Beiträge von b.a.t.

    Diesen Begriff (so gut die Bücher auch sein mögen) sollte es überhaupt nicht geben. Ich habe in diversen Buchhandlungen schon Regale gesehen, die mit "Frauenliteratur" ausgeschildert sind. Jedoch keine mit "Männerliteratur". In diesen Regalen habe ich auch nur Bücher von Frauen gesehen.

    Du hast schon recht, Literatur sollte nicht abhängig davon gemacht werden, wer sie geschrieben hat. Spannend wäre eine Blindverlesungen, ähnlich den Blinddegustationen Weinen, es steht nicht drauf von wem das Buch ist. Wäre interessant, wie manche Bücher in der Kritik wegkämen, wenn die Autor:innen in den Belegexemplaren nicht drauf sind, die die meisten Literaturkritiker ja vorab bekommen.



    Böse gesagt sind "Männerliteratur" oft Heftchen mit bunten Bildern jeglicher Sujets :) (Ironie- schreib ich sicherheitshalber dazu:))


    Das Buch hab ich übrigens gestern bestellt.

    HoldenCaulfield danke für deinen Beitrag, das Buch liest sich sehr interessant an.


    Das Buch kommt auf jeden Fall auf meine Einkaufsliste:)


    Ist Frauenliteratur so definiert, dass die Autorinnen gemeint sind, oder auch Frauen als Zielgruppe für das Lesen?

    Es gibt ja auch Bücher, die dezidiert für die Zielgruppe Frauen geschrieben werden, auch von männlichen Autoren.


    Ich glaube, dass die deutschsprachige Literatur sehr patriachalisch war/zum Teil auch noch ist.


    Vor über 20 Jahren hab ich mal im Rahmen meines Germanistikstudiums ein Linguistikseminar besucht das unterschiedliches Sprach- und Sprechverhalten von Frauen und Männern behandelt hat. Da ging es auch um die Rezeption z.B. in Diskussionen, wenn Frauen ein Argument vorbringen wird es anders bewertet, als wenn Männer dasselbe Argument in die Diskussion werfen.


    In den 90ern war damals eine Aufbruchsstimmung da, kam mir zumindest so vor, ich habe allerdings irgendwie das Gefühl, dass in den letzten 10 Jahren wieder ein größerer Konservatismus vorherrscht. Nicht nur in der Literatur.


    In der englischsprachigen Literatur gab es schon im 19. JH viel mehr weibliche Autorinnen, die heute noch prägend sind. Allerdings haben sie teilweise auch unter Pseudonymen veröffentlicht. Deutschsprachige Autorinnen des 19.Jh, die heute noch verbreitet sind, kann man wahrscheinlich an zwei Händen abzählen.


    Zum Glück ändert sich das und es gibt hervorragende Frauenliteratur. Irgendwann kommen wir vielleicht zum Idealzustand (hoffe ich zumindest), dass es nur Literatur gibt, die den Lesenden gefällt, egal ob es von einer Frau, einem Mann oder jemand Diversen geschrieben wurde.


    Den Verlagen ist es glaube ich ziemlich egal was sie veröffentlichen, Hauptsache es gibt genügend Abnehmeri:innen.

    Ich habe mal gelesen, dass 10-15% der Einnahmen von Verlagen durch anspruchsvolle Literatur (was auch immer das heißen mag) erwirtschaftet wird. Der Rest ist Massenware.

    Da hat die Realität das Buch fast eingeholt. Der echte Ronald Reagan ist gegen Ende seiner zweiten Amtszeit auch an Alzheimer erkrankt.

    Ja, da hat er glaube ich, bewusst eine Umkehr gemacht. Der echte Reagan Imitator, Jay Koch. war ja 2007 schon verstorben. Von dem weiß man auch nicht allzu viel. Der letzte Teil ist reine Fiktion.

    Wie er das Aufbäumen gegen das Unausweichliche und dann im Endeffekt die Resignation beschreibt hat mir gefallen. Das ist ihm wirklich gut gelungen.

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    Sowohl der Autor als auch der Protagonist im Buch stammen aus der Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Hinzu kommt, dass der Vater des Autors mein Deutschlehrer war, ich daher auch neugierig war, was der Sprössling so schreibt.)


    Es gab wirklich einen Reagan Doppelgänger aus dem Südburgenland, er hieß Julius "Jay" Koch und er spielte auch in Filmen wie Hot Shots oder Zurück in die Zukunft II mit, als Ronald Reagan. Er wurde auch zu Eröffnungen von Ausstellungen usw. geschickt. Da enden aber die Gemeinsamkeiten mit dem Buchhelden. Er war quasi die Inspiration für das Buch.


    Jay Immer (eigtl. Julius Imre) hatte eine große Ähnlichkeit mit Ronald Reagan, war auch in etwa im selben Alter. Er war Sohn südburgenländischer Einwanderer und arbeitet als Polizist in Chicago. Kurz vor seiner Pensionierung Anfang der 1980er Jahre meldet ihn seine Frau zu einem Reagan Look-alike Wettbewerb an, den er gewinnt. Die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend. Eine Agentur engagiert ihn, und er macht Karriere als der andere Reagan.


    Es gibt auch einen anderen Gorbatschow, mit dem er sich befreundet, die beiden treten auch gemeinsam auf. Das Buch erzählt vom Doppelleben der falschen Politiker, welche Privilegien sie haben, allein durch ihr Aussehen. Nach einiger Zeit, beginnt sich Jay Immer auch für den Umweltschutz zu engagieren, er weist auf den Klimawandel hin, versucht auch auf einem Klimagipfel die Abstimmung zu beeinflussen, scheitert allerdings.


    Ich musste mich an den Schreibstil beim Lesen gewöhnen. Es ist ein sehr sachlicher Stil.

    Manche Dinge waren nicht gut recherchiert, so schreibt er, bei einem Heimatbesuch im Burgenland von einer Szene auf einem Parkplatz eines Supermarktes, den gab es zu dieser Zeit noch gar nicht, aber das fallt natürlich nur jenen Leser:innen auf, die auch aus der Gegend sind, somit kann man es auch unter dichterischer Freiheit verbuchen. Witzig fand ich einige Anspielungen auf Lokalpolitiker und ihr schmieriges Verhalten. Das versteht man allerdings auch nur, wenn man weiß von wem die Rede ist, mich hat es jedenfalls amüsiert.


    Ich habe auch Interviews mit dem Autor gesehen und es wird immer gesagt und geschrieben, dass es auch ein Roman ist, der auf den Klimawandel aufmerksam macht. Sowohl die Reagan Geschichte, als auch die Klimadiskussion im Buch fand ich nicht so ausgeprägt beschrieben.


    Was mich am meisten berührt hat, waren die letzten Abschnitte des Buches. Da geht es um den körperlichen Verfall, Jay Immer wird immer älter und schwächer, er sieht kaum noch etwas, er hört schlecht, aber das Schlimmste war die Alzheimer-Erkrankung seiner Frau Lucy. Die Beziehung der beiden und auch der Versuch sich gegen die Krankheit zu stellen, wie er sich um seine Frau kümmert ist das stärkste am Buch. Darauf ist der Autor am intensivsten eingegangen. Er hat sich auch selber ins Spiel gebracht, in dem er geschrieben hat, dass er quasi für ein Buch über Jay Immer recherchiert. Durch diesen Perspektivenwechsel konnten die Personen ganz anders beleuchtet werden.


    Die letzten paar Kapitel waren es auf jeden Fall wert, dieses Buch zu lesen.

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    Wie Hannah Arendt selbst sagt, ist dieses Buch ein Versuch eines literarischen Werkes.

    Vielmehr ist es aber eine historisch-philosophische Auseinandersetzung mit der beginnenden Assimilationsphase deutscher Juden in der Romantik. Aber nicht der Juden allgemein in Deutschland, sondern einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht.


    Über die Lebensdaten und Ereignisse der Rahel Varnhagen erfährt man im Anhang wo eine detaillierte Auflistung mit den Geschehnissen ihrer Biographie ist mehr als im epischen Teil des Buches.


    Rahel Varnhagen (1771-1833) ist die Tochter eines jüdischen Kaufmanns, die in jungen Jahren einen literarischen Salon hatte, wo sich das Who-is-who der Berliner gebildeten Gesellschaft traf. Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, die Brüder Humboldt, die Brentanos, Jean Paul, Friedrich von Gentz und viele mehr.

    Sie entwickelt sich, möchte dem Stigma des Ghettos entfliehen, verlobt sich zunächst mit einem Adeligen, diese Verlobung geht aber in die Brüche. Vor allem die Idee der Romantik herrscht in den Gesprächen und Briefen der Salonbesucher vor. Enttäuscht von der Französischen Revolution eine Art Rückzug in sich selbst und zur Natur.


    Auslandsaufenthalte in Paris und Karlsbad folgen. Sie lernt Goethe und auch Karl August Varnhagen kennen. Die Ehe ist ihr Ausweg vom jüdisch sein. Sie konvertiert zum Christentum, muss aber erkennen, dass sie trotz ihrer Taufe und ihrer Ehe dennoch immer als Jüdin behandelt wird. Der Antisemitismus ist sehr weit verbreitet.

    Hannah Arendt schließt daraus, dass man dem "jüdisch-sein" nicht entfliehen kann. Egal welche Farben man sich umhängt, welche Verträge man abschließt.


    Die politologisch-philologische Auseinandersetzung ist sehr interessant, bringt viele neue Denkansätze für mich.

    Wer sich eine interessante Biographie erwartet, könnte vom Buch enttäuscht werden, wer aber interessiert ist an der Auseinandersetzung, ob Menschen immer das sind, als das sie geboren werden, hat ein großes Lesevergnügen.

    Hanna Arendt ist keine Schriftstellerin, sie bereitet ihre Thesen philologisch auf, begründet und argumentiert. Im Anhang findet man auch die Briefe, die noch übrig geblieben sind, und die die Basis des Buches bilden.

    dass die Romanvorlage eben manchmal NOCH stärker ist in der Aussagekraft als die (wenn auch hier recht geniale) Verfilmung.

    ich hab das Buch irgendwann in den 90ern gelesen, für Schulliteratur wars damals noch zu neu (ouch, d.h. ich werde wirklich alt:))
    Den Film hab ich nie gesehen, aber mir geht es bei fast allen Literaturverfilmungen so, wie du es beschrieben hast, Sagota mir fällt ad hoc gar keine Verfilmung ein, die mir besser gefallen hat als das Buch. Manche Verfilmungen waren sogar ein Graus und eine riesige Enttäuschung.

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    Das Buch handelt von den existenzialistischen Erklärungsversuchen eines Mörders, des Malers Juan Pablo Castel, was ihn dazu gebracht hat seine Geliebte María Allende umzubringen.


    Er ist bereits verhaftet und erklärt, wie er in seinem Tunnel lebt, in dem es keine Verzweigungen zu anderen Tunnels gibt. Jeder lebt in seiner eigenen Wirklichkeit.

    Juan Pablo ist Maler und bei einer Ausstellung ist einer Frau, María, ein Detail in einem Bild aufgefallen, über das alle anderen hinweggesehen haben, was aber für ihn die Essenz des Bildes und auch seiner Ideen ausmacht. Eine Frau die durch ein Fenster in die Ferne schaut.


    Er bildet sich ein, dass María die einzige Person auf der Welt ist, die ihn versteht. Wirre Gedankenspiele in seinem Kopf sind die Folge.

    Als er sie zufällig wieder trifft und sie anspricht entwickelt sich eine Affäre zwischen den beiden. María ist verheiratet mit einem blinden Mann.


    Die Beziehung von Juan Pablo und María ist sehr destruktiv. Immer wieder beschuldigt er sie in Eifersuchtsanfällen, dass sie ihn betrügt und belügt. Allerdings ist er nicht in der Lage Probleme anzusprechen, er zieht immer wieder Schlüsse und ist überzeugt davon, dass diese richtig sind. Wenn er ihr dann doch konkrete Fragen stellt weicht sie ihm oft aus.


    Castel ist sehr "verkopft", egomanisch und hat kaum Selbstwertgefühl. Er kann generell zu anderen Menschen keine positive Beziehung aufbauen und neigt dazu, seine Probleme im Alkohol zu ertränken, wenn er nicht mehr weiter weiß, oder wenn ihn seine eigenen Schlussfolgerungen so fordern, dass er überfordert ist. Ein wahrer Misanthrop.


    Er stellt María auf ein imaginäres Podest, so hoch, dass sie natürlich seinen Ansprüchen und Vorstellungen nicht gerecht werden kann. Sie lebt in ihrem eigenen Tunnel, der keine Kreuzung mit seinem hat, daher gibt es für ihn nur einen Ausweg, er muss sie töten. Er hat niemals versucht sich in ihre Situation zu versetzen, sie zu fragen, was sie fühlt, sondern ging immer nur von seinem eigenen Empfinden aus.


    Castel ist sehr unsympathisch, das ändert sich für mich im ganzen Buch nicht. Seine manischen Züge sind manchmal nur schwer auszuhalten, was mich aber interessieren würde, wie Bilder aussehen, die ein solcher Mensch malt. Wie diese innere Düsterheit dargestellt wird.


    Was schon zu Beginn des Buches klar war ist, dass die Erklärungsversuche scheitern, weil es keine Erklärung oder Rechtfertigung für einen Mord geben kann, Menschen aber dennoch immer wieder an Abgründen stehen und springen. Die Konsequenz ist, dass sie Verantwortung für ihre Handlungen tragen müssen und sich nach Sartre in ihrer selbstgebauten Hölle zurechtfinden müssen.

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    Hildegard Keller ist eine Schweizer Literaturprofessorin,- kritikerin, - übersetzerin. Bekannt war sie als jahrelange Jurorin des Ingeborg-Bachmann-Preises und auch als Kritikerin im Literaturclub des SRF.


    Im Buch Was wir scheinen widmet sie sich dem Leben und Werk Hannah Arendts.

    Sie hat es in einem wunderbar flüssigen Stil geschrieben. Obwohl die Fakten sehr gut recherchiert sind und aus den Werken und Briefen Hannah Arendts zitiert wird, hat sie einen eigenen Kosmos geschaffen, eine eigene fiktive Welt, die durch historische Fakten inspiriert wurden. Somit handelt es sich um einen Roman und keine Biographie.


    Hannah Arendt hat ihren letzten Sommer 1975 in Tegna, in der Nähe von Locarno am Lago Maggiore verbracht, wie sie es schon seit Jahren zu tun gepflegt hatte.

    Sie war verwitwet, herzkrank und dennoch geistig mitten im Leben. Trotz ihrer Beschwerden umgab sie sich mit jungen Menschen, Zufallsbekanntschaften, um mit ihnen zu sprechen, sie verstehen zu lernen, ihnen auch mit Rat zur Seite zu stehen.


    Zwischen den einzelnen Passagen, wird auf das Leben der Philosophin zurückgeblickt, viele Schlüsselmomente und auch Freundschaften und Auseinandersetzungen werden beleuchtet. Das Who-is-who der Philosophie der Zeit kommt in dem Roman vor: Martin Heidegger, Karl Jaspers, Walter Benjamin, Broch, Brecht und Ingeborg Bachmann.


    H. Keller geht Hannah As' Ambivalenz zu Deutschland, aus dem sie flüchten musste, die Jahre auf der Flucht bis sie dann in New York angekommen ist, das Leben in einer fremden Kultur, mit einer fremden Sprache, auf die Spur. Sie schrieb dann nur noch auf Englisch, weil sie in dieser Sprache mehr Distanz aufbauen konnte.


    Besonders widmet sich das Buch auch dem Eichmann-Prozess in Jerusalem, wo Hannah Arendt als Journalistin dabei war und worüber sie ein Buch geschrieben hat - Eichmann in Jerusalem. Dieses Werk schlug sehr hohe Wellen, weil sie die Banalität des Bösen definiert, und Eichmann als eigtl. dummen Menschen entlarvt, der nur in den ihm vorgegebenen Strukturen gehandelt hat ohne selbst zu denken. In heutige Zeit würde das einen riesigen Shitstorm auslösen, damals waren es sehr viele Briefe, auch organisierte Diffamierungen in Printmedien und Fernsehen.


    Es werden auch viele persönliche Momente und Freundschaften beschrieben. Ich mochte das Gespräch zwischen Hannah Arendt und Ingeborg Bachmann und den nachfolgenden Briefwechsel. Inwiefern das so stattgefunden hat, kann ich nicht sagen, H. Keller hat sich aber mit beiden Damen intensiv philologisch auseinandergesetzt und ich folge ihrer Phantasie gerne. Zum Schluss bekommt Hannah A. einen Gedichtband zum Lesen, von der argentinischen Autorin Alfonsia Storni, die auch ein bewegtes Leben hatte und zur argentinischen Avantgarde zählt. (H. Keller hat die Bücher ins dt. übersetzt und arbeitet derzeit an einer Biographie). Keller bringt somit auch ihre eigenen literarischen Forschungen mit ein.


    Ich bin beim Lesen in eine spezielle Welt eingetaucht und fühlte mich sehr wohl in dieser Sphäre. Das Lesen hat mich inspiriert mir gleich ein paar Werke von Hannah Arendt zu bestellen, politische Schriften - das Totalitarimus Buch, Eichmann Buch und auch die Biographie von Rahel Varnhagen, der literarischen Salonière aus der Romantik.


    Ich fands auch sehr befremdlich zu lesen, wo Hannah Arendt überall geraucht hat. In den Vorlesungen, im Flugzeug, im Zug, .. kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Manchmal dachte ich mir, rauch nicht soviel, das tut deinem Herz besser.


    Was ich mir gewünscht hätte, wären ein paar Fußnoten. Wenn von den Freunden Hannah Arendts die Rede ist, werden oft nur Vornamen genannt, die aber nicht näher erläutert. Gäbe es Fußnoten müsste die wohlbekannte Internetsuchmaschine nicht so oft in Anspruch genommen werden, und das Buch würde einen in sich geschlossenen Raum haben.


    Dieses Lesevergnügen wird sicher noch einige Zeit bei mir nachwirken. Es ist so ein Buch, das ich bewusst langsam gelesen habe, weil ich die Atmosphäre länger genießen wollte. Ich fühlte mich sehr wohl mit Hannah Arendt.

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    Matou, die Katze ist ein kleiner, roter, besserwisserischer, manchmal komischer und teils arroganter Kater. Da er wie jede Katze sieben Leben hat, schreibt er im letzten Leben seine Memoiren und beschreibt was er in seinen vorherigen Leben erlebt hat auf.


    Im Laufe der Leben hat er sich entwickelt, er lernte zunächst sprechen, dann lesen und schreiben, ein kätzischer (evt. auch ketzerischer) Bildungs,- und Entwicklungsroman.

    Jeweils nach seinem Tod, also der Beendigung eines Lebens kommt er ins "Weggemachte", eine Art Katzenhimmel, wo er sich über einen Katalog einen Platz für sein nächstes Leben aussuchen kann. Er erhascht dort eine Art preview auf seinen möglichen nächsten Aufenthalt.


    Das Buch ist so aufgebaut, dass die ersten sechs Leben chronologisch erzählt werden, immer wieder mit einverwobenen Teilen aus seiner Gegenwart in seinem aktuell siebenten und letzten Leben.


    Leben 1 - verbringt er in Paris zur Zeiten der Robbespierre Herrschaft nach der Französischen Revolution, bei einem ehemaligen Mitstreiter Camille Desmoullins, der

    unter der Guillotine sein Ende gefunden hatte.

    Leben 2 - findet in Berlin statt, wo er bei E.T.A. Hoffmann lebt und von ihm lesen und schreiben lernt

    Leben 3 - ist auf der Insel Hydra, wo er eine Katzenschreckensherrschaft errichtet

    Leben 4 - hier wird eine Ausnahme gemacht, er ist nicht der kleine rote Kater sondern kommt als Leopard wieder auf die Welt, diesmal im Kongo, wo das Land
    unter dem Terrorregime vom belgischen König Leopold II. die Gräueltaten der Belgier rächt.

    Leben 5 - wieder als roter Kater im Prag am Ende der Donaumonarchie wo er auf Kafkas Affen Rotpeter trifft und den Niedergang einer altenfeudalen Welt erlebt.

    Leben 6 - verbringt Matou in New York beim Exzentriker Andy Warhol

    Leben 7 - zum Schluss ein ruhiges Leben, bei DIN (Dame Ingeborg Novak) und ihrem Neffen Daniel in Wien, wo er seine Autobiographie schreibt


    Der Ansatz war sehr interessant, auch die kulturgeschichtliche und philosophische Grundlage der jeweiligen Zeit an individuellen Biographien sind für mich sehr gut rübergekommen. Stellenweise habe ich mich aber durch das Buch etwas gequält. Manche Passagen waren mühsam, andere dafür aber wieder fesselnd.

    Die Idee des Weggemachten hat mich fasziniert, es gibt quasi für jede Spezies einen eigenen Himmel, ein eigenes Weggemachtes. Nur Katzen sind privilegiert und kehren wieder. Was bei den anderen Tieren ist - sein wird- bleibt offen.


    Die umfassende Reise durch Zeit hat mir aber doch der schwierigen Passagen sehr gut gefallen. Köhlmeier hat auch mit sehr viel Humor geschrieben. Aus Sicht der Katze zu erzählen, erlaubt dem Autor einen Schritt zurückzutreten und die Geschichte seit der Aufklärung quasi von außen zu betrachten.


    Trotz seiner Belesenheit und Gelehrtheit bleibt Matou ein Tier, er tötet, spielt mit den Opfern und quält sie. Nichts anderes was seine Mitmenschen machen. Sie kennen die Geschichte, was passiert war und Lernen trotzdem nicht. Die Methoden ändern sich, die Absichten bleiben dieselben.

    Bis zu einem gewissen Grad wurde die Aufklärung noch immer nicht komplett vollzogen.


    Ein Buch für LeserInnen mit Durchhaltevermögen^^

    Ich habe das Buch im Herbst zum zweiten Mal gelesen, das erste Mal war 1998 kurz als es herauskam, ich habe damals in den USA gelebt und die Marketingmaschinerie wurde damals sehr stark angeworfen. Ein riesiger Hype ist entstanden.


    Ich wurde damals auch etwas mitgezogen und hatte das Buch in sehr guter Erinnerung., Ich fand es passagenweise sehr komisch, ironisch. Allein die Idee sogar die Jahreszahlen an die Werbung zu verkaufen erinnerte mich an den großen Christbaum in San Antonio, der Statt Weihnachtsschmuck mit Werbeschildern aufgeputzt war. Kodak, Coca Cola und Co lachten vom Christbaum. So weit hergeholt war Wallaces Idee also gar nicht.


    Als ich das Buch zum zweiten Mal gelesen habe, sind mir natürlich viele Dinge aufgefallen, die ich beim ersten Mal gar nicht so auf dem Schirm hatte. Vor allem habe ich die unzähligen Fußnoten ausgelassen, das machte das lesen etwas flüssiger und meine englische Paperback Version hat auch um 500 Seiten weniger als die deutsche Version. Eine kompakte Sprache spart nicht nur Seiten, sondern auch Zeit, wobei ich in einem Interview mit ihm gehört habe, dass sein Verleger rund 600 Seiten rausgestrichen hat.


    Der größte Unterschied aber zur ersten Lektüre war, dass sich der Autor in der Zwischenzeit leider umgebracht hat. Mit dem Wissen lest man das Buch auch anders, weil natürlich Hal Incadenza (Ungleichschritt übersetzt oder auch nonkonform) stark autobiographische Züge hat und auch der Selbstmord des Vaters im Buch anders gesehen werden kann.


    Die deutsche Version ist ja überhaupt erst nach dem Tod von DFW erschienen.


    Ich mag auch seine Tennisbetrachtungen im Buch "String Theory. David Foster Wallace on Tennis" oder seine Essays über Roger Federer.

    In Infinite Jest schreibt er auch in einem Kapitel über den jungen Jimmy Connors, der gegen seinen Vater spielte.



    Für mich ist es schon eines der stärkeren englischsprachigen Bücher der letzten 30 Jahre. Ich möche nicht sagen, das beste, wie es ja oft promoted wird, weil ich generell vermeide in Superlativen zu denken. Wie ein Buch auf mich wirkt ist auch immer stimmungsabhängig. Manchmal mag ich ein gutes Buch nicht so besonders, weil ich es wahrscheinlich zum falschen Zeitpunkt gelesen habe. Daher habe ich mir angewöhnt vorm Bücherregal zu stehen und mir dann ein Buch auszuwählen das mich in dem Augenblick reizt. Ist fast schon zu einem Ritual geworden.


    Ich kann mir auch vorstellen es in einigen Jahren wieder zur Hand zu nehmen. Vielleicht dann auch mal die deutsche Version.


    Ich wünsche den bis-jetzt-Abgeschreckten, dass sie die Scheu verlieren, weil es zahlt sich definitv aus :)

    Gestern Nacht oder war es doch schon heute in der Früh habe ich die letzen Seiten des Buches gelesen.


    Vieles was oben geschrieben wurde kann ich bestätigen. Die dichte Sprache. Kurze prägnante Sätze.

    Als reine Biographie würde ich das Buch nicht bezeichnen, dafür gibt es viel zu viele Lücken. Es fehlt auch die Auseinandersetzung mit den Menschen in ihrem Leben.

    Mir kam es eher vor als eine "Episodenbiographie", falls es diese Gattung noch nicht gibt, dann hat Helga Schubert sie begründet.


    Die Abneigung ihrer Mutter bis in die letzten Atemzüge wird schon herausgearbeitet, die Distanz, die bis zur Aufgabe des Ichs führt. Eine notwendig Distanz, damit das Ich nicht zerbröckelt.


    Mich hätte auch interessiert, wie der Blick der Urenkelin auf die Urgroßmutter ist, wie das Verhältnis innerhalb der restlichen Familie zueinander ist. Was das Aufwachsen in diesem Umfeld mit der Familiendynamik macht.


    Die Repressionen eines, aus privilegierter demoktatischer Sicht, irren Systems, wie sie sich arrangiert und dennoch dagegenstemmt sind gut beschrieben. Die Willkür der zentralen Mächtigen. Die Gläubigen, die gar nicht wirklich glauben.


    Das vierte Gebot fand sie so wichtig, aber durch einen Erinnerungsfehler weil sie Liebe und Ehre verwechselt hat kann sie ihr Bild zu ihrer Mutter ändern. Sie fühlt sich nicht mehr schlecht, weil sie nicht lieben kann, weil es in der Bibel anders steht?

    Ich fand es interessant, dass sie sich so an ein Dogma klammert, obwohl sie ja das politische Dogma ihres ehemaligen Staates völlig abgelehnt hat.


    Ich habe das Buch gerne gelesen, sitze nun da und würde mir aber noch mehr wünschen. Mehr Selbstreflexion, evt. auch mehr Auseinandersetzung oder inhaltliche Diskussion mit anderen Literaten. Sie hat Jandl und Mayröcker erwähnt, das waren sicher spannende Diskussionen. Sie wollte es nicht mitteilen, nur Gusto darauf machen auf weitere Episoden ihres Lebens.

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    Oben steht bereits eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, wenn auch sehr peripher. Ich möchte gar nicht weiter auf die Geschickte an sich eingehen, das sollten interessierte selbst lesen, kein Spoileralarm.

    Mir hat an dem Buch gefallen, dass es sich mit den verschiedenen Kulturen und auch wie sie ineinander schmelzen auseinandersetzt.


    Einerseits die Herrschenden und Mächtigen - Großgrundbesitzer, Kleriker und Militärangehörige, andererseits die Unterklassen Indios, Mestizen und Schwarze.


    Das Buch handelt in den 1950er Jahren in den Andengebieten Perus. Rund um Cuzco und Abancay (auch in der Nähe der Ausgrabungen von Machu Picchu. Der Aberglaube ist sowohl im Indianischen als auch katholischen Glauben tief verwurzelt. Teile dieses Aberglaubens werden auch in die jeweils andere Kultur übernommen. Wie z.B. der Glaube dass ein Kreiselspiel, das Musikgeräusche macht transzendente Nachrichten absetzen kann.


    Frauen, die sich auflehnen werden ebenso verfolgt wie Leibeigene. Als eine Gruppe von Frauen Salz beschlagnahmt von der Gemeinde, um es den Armen zu schenken in einem amazonenhaften Reiterzug zu einem Indiodorf wird das Militär zu Hilfe gerufen. Die Truppen zogen von der nächst größeren Stadt ein. Zwei der Heldinnen können flüchten, und das ganze Dorf fürchtet sich vor ihrer Rache.


    Interessant war, dass die soziologische Entwicklung, die zum Beispiel in Europa nach den beiden Weltkriegen sich durchsetzte hier nicht mal noch angedacht war.

    Frauenrechte, Minderheitenrechte und Freiheit der Einzelnen sind in Peru dieser Zeit noch Fremdwörter. Unterschiede gibt es im Land an sich. Küstenregion und Bergregion sind anders sozialisiert. Vielen Menschen wurde durch die Indoktrination der Europäer und vor allem der Kirche die eigene Identität gestohlen.


    Selbst die medizinischen Möglichkeiten sind nicht gegeben. Es gibt in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch Seuchenausbrüche, die andernorts bereits sehr gut behandelbar waren. Die Prioritäten werden dort gesetzt, wo auch Profit zu erwarten ist.

    Das Thema ist in pandemischen Zeiten aktuell wie lange nicht mehr.


    Von mir eine klare Leseempfehlung :)

    Ich wohne nicht allzu weit weg von "Dunkelblum" alias Rechnitz. Die Geschichte ist nach wie vor sehr aktuell, es gab vor kurzem wieder mal Grabungen, in denen die Leichen der Opfer des grausigen Massakers gesucht wurden.

    Zum wiederholten Male leider ohne Ergebnis, die Menschen schweigen noch immer die Zeitzeugen sterben langsam aus.


    Eva Menasse erzählt sehr wortgewaltig und zieht einen sofort in die Geschichte hinein. Ich kann verstehen, dass du das Buch nochmals lesen willst.


    Da ich mich mit dem Thema schon länger auseinandersetze hier für Interessierte noch ein paar weiterführende Infos.


    Weitere interessante Lektüren zum Thema


    Sacha Batthyany - Und was hat das mit mir zu tun?

    Elfriede Jelinek - Rechnitz (Der Würgeengel)


    und auch zusätzlich noch einen Dokumentarfilm

    Totschweigen


    Es gibt auch eine Gedenkstelle am sogenannten Kreuzsstadl, wo die Zwangsarbeiter für den Südostwallbau zusammengepfercht untergebracht waren gleich am Ortsrand von Rechnitz.