Henrik Ibsen - Nora (Ein Puppenheim)
(1879)
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Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier generell von einem Klassiker sprechen können, aber es ist sicher ein Klassiker der Emanzipationsliteratur und außerdem ein Drama. Dennoch weiß ich nicht, ob es besser hier oder bei "Frauenliteratur" aufgehoben ist. Im Notfall bitte verschieben.
Inhalt:
Das Drama in drei Akten spielt im Wohnzimmer der Familie Helmer während der Weihnachtstage (Heiliger Abend bis 2. Weihnachtstag) irgendwo in Norwegen. Torvald Helmer, ein Emporkömmling, der ab Januar des folgenden Jahres die Stelle als Direktor einer Aktienbank innehaben wird, und seine Frau Nora wohnen dort gemeinsam mit ihren drei kleinen Kindern Ivar, Bob und Emmy sowie den Hausangestellten, der Amme Anne-Marie und einem Hausmädchen. Gleich zu Beginn platzt eine alte Freundin der Nora, Christine Linde, in die Weihnachtsvorbereitungen und bittet Nora um den Gefallen, sie möge doch bei ihrem Ehemann ein gutes Wort für sie einlegen, damit sie eine Anstellung an der Bank bekäme, da sie nach dem Tod ihres Mannes keinerlei Aufgabe und kein Geld mehr habe. Nora eröffnet ihrer alten Freundin, nachdem diese ihr vorwirft, in ihrem Leben nichts wichtiges getan zu haben, ein folgenschweres Geheimnis: Vor 8 Jahren, kurz vor der Geburt ihres ersten Sohnes, hatte Nora gegen den entschiedenen Willen ihren schwerkranken Mannes Geld geliehen, um ihrem Mann einen Kuraufenthalt im Süden zu finanzieren. Da es zur damaligen Zeit in Norwegen Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes oder Vaters nicht gestattet war, Geld zu leihen, fälschte Nora die Unterschrift ihres bereits verstorbenen Vaters auf dem Schuldschein und rettete ihrem geliebten Mann somit das Leben. Zufällig verhält es sich aber so, dass eben jener Schuldner, Rechtsanwalt Krogstad, mit der ersten Amtshandlung des neuen Bankdirektors Helmer entlassen wird, weil sich Krogstad in der Vergangenheit unmoralische Dinge hatte zu schulden kommen lassen. Krogstad versucht nun, Nora mit dem gefälschten Schuldschein zu erpressen und so seine Stellung nicht nur zu halten, sondern auszubauen…
Meine Meinung:
Den Inhalt konnte ich hier nur knapp wiedergeben, da die Wendung in der Sache, wie bei einem Drama ja nicht unüblich, erst in den letzten Szenen passiert. Soviel sei gesagt: Es geht vordergründig um die Frage, welche Rechte eine Frau in der bürgerlichen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat: ob sie Eigentum des Mannes ist oder ob sie ein Recht darauf hat als Mensch behandelt zu werden. Nora zieht aus ihren Erfahrungen ihr persönliches Fazit und geht einen drastischen Weg. So muss man wohl in einem Drama schocken.
Ansonsten stellt Ibsen die gesellschaftlichen Probleme seiner Zeit gewohnt offen dar. Dabei benutzt er einerseits eine klare Sprache (besonders am Höhepunkt des Dramas), andererseits arbeitet er auch mit Anspielungen und Metaphern (z.B. findet ein Maskenball statt, dessen Bedeutung einem nach den Ausführungen des Doktor Rank schnell klar wird). Alles in allem ein mutiger Emanzipationsdrama, dessen Originaltitel „Et dukkehjem“ (Ein Puppenheim) viel sprechender ist als der im deutschsprachigen gebräuchliche Titel „Nora“. Wenn es sich mal anbietet, werde ich es mir auf einer Bühne anschauen, weil es da doch irgendwie immer besser rüber kommt.
Ich gebe dem kleinen gelben Reclam-Heftchen alle fünf Ratten, weil es ein zur Erscheinungszeit wichtiges Thema offen anspricht (ja, auch heute ist dieses Thema noch sehr wichtig) und v.a. weil eben dieses Thema von einem Mann (!) angesprochen wurde Außerdem hat es eine eingängige, authentische Sprache, die zur Zeit und zur Gesellschaftsituation passt. Das Ende fand ich zwar sehr drastisch, aber wie gesagt, so einen kleinen Schocker muss man ja auf seiner Seite haben