3. Wettbewerbsrezension:
Henry James: Das Durchdrehen der Schraube (The Turn of the Screw)
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Am Weihnachtsabend versammelt sich eine Gesellschaft vor dem Kamin und man beginnt sich Schauergeschichten zu erzählen. Schließlich meldet sich einer der Gäste zu Wort und verspricht an einem der folgenden Abende eine Geschichte zu erzählen, die das eben Gehörte noch übertreffen werde. Er hält sein Wort und beginnt einige Tage später die Aufzeichnungen einer jungen Frau vorzulesen:
Als Pfarrerstochter vom Lande ist sie noch recht unerfahren und sucht nach einer Anstellung als Erzieherin. Als sie einen Arbeitgeber findet, ist sie augenblicklich sehr angetan von ihm und deshalb auch bereit auf seine merkwürdigen Forderungen einzugehen. Sie soll seine kleine Nichte und seinen Neffen auf einem abgeschiedenen Landgut beaufsichtigen, ihn aber keinesfalls in irgendeiner Weise behelligen und alle aufkommenden Probleme selbst lösen.
Anfangs kommt sie damit ganz gut zurecht, sie liebt die beiden „engelsgleichen“ Kinder über alles und träumt davon, dass ihr Arbeitgeber von ihr beeindruckt sein wird, wenn er sieht wie gut sie ihre Arbeit macht. Doch eines Tages entdeckt sie auf einem der Türme die Gestalt eines Mannes, den sie noch nie zuvor gesehen hat, der ihr aber sofort Angst einjagt. Das soll nicht die einzige unheimliche Begegnung bleiben, denn auch eine ihr unbekannte Frau taucht plötzlich immer wieder auf.
Sie vertraut sich der Haushälterin Mrs. Grose an, die die Erscheinungen zwar selbst nicht sehen kann, ihr aber sofort glaubt und mutmaßt es müsse sich um die Geister zweier ehemaliger Bediensteter handeln. Peter Quint und Mrs. Jessel hätten schon zu ihren Lebzeiten einen schlechten Einfluss auf die Kinder ausgeübt.
Immer mehr sieht die junge Frau in den Erscheinungen eine Bedrohung für ihre Schützlinge…
„Das Durchdrehen der Schraube“ lebt vor allem von dem was nicht gesagt wird. Der Leser wird mit so vielen Andeutungen und Unklarheiten konfrontiert, dass er automatisch beginnt diese Lücken mit seinen eigenen Assoziationen und Vorstellungen zu füllen. Genau das macht diese Geschichte dann wirklich unheimlich.
Beispielsweise wird nie genau erklärt welche Art von schlechtem Einfluss die Dienstboten auf die Kinder ausgeübt haben, oder unter welchen Umständen die ehemalige Erzieherin Miss Jessel zu Tode kam.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die Figuren selbst. Allen voran die beiden Kinder. Sind sie wirklich die unschuldigen Engel, die ihre Erzieherin in ihnen sieht? Auch die unbedarfte Haushälterin Mrs. Grose, die als Verbündete auftritt scheint manchmal mehr zu wissen als sie sagt.
Die größte Ungewissheit liegt aber in der Ich-Erzählerin selbst. Schließlich erlebt man die Geschichte nur aus ihrer Sicht. Man ist sich, vor allem als sie immer fanatischer wird, nie ganz sicher ob die Geistererscheinungen nicht vielleicht nur ihrer Phantasie entsprungen sind und es ihr eigenes Verhalten ist, das ihre Umgebung beeinflusst.
Die am Anfang begonnene Rahmenhandlung wird am Ende nicht fortgeführt, so dass der Leser vollkommen allein mit dem Schluss der Geschichte konfrontiert ist.
Die Interpretationen zu dieser Erzählung sind recht vielfältig, ich werde mir demnächst mal den Spaß gönnen und mir einige Theorien durchlesen.
Ebenso Uneins ist man sich offenbar bei der Übersetzung des Titels. Meine Ausgabe wurde von Karl Ludwig Nicol übersetzt, der sich für die Variante „Das Durchdrehen der Schraube“ entschieden hat, die zwar holprig klingt, mir aber inhaltlich gesehen am besten gefällt. Andere Varianten sind auch: „Die Drehung der Schraube“, „Die sündigen Engel“, „Die Tortur“, „Schraubendrehungen“, „Bis zum Äußersten“ und „Das Geheimnis von Bly“.
Es gibt auch Verfilmung („Das Schloss des Schreckens“) und eine Opernumsetzung des Textes.
Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die subtile Schauergeschichten mögen und damit leben können, dass es kaum Antworten gibt und vieles der eigenen Vorstellung überlassen bleibt. Ich persönlich habe das Buch sehr genossen, deshalb gibt es von mir auch: