01 - Seite 9 bis 58 (bis Kapitel 4)

Es gibt 26 Antworten in diesem Thema, welches 5.285 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Avila.

  • Hallo ihr Lieben!


    Hier startet die Leserunde zu "Ein deutsches Mädchen" von Heidi Benneckenstein.


    Postet hier bitte erst, wenn Ihr mit der Lektüre begonnen habt und etwas zum Buch zu sagen oder zu fragen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das Ganze zu sehr in die Länge und passen besser in den Buchvorschlag. Außerdem wäre schön, wenn Ihr darauf achtet, nicht einzeln zu sehr vorzupreschen, damit wir zusammen bleiben und damit auf einem ähnlichen Stand spekulieren und diskutieren können. Als Faustregel gilt, nicht mehr als ein Abschnitt pro Tag.
    Bitte beachtet auch die Hinweise zur Aktivität und Qualität.


    Zum Abschluss: bitte denkt auch daran, dass ein wichtiger Teil der Leserunden eure abschließenden Rezensionen sind und stellt diese am Ende der Runde zeitnah hier im Forum und auf literaturschock.de direkt ein.



    Hier könnt Ihr zum Inhalt von Seite 9 bis 58 (bis Kapitel 4) schreiben.
    Spoilermarkierungen sind aufgrund der Seitenbeschränkung nicht vorgesehen.


    Ich habe relativ kleine Abschnitte gewählt, da ich davon ausgehe, dass es viel Diskussionsstoff gibt :winken:

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • Hallo an alle Teilnehmer der Leserunde,


    ich habe mit dem Buch begonnen und konnte nicht mehr aufhören bis Kapitel 4.
    Ich bin hin und her gerissen, schockiert, berührt, ungläubig Kopf schüttelnd.


    Schon das Familienleben jagt mir einen Schauer über den Rücken, auf den ersten Blick ja eine relativ normale Familie im Dorf integriert wie sie schreibt. Sicher auf gewisse Art im Gespräch aber, ich komme selbst vom Dorf, machen tut da keiner was, nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - außer hinter vorgehaltener Hand da wird getratscht.
    Der psychische und körperliche Druck waren sicher extrem...


    Im Schulalter Kinder und Eltern die man als Lehrer liebt, von Kooperation keine Spur...
    Ich frage ich wie der Eltern mütterlicherseits gedacht haben, so richtig kommt das ja nicht raus, in gewissem Maß müssen sie ja doch ähnliche Gesinnung gehabt haben?!


    Urlaub, nun ja da kommt es wohl wirklich nur darauf an, die Zeit zu genießen, egal wo. Das trifft ja wohl auf jede Familie irgendwie zu...


    Ich bin gespannt auf eure Kommentare...


    Grüße
    schokotimmi

  • Hallo in die Runde, es wird bestimmt spannend uns hier auszutauschen, bei so einem Buch.


    Ich bin gerade mit dem ersten Abschnitt fertig geworden und weiß gar nicht so recht was ich sagen soll. Ich bin fassungslos, dass es wirklich noch im Hier und Jetzt geschieht. Es war mutig von Heidi ihr Erlebtes aufzuschreiben und zu veröffentlichen. In dem einen Interview sagt die Moderatorin, das es nur ganz wenige schaffen aus der Szene auszusteigen.


    Sicher man weiß dass es die Neonazis und die extrem rechte Szene gibt, aber das schon Kinder aus diesen Familien indoktriniert werden, ist für mich unglaublich.


    Heidi wird von ihrem Vater nicht geliebt, sondern zu einem deutschen Mädchen gedrillt, sei es durch die Lektüre die der Vater zu Hause hat oder durch die Lager in die er seine Kinder schickt. Mit fünf Jahren, alleine ohne die Eltern, in so ein Lager geschickt zu werden grenzt für mich schon an die erste Grausamkeit, der noch viele folgen.


    Eigentlich konnte sie nie Kind sein, dass ging schon mit dem Spielzeug los, dann die Sache mit dem Schulranzen zur Einschulung und immer nur die Kleidung der Geschwister zu tragen. Ihre Freunde konnte sie sich auch nicht aussuchen, da wurde ein Auge drauf geworfen.


    Wo Heidi sich wohl fühlte, war der jährliche Urlaub in Ungarn. Oder der einmalige Urlaub in Kaliningrad, dort konnte sie unbeschwert Kind sein. Es gab keinen Druck, der Vater war entspannt und maßregelte die Mädchen nicht falls ihnen doch einmal ein Missgeschick passiert ist.


    Es ist ja bekannt, dass Scheidungskinder sehr unter der Trennung der Eltern leiden, aber für Heidi war alles noch komplizierter.


    Was mich auch stark gewundert hat, das die Schule so gar keine großen Bemühungen unternommen haben um Heidi zu unterstützen. Und das ihr dann Ritalin verabreicht würde, ist für mich sehr verantwortungslos. Die Gabe von Ritalin sollte sorgfältig abgewägt werden, nur leider wird es viel zu schnell verschrieben.


    Ich war sprachlos als die Mutter zur Geburt der jüngsten Schwester von Heidi, im Krankenhaus war und ihr Vater mit seiner Freundin in den Urlaub fährt.


    Es wird deutlich wie rechts der Vater ist, denn der Verein Regermanisierung Ostpreußens, zeigt es sehr deutlich. Auch das der Holocaust verleumdet wird ist unfassbar, kein Wunder das Heide keine Emotionen zeigen konnte, wenn man so einer Gehirnwäsche unterzogen wurde.


    Ich habe auch Mal nach den Namen Dietmar Munier und Agnes Miegel geschaut, da kommen bestimmt noch einige dazu.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Ich bin hin und her gerissen, schockiert, berührt, ungläubig Kopf schüttelnd.


    Ich frage ich wie der Eltern mütterlicherseits gedacht haben, so richtig kommt das ja nicht raus, in gewissem Maß müssen sie ja doch ähnliche Gesinnung gehabt haben?!


    Grüße
    schokotimmi


    Mir geht es wie dir, ich bin auch hin und her gerissen und noch mehr schockiert.


    Bei den Großeltern mütterlicherseits bin ich mir nicht sicher, so richtig kann ich mir es nicht vorstellen.
    Aber die Oma väterlicherseits ist schon heftig.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Wow, ich fang jetzt mal an zu schreiben, aber eigentlich muss ich meine Gedanken zu dem Buch noch ein wenig sortieren.



    Schon das Familienleben jagt mir einen Schauer über den Rücken, auf den ersten Blick ja eine relativ normale Familie im Dorf integriert wie sie schreibt.


    Das fand ich fast auch mit am erschreckensten. Sie schreibt ja auch, dass sie kein Skingirl war, keine Tattoo o.ä. hatte, was man (zumindest ich) mit der rechten Szene oft verbinde, u.a. auch wegen Bilder von dem Konzert bspw. in Themar... Dennoch beschreibt sie eindeutig wie rechts das ganze Weltbild des Vaters ist, inkl. der Verschwörungstheorien à la Deutschland befindet sich noch im Krieg mit den Alliierten. Puh.



    Es ist ja bekannt, dass Scheidungskinder sehr unter der Trennung der Eltern leiden, aber für Heidi war alles noch komplizierter.


    Also als Scheidungskind muss ich der Pauschalität des Satzes einfach widersprechen. Ja, für manche Scheidungskinder ist die Trennung schwer. Ich persönlich habe das nie so empfunden, sondern das als Bereicherung erlebt und wenn ich mir die Schilderung von Heidi so durchlese, habe ich bisher noch nicht den Eindruck gewonnen, dass sie unter der Trennung leidet, sondern sie teilweise auch eine Befreiung ist. Wobei sich Heidis und meine Familiengeschichte so grundsätzlich voneinander unterscheidet, dass ich außer der Scheidung bisher keine Gemeinsamkeiten in unserer Kindheit entdeckt habe.
    Ich kann mir aber im Allgemeinen nicht vorstellen, dass andauernde, ständige Streitigkeiten unter den Eltern für Kinder besser sind als Scheidungen.
    Aber zurück zum Buch: Es wurde bereits angesprochen, aber die Motivation der Mutter in die Ehe einzuwilligen und so lange auszuhalten, hat sich mir auch noch nicht erschlossen. Der Vater scheint eine sehr charmante Art zu haben, der man sich nur schwer entziehen kann, aber ist das das ganze Geheimnis? Für mich schwer vorstellbar, aber je nach dem wie man selbst als Person ist...
    Die relativ frühe Trennung der Eltern hat mich aber auch verwundert, weil Heidi ja dann doch erst recht spät sich lossagen konnte. 2007 ist sie 15 Jahre alt gewesen, also war sie wohl noch drei weitere Jahre (wie auch bereits angedeutet) in der Szene aktiv und wurde mehr hineingezogen, obwohl sie zu ihrem Vater eine Distanz versuchte aufzubauen. Ich bin gespannt, wie sich dieser Gegensatz noch auflösen wird.


    Schlimm finde ich bisher den Vater als Patriachen. Welche Auswirkungen das hatte, zeigt die Verschreibung von Ritalin sehr deutlich. Nun ist Heidi in einer Zeit groß geworden, in der man schnell zu Ritalin griff und es fast sowas wie ein Modemedikament war.
    Ich finde, sie beschreibt sehr schön, dass sie unbewusst bemerkte, dass etwas nicht stimmte, sie es aber überhaupt nicht fassen konnte, weil sie einfach gar nicht als Kind fassen konnte, was das Weltbild von ihrem Vater mit ihm und ihr überhaupt machte.

  • Ich würde hier gern einfach nochmal ein paar Punkte aufgreifen.


    Zum Thema Scheidung, ich bin zwar selbst kein Scheidungskind, kenne aber natürlich welche und auch ich kann nicht bestätigen, dass die Kinder grundsätzlich Probleme davon tragen, ich glaube das Problem hier war, dass der Vater auf die Besuche und damit auf die Beeinflussung seiner Tochter bestand und somit den Psychoterror auf gewisse Art weiterführen konnte. Ich glaube das war viel schlimmer, als wenn sie eine komplette Trennung von ihrem Vater hätte vollziehen können.


    Warum die Lehrer nicht eingegriffen haben oder sich bemüht habe, frage ich mich nur bedingt, denn ich glaube in diesem Fall kann ein Lehrer ja auch nur so viel Hilfe geben wie zugelassen wird. Und es wird in meinen Augen deutlich dass die Eltern ganz offen gegen die Schule und die Lehrer agiert haben. Selbst wenn ein von Heidi anerkannter Lehrer mit ihr zusammen einen Ausweg eingeschlagen hat, die Eltern haben frühzeitig gegengesteuert mit Argumenten, Verboten oder Strafen.
    Andererseits frage ich mich, wie die Therapie dazu passt - ergaben sich in diesen Gesprächen nicht die offensichtlichen Tendenzen und konnte die Therapeutin nicht versuchen gegenzusteuern. Hier hätte ich eine viel größere Chance gesehen.



    Sicher man weiß dass es die Neonazis und die extrem rechte Szene gibt, aber das schon Kinder aus diesen Familien indoktriniert werden, ist für mich unglaublich.


    So unglaublich finde ich das leider gar nicht, versuchen wir nicht alle unseren Kinder gewisse Wertvorstellungen und Weltansichten mitzugeben. Wir prägen unsere Kinder mit unseren Gedanken, unserem Handeln und unseren Aussagen. Und genau so wird es in rechten Familien passieren. Ein Chance haben die Leute ja nur wenn sie irgendwann im Jugend- oder Erwachsenenalter mit anderem Gedankengut in Verbindung kommen und sich eine eigene Meinung bilden lernen. Ich bin gespannt wie sich das hier vollzieht.


    Grüße
    schokotimmi

  • Hallo! :winken:
    Ich freu mich schon sehr auf diese Leserunde und die Diskussionen. Das wird sicher spannend.


    Ich war leider noch gar nicht so schockiert wie ihr, aber wahrscheinlich bin ich mittlerweile schon etwas abgestumpft, weil das nicht meine erste Lektüre dieser Art ist. Das macht es natürlich nicht weniger traurig und erschütternd. Heidis Kindheit muss wirklich hart gewesen sein. Da gibt's nicht nur die ständige Indoktrination, sondern der ganze Alltag, der von der Kaltherzigkeit des Vaters geprägt ist. Mittlerweile hat sie festgestellt, dass er wohl einfach nur schwach ist, aber wer weiß, ob Kinder das in diesem Sinne verstehen? Sie sehen zumindest, dass es bei anderen Kindern ganz anders ist.



    Schon das Familienleben jagt mir einen Schauer über den Rücken, auf den ersten Blick ja eine relativ normale Familie im Dorf integriert wie sie schreibt. Sicher auf gewisse Art im Gespräch aber, ich komme selbst vom Dorf, machen tut da keiner was, nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - außer hinter vorgehaltener Hand da wird getratscht.


    Ich kann mir vorstellen, dass noch dazu kommt, dass Neonazis häufig gut vernetzt sind und dass sie das gesammelte Wissen weitergeben, wie weit man gehen kann, bis dann doch jemand mal was sagt oder macht. Und wenn sie immer unter der Grenze bleiben…



    Sicher man weiß dass es die Neonazis und die extrem rechte Szene gibt, aber das schon Kinder aus diesen Familien indoktriniert werden, ist für mich unglaublich.


    Was sollen sie denn mit den Kindern sonst machen? Ich fürchte, da werden leider einfach nur die Werte der Familie weitergegeben, wie das bei der Erziehung eben passiert, nur dass es sich hier um diese neonazistischen Werte handelt, die verachtenswert sind. Der Vater schien auch wirklich selbst an seine Werte und vor allem an seine Verschwörungstheorien zu glauben. Das klang alles so absurd für mich, aber Heidi schrieb es ja selbst: Wenn man es häufig genug hört und nachplappert, bleibt das im Kopf.



    Die relativ frühe Trennung der Eltern hat mich aber auch verwundert, weil Heidi ja dann doch erst recht spät sich lossagen konnte. 2007 ist sie 15 Jahre alt gewesen, also war sie wohl noch drei weitere Jahre (wie auch bereits angedeutet) in der Szene aktiv und wurde mehr hineingezogen, obwohl sie zu ihrem Vater eine Distanz versuchte aufzubauen. Ich bin gespannt, wie sich dieser Gegensatz noch auflösen wird.


    Vielleicht durch die Freunde? Es wurde ja schon angedeutet, dass sie viel mit der Heimattreuen Deutschen Jugend verbringen musste. Da werden ja auch genau diese Werte vermittelt.



    Das fand ich fast auch mit am erschreckensten. Sie schreibt ja auch, dass sie kein Skingirl war, keine Tattoo o.ä. hatte, was man (zumindest ich) mit der rechten Szene oft verbinde, u.a. auch wegen Bilder von dem Konzert bspw. in Themar...


    Ich habe letztens ein interessantes Fotoalbum entdeckt, in dem Bilder einer Mahnwache zum Tag der deutschen Einheit zu sehen waren. Auf den ersten Blick sehen die Menschen auch "ganz normal" aus, aber man kann da einige Kleinigkeiten erkennen. Eine Tasche mit der Aufschrift "HKN KRZ" klick, eine Frisur namens Feathercut (dieses halb rasierte) klick, die auch typisch für Szene ist. Drumherum aber natürlich noch der ein oder andere Skinhead mit Tattoos, viele namentlich und teils verurteilte Neonazis. Das ganze Album hier: klick


  • Ich habe letztens ein interessantes Fotoalbum entdeckt, in dem Bilder einer Mahnwache zum Tag der deutschen Einheit zu sehen waren. Auf den ersten Blick sehen die Menschen auch "ganz normal" aus, aber man kann da einige Kleinigkeiten erkennen. Eine Tasche mit der Aufschrift "HKN KRZ" klick, eine Frisur namens Feathercut (dieses halb rasierte) klick, die auch typisch für Szene ist. Drumherum aber natürlich noch der ein oder andere Skinhead mit Tattoos, viele namentlich und teils verurteilte Neonazis. Das ganze Album hier: klick


    Zum Thema "Erkennen" kommt in den weiteren Kapiteln noch etwas, nämlich dass sie seit den 2000ern ziemlich unauffällig sind, es gibt ein paar wenige Statussymbole aber die erkennt man auch nur wenn man sich entweder in der Szene befindet oder sie sehr genau damit auskennt.
    Ich glaube das geht in die Richtung wie piranhapudel schreibt.
    Es ist nicht mehr so wie in den 90er wo man die Skinheads von weiten erkannt hat. Interessant ist v.a. die Rolle der Frauen und der höheren Funktionäre...weitere Diskussionen dazu im nächsten Thread denke ich.


    Bei mir ist es eigentlich wirklich das ziemlich erste Buch zum Thema, deshalb bin ich sicher auch so schockiert, aber ich finde es für mich persönlich sehr wichtig, mehr darüber zu erfahren...


    Grüße
    schokotimmi

  • Ich habe zwar noch keine Bücher gelesen, aber mich so viel mit dem Thema auseinander gesetzt (Zeitungsartikel, Dokus, Filme wie die "Kriegerin" etc.). Allerdings wurden dort eher die "offensichtlichen" Nazis thematisiert, die erst später von sich aus in der Pubertät zu Nazis wurden und nicht so erzogen worden, wie es hier der Fall ist. Das hat mich doch ein wenig schockiert. Aber klar, rechte Eltern erziehen ihre Kinder natürlich nach ihren Wertvorstellungen. Dass es aber ein so ausgefeiltes System mit Lagern gibt, also richtige straffe Organisationsstrukturen, hat mich schon gewundert. (Wobei das eigentlich ja erst im nächsten Abschnitt angesprochen wird.)



    Warum die Lehrer nicht eingegriffen haben oder sich bemüht habe, frage ich mich nur bedingt, denn ich glaube in diesem Fall kann ein Lehrer ja auch nur so viel Hilfe geben wie zugelassen wird. Und es wird in meinen Augen deutlich dass die Eltern ganz offen gegen die Schule und die Lehrer agiert haben. Selbst wenn ein von Heidi anerkannter Lehrer mit ihr zusammen einen Ausweg eingeschlagen hat, die Eltern haben frühzeitig gegengesteuert mit Argumenten, Verboten oder Strafen.
    Andererseits frage ich mich, wie die Therapie dazu passt - ergaben sich in diesen Gesprächen nicht die offensichtlichen Tendenzen und konnte die Therapeutin nicht versuchen gegenzusteuern. Hier hätte ich eine viel größere Chance gesehen.


    Dass die Lehrerin vielleicht nicht viel hätte ausrichten können, nun gut, mag sein, aber ich finde schon, dass es ihre Pflicht als Lehrerin ist, Heidi über ihr falsches Wissen aufzuklären. Ich denke einfach, dass man solche Äußerungen von Kindern (!) nicht unkommentiert lassen sollte. Sie haben ja gar keine Chance, sich die anderen Informationen zu beschaffen, zumindest nicht in dem Alter und dann sollte ein Lehrer doch die Initiative ergreifen und das Kind aufklären. Wie nachhaltig das dann ist, ist ja nochmal eine andere Sache.
    Ja, die Therapeutin hatte schon Einfluss, das klingt ja auch durch, aber wahrscheinlich war sie nicht lang genug, um etwas ausrichten zu können. Die Theraphie wird ja auch später gar nicht mehr erwähnt.

  • Ich war leider noch gar nicht so schockiert wie ihr, aber wahrscheinlich bin ich mittlerweile schon etwas abgestumpft, weil das nicht meine erste Lektüre dieser Art ist.


    Was hast du denn so für Bücher gelesen? Ich fand ja, dass das immer wieder erwähnte Buch "Mädelssache. Frauen in der Neonaziszene" spannend klingt. Aber vielleicht hast du ja auch noch andere Tipps?

  • Ich bin auch mit dem ersten Abschnitt durch und finde es erschreckend, welche Kindheit Heidi durchmachen musste. Einen Narzissten muss man weder als Ehemann noch als Vater haben. Wie lieblos er seine Kinder behandelt hat, als ob sie nur geduldet waren. Und auch die Mutter trifft ihre Entscheidung, diesen Mann zu verlassen, echt etwas zu spät finde ich. Klar, es ist immer schwer, diese zu treffen, wenn Kinder im Spiel sind, aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende und sie hatte ja nicht wirklich was zu sagen in ihrer Ehe. Schon als ich gelesen habe, wie er sie zur Entbindung ins KH "abgestellt" hat. Zu dieser Zeit war es doch auch schon das normalste der Welt, seiner Frau zur Seite zu stehen bei der Geburt. Oder wenigstens im kh zu warten. Erschütternd auch seine Erziehungsmethoden. Psychische Gewalt statt körperliche strafen sind ja so effektiv. Ob die andren Kinder auch irgendwann mal in psychische Behandlung mussten?

    Liebe Grüße Yvonne<br /><br /><br />Lesen heißt&nbsp; durch fremde Hand träumen ( Fernando Pessoa )<br /><br />Mein Buchblog <br />Ein Anfang und kein Ende

  • Warum die Mutter so lange bei ihrem Mann geblieben ist, fragt man sich wirklich. Aber ich fand Heidis Erklärung einleuchtend, als sie ihren Vater als einen charismatischen Mann beschrieb, dem man gefallen wollte. Ich persönlich glaube nicht, dass mir das unbedingt imponieren würde, wenn ich dafür meine Freiheit aufgeben und mit ansehen müsste, wie meine Kinder misshandelt werden, aber da sind Menschen auch sehr verschieden.

  • Piranhapudel


    Danke dir für den Hinweis mit dem Fotoalbum.


    Ich komme aus einem kleinen Dorf in Mecklenburg, hier bekommt man von all den schlimmen Dingen nicht viel mit. Sicher lese ich Zeitungen, sehe Nachrichten und Dokumentationen und der gleichen, aber so wie Heidi hier ihre Kindheit beschreibt, das sieht und liest man weniger wenn man nicht spezielle Lektüre auswählt. Und darum bin ich auch so erschrocken gewesen, da ich bisher noch kein Buch in der Art gelesen habe.


    Aber das war hier zu DDR Zeiten auch schon so, dass man von den ganzen Missständen nicht viel mitbekommen hat. Es ging uns gut, als die Mauer gefallen ist und nach und nach so viele Ungerechtigkeiten und die katastrophalen Zustände an Tageslicht kamen war ich ebenfalls geschockt. Es geht mir heute noch so das ich viel darüber lese und mir Dokus anschaue , weil es unglaublich ist. Und so ging es vielen, so wie jetzt mit Heidis Geschichte.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle


  • Ein deutsches Mädchen


    01:
    Hallo! :winken:
    Ich freu mich schon sehr auf diese Leserunde und die Diskussionen. Das wird sicher spannend.


    Ich war leider noch gar nicht so schockiert wie ihr, aber wahrscheinlich bin ich mittlerweile schon etwas abgestumpft, weil das nicht meine erste Lektüre dieser Art ist. Das macht es natürlich nicht weniger traurig und erschütternd. Heidis Kindheit muss wirklich hart gewesen sein. Da gibt's nicht nur die ständige Indoktrination, sondern der ganze Alltag, der von der Kaltherzigkeit des Vaters geprägt ist. Mittlerweile hat sie festgestellt, dass er wohl einfach nur schwach ist, aber wer weiß, ob Kinder das in diesem Sinne verstehen? Sie sehen zumindest, dass es bei anderen Kindern ganz anders ist.


    Die Kaltherzig vom Vater muss für Heidi schlimm gewesen sein, denn sie wollte von ihm anerkannt, gelobt und akzeptiert werden und vor allem geliebt. Aber er treibt mit den Töchtern seine Spielchen und nach gut dünken schikaniert er sie.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle


  • Ich komme aus einem kleinen Dorf in Mecklenburg, hier bekommt man von all den schlimmen Dingen nicht viel mit.


    Seit ich in Münster wohne, habe ich auch das Gefühl, dass ich einer kleinen Heile-Welt-Blase lebe. Wenn ich allerdings meine Eltern oder Freunde in anderen Städten besuche, bekommt man dann andere Sachen mit. Schon faszinierend, wie unterschiedlich das in den verschiedenen Regionen ist.

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich habe den ersten Abschnitt nun auch gelesen, ich konnte den Reader gar nicht mehr zur Seite legen.


    Erschreckend, wie die Kindheit von Heidi verlaufen ist. Sie muss ja in der Schule wirklich auffällig gewesen sein. Hätten da möglicherweise die Lehrkräfte schon reagieren müssen oder geht da ein einzelnes Kind unter ?
    Ich konnte nicht so richtig herauslesen, ob die Schulzeit ihrer beiden grösseren Geschwister ähnlich verlaufen ist.


    Treibende Kraft scheint in jedem Fall der Vater zu sein. Wenn ich den Begriff "Regermanisierung" nur lese, sträuben sich mir schon die Nackenhaare.


    Die Mutter trifft sich immerhin später zusammen mit der kleinen Schwester noch mit Heidi, schde, dass die Scheidung nciht früher Thema war. Da wäre Heidi möglicherweise einiges erspart geblieben.


    Dass es so eine rechte Szene gibt, war mir bekannt, allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, wie die Kindheit verläuft, wenn man in so eine Familie hineingeboren wird. Ich bin sehr gespannt. was mit nächsten Abschnitt alles erfährt.

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.

  • Seit ich in Münster wohne, habe ich auch das Gefühl, dass ich einer kleinen Heile-Welt-Blase lebe. Wenn ich allerdings meine Eltern oder Freunde in anderen Städten besuche, bekommt man dann andere Sachen mit. Schon faszinierend, wie unterschiedlich das in den verschiedenen Regionen ist.


    Ich habe bis vor einem Jahr in Hamburg gewohnt, und lebe jetzt in Duisburg. In Hamburg war die Szene, auch durch die Medien, präsenter. Demonstrationen und Kundgebungen von beiden Seiten waren da nicht so selten.

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.


  • Hallo Ihr Lieben,


    Treibende Kraft scheint in jedem Fall der Vater zu sein. Wenn ich den Begriff "Regermanisierung" nur lese, sträuben sich mir schon die Nackenhaare.


    Das kann du laut sagen,ich habe Gänsehaut gehabt, als ich gelesen habe mit wieviel Energie und Fanatismus sie in Kaliningrad mit Spendengeldern ein Dorf aufbauen. Und das nur mit diesem Hintergrund.
    Ich bin immer sehr beunruhigt wenn ich die Nachrichten verfolge, wie der Nordkoreaner und Trump ihre Machtspielchen treiben. Dabei ist die Gefahr in unserem Land nicht zu unterschätzen, vor allem wenn man bedenkt wie weit die Szene in der ganzen Welt vernetzt sind.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Da ich mich viel mit dem Dritten Reich beschäftige, habe ich mich nicht selten gefragt, wie es wohl ist, wenn man von Kindesbeinen indoktriniert wurde - bei der HJ oder dem BDM und den ganzen folgenden Organisationen. Bei Heidi Benneckenstein ist die Beeinflussung noch allumfassender als bei vielen jungen Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus, denn sie kennt auch von Zuhause nichts anderes. Hinzu kommt, dass der seelische Druck und Stress so immens ist...
    Unvorstellbar, was sie als Kind und Jugendliche durchmachen muss. Ich kann verstehen, dass sie traumatisiert war, ja, vielleicht sogar noch ist. Auch wenn ich bislang nur den ersten Abschnitt gelesen habe, denke ich, dass es ein riesiger Kraftakt war, sich im Alter von 19 Jahren aus dieser "Szene" zu befreien. Offensichtlich scheint sie mit ihrem Mann einen Menschen gefunden zu haben, mit dem sie gemeinsam "entkommen" konnte... Ich muss aber auch gestehen, dass ich überrascht war, dass sie die mögliche Rache früherer Kameraden so abtut. Okay, ich verstehe ihr Argument, dass sie nie etwas zu sagen hatte und dadurch auch keine Gefahr für die Szene darstellt - dennoch hätte ich vermutet, dass diese ein solches Buch nicht ignorieren. Zumal Heidi Benneckenstein ja Namen nennt und Zusammenhänge darstellt...
    Fasziniert (nicht positiv!) bin ich von der Tatsache, dass Heidi Benneckensteins Vater die Familie derart im Griff hatte. Die Mädchen stachelte er mit Druck an, extrem wenig Lob erzielt eine deutliche Wirkung - gerade weil sonst jegliche Emotion fehlt. Aber die Mutter verwundert mich doch. Ist sie ganz das Klischeebild einer nationalsozialistischen Frau? Am Herd und mit der Erziehung der Kinder beschäftigt, auf keinen Fall Widerworte gebend. Eine politische Einstellung konnte ich bislang nicht erkennen, aber vielleicht täusche ich mich? Immerhin bringt sie irgendwann ausreichend Kraft auf und trennt sich von ihrem Mann - und schützt somit immerhin die jüngste Tochter.
    Krass ist in jedem Falle, dass der Vater es perfekt versteht, in der Dorfgemeinschaft ein angesehener Mann zu sein. In seinen Ansichten ist er völlig unnachgiebig (außer, wenn er Bob Marley hört), aber nach außen ist er eben auch ganz der anständige, arbeitende Mann mit einer vielleicht sonderbaren Familie, aber er tritt ordentlich auf - irgendwie bieder, aber nicht so, wie man sich Nazis fälschlicherweise häufig vorstellt.

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Was hast du denn so für Bücher gelesen? Ich fand ja, dass das immer wieder erwähnte Buch "Mädelssache. Frauen in der Neonaziszene" spannend klingt. Aber vielleicht hast du ja auch noch andere Tipps?


    Mädelssache kenne ich noch nicht. Ansonsten habe ich schon viele Berichte gelesen, zum Beispiel von der Amadeu Antonio Stiftung, unter anderem hier: klick. Auf der Buchmesse habe ich Nils Oskamp kennengelernt, der eine autobiographische Graphic Novel veröffentlicht hat: "Drei Steine". Mehr Infos hier. Dazu werde ich noch eine Rezension schreiben, hat mir sehr gefallen. Am Ende gibt's dort auch noch einen Bericht über Dortmund-Dorstfeld, das in Abschnitt 2 erwähnt wird.