenden, sie peinigenden "Lektion" auf dem Gut ihres wenig sympathischen Onkels seltsam niedergedrückt, beinahe leblos erscheint, beladen von Schuldgefühlen.
    In dem Maße, in dem dem Leser jene geheimnisvolle Bökendorfer Intrige, dem zweiten Hauptthema des Romans, ganz allmählich aufgedeckt wird, gewinnt Annette ihr Selbstbewusstsein im Zuge der Auflösung des Mordfalls, der sie gefangen nimmt, zurück und sie wird sich bewusst, dass es nicht an ihr ist, sich Vorwürfe wegen etwas zu machen, dessen unschuldiges Opfer sie geworden war.


    Auch die Gebrüder Grimm müssen mit Schuldgefühlen und eigenen Fehlern kämpfen, auch sie werden am Ende des Romans klüger und um einige Erfahrungen reicher sein als zu Beginn. Und der jüngere von ihnen, Wilhelm, muss schmerzlich erkennen, dass er sein mögliches Lebensglück durch Unachtsamkeit und falsche, seinen Emotionen geschuldete Entscheidungen selbst verspielt hat.


    Die Interaktionen zwischen den beiden historischen Geschwisterpaaren, ihre geistreichen, scharfen, hintersinnigen Dialoge, gar ihr verbaler Schlagabtausch, ihr Annähern, Akzeptieren und schließlich Verstehen geben der Geschichte ihren besonderen Reiz, sind unnachahmlich in Szene gesetzt und, bei allem Ernst, auch vergnüglich zu lesen.
    Im Zusammenwirken mit den vielen Hintergrundinformationen zur Gesellschaft, der Politik und den damals herrschenden Sitten und Gepflogenheiten geben sie einen detaillierten Einblick in die Zeit nicht lange nach den Napoleonischen Kriegen, spannender als so manche Geschichtsbücher oder -lehrer es vermögen.


    Dass dabei der Mord an sich, der die Grimms und Drostes ursprünglich zusammengeführt hat, ins Hintertreffen gerät, ist zu verschmerzen. Viel aufregender als er sind die Begegnungen zwischen den Drostes und den Grimms, ist das, was sich zwischen ihnen abspielt, ist jener geheimnisvolle Vorfall auf Bökendorf, der so etwas wie ein roter Faden in dem Roman ist. Denn lange dauert es, bevor der Leser erfährt, was sich denn tatsächlich so Schreckliches, so Unerhörtes dort abgespielt hat.
    Auf jeden Fall ist Tanja Kinkel auch mit "Grimms Morden" wieder ein unterhaltsamer hervorragend recherchierter, unbedingt empfehlenswerter Roman ( mit kriminalistischen Elementen! ) gelungen, der seinesgleichen sucht!


    5ratten

  • Jetzt ist das Buch auch auf meinem Wunschzettel gelandet. Schade, dass das Cover so ein bisschen fade aussieht - wer nicht weiß, dass Tanja Kinkel tolle historische Romane schreibt, greift dann vielleicht nicht zu.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Märchenmorde


    1821 Kassel. Als Freiin von Bachros, die ehemalige Mätresse des Landesfürsten, grausam ermordet aufgefunden und bei der Leiche ein Zitat aus der Märchensammlung der Gebrüder Grimm gefunden wird, geraten Jakob und Wilhelm Grimm ins Visier der Polizeit. Doch das Märchen stammt eigentlich von Annette von Droste-Hülshoff, die sofort mit ihrer Schwester Jenny nach Kassel reist, als sie von dem Mord und den Umständen erfährt und mit den Gebrüdern Grimm, die sie seit langen Jahren kennt, auf eigene Faust versucht, den Mörder zu finden und den Grimmschen Ruf wieder herzustellen. Aber während sie noch um den ersten Mord rätseln und nach Verdächtigen suchen, gibt es einen weiteren Toten, der ebenfalls ein Zitat bei sich hat und auf die Grimm-Brüder hinweist. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt…


    Tanja Kinkel hat mit ihrem Buch „Grimms Morde“ einen sehr spannenden und unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der sich nicht nur mit der Aufklärung von drei Todesfällen beschäftigt, sondern auch die Beziehung zwischen den Geschwisterpaaren Jakob und Wilhelm Grimm auf der einen Seite und Annette von Droste-Hülshoff nebst Schwester Jenny auf der anderen beleuchtet. Die Autorin hat ihren Erzählstil ganz der damaligen Zeit angepasst, so dass die Geschichte noch authentischer wirkt, und der Leser völlig in die Vergangenheit eintauchen kann, um die beiden Geschwisterpaare bei ihrem Handeln und Tun zu beobachten. Die Dialoge besonders zwischen Jakob und Annette sprühen vor Wortwitz und Intelligenz und machen das Lesen zu einem besonderen Vergnügen. Der historische Hintergrund wurde akribisch recherchiert und mit der Handlung verwebt. Der Leser erfährt nicht nur viel über die gesellschaftliche Stellung der Frau zur damaligen Zeit, sondern auch einiges über die politische Lage, intrigante Machenschaften, harte moralische Ansprüche sowie Standesdünkel. In einem aussagekräftigen Nachwort stellt die Autorin zudem heraus, was in ihrer Geschichte der Wahrheit entspricht und was der Phantasie. Sie hat beides sehr gut miteinander verflochten, so dass der Eindruck einer durchaus wahren Geschichte entsteht und die Protagonisten dem Leser als ganz reale Personen zum Anfassen erscheinen.


    Die Charaktere wurden sehr detailliert und individuell herausgearbeitet, sie wirken authentisch und sehr lebendig, es ist fast so, als hätte Tanja Kinkel sie mit ihren Worten wieder zum Leben erweckt. Annette ist eine intelligente Frau, die recht selbstbewusst und nahezu respekteinflößend wirkt. Sie kaschiert damit eigene Unsicherheiten, die sie aufgrund einer unglücklich verlaufenden Liaison hegt. Doch das tut ihrer Cleverness keinen Abbruch. Sie hat ein schnelles und scharfes Mundwerk, doch trifft sie immer genau auf den Punkt. Annette ist mutig und sagt, was sie denkt, deshalb bekommt sie auch immer wieder abwertende Kommentare zu hören. Annettes Schwester Jenny steht ein wenig in ihrem Schatten. Sie ist von eher zurückhaltender Natur und heimlich in Wilhelm Grimm verliebt. Doch diese Liebe hat keinerlei Zukunft. Jakob Grimm ist ein etwas arrogant wirkender Mann, der recht selbstsicher und von sich eingenommen ist. Doch auch er ist ein intelligenter Mann, der die Spurensuche sehr ernst nimmt, vor allem, da er sich reinwaschen will. Auch die anderen Protagonisten bringen durch ihr Erscheinen der Handlung zusätzliche Spannung und gleichzeitig tragen sie auch zu einigen Verwicklungen bei.


    „Grimms Morde“ ist ein sehr gelungener, spannender historischer Roman, der sowohl einige Kriminalfälle als auch das gesellschaftliche Miteinander beleuchtet und zudem eine skandalöse Liebesgeschichte offenbart. Doch noch interessanter ist die Darstellung der beiden Geschwisterpaare, die zwar jeder auf die eine oder andere Weise „kennt“, hier jedoch sehr gut kennenlernt. Eine Leseempfehlung für einen außergewöhnlichen Roman!


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Dreamworx ()

  • Spannende und informative Unterhaltung


    Tanja Kinkel entführt uns ins Kassel des Jahres 1821. Die französische Herrschaft ist erst seit kurzer Zeit Vergangenheit, aber noch lange nicht überwunden. Zensur und Überwachung sind alltägliche Hilfsmittel in den deutschen Fürstentümern. Der Adel genießt seine Privilegien. Frauen hatten sich unterzuordnen. Es ist die Zeit, in der die Brüder Grimm, Jacob und Wilhelm, ihre Märchensammlungen veröffentlichten (1812 und 1815). Nicht als Märchensammlung für Kinder, sondern zur Wahrung von Volkskultur – schließlich waren sie in erster Linie Sprachwissenschaftler und Volkskundler. Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei unter anderem auch von Jenny und Annette Droste-Hülshoff, die einige Geschichten zur Märchensammlung beitrugen. Vielleicht sogar ein wenig zu tagkräftig: denn eine Geschichte, nämlich „Die drei schwarzen Prinzessinnen“, wurde von ihnen sogar extra für diese Sammlung verfasst.


    Als dann eine ehemalige Mätresse des Kurfürsten grausam ermordet wird und ein Zitat aus besagtem Märchen bei der Toten gefunden wird, gerät Jacob Grimm ins Visier der Ermittler. Die Schwestern Droste-Hülshoff reisen sofort nach Kassel um die Brüder Grimm zu entlasten. Natürlich in Begleitung eines männlichen Verwandten – um den gängigen gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Kurze Zeit später stirbt auch noch ein wenig hoffnungsvoller Dichter. Nach einigermaßen komplizierten und verwirrenden Ermittlungen decken die vier Protagonisten natürlich die Geheimnisse rund um diese beiden seltsamen Morde auf.

    Und so interessant und verzwickt die Tätersuche auch sein mag, sie tritt in den Hintergrund, denn viel spannender und unterhaltsamer ist die Schilderung der Zeit, ihrer Sitten, Moralvorstellungen und Vorurteile. Ein Sittenbild, das dem Leser ein lebensnahes und vielschichtiges Bild jener Zeit präsentiert. Die einzelnen Personen werden geschichtlich korrekt und liebevoll charakterisiert, so haben sie alle ihre Fehler und Schwächen. Vor allem eine prägende und traumatisierende Episode aus dem Leben von Annette steht im Mittelpunkt vieler Gespräche und Gedanken. Genau diesen klugen und manchmal scharfzüngigen Gesprächen zu folgen, war wirklich ein spezieller Genuss!


    Die Sprache des Buches ist in vielen Teilen eine Annäherung an die Sprache der Zeit – anfangs nicht ganz einfach zu lesen, aber wunderschön und nach ein paar Seiten ist man fast schon süchtig danach!


    Denn Tanja Kinkel versteht es, Fiktion und historische Fakten gekonnt zu einem spannenden, informativen und großartig lesenswerten Roman zu verweben. Es ist sicher kein Buch, das irgendwie nebenher gelesen werden kann, aber die kleine Anstrengung wird wirklich belohnt!
    Es ist für mich sicher eines der besten Bücher des heurigen Jahres!


    5ratten :tipp:

    Vernunft, Vernunft...

  • Sittengemälde des 19. Jahrhunderts


    Es war einmal alte Mätresse, die gewaltsam zu Tode kam. Dies trug sich zu, im Jahre 1821 in der Stadt Kassel. So oder so ähnlich könnte eines der Märchen der Brüder Grimm auch beginnen. Aber hier wird kein Märchen erzählt, sonder die Geschichte einer Frau, die ermordet wurde und mit diesem Mord Wilhelm und Jacob Grimm in Verdacht bringt. Die Art und Weise, wie sie starb, haben diese zwei nämlich gerade ausführlich in ihrer so eben erschienen Märchensammlung veröffentlicht. Die Polizei ist auch nicht gerade hilfreich bei der Lösung des Falles. Dann aber treten die Schwestern Droste-Hülshoff auf den Plan. Jenny und Annette haben einige Geschichten zu der Sammlung beigetragen. Ausgerechnet ein Zitat aus ihrem Märchen wurde bei der Leiche gefunden. Die Schwestern sehen sich genötigt den Grimms zur Hilfe zu eilen.


    Der neue Roman von Tanja Kinkel ist alles andere als ein Märchen der Brüder Grimm, auch wenn es zunächst den Anschein hat. Die Geschichte beginnt mit einem Mord, der natürlich aufgeklärt werden will, aber im Vordergrund steht mehr das Leben von Jacob und Wilhelm Grimm und ihrer Familie.


    Kinkel hat hier nicht einfach nur einen Krimi geschrieben, sondern erzählt viel mehr aus dem Leben dieser Zeit. Aus der Zeit als die Besatzer, nämlich Napoleon, Kassel verlassen haben. Wie die Menschen sich damals fühlten, was sie bewegte und antrieb. Ihr ist hier gelungen, die Zeit von 1821 einzufangen. Lebhaft und authentisch hat sie Bilder in meinem Kopf entstehen lassen. Ich fühlte mich regelrecht in die Zeit zurückversetzt. Sicherlich war der Einstieg in diesen Roman nicht ganz einfach. Tanja Kinkel hat sich für einen etwas sperrig lesenden Erzählstil entschieden, aber nachdem die ersten ca. 50 Seiten gelesen waren, konnte ich kaum noch aufhören, das Buch einfach nicht zur Seite legen. Aber nicht weil der Fall so spannend war (der Krimi ist auch spannend aber eben nicht nur), sondern weil die Lebensgeschichte der Brüder Grimm und das Aufeinandertreffen mit den Schwestern so gelungen erzählt wurde. Für mich war der Mord und alles, was damit zusammenhing, irgendwie nur Beiwerk für einen tollen historischen Roman, über eine Epoche, zu der ich noch nicht so viel gelesen habe.


    Ein Personenregister zu Beginn sorgt direkt dafür, dass man den Überblick über die Protagonisten nicht verliert. In einem Nachwort zum Schluss, klärt die Autorin Fiktion und Wahrheit, es war aufschlussreich. Eine Bibliografie verrät einiges darüber, wo der Leser Wissenswertes zu der Geschichte der Brüder Grimm oder den Droste-Hülshoff-Schwestern nachlesen kann.


    „Grimms Morde“ war für mich einer der besten historischen Romane, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der Erzählstil zeugt von hoher Erzählkunst und hat einfach nur Spaß gemacht. Die Geschichte selbst war facettenreich und bildhaft und hat mich nicht mehr losgelassen.


    5ratten:tipp:

  • Zu viel historische Details für mich
    Kassel, 1821. Vor einiger Zeit haben die Gebrüder Grimm ihre Märchensammlung veröffentlicht. Leben können sie davon allerdings nicht und so haben sie diverse Anstellungen, um sich und ihre Geschwister finanziell über Wasser zu halten.


    Eines Tages wird eine Leiche aufgefunden, auf furchtbare Art ermordet und mit einem Papier, auf dem ein Zitat aus der Grimm’schen Märchensammlung steht! Wer liegt also als Verdächtiger näher als einer der beiden Herausgeber? So denkt zumindest Oberwachtmeister Blauberg, der die Ermittlungen leitet. Noch dazu entpuppt sich Jacob Grimm nicht gerade als besonders sympathischer Zeitgenosse, sondern gibt sich recht überheblich und unwirsch.


    Außerdem ist es dem Ermittler nicht möglich, in Adelskreisen zu ermitteln, denn die Hochwohlgeborenen sind natürlich über jeden Verdacht erhaben. Die Brüder Grimm sind also viel praktischer als mögliche Täter.
    Als die Schwestern Droste-Hülshoff von den Anschuldigungen gegen die Grimms hören, beschließen sie schnell, dass sie helfen müssen – denn das Märchen, aus dem das Zitat stammt, haben die beiden Fräulein Droste der Sammlung beigesteuert und so fühlen sie sich nun mitverantwortlich. Durch ihre Stellung haben sie auch andere Möglichkeiten als die Grimms selber oder Ermittler Blauberg. Als Frauen hingegen sind ihre Schritte auch wieder in gewisser Weise begrenzt, was insbesondere Anette fürchterlich wurmt. Dennoch will sie die Gelegenheit nutzen, um einerseits den Grimms zu helfen und andererseits über ein höchst unangenehmes Erlebnis hinwegzukommen.


    Ich liebe die Bücher von Tanja Kinkel und bin immer wieder fasziniert, wie vielseitig sie ist. Jedes Buch geht ein völlig neues Thema, eine neue Zeit, neue Figuren an und das perfekt recherchiert.


    So auch hier: man fühlt sich regelrecht nach Kassel versetzt. Wenn man, so wie ich, bisher wenig über die Grimms und die Droste-Hülshoffs wusste, ändert sich das nun mit der Lektüre. Auch das gesellschaftliche, historische und politische Umfeld wird detailliert beschrieben. Die Fülle der auftretenden Figuren machte es für mich manchmal etwas unübersichtlich, da das einfach so gar nicht meine Epoche und Gegend ist und ich mich streckenweise ziemlich unwissend fühlte. Wenn man den Anspruch aufgibt, wirklich alle Beziehungen und Ereignisse genau richtig einordnen zu können und sich einfach auf die Geschichte des Buches konzentriert, macht man es sich einfacher und dann stellte sich auch bei mir das Lesevergnügen ein.


    Bei diesem Buch hier fehlte mir allerdings das gewisse Etwas, das zum Beispiel „Manduchai“ für mich hatte. Die Geschichte der Gebrüder Grimm und der Schwestern Droste- Hülshoff rund um den fiktiven Kriminalfall fand ich zwar durchaus unterhaltsam und gut zu lesen, aber der berühmte Funke sprang diesmal bei mir nicht über. Dies bei jedem Buch eines Autors zu erwarten, ist aber vielleicht auch zu viel verlangt – ich freue mich also einfach wieder auf das nächste Werk aus Tanja Kinkels Feder!


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

    LG, Dani


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  • Ich mag ja Krimis mit historischen Personen und aus müsterländischen Lokalpatriotismus müsste ich eigentlich ja auch Annette von Droste-Hülshoff mögen. Aber mit diesem Roman bin ich irgendwie nicht warm geworden und hab ihn dann auch abgebrochen.

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

  • Kassel, Anfang des 19. Jahrhunderts: die ehemalige Mätresse des Kurfürsten wird auf grausige, einem Märchen aus einer Sammlung der Brüder Grimm nachempfundene Weise umgebracht, bei der Leiche findet man auch noch ein Zitat aus dem betreffenden Märchen. Kein Wunder also, dass Hofbibliothekar Jacob Grimm ziemlich schnell in den Fokus des polizeilichen Ermittlers rückt, zumal bekannt ist, dass sich Grimm mit seinem Arbeitgeber nicht gerade gut versteht. Am Motiv allerdings hapert es doch ziemlich.


    In Westfalen sind die Schwestern Jenny und Annette von Droste zu Hülshoff mehr als entsetzt, als Grimms Schwester Lotte ihnen brieflich von den Geschehnissen berichtet - war es doch eines der Märchen, die die beiden den Brüdern für ihre Kollektion geschickt hatten. Dass ausgerechnet diese Geschichte zur Vorlage für einen grässlichen Mord werden sollte, ist schier unerträglich für Jenny und Annette. Unter einem Vorwand reisen die beiden in Begleitung ihres Onkels nach Kassel, um selbst Augen und Ohren offenzuhalten und herauszufinden, was sich tatsächlich zugetragen hat. Ziemlich unerhört für wohlerzogene junge Damen; doch zumindest Annette ist dafür bekannt, sich wenig um Konventionen zu scheren, und Jenny ist zwar deutlich zurückhaltender, aber doch stets loyal, also bleibt ihr wenig anderes übrig als mitzumachen.


    Verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass Annette auf Jacobs Bruder Wilhelm wegen einer unrühmlichen Begebenheit im Sommer zuvor eigentlich immer noch ziemlich böse ist und es ihr schwerfällt, im Dienste der Sache zusammenzuarbeiten ...


    Wie immer glänzt Tanja Kinkel auch in diesem Buch mit vielen historischen Details und umfassender Recherche, Quellenverzeichnis inklusive. Die kurfürstliche Stadt Kassel wenige Jahre nach dem Abzug von Napoleons Truppen aus Deutschland ist ein eher seltener, aber gar nicht uninteressanter Schauplatz, der noch stark geprägt ist von der jüngsten Vergangenheit. Alles Französische ist strikt verpönt, man ist froh, den Korsen und seine Soldaten endlich los zu sein, und jedweder Kontakt nach Frankreich wird argwöhnisch beäugt.


    Ansonsten ist Kassel eine ziemlich typische Provinzstadt voller Klatsch und Tratsch, die durch den aufsehenerregenden Mord natürlich in hellem Aufruhr ist. Der Polizeibeamte Blauberg würde die Tat nur zu gerne Jacob Grimm anhängen, um bloß nicht in Adelskreisen nach dem Täter suchen zu müssen, während Grimm genau dort den Hintergrund der Bluttat vermutet und mit Hilfe der Droste-Schwestern der Wahrheit nachzuspüren versucht.


    Eine nette Idee, die beiden literarischen Geschwisterpaare als Ermittlerquartett auftreten zu lassen, wobei man auch so einiges über deren persönliche Entwicklungsgeschichte erfährt. Das liest sich größtenteils recht unterhaltsam, vor allem Jacobs bissige Sprüche und Annettes ständiger Kampf gegen das einengende Frauenbild ihrer Zeit, kann aber zwischendurch auch mal etwas zäher werden. Zumindest ich konnte dem einen oder anderen komplexen Zusammenhang nicht immer so recht folgen, auch wenn mich die Auflösung am Ende durchaus überzeugen konnte.


    So ganz ist der Funke bei mir leider nicht übergesprungen, andere Bücher von Kinkel haben mich mehr gefesselt.


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen