Tobias O. Meißner - Die Dämonen

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.899 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von odenwaldcollies.

  • Kann es tatsächlich sein, dass dieses Buch noch keinen Thread hat?


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    Tobias O. Meißner - Die Dämonen


    Ich habe vor Kurzem damit begonnen, bisher habe ich die ersten drei Umdrehungen gelesen. Umdrehungen? Genau. Das Buch ist in neun Umdrehungen eingeteilt (die wiederum aus drei oder vier Kapiteln bestehen), die sich auf den Dämonenschlund beziehen. In eben diesen sind nämlich die Dämonen im Reich Orison verbannt worden, wo sie nun in einem ewigen Strudel gefangen sind - bis zwei von ihnen aus dem Schlund entkommen können. Da sie in der Menschenwelt am besten überleben können, wenn sie einen Wirtskörper beziehen, wählt Irathindur den Körper der Baroness des sechsten Baronats und Gäus den des Königs als Wirt. Wobei wir direkt bei der Welt als solcher sind: Orison ist in neun Baronate unterteilt, die wie Tortenstücke um die zentrale Stadt Orison angeordnet sind, in welcher der König sitzt. Der Dämonenschlund befindet sich im Baronat der besagten Dame, wodurch unser einer dämonische Begleiter sich für eine naheliegende Lösung entscheidet.


    Was für die Dämonen ganz nett beginnt, nämlich mit der gemeinschaftlichen Flucht und dem Versprechen, sich gegenseitig zu respektieren und nicht zu bekämpfen, offenbart schnell ein Problem: die Energie, von der die Dämonen außerhalb des Schlunds zehren, ist begrenzt.


    Neben den beiden Handlungssträngen um Irathindur und Gäus folgt der Leser auch Minten Liago, einem Menschen, der eigentlich gerne studieren möchte, aber aufgrund unglücklicher Ereignisse zum Arenakämpfer wird. Mal sehen, wie er zum Rest der Handlung passen wird.


    Bisher gefällt mir das Buch sehr gut, es liest sich in einem weg (was auch am großzügigen Druck liegen kann) und hat bisher viele tolle Momente gehabt. Leider gibt es auch ein paar Punkte, die mir bisher eher negativ aufgestoßen sind: warum wird mehrfach wiederholt, wie das Reich Orison aufgebaut ist? Andererseits wird mir ja auch zugetraut, philosophischen Fragestellungen zu folgen, da muss man mir Geografie und Geschichte nicht mehrfach erläutern. Und diese Baroness hat eine extravagante Vorliebe für enge "Reizkleidung" und ausgefallene Sexpraktiken, was für meinen Geschmack zu sehr ausgebreitet wird (ohne je explizit zu werden!). Auch die masochistischen Methoden eines ihrer Untertanen nehmen mir ein wenig zu viel Raum ein, an Stelle dessen hätte ich simple Charakterentwicklung bevorzugt.


    Ich freue mich trotzdem auf den weiteren Verlauf und hoffe, dass ich nicht lange allein in diesem Thread bleiben muss. ;)


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Wirklich komisch, dass das Buch noch keinen Thread hat. Dabei gab's doch "drüben" eine [url=http://www.leserunden.de/index.php/board,158.0.html]Leserunde mit Autor[/url], an der ich damals auch teilgenommen hatte. Es traf meinen Geschmack nicht so sehr, vor allem stilistisch hatte ich einiges zu mäkeln. Vom Aufbau her war es aber gut durchkomponiert, und wenn ich dem Buch damals auch nur zwei Ratten zugestanden hatte, so muss ich ihm doch heute zugute halten, dass ich mich noch ziemlich gut an es erinnern kann.
    Ich glaube, Tobias Meißner macht das, was er macht, gut, nur liegt mir das nicht besonders.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Guten Morgen,


    ist ja wirklich seltsam, dass das Buch hier noch nicht vertreten war :confused:


    Bisher gefällt mir das Buch sehr gut, es liest sich in einem weg (was auch am großzügigen Druck liegen kann) und hat bisher viele tolle Momente gehabt.


    Die tollen Momente gibt es in der Fortsetzung in geballter Ladung. Schon lange hat mich kein Buch mehr so mitgenommen.


    Leider gibt es auch ein paar Punkte, die mir bisher eher negativ aufgestoßen sind: warum wird mehrfach wiederholt, wie das Reich Orison aufgebaut ist? Andererseits wird mir ja auch zugetraut, philosophischen Fragestellungen zu folgen, da muss man mir Geografie und Geschichte nicht mehrfach erläutern.


    An den Punkt kann ich mich jetzt gar nicht mehr erinnern (also daran, dass dies so oft erwähnt wird).


    Und diese Baroness hat eine extravagante Vorliebe für enge "Reizkleidung" und ausgefallene Sexpraktiken, was für meinen Geschmack zu sehr ausgebreitet wird (ohne je explizit zu werden!). Auch die masochistischen Methoden eines ihrer Untertanen nehmen mir ein wenig zu viel Raum ein, an Stelle dessen hätte ich simple Charakterentwicklung bevorzugt.


    Ich muss es unbedingt nochmal lesen - auch, dass dies so stark ausgebreitet wurde, weiß ich nicht mehr so richtig :rollen:


    Ich freue mich trotzdem auf den weiteren Verlauf und hoffe, dass ich nicht lange allein in diesem Thread bleiben muss. ;)


    Hier mal meine Rezension zum Buch:


    Eine herrische Baroness und ein mitfühlender König wenden das Schicksal des neungeteilten Landes Orison. Sie, weil sie geliebt wird, er, weil zur Liebe fähig ist. Als König Tenmac III. den magischen, sagenumwobenen Schlund besucht, denkt er noch nicht im mindesten daran, dass sein Besuch als Folge einen verheerenden Krieg nach sich ziehen wird. Die Dämonen Irathindur und Gäus können gemeinsam aus dem ewig strudelnden, kreisenden Schlund entkommen und trotz friedlicher Vorsätze eskaliert die Situation schon bald, denn offensichtlich reicht die vorhandene Lebenskraft nicht für zwei Dämonen.


    Tobias O. Meißner und ein "Geschöpfebuch"? Das passt wie die Faust aufs Auge, mag so mancher Fan des Autors denken - und natürlich trotzdem selbstsicher nach dem Buch greifen. Tatsächlich ist "Die Dämonen" kein gewöhnliches Buch der Reihe, denn dem Autor dienten nicht weniger als die Herren Lew N. Tolstoi und Fjodor M. Dostojewskij als Inspiration. Wer also schon immer wissen wollte, wie die Geschichte der unbekannten Leiche eines Selbstmörders aus Dostojewskijs "Die Dämonen" verlaufen sein könnte, sollte zu Tobias Meißners gleichnamigen Buch greifen. Wie immer erwartet die Leser seiner Bücher eine etwas andere Geschichte: Die Dämonen benehmen sich manchmal gar nicht so dämonisch und Helden verhalten sich nicht gerade heldenhaft.


    Der Beginn erzeugt eine düstere, wirklich grausige Atmosphäre mit der Aussicht auf einen unglücklichen Ausgang - und doch spielt der Autor mit der Handlung und den Lesern, ohne dabei "die Botschaft" zu vergessen. Krieg hat niemals Sinn. Krieg ist grausam, entbehrt jeder Logik. Menschen werden zu Spielbällen der Mächtigen. Unvergleichlich ist Tobias Meißners Gabe, in mir intensive philosophische, ökologische, religiöse, politische oder doch wieder ganz anders geartete Gedanken hervorzurufen. Eine Szene über das Quälen von Insekten und Ratten ließ mich darüber nachdenken, ob wir alle erst in Aktion treten, wenn wir selbst in unseren Befindlichkeiten gestört werden.


    "Die Dämonen" ist jedoch nicht immer düster und bedrohlich. Das Buch bietet sehr viel versteckten Witz, spritzige Dialoge, skurrile Charaktere und ein paar an Comics erinnernde Einlagen. Ein Buch über mystische Dämonen und über innere Dämonen. Ein Buch über Krieg, Gewalt, Kampf, eine hoffnungslose Liebe und das Schicksal. Ein Buch über eine sich drehende Welt, in der alles Anfang und Ende zugleich ist.


    Sprachlich bewegt sich Tobias O. Meißner in gewohnten Gefilden. Manchmal experimentiert er etwas, benutzt ungewöhnliche Beschreibungen und Ausdrücke. Darauf muss man sich einlassen können, um das Buch in vollem Umfang genießen zu können. Für mich ist "Die Dämonen" nicht ganz so stark wie einige seiner anderen Werke, aber im Vergleich zu vielen anderen Büchern sticht dieses hier erneut heraus.


    5ratten

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Danke für den Hinweis auf die Leserunde, Saltanah! Ich werde direkt ein wenig stöbern.


    Gestern Abend konnte ich endlich einen längeren Abschnitt am Stück lesen und habe mit der fünften Umdrehung auch knapp die Hälfte des Buches hinter mir. Nach wie vor gefällt es mir gut, allerdings ist der Funke bisher nicht übergesprungen wie etwa bei HalbEngel, das mich letzten Monat begeistert hat.



    Es traf meinen Geschmack nicht so sehr, vor allem stilistisch hatte ich einiges zu mäkeln.


    Ja, Tobias hat einen recht eigenen Stil und manchmal etwas "schräge", außergewöhnliche Formulierungen, aber mir gefällt er ausgesprochen gut. Er nutzt sehr synästhetische Bilder und eine eher freie Zuordnung, die mich während des Lesens manchmal stocken und dann begeistert nicken lässt. Obwohl ich mit Fingern, die sich wie eine Gabel entfalten, nach wie vor ein Problem habe. ;) Vielleicht hätte ich bei einem belletristischen Roman auch mehrfach die Augen verdreht, aber im Umfeld der Dämonen und auch beim musikalischen HalbEngel passte es für mich einfach.


    An den Punkt kann ich mich jetzt gar nicht mehr erinnern (also daran, dass dies so oft erwähnt wird).



    Ich muss es unbedingt nochmal lesen - auch, dass dies so stark ausgebreitet wurde, weiß ich nicht mehr so richtig :rollen:


    Mach das. :breitgrins:
    Die Beschreibung der Geografie fand ich besonders deshalb so nervig, weil der geneigte Leser doch schon längst einen Blick auf die vorgestellte Karte werfen konnte. Und wenn man dann drei Mal vorgekaut bekommt, wie sich die Aufteilung gestaltet, finde ich das zu viel. Das Erwähnen der Fetischkleidung begrenzt sich anscheinend auf den Anfang, es kam zuletzt nicht mehr vor. Aber auch der Koordinator Benesand ist durch den Erzählfluss ja zum Glück etwas abgetrieben worden. ;)


    Bevor ich es vergesse, ein kleines Zitat:


    Zitat von S. 106f

    Weil man sah, was noch Tage entfernt war, war Sehen ähnlich wie in die Zukunft schauen.
    Also war Sehen auch eine Art von Magie.
    Vielleicht also waren die Menschen gar nicht so unmagisch, wie Gäus zuerst angenommen hatte? Vielleicht hatte die Magie sich einfach nur von der Märchenhaftigkeit der Drachen und Feuerberge abgewandt und war nun etwas Alltägliches geworden, etwas, das jeder Bauer ganz selbstverständlich benutzte, ohne weiter darüber nachzudenken. Vielleicht war dies das Geheimnis.
    Oder zumindest eines der Geheimnisse.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Hallo liebe Meißner-Fans (und Marketing-Beauftragten :breitgrins: ),
    ich würde gerne wissen, ob man das Buch auch ohne dostojewskijsche Vorkenntnisse lesen kann. Und es ist der erste Teil der Reihe, richtig?
    Die örtliche Bücherei führt nämlich so einige Bücher von Meißner, und ich möchte gerne testen, ob mir die Bücher auch gefallen. Gibt es sonstige Einsteigertipps unter den Meißner-Büchern?


    Danke vorab,
    die Schokomaus :winken:

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf

  • Hallo Schokomaus,



    ich würde gerne wissen, ob man das Buch auch ohne dostojewskijsche Vorkenntnisse lesen kann. Und es ist der erste Teil der Reihe, richtig?


    Natürlich muss man für das Verständnis nicht Dosotjewskijs Dämonen kennen (ich selbst tue es auch nicht :err:). Und ja, "Die Dämonen" ist der erste Teil. Der zweite ist "Freiheit oder Finsternis" und der dritte "Am Ende der Zeiten".


    Eine Gesamtübersicht über die Meißner'sche Vielfalt findest Du hier. Empfehlen kann ich sowieso alles (zumindest die Bücher, die ich schon gelesen habe - ein paar davon kenne ich selbst noch nicht) :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Empfehlen kann ich sowieso alles [...] :breitgrins:


    Ja, das habe ich hier schon mitbekommen. :breitgrins: Danke für den Link bzw. die Übersicht! Einer Amazon-Rezi nach zu urteilen sind wohl einige Leser damit auf die Schn... gefallen, weil sie etwas anderes erwartet hatten. Aber das macht es umso interessanter.

    "Verzicht bedeutet für Frauen die kurze Pause zwischen zwei Wünschen."

    ~ Mario Adorf


  • Gibt es sonstige Einsteigertipps unter den Meißner-Büchern?


    Wenn es nicht direkt eine Trilogie oder mehrbändige Reihe sein soll: Die Soldaten oder - wenn Du rockmusikfanatisch bist ;) - HalbEngel.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ich.kann.es.einfach.nicht.lassen. Zwar habe ich jemandem versprochen, am Ende eine Rezi aus Sicht von jemandem, der die Trilogie nicht der Reihe nach gelesen hat, zu schreiben, (was ich natürlich trotzdem tun werde, meine Versprechen halte ich), aber bis dahin halte ich es anders nicht ganz ohne Plappern aus. :breitgrins:


    Das Buch ist ja soo geil. Es kommt mir vor wie so ein altmodisches Märchen für weniger sanft Gestrickte. Mit diesem kindlichen König, dem runden, niemals rechtwinkligen Schloss und diesen niedlichen Dingern, die sich Irathindur und Gäus nennen. :breitgrins: Da haben sich ja zwei gefunden.


    Minten Liago ist in diesem Buch war früher noch verrückter als in Band II, ist das zu fassen? Der ist wirklich mit allen Wassern gewaschen, ich mag ihn. Und ich mag die,

    Und meinem heimlichen Liebling aus Band II bin ich auch schon begegnet. :klatschen:



    Diese Baroness ist ja übel, boah. Was die wohl für Eltern hatte, dass sie so verkorkst geworden ist?


    Zu Herrn Benesand: Mein Gott.

  • Das ist ja besser als Kino :popcorn:


    Ich freue mich so, dass Dir die Reihe so gut gefällt und habe Deine Beiträge und Spoiler gerade mit einem breiten Grinsen gelesen. :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Huhu :winken:


    Update: Meine Vermutung im Spoiler oben war falsch, aber das macht nichts. Das Buch macht immer noch unheimlich Spass.


    Ohne Spoiler geht es nicht mehr, aber eins kann ich sagen: Es geht wieder ganz schön ab. Gäus und Irathindur sind einfach zu geil. Da fragt man sich wirklich, wo der Unterschied zwischen den Menschen und den Dämonen überhaupt ist. Und ich bin noch nicht einmal in der Hälfte. Bis jetzt scheint mir, dieses Buch hat mehr Witz als Teil 2 und 3. Ich werde am Ende noch ausführlicher berichten. Und vermutlich erst dann wieder. :zwinker:


    Ach und noch etwas:


  • Da fragt man sich wirklich, wo der Unterschied zwischen den Menschen und den Dämonen überhaupt ist.


    Was meiner Meinung nach auch so ziemlich der rote Faden ist, der sich durch die ganze Trilogie zieht :smile:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Das auf jeden Fall. Nur scheint es mir bei diesem Band ganz besonders deutlich hervogehoben. Ich bin soo gespannt, wie es weitergeht. Die drehen immer mehr auf. :breitgrins:

  • So, hat eine Weile gedauert, aber jetzt bin ich durch:


    Achtung! Diese Rezi enthält Spoiler!
    Das ist eine Rezi aus Sicht von jemandem, der die Reihe nicht der Reihe nach gelesen hat, deshalb komme ich um einige Verknüpfungen zu den beiden Folgebänden „Die Dämonen: Freiheit oder Finsternis“ und "Die Dämonen: Am Ende der Zeiten“ nicht herum.

    Wo soll ich anfangen? Ich könnte ein Zitat nehmen, doch dann müsste ich das ganze Buch zitieren. Ich könnte behaupten, es ist das Beste der Drei, doch das wäre gelogen. Es ist zweifellos das, dessen Eindrücke mich am meisten berührt haben. Aber genial sind sie alle, Meissners Gabe, in wenigen Worten klare Verhältnisse zu schaffen, wird in allen drei Büchern sehr deutlich. So kann er zum Beispiel eine völlig technische, abstrakte Erklärung zu einem Kampf zwischen zwei Dämonen abgeben und mittendrin mal so ganz nebenbei die Gedanken des einen Dämons dazu einfliessen lassen. Man müsste denken, solche Kapriolen reissen einen aus dem Lesefluss, aber das ist nicht der Fall.


    Ich fand das Buch sehr flüssig zu lesen, es geht voran, die Sprache ist rund und leicht aufzunehmen, was nicht heisst, einfach. Im Gegenteil. Wie der Autor das macht, diesen erzählerischen Schwung zu erzeugen ohne dabei banal zu wirken, weiss ich nicht. Auch weiss ich nicht, was ich interessanter fand: Die Dinge, die ich von den Nachfolgebänden bereits wusste, oder die Dinge, die ich hier erst erfahren habe. Manches ist bestimmt auf den ersten Blick witziger, wenn man Charaktere wie z.B. Orogontorogon oder Taisser Sildien vor dem Lesen dieses Bandes bereits kennt.


    Anderes ist verwirrend. So stellte ich mir bei einer zu Beginn entstehenden Sandfontäne nicht etwa einfach nur einen Strand, sondern gleich eine ganze Wüstenlandschaft vor. Bis mir klar wurde: Moment, die Wüstenlandschaft gibt es da ja noch gar nicht. Ebenso hatte ich mit einer Figur recht früh gerechnet, die es dann doch nicht war.


    Genauso dachte ich eine ganze Weile lang, Band II wäre härter. Das stimmt für ungefähr 300 Seiten, denn die ersten 300 Seiten sind trotz manch trauriger Szene vor allem eins: Spass, Spass und noch mehr Spass. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal bei einem Buch so viel gelacht habe. Doch man spürt, es spitzt sich zu, weiss, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Dann kommt der Umsturz. Mit einem Mal herrscht bitterer Ernst und ich war einfach nur noch gefesselt. Ich erwischte mich da übrigens bei dem Gedanken: „Hey, das ist ja härter als Band I“… ähm, zwei, natürlich. ;)


    Es ist nicht so, dass die Kampfszenen wirklich grösser sind, als in Band II oder III. Aber sie sind wesentlich schlimmer. Gerade die Beschreibungen einiger weniger Einzelschicksale haben mich nicht mehr losgelassen. Und mittendrin sind die Protagonisten, um die ich zwar nicht direkt fürchtete, vermutlich auch weil ich die Folgebände bereits kannte, mit denen ich aber die ganze Zeit mitlitt und fieberte.
    Etwas zu meckern habe ich aber trotzdem noch: Teilweise gab es mir etwas zu viele Wiederholungen, irgendwann weiss man ja, dass Gäus sechs Arme hat. Und der Schluss hat sich etwas in die Länge gezogen.


    5ratten

  • Inzwischen habe ich einige Bücher des Autors mit Begeisterung gelesen und kann für mich sagen, daß kein Buch dem Anderen gleicht. Auch dieses Buch unterscheidet sich von den anderen Fantasy-Werken von Tobias O. Meißner. Es ist kein reiner düsterer Fantasy-Epos, sondern vielmehr eine tragisch-komische Geschichte mit Dämonen, die dem Leser in einiger Hinsicht sehr menschlich vorkommen.


    Die Sprache ist, wie gewohnt, prall und bildgewaltig, so erlebt der Leser bei einem Faustkampf hautnah die krachenden Schläge mit, Schiffsmasten bohren sich durch Wellen, Blitze tanzen wie weißglühende Spinnentiere und Holz von zerberstenden Schiffen schreit auf wie panisches Getier.


    Die Charaktere sind sehr vielfältig und skurril: auf der einen Seite haben wir die Menschen von Orison, einem Land, das kreisförmig in neun Baronate unterteilt ist, die im Zentrum durch Orison-Stadt verbunden sind, dem Sitz des Königs. Der Leser begegnet einem jungen und schmächtigen König, der einfach nur in Harmonie mit seinen Nachbarn leben möchte und mit der Königswürde überfordert ist, weil er sie viel zu früh erhalten hat, nachdem sich sein Vater nach einem Ausrutscher in Bratensoße in den Tod gestürzt hat. Die Baroness Meridienn den Dauren des sechsten Baronats ist eine sehr launische und tyrannische Person, die mit ihrer Schönheit den Männern den Kopf verdreht. Wir begegnen einem Heereskoordinator wider Willen, der im Anblick von Schlachten mit seiner nervösen Verdauung zu kämpfen hat. Einem Einnahmenkoordinator, der besessen von der Vorstellung ist, mit Meridienn eine Nacht zu verbringen und darüber verzweifelt. Einem jungen Mann aus einfachen Verhältnissen, der davon träumt, Student des Weisen Serach zu werden, dem das Schicksal aber einen ganz anderen Weg bereithält.


    Auf der anderen Seite haben wir die beiden Dämonen Gäus und Irathindur, denen mithilfe zweier Ohrringe die Flucht aus dem Mahlstrom des Dämonenschlunds gelingt. Einer Geburt ähnlich sind die Dämonen in ihrer neugewonnen Freiheit erst ganz klein und winzig, um nach der Übernahme der menschlichen Körper zu wachsen und zu reifen. Sie nehmen immer mehr die Verhaltensweisen der von ihnen besetzten Menschen an, wobei der junge König mutiger und entscheidungsfreudiger, Meridienn dagegen weicher und menschlicher wird. Wenn da nur nicht die Sache mit der Lebenskraft wäre, ohne die die Dämonen außerhalb des Dämonenschlunds nicht lange überleben können. Irathindur ist bald der Meinung, daß Gäus, als er sich für den König als Wirtskörper entschieden hat, ihm gegenüber einen Vorteil hat, was den Zugriff auf die Lebenskraft anbetrifft und versucht alles, um dieses Ungleichgewicht zu seinen Gunsten zu verschieben. Die beiden Dämonen betreiben ein Wettrüsten, das in einem brachialen Krieg mündet.
    Der Autor geht mit seinen Figuren nicht unbedingt zimperlich um, der Leser muß sich darauf gefasst machen, daß einige Charaktere das Buchende nicht erleben.


    Mir hat diese Mischung aus skurrilen und teilweise komischen Gestalten mit einer schlagkräftigen Handlung sehr gut gefallen und ich bin nun gespannt, wie es im zweiten Teil mit den Dämonen weitergeht.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin