Charlotte Thomas - Die Madonna von Murano

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    Verlag: Ehrenwirth
    ISBN: 3431036996
    Seiten: 1030
    Ausgabe: Hardcover
    Preis: € 19,95


    Klappentext:
    Venedig im Jahre 1475: Die Stadt feiert Karneval. In den verwinkelten Gassen der Serenissima versucht eine junge Frau verzweifelt ihren Verfolgern zu entkommen. Sie ist hochschwanger, und sie weiß, die drei maskierten Männer wollen ihren Tod. Die Häscher holen sie ein, doch bevor sie stirbt, bringt sie das Kind zur Welt ... So beginnt das Leben von Sanchia, Ziehtochter des Glasmachers, die schon in ihrer frühen Jugend von der gefährlichen Vergangenheit ihrer Mutter eingeholt wird. Als sie Jahre später mit Lorenzo, dem wohlhabenden Spross eines Patriziers, eine verbotene Affäre beginnt, spitzen sich die Ereignisse auf dramatische Weise zu ...


    Ein prächtiger historischer Bilderbogen voller Abenteuer, Intrigen und Leidenschaft - ausgebreitet vor der einzigartigen Kulisse Venedigs


    Meine Meinung:
    Nachdem ich über „Die Madonna von Murano“ schon so viel positives gehört hatte, hab ich mich sehr gefreut, dass auf leserunden.de eine Leserunde mit Autorenbegleitung geplant war, die ich sogar, oh Wunder, mit meinem überaus vollen Leserunden-Kalender vereinbaren konnte. Und noch viel glücklicher war ich, dass dieses Buch direkt nach dem neuen Gablé-Roman so gut bestehen konnte und ich erst nach diesem Buch in meine Leseflaute gefallen bin.


    Wie immer bei den Ehrenwirth-Hardcovern bin ich begeistert von der Gestaltung des Buches, ein tolles Cover, Lesebändchen, feines, weiches Papier, Zeichnungen von Jan Balaz, Personenregister und ein Glossar und Nachwort der Autorin, da bin ich immer wieder mit zu begeistern. Da lohnt sich jeder Cent, den man für ein teures Hardcover ausgibt und ein Blick in mein Bücherregal dankt es mir!


    Der Einstieg in das Buch fällt sehr leicht! Eine junge, hochschwangere Frau mit auffallend blonden Haaren wird auf den Straßen Venedigs verfolgt und tödlich verletzt. Ein Glasbläsermeister aus Murano und seine Gehilfen Vittorio und Pasquale versuchen der jungen Frau zu helfen, allerdings kann lediglich das Kind gerettet werden, die Mutter stirbt ihnen unter den Händen weg. Das kleine Mädchen wächst bei der Familie des Glasbläsers auf und findet dort ihre Heimat, der sie allerdings nach wenigen Jahren schon wieder durch den grausamen Mord an den Zieheltern entrissen wird.


    Dieser Mord an den Zieheltern der kleinen Sanchia ist erst der Anfang vieler wüster Spekulationen meinerseits rund um Sanchias Vergangenheit bzw. ihrer Mutter und in alles scheint die Adelsfamilie Caloprini verstrickt zu sein. Nur wie, das erfährt der Leser erst auf den letzten Seiten ganz genau und hat mich vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt. Ich hab wirklich mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Auflösung der Geschichte. Bis es soweit ist, stellt die Autorin einige Fallen und lockt den Leser auf die falschen Fährte, was die Geschichte zu einem wirklich sehr spannenden Roman werden lässt und mit dieser Art von Spannung hab ich weiß Gott nicht gerechnet. Ich hab gedacht, ich bekomme einen normalen historischen Roman, doch „Die Madonna von Murano“ bietet wirklich viel mehr. Die Spannung des Buches ist gepaart mit zwei schönen Liebesgeschichten, tiefer Freundschaft und den Wirren in Italien gegen Ende des 15. Jahrhundert. Historische Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci oder auch Mitglieder der Familien Medici und Borgia sind geschickt in die Handlung eingewoben und der Leser erhält ein lebhaftes, farbenfrohes aber teilweise auch sehr düsteres Bild der damaligen Zeit.


    Nicht nur die Geschichte selbst ist sehr abwechslungsreich, auch die Figuren gefallen mir äußerst gut. Wie heißt es so schön: „Der Herrgott hat einen großen Tiergarten“ und das trifft auf dieses Buch auch zu. Es sind so viele liebenswerte Figuren in die Geschichte verwickelt, dass einem der Abschied nach 1000 Seiten doch sehr schwer fällt. Sanchia, die weibliche Hauptfigur mag ich sehr gern, vor allem als Kind ist sie sehr knuffig in ihrer Wissbegierigkeit und auch später geht sie mutig ihren Weg, wobei sie nicht zur Super-Woman mutiert, sondern durchaus auch ihre Probleme hat und lernen muss, wie sie damit umgehen soll.
    Aber auch bei den Nebenfiguren sind sehr viele Sympathieträger zu finden, allerdings auch solche, die zu Sanchias Gegenspielern gehören und die man als Leser wirklich verabscheuen und hassen kann, aber solche Charaktere dürfen ja auch nicht fehlen. In diesem Buch hat jeder Charakter sein Päckchen zu tragen und seine eigene Geschichte und eigentlich ist das Buch viel zu dünn, um allen Figuren gerecht zu werden. Ob ich Sanchias Auserwählten so toll finden soll, weiß ich allerdings nicht wirklich, ich bin da eher für Pasquale zu begeistern, der das gesamte Buch über mein Liebling war.


    Charlotte Thomas erzählt uns Sanchias Geschichte in einem wirklich schönen Stil, die Seiten blättern sich nahezu von alleine um, einzig die vielen italienischen Begriffe haben mich anfangs etwas irritiert, aber für die nicht italienisch-sprechende Bevölkerung gibt es ja einen Glossar am Ende des Buches und außerdem reißt einen die Geschichte dermaßen schnell in ihren Bann, dass die italienischen Begriffe irgendwann gar nicht mehr auffallen.


    "Die Madonna von Murano" ist ein wirklich wundervolles Buch und macht definitiv Lust auf mehr! Wie schön, dass das nächste Buch von Charlotte Thomas schon in Aussicht gestellt ist und wir bald wieder in Venedig „sein“ dürfen.


    Bewertung:
    5ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    lg
    kathrin

  • Sehr schöne Rezi über ein Buch, das mir auch sehr viel Spaß gemacht hat :klatschen:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Ihr Lieben,


    nach der tollen Leserunde, kommt jetzt auch hier meine Meinung:


    Das Buch:
    Die HC Ausgabe ist wunderschön gestaltet, mit einem sehr edlen Einband, einem angenehmen Lesebändchen, schönen Illustrationen vor jedem neuen Kapitel und wunderschönen gestalteten Buchdeckel. Sehr ansprechend finde ich auch das Personenregister gleich zu Beginn und das Glossar am Ende des Buches. Insgesamt eine sehr liebevolle Gestaltung. Einfach ein wunderschönes Buch!


    Der Inhalt:
    Das Buch beginnt mit Schweinen, die von einem Turm gestürzt werden und genauso überraschend, wie der erste Satz schon vermuten lässt, geht es weiter. Erzählt wird die Geschichte von Sanchia, deren Mutter bei ihrer Geburt getötet wird und die von einem Glasbläser-Ehepaar wie eine eigene Tochter aufgezogen wird. Jedoch liegt über Sanchia ein dunkles Geheimnis, das mit dem Tod ihrer Mutter zu tun hat und das auch ihr immer wieder das Leben schwer macht, bzw. sie fast das Leben kostet. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen der reichen venezianischen Familie Grimani und Sanchia, die durch die Vergangenheit miteinander verknüpft sind. Trotz aller Widrigkeiten meistert Sanchia ihr Leben und findet viele gute Freunde, die in Stunden der Not ihr oft unverhofft zu Hilfe eilen. Gleichzeitig hat sie jedoch auch brutale und gerissene Gegenspieler, die ihr nur eins wollen: Sie töten.


    Das Buch ist historischer Roman und Krimi-Geschichte in einem. Die Spannung bleibt bis zur letzten Seite und die Auflösung ist total überraschend und wurde als Leser nicht vorhergesehen. Die einzelnen Figuren sind sehr gut gezeichnet und genauso wie man mit einigen Figuren mitfiebert und sie ins Herz schließt, gibt es Figuren, die man einfach nur verabscheut und denen man nur Schlechtes wünscht.
    Die Szenerie in Venedig, Florenz und Rom ist sehr anschaulich und lebendig beschrieben und auch wenn man als Leser die Städte noch nicht besucht hat, kann man sie sich dank der Beschreibungen lebhaft vor dem geistigen Auge vorstellen.
    Ein zusätzliches Bonbon wird dem Leser durch das "zufällige" Einfließen von historischen Persönlichkeiten gegeben, die das Buch noch zusätzlich aufwerten.


    Insgesamt ist das Buch für mich auf jeden Fall auch ein absoluter :tipp: und ich freue mich schon sehr auf weitere Romane von Charlotte Thomas!


    Ich kann mich der Wertung von Kathrin nur anschließen: 5ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße
    Tammy

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Hallo zusammen,
    ich kann mich meinen Vorgängerinnen hier nur uneingeschrängt zustimmen. :klatschen:


    Ein wundervolles Buch, dessen Liebe zum Detail bereits mit der Gestaltung sehr viel Eindruck bei mir machte. Ob das sehr passende Cover, die wundervollen Zeichnungen zum Kapitelanfang, das Lesebändchen, ja sogar die Beschaffenheit des Papiers auf dem diese, für mich, grandiose Inszenierung des Venedigs im 15.Jahrhundert festgehalten wurde, ich war einfach hin und weg.


    Gleichermaßen wurde ich sofort von der Geschichte selbst in ihren Bann gezogen. Schon ganz zu Anfang sah ich mich von einer spannenden Handlung inmitten einer lebenversprühenden Kulisse um eine junge Frau auf der Flucht, die Häscher auf den Fersen, wie in einen Strudel katapultiert. Auch weiterhin ließ mich diese aufregende Geschichte um Familienbande und Intriegen, Liebe und Verzweiflung, gespickt von Überraschungen und unvorhersehbaren Wendungen das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Charlotte Thomas hat es durch flüssige, bildhafte Schreibweise zu einem Genuss werden lassen, mich von Spekulationen zu Spekulationen , von tiefen Emotionen bis hin zum Amüsement durch die Geschichte von Sanchia, ihren Lieben und Feinden, Ihren Ängsten und Träumen, immer weiter zu treiben.
    Viel zu schnell vergingen die Seiten, doch zurück bleibt ein wunderschöner Nachhall, einer ergreifenden Geschichte...


    Für alle Liebhaber, gut recherchierter, historischer Romane mit kleinen, gutgemachten Seitenblicken auf bekannte historische Persönlichkeiten dieser Zeit ist dieses Buch auf alle Fälle ein köstlicher Leckerbissen und ein :tipp: allemal.


    Auch mir reichen fünf Ratten hier nicht aus, deshalb: 5ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Grüssle
    Marion :winken:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi

  • Dann werde ich eure Reihe mal widerspruchslos fortsetzen. :zwinker:


    Venedig1475: In der Lagunenstadt wird ausgelassen Karneval gefeiert. Nur eine junge hochschwangere Frau versucht vergeblich, ihren Häschern zu entkommen. Kurz vor ihrem Tod bringt sie ihr Kind zur Welt. Das Mädchen, Sanchia, wird von dem Glasbläser Piero aufgenommen und liebevoll wie ein eigenes Kind aufgezogen. Das Rätsel um ihre Herkunft begleitet Sanchia noch über viele Jahre. Denn die mächtigen Feinde ihrer Mutter haben ihre Verfolgung nicht aufgegeben und schrecken auch vor dem Mord an Sanchias Zieheltern nicht zurück. Daraufhin wird das Kind in ein Kloster gegeben, wo sie von der Äbtissin schon früh an die Heilkunde herangeführt wird. Dadurch ist es dem wissensdurstigen Mädchen möglich zu lernen, was den meisten Frauen in der damaligen Zeit verwehrt bleibt.


    Die Jahre vergehen und Sanchias Leben läuft keineswegs in ruhigen Bahnen. Liebe, Intrigen, Abenteuer, Hass, Gewalt, schwere Schicksalsschläge und ihre Tätigkeit als Hebamme und Heilerin prägen sie. Das Buch endet nach über 1.000 Seiten fulminant, damit lüftet die Autorin auch das Geheimnis um Sanchias Herkunft.


    Neben einer flüssig geschriebenen Geschichte erfährt der Leser viele Details über das Leben in der Serenissima im ausgehenden 15. Jhd. Dabei trifft man historische Persönlichkeiten wie u.a. Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Vertreter der Familien Borgia und Medici sowie Girolamo Savonarola. Gekonnt verknüpfte Charlotte Thomas das Leben dieser realen Personen mit dem der fiktiven in ihrem Roman. Das gelingt ihr so gut, dass ich den Eindruck bekommen konnte, als stiller Beobachter in die Handlung involviert zu sein. Schließlich lebte ich mit den Protagonisten, lachte, weinte liebte und litt mit ihnen und versuchte ihre Gedanken zu ergründen. Das viel genannte Kopfkino schaltete sich bereits nach wenigen Seiten ein.


    Sehr gut gefallen haben mir Erläuterungen zum Alltagsleben in der damaligen Zeit, wie z. B. zur Glas- und Spiegelherstellung, zur Medizingeschichte und zum Klosterleben. Dadurch, dass die handelnden Personen in diesem Roman so unterschiedlichen Schichten und Verhältnissen entstammen, entstand mit diesem Buch ein glaubwürdiges, weil durch sorgfältige Recherche fundiertes, Zeit- und Sittenbild der venezianischen Renaissance.


    „Die Madonna von Murano“ist in einfachen, der Handlungszeit angepassten, schönen Sprache geschrieben. Der Spannungsbogen wurde von Beginn an konsequent aufgebaut und wurde durch ein grandioses Finale gelöst. Trotz der 1.028 Seiten gab es keine Längen. Im Gegenteil, der Wunsch weiterzulesen, mehr zu erfahren wurde ständig stärker.


    Auf dem Schutzumschlag wird dieser Roman als „Ein prächtiger historischer Bilderbogen voller Abenteuer, Intrigen und Leidenschaft – ausgebreitet vor der einzigartigen Kulisse Venedigs“ angepriesen. Dem kann kaum noch etwas hinzugefügt werden. Für mich ist dieses Buch ein Highlight in meinem Lesejahr.


    Aber nicht nur der Inhalt überzeugte mich, auch die Aufmachung des Buch ist erwähnenswert, schönes Papier, ein Lesebändchen, ein Personenverzeichnis, ein Glossar und liebevolle Illustrationen machen das Buch zu einem „Hingucker“.



    Auch von mir: 5ratten :marypipeshalbeprivatmaus: (Ich kann ja nicht aus der Reihe tanzen und 5 Ratten sind nun mal zu wenig.)

    Liebe Grüße<br />Karthause :schmetterling:<br /><br />Die Kunst zu lesen, in ein Buch hineinzufallen, darin zu versinken, kaum noch auftauchen zu können, ist ein Stück Lebenskunst. <br />Elke Heidenreich

  • Als "Schnäppchen" gekauft und auch gerade zu ende gelesen:


    Der venezianischer Geschäftsmann Francesco Caloprini ist ein Frauenheld erster Kajüte, kaum eine Frau kann seiner charismatischen Ausstrahlung widerstehen und so muss er sich sogar der Zudringlichkeit seiner Schwägerin erwehren. Als die einzige Frau, die er wirklich liebt nach einer seiner Reisen verschwunden ist, gibt er sich dem Alkohol hin. Am liebsten verweilt er so wenig wie möglich bei seiner venezianischen Sippe, die von Intrigen zerfressen ist und mehr als nur eine Leiche im Keller hat. So begibt er sich immer wieder auf lange Geschäftsreisen, die ihn für Monate von zu Hause wegführen.
    Dabei ist Francesco Caloprini doch der einzige, der ein Licht in das Dunkel der verzwickten Intrigen, Freund- und Feindschaften - ein psychothrillerhaftes Konglomerat aus Liebe, Hass, Schmerz und Eifersucht- bringen könnte…..


    Eigentlich handelt dieser Roman von der jungen Sanchia, deren Schicksal so eng mit dem der intriganten Caloprini-Sippe verknüpft ist, liebt sie doch den Spross Francesco Caloprinis’ Bruder. Immer wieder wird ihre Liebe auf die Probe gestellt, denn Sanchia hat sich der Heilkunst verschrieben, um alles in der Welt möchte sie kranken, hilfsbedürftigen Menschen helfen. Und davon gibt es im Venedig der Renaissence genügend. Während große Künstler und Denker wie Leonardo Da Vinci die Stellung des Menschen in der Welt verändern, die Pest und die Syphilis die Gesellschaft erschüttern, während ein verderbter Papst in Rom die Kurie ins Verderben zieht und der machthungrige Karl der achte von Frankreich seine Fühler nach den reichen Städte Italiens ausstreckt, geht die junge und schöne Sanchia entschlossen ihren Weg……….


    Sprachlich trumpft Charlotte Thomas erst bei den Liebeszenen (die auch unterwartet detailliert ausfallen….) auf. Eigentlich schade, denn hier wird wieder einmal das Klischee des historischen Liebesromans geschürt. Nichts desto trotz merkt man dem Roman die intensiven Recherchen an, denn sowohl geschichtliche Hintergründe, als auch die Beschreibungen, z.B. des Glasbläsergewerbes, wirken versiert und glaubhaft, was für einen historischen Roman meiner Meinung nach schon vollkommen genügt, wenn man nicht gerade Historiker ist.


    Sanchia wird von Anfang an als eine kleine Heilige von der Autorin aufgebaut. Im vergleich zu Rebecca Gable muss ich leider sagen, das letztere Autorin es doch besser versteht, einem Charakter Ecken und Kanten zu geben und keine Heiligen und Übermenschen zu erschaffen. In historischen Romanen sind heilkundige Helden (und -innen) keine Seltenheit, im Gegenteil, eher als Klischee zu bezeichnen. Hier hätte man sich etwas mehr Originalität gewünscht.


    Einige Äußerungen und Meinungen der Personen zu Anfang des Romans finde ich, für die Zeit des späten 15. Jahrhunderts nicht unbedingt glaubwürdig. Auch die Reden der sehr jungen (siebenjährigen) Sanchia scheinen mir für ein so kleines Kind doch zu ausgereift. Sind Kinder nicht viel impulsiver und leben ihre Gefühle eher aus, als darüber nachzudenken ? In einer Szene zumindest reflektiert die kleine Sanchia über ihre eigenen Gefühle auf eine Weise, zu der manche Erwachsenen nicht in der Lage ist !


    Vieles ist nicht neu in Charlotte Thomas Roman: Helden historischer Romane, die sich der Heilkunst verschrieben haben, eine Jahrzehnte umfassende Handlung vor historischer Kulisse, Intrigen, Liebe, Hass. Nichts desto trotz ist dieser Roman vortrefflich gelungen. Ohne das die Handlung ins groteske episodenhafte abgleitet wird es in dem, über 1000 Seiten umfassenden Schmöker, nie langweilig. Geschickt hat die Autorin das dunkle Geheimnis Sanchias Herkunft und der Caloprini Sippe mit der Handlung verwoben. Legt immer wieder kleine Hinweise und weiß im absolut nervenaufreibenden Finale immer noch zu überraschen und den Leser atemlos die letzten Seiten verschlingen.
    Alles in allem ein fantastischer historischer Roman der sich in die Riege der ganz großen Erzählungen dieses Genres einreihen kann und die faszinierende, die schreckliche, die wunderschöne Welt der venezianischen Renaissence zu neuem Leben erweckt.


    5ratten

    Phantastik Geschichten aus eigener Feder, gibt es hier:<br /><br />mindworlds.de

  • Bei einer Bewertung von 5 Ratten je Leser kann man an diesem Roman ja fast nicht vorbeigehen... Also habe ich ihn auch gelesen, natürlich nicht nur wegen der Ratten, sondern weil er mich inhaltlich ansprach.


    Mag sein, dass meine Erwartungshaltung zu hoch war, aber auch aus anderen Gründen fand ich das Buch nicht so toll. Für meine Begriffe war hier einfach zu viel los. Alle paar Seiten passierte etwas, das schnell abgehandelt wurde, kurze Verschnaufpause, und dann das nächste Ereignis. So folgte ein Highlight auf das andere. Das war mir mit der Zeit einfach zu viel. Wenn sich die Autorin auf einige wenige Aktionen beschränkt und diese dafür behutsamer, detaillierter und dichter beschrieben hätte, wäre etwas mehr Ruhe in die Handlung eingekehrt. Dieses Reißerische liegt mir gar nicht. Es kommt mir immer ein bisschen so vor, als glaubten die Autoren, sie könnten ihre Leser nur mit Action unterhalten, während der Rest zu kurz kommt.


    Zum Glück gab es auch einige schöne Passagen und ein lebhaftes Bild des damaligen Venedigs. Auch wenn das Buch recht dick ist, liest es sich sehr flüssig.


    3ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Hallo Doris,


    ach je! Das ist aber schade, da haben wir dir das Buch quasi schon so angepriesen und dann dann ist es doch nicht so toll! Vielleicht waren wir aber sogar noch mehr begeistert von der Leserunde, als von dem Buch selber? :breitgrins:


    Aber du hast Recht: Es passiert wirklich ziemlich viel. Deswegen eignet sich das Buch wahrscheinlich so gut für eine Leserunde! :zwinker:


    Aber gut zu wissen, das muss ich beachten, wenn ich das Buch lauter Leuten als Lektüre empfehle... :redface:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Hallo Tammy,


    vielleicht ist es aber gerade das, was manchen Leuten gefällt :zwinker:. Eine Freundin von mir liebt es geradezu, wenn sich ein Ereignis an das andere reiht.


    Für mich war aber nicht nur das ein Grund, dass mir das Buch weniger gut gefiel. Es wurde z. B. auch oft und ausführlich von anderen Leuten erzählt, das hätte man sich sparen können. Warum Albrecht Dürer in dem Roman auftaucht, ist mir bis jetzt noch nicht so richtig klar geworden. Einige Ereignisse entwickelten sich auch innerhalb so kurzer Zeit, wie es im richtigen Leben einfach unmöglich ist.


    Aber wie schon geschrieben, das Buch hatte auch seine schönen Seiten. Mich hätte nur interessiert, was Frau Thomas von meinem Gemecker gehalten hätte, wenn ich an der Leserunde teilgenommen hätte :breitgrins:.


    Liebe Grüße
    Doris

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Hallo Doris,


    das ist aber wirklich schade, dass dieser Roman für dich so überfüllt herüber kam. Diesen Eindruck hatte ich eigentlich nicht, da ich die vielen Details (auch oder gerade zu anderen Personen) als Teil der Gesamtkulisse verstanden habe. Ein lebendiges Venedig. Für mich gab es auf diese Weise ein wunderbares Stimmungsbild der damaligen Zeit. Nehmen wir nur einmal den von dir erwähnten Albrecht Dürer. Seine Erwähnung innerhalb der Geschichte brachte mir dieses Buch ein ganzes Stückchen näher.
    Es gab also nicht nur eine Jahreszahl und den Standort Venedig, nein, er lebte damals ja wirklich zu dieser Zeit und ja er bewegte sich auch in diesem Zeitraum in Venedig. Warum ihn also nicht ein kleines Stück weit mit in solch einen Roman einfließen lassen? So lange hier alles authentisch und nicht widerlegbar bleibt. :zwinker:


    Charlotte Thomas erwähnt in ihren Romanen immer wieder gerne solche realen Personen. Touchiert sie sozusagen an. Ob Albrecht Dürer, Jakob Fugger, Leonardo da Vinci, Raffael oder andere bekannte Freskenmaler. Für mich beleben sie dieses Bild ungemein, vor allem da ich verstanden habe, wie wichtig Charlotte eine sehr genaue Recherche für ihre Romane ist.


    Das es natürlich Geschmacksache ist, brauche ich nicht zu erwähnen, oder? :zwinker:
    Und vielleicht lag es auch tatsächlich daran, dass wir diesen wunderbar aufwändigen Roman in einer Leserunde zusammen mit der Autorin gelesen haben. Denn alleine dadurch lesen wir natürlich viel konzentrierter und gucken schonmal genauer hin, als wenn ich dieses Buch vielleicht in einem Urlaub mit dabei gehabt hätte.


    Trotzdem bleibt Charlotte Thomas für mich persönlich eine unbedingte Auto-Buy-Autorin, auf dessen neuestes Werk, Die Liebenden von San Marco (2009), ich mich schon jetzt wahnsinnig freue. :klatschen:


    Liebe Grüssle
    Marion :winken:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi


  • Trotzdem bleibt Charlotte Thomas für mich persönlich eine unbedingte Auto-Buy-Autorin, auf dessen neuestes Werk, Die Liebenden von San Marco (2009), ich mich schon jetzt wahnsinnig freue. :klatschen:


    Das geht mir genauso! :klatschen: Freu mich schon auf die Leserunde! :zwinker:


    Doris: Vielleicht wäre ja die Leserunde was für dich? Spekulieren in Gemeinschaft macht doch einfach viel mehr Spaß! :breitgrins: :winken:


    Liebe Grüße
    Tammy

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • @ Marion
    Wie Du schon sagst, es ist Geschmackssache. Dieses Buch bot Stoff für drei oder vier Romane und das ist mir zu hektisch. Kaum ist das eine Drama ausgestanden, bahnt sich schon das nächste an; kaum Zeit zum Verschnaufen. Den Protagonisten wurde schon allerhand zugemutet. Ein "nomaler" Mensch würde bestimmt nach einigen Schicksalsschlägen zum Fall für den Psychiater :zwinker:. Das hat etwas von einer Soap-Opera im Fernsehen, da passieren auch immer unerhört viele Dinge, damit ja keiner auf die Idee kommt, den Kanal zu wechseln.


    Wenn historische Figuren in fiktiven Handlungen auftauchen, kann das durchaus spannend sein. Aber von Dürers Auftritt hatte ich mir ein interessantes Intermezzo versprochen, das in diesem Fall leider ausblieb. Das venezianische Feeling kam schon gut durch die vielen Fremdwörter rüber :breitgrins:.


    @ Tammy
    Mit der Leserunde wird das sicher nichts. Um 1000 Seiten zu lesen, von denen ich mir im Vorfeld schon nicht viel erwarte, habe ich leider zu wenig Zeit. Außerdem investiere ich das Geld dann lieber in andere Bücher. Die Madonna habe ich in der Bücherei ergattert, sonst hätte ich es erst später gelesen. Das Taschenbuch ist ja anscheinend gerade erst erschienen. Ich wünsche euch aber viel Spaß bei der LR!


    Da fällt mir noch ein, dass ich einmal in die Leserunde zur Madonna reinlinste und über einen Riesenspoiler stolperte. Vielleicht hat mir das unbewusst schon die Freude an dem Buch etwas genommen.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Hallo,


    gestern habe ich dieses Wahnsinns-Buch beendet und bin immer noch traurig, dass ich die Protagonisten 'schon' nach über 1000 Seiten verlassen musste. Besonders Sanchia ist mir ans Herz gewachsen, wir begleiten sie nämlich in dem Buch über einen langen Abschnitt ihres Lebens. Als Kind wissbegierig und schlau, wird sie von dem Glasbläser Piero Foscari und seiner Frau aufgezogen.


    Ihre Herkunft und die Geschichte ihrer Eltern sind ein Rätsel, das die Autorin erst ganz zum Schluss geschickt auflöst. Auf die Lösung wäre ich nie im Leben gekommen, da führt einen die Autorin gekonnt an der Nase herum und präsentiert dann trotzdem eine schlüssige Auflösung. Dieses Rätselraten, das immer wieder durch kleine Hinweise weitergeführt wird, macht einen Teil meiner Faszination aus und ist für Krimi-Fans sicher sehr spannend.


    Der eigentliche Grund warum mir der Roman so gut gefallen hat, sind allerdings die Charaktere. Sie sind rund und schlüssig, so lebendig, dass ich immer mittendrin im Geschehen war. Die teilweise komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse werden geschickt erklärt und trotz der relativ großen Anzahl an Figuren habe ich sie nie verwechselt. Selbst Nebenfiguren haben ihre eigenen Eigenschaften, Geheimnisse und Eigenheiten.
    Es kommen auch einige historische Persönlichkeiten vor, die meist erst nur mit Vornamen eingeführt werden und die Vermutung erst nach ein paar Seiten bestätigt wird.


    Ein besonderes Schmankerl für mich waren die Beschreibungen von Venedig und auch von Florenz und Rom. Sanchias Routen durch Venedig konnte ich teilweise aus dem Gedächtnis nachvollziehen und die Autorin versteht es, die Atmosphäre der Gassen und Kanälen aufleben zu lassen. Dieser Eindruck wird noch durch die tollen Zeichnungen im Buch verstärkt.


    Die Sprache ist ein weiteres Plus, es werden einige venezianische Begriffe verwendet (die natürlich in einem Glossar erklärt werden).


    Ganz nebenbei habe ich durch dieses Buch auch noch wahnsinnig viel über die damalige Rechtssprechung, Medizin und die Verhältnisse in Italien gelernt. Auch hier schafft es die Autorin, die Informationen geschickt einzuflechten und Neugier zu wecken.


    Mit diesem Buch ist Charlotte Thomas ein Meisterwerk gelungen und ich kann ohne Zögern feststellen, dass dieses Buch der beste Histo ist den ich kenne (und damit übertrifft sie auch meine bisherige Lieblingsautorin in diesem Genre Rebecca Gablé).


    Natürlich eine glatte 1 mit Sternchen:


    5ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Das Buch gibt es mittlerweile übrigens auch als TB:


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    LG, Mobi

  • Meine Meinung


    Ich muss jetzt einfach wenigstens bisschen etwas zu diesem Buch schreiben, da mir schon lange kein Buch mehr so gut gefallen hat.


    Zuerst waren die 1000 Seiten wirklich abschreckend, da ich es nicht mag zu lange an einem Buch zu lesen. Als es dann zu Beginn auch noch zäh dahin ging mit dem lesen, was aber nicht am Buch selbst lag, war auch nicht so wirklich die Lust da.
    Aber dann hat mich wieder diese Geschichte gepackt, besonders an den letzten zwei Tagen und es ging nur so dahin :smile:


    Die Stimmung war das ganze Buch über einfach traumhaft. Die Beschreibungen des schönen Venedigs haben dazu sehr viel beigetragen, aber auch Sanchia hat die tolle Atmosphäre vervollständigt. Ohne sie wäre nicht nur die Geschichte, sondern auch die ganze Stimmung komplett anders gewesen. Dass Venedig mit zur Stimmung betrug merkte ich daran, dass mir, während das Buch in Rom spielte, irgendetwas gefehlt hat. Nicht nur die unsympathischen Mitmenschen Sanchias, sondern die Stadt selber haben auf diesen Seiten die Stimmung ruiniert.


    Und diese Liebesgeschichte! Ich weiß nicht, wann ich das letze Mal ein Buch gelesen habe, dass so wunderbar die Gefühle der einzelnen Menschen rübergebracht hat. Es war wundervoll, nicht nur mit den Figuren mitzuschwärmen sondern auch mitzuleiden. Man dachte fast, man wäre selbst die Person. Das war so herrlich.
    Auch wenn das ganze Herumgeschleiche unerträglich erschien, hat es der Geschichte doch irgendetwas gegeben.


    Auch die Geschichte selber mit diesem abgrundtiefen Familiengeheimnis war total fesselnd. Besonders da man bis zum Schluss auf der falschen Fährte bleibt (zumindest ich :zwinker:). An so etwas habe ich nie gedacht und ich hätte auch nie gedacht, dass ich noch einmal so überrascht werde zum Schluss.


    Auch die auftretenden bekannten Persönlichkeiten wie Albrecht Dürrer oder Leonardo Da Vinci haben dazu beigetragen, dass ich dieses Buch äußerst gerne gelesen habe. Dieses Buch war wirklich von vorne bis hinten so ziemlich perfekt, was heißen soll, dass mir momentan kein Kritikpunkt einfällt :breitgrins:
    Obwohl vielleicht, dass ich gerne wüsste, wie es mit Lorenzo, Sanchia, Marco, Chiara und auch mit Fausto, Eleonora und Tino weitergeht :zwinker:


    5ratten:tipp:

    Liebe Grüße

    Chibi

    Bevor i mi aufreg´, is ma wurscht. - Rainer Maria Schießler


  • Obwohl vielleicht, dass ich gerne wüsste, wie es mit Lorenzo, Sanchia, Marco, Chiara und auch mit Fausto, Eleonora und Tino weitergeht :zwinker:


    Vielleicht, vielleicht kriegen wir die sogar. Charlotte hat nämlich in einer LR erzählt, dass eine Fortsetzung in Planung ist. Ob das wirklich was wird, ist natürlich fraglich, aber ausgeschlossen ist es schonmal nicht!
    Nächstes Frühjahr erscheint aber erstmal ihr neuer Roman über die commedia dell'arte, also wird es mit der Fortsetzung vor 2011 eh nichts. :zwinker:


    LG, Mobi

  • Vielleicht, vielleicht kriegen wir die sogar. Charlotte hat nämlich in einer LR erzählt, dass eine Fortsetzung in Planung ist. Ob das wirklich was wird, ist natürlich fraglich, aber ausgeschlossen ist es schonmal nicht!
    Nächstes Frühjahr erscheint aber erstmal ihr neuer Roman über die commedia dell'arte, also wird es mit der Fortsetzung vor 2011 eh nichts. :zwinker:


    LG, Mobi


    Das macht mich jetzt echt neugierig :smile:
    Und was 2011 betrifft: Das wäre nicht so schlimm, dank Abitur bzw. jetzt dann Punkte sammeln hätte ich davor eh keine Zeit mehr für so einen dicken Wälzer :zwinker:

    Liebe Grüße

    Chibi

    Bevor i mi aufreg´, is ma wurscht. - Rainer Maria Schießler

  • Ich habe mir das Buch aufgrund der begeisterten Rezis hier im Forum gekauft und kann jetzt, nachdem ich den Thread nochmal durchlas, nur rufen: Schlag ein, Doris - mir hats auch nur mässig gefallen! :breitgrins:


    Ich kann die Begeisterung der Fünf-Ratten-Geber durchaus nachvollziehen. Es ist nur so, dass ich mich der hier präsentierten Form der Unterhaltung zwar auch tatsächlich gut unterhalten fühle, aber bei einem Schinken mit 1000 Seiten reicht mir das nicht ganz. Und es ist schade, wenn sehr gute Recherche andernorts durch Übertreibungen wieder kaputt gemacht wird. Meine Meinung im Detail:


    Inhalt:
    Venedig, 1475: Während des Karnevals ist der Glasbläser Piero Foscari mit zwei Gehilfen unterwegs, als sie bemerken, dass eine sehr junge Frau von Männern mit Waffen verfolgt wird. Die drei wollen der Frau zu Hilfe eilen und finden sie in einer dunklen Seitengasse am Boden wieder. Sie ist schwer verletzt von der Attacke, hochschwanger und gerade im Begriff, ihr Kind zur Welt zu bringen. Mit der letzten Presswehe haucht die Unbekannte ihr Leben aus und das frisch geborene Mädchen wird von Foscari und seiner Frau adoptiert. Das ist der Auftakt zu einer Saga, die die ersten 26 Lebensjahre von Sanchia Foscari beschreibt.


    Meine Meinung:
    Was hochdramatisch mit einer Geburt auf den letzten Drücker (im wahrsten Sinne des Wortes) beginnt, bleibt über die nächsten 1000 Seiten so. Das ist einerseits gut für den Unterhaltungsfaktor, andrerseits schlecht für die Glaubwürdigkeit. Für das, was Sanchia Foscari in einem Vierteljahrhundert erlebt, bräuchte auch so mancher Mensch in unserer schnelllebigen und wechselvollen Zeit mindestens ein ganzes Leben.


    Die verstrickte Familiengeschichte der Caloprinis (in deren Haus Sanchias Mutter gedient hatte) würde die Augen jedes Seifenoper-Regisseurs zum Leuchten bringen. Wahnsinn, Ehebruch, Inzest, Komplotte, Mordlust und noch mehr dunkle Geheimnisse sind der Kitt, der diese Familie zusammenhält. Wer mit wem und weshalb so und nicht anders erfährt man natürlich erst in der Schlussfolge... äh... auf den letzten 30 Seiten. Vorher ists wie «Lindenstrasse» gucken: Du weisst ganz genau, dass sich gleich hinter der Ecke das nächste Unheil verbirgt.


    Dabei gibt sich die Autorin nicht mal ansatzweise Mühe, unwahrscheinliche Zufälle wenigstens ansatzweise plausibel zu erklären; im Gegenteil: gegen Ende wird sogar noch auf eine Art siebten Sinn verwiesen, um die überraschende Präsenz eines Retters in einer gefährlichen Lage zu erklären. Das und die Gewohnheit, den Leser immer wieder mit billigen Cliffhangern hinzuhalten, zeugen meiner Meinung nicht von einem Unvermögen der Autorin, sondern ganz einfach von schlechtem Geschmack.


    Und damit kommen wir zum Positiven: Charlotte Thomas kann eigentlich schreiben und wenn sie sich im Geschichtsaufbau vom kleinen Einmaleins der Seifenopern und Liebesschnulzen lösen könnte, käme ein sehr lesenswertes Buch dabei heraus. Dass die Recherchen zu «Die Madonna von Murano» mit viel Aufwand und Ernsthaftigkeit betrieben wurden, habe ich an mehreren Stellen bemerkt. Es zeigt sich unter anderem darin, dass es der Autorin gelungen ist, ein sehr lebendiges Bild vom spätmittelalterlichen Venedig und seiner Bewohner zu schaffen. Mir war schon vor der Hälfte des Buches klar, dass ich den Plot unter «abhaken, vergessen» verbuchen würde. Trotzdem las ich gerne weiter, weil gerade die undramatischen Stellen dank genauer Beschreibungen schön zu lesen waren und der Unterhaltungsfaktor hoch war.


    Allerdings ist Charlotte Thomas trotz aller Genauigkeit und Liebe zum Detail (bewusst?) in eins der häufigsten Fettnäpfchen getreten, die das Leben für Autoren von historischen Romanen aufgestellt hat: Die Hauptcharaktere sind fast durchgängig modern denkende Menschen des 20. Jahrhunderts. «Moderne» Charaktere gibt es in praktisch allen Mittelalterromanen und das trägt sicher zur Lesbarkeit solcher Bücher bei. Aber man kanns auch übertreiben und genau das ist hier leider passiert: Von der forschenden Nonne bis zum werdenden Vater, der unbedingt die Geburt seines Kindes an der Seite seiner Frau erleben möchte, werden alle möglichen modernen Ansichten und Gewohnheiten geboten. Das geht im Einzelfall, aber in der Häufung fällts negativ auf.


    Fazit:
    Hätte die Autorin überall (mit Ausnahme von Recherche, Detailversessenheit und Personenbeschreibungen) um 30 bis 40 Prozent zurückgeschraubt, wäre «Die Madonna von Murano» ein äusserst lesenswertes Buch geworden. So ist es ein unterhaltsames Buch mit einem bis an die Schmerzgrenze übertrieben Plot. Ideal geeignet für «GZSZ»-Fans mit einem Mittelaltertick.


    5 von 10 Punkten

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Schöne und sehr interessante Rezi, Alfa_Romea.
    Allerdings bleibe ich dabei, ich will diesen Stil von Charlotte Thomas genau so haben, wie er ist. Vollgepackt, rasant, zum Mitfiebern und stets in einer bunten, stimmungsvollen Kulisse mit Charakteren die es in sich haben. :bang:
    Geschmäckle sind halt eben verschieden. :zwinker: Auch wenn wir bei den richtig dicken Wälzern sonst öfters eine ganz ähnliche Meinung haben. :smile:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi

  • @ Alfa
    :five:
    Auf deinen Eindruck war ich sehr gespannt! Da ich deinen Geschmack ja oft teile, wäre ich wäre schon erstaunt gewesen, wenn du gerade für dieses Buch 7 oder mehr Punkte vergeben hättest.