Rezension (SUB-Wettbewerb 07): Italo Calvino - Wenn ein Reisender in einer Winternacht
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Inhalt:
Der Protagonist dieses Romans bist du, der Leser selbst. Du kaufst dir den neuen Roman von Italo Calvino „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“, machst es dir auf deiner Couch gemütlich und beginnst gespannt zu lesen – doch dann bricht die Handlung plötzlich am spannendsten Punkt ab. Empört stürmst du zurück in die Buchhandlung, um ein fehlerfreies Exemplar zu bekommen, doch bei diesem stellst du fest, dass es sich um einen ganz anderen Roman handelt… Die Suche nach dem Ende von „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ treibt immer seltsamere Blüten, jeder neue Hinweis führt zu einem anderen Roman, der auch bald wieder abbricht. Dazu kommt noch deine Begegnung mit einer (Mit-)Leserin, die an der ganzen Entwicklung nicht unbeteiligt ist…
Schon die Handlung lässt sich nicht leicht zusammenfassen, all die Hintergründe, Anspielungen, Spitzfindigkeiten und intertextuellen Bezüge aber scheinen unaufzählbar. Um alle Bezugnahmen zu verstehen, muss man das Buch wohl mehrmals lesen. So aber hatte ich ein eher naives Lesevergnügen, was vielleicht auch das Ziel Calvinos war: So stellt er hier der geheimnisvollen Leserin, die aus purem Vergnügen und nur der Geschichte willen liest, zahlreiche absurde Episoden gegenüber von Lesern, die nicht mehr lesen, sondern ein Buch zerpflücken. Die Schwester der Leserin etwa bedient sich eines skurrilen Apparates, der die Wörter eines Buches zählt und auf ihre Häufigkeit hin untersucht. Anhand der daraus entstehenden Wortlisten meint sie, den wahren Kern eines Buches erfassen zu können. Darüber hinaus wird man in die Welt eines Verlages entführt, der Bücher nur als Geschäft versteht; man lernt einen Schriftsteller kennen, der nicht mehr schreiben kann. Der Leser (also du!) macht sogar Bekanntschaft mit einer mysteriösen Organisation, die professionelle Fälschung von Büchern betreibt… . Mit einer gehören Portion Humor nimmt Calvino all diese Personen aufs Korn, die nicht mehr lesen oder schreiben um zu lesen oder zu schreiben. Allein deswegen kann ich guten Gewissens sagen, dass ich längst nicht alles in diesem Roman verstanden habe, aber großen Spaß an der Jagd und dem Verwirrspiel hatte. Man könnte den Roman wunderbar literaturwissenschaftlich zerpflücken (und hat das natürlich auch), mehrmals lesen und zerreden – aber auch auf die Gefahr hin, beim naiven Lesevergnügen zu bleiben, scheint das gerade nicht die Absicht des Romans zu sein.
So konnte ich persönlich zumindest diesen Roman, der sich vollständig dem Lesen und Gelesenwerden widmet, sehr genießen.