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Inhalt: In London tobt 1666 mehrere Tage lang ein großer Brand, ein offensichtlich geistesgestörter Franzose wird als Brandstifter gehängt. Der Junge Geoffrey Ingram hat die Hinrichtung beobachtet und berichtet anschließend dem geheimnisvollen Master Gerard, der die Armenklasse von St. Olave in Southwark und damit auch Geoff unterrichtet hat. Master Gerard drückt Geoff daraufhin Papier und Feder in die Hand mit dem Auftrag, das aufzuschreiben, was wirklich geschehen ist. Geoff beginnt seine Geschichte im Jahr zuvor, als der Vater an der Pest stirbt. Die Mutter hat die Familie nach Geoffs Geburt verlassen, der älteste Bruder Edward ist vor Jahren verschwunden, nachdem er den Vater fast totgeschlagen hat. So ist nur noch seine Schwester Jezebel übrig geblieben und diese verschwindet am Todestag des Vaters auch. Möglicherweise bestehen hier Verbindungen zu Jez' Verehrer Jamie Hollar, denn dessen Vater hat sie doch aufgesucht? Außerdem muß Geoff bald feststellen, daß sein Bruder gar nicht so weit verschwunden ist, wie er gedacht hat, denn dieser betreibt in Lambeth Marsh angeschlossen an das Maiden Inn von „Mutter Southwood“ ein Theater, bei dem der Zugang wegen der Freizügigkeit des Inhalts nur ausgewählten Gästen gestattet ist, die meist aus den besseren Viertel der anderen Themseseite kommen. So erfährt Geoff auch bald, daß Jezebel irgendwo in Surrey auf dem Land sein muß. Aber wie das alles mit den Hollars zusammenhängt, welche Rolle Master Gerard in diesem ganzen Zusammenhang spielt, wie die Vergangenheit sich (wieder) in das Leben all dieser Menschen schleicht und ob und wenn ja was das schließlich alles mit dem großen Brand zu tun hat, das enthüllt sich nur Stück für Stück ...
Meine Meinung: Hinter dem Pseudonym Tom Finnek verbirgt sich Mani Beckmann, der mich mit seiner Moortrilogie um das Dorf Ahlbeck im Münsterländischen schon überzeugt hat. Und vieles von dem, was mir dort gefallen hat, habe ich auch hier wiedergefunden. Bezeichnend ist, daß um die „große Geschichte“ ein Bogen gemacht wird. Hier tritt kein König auf, die einzigen Adligen sind ein paar verschämte Besucher in Edwards Theater und ansonsten ist die ranghöchste Person der Bürgermeister von London. Sehr viel mehr erfährt man über die Menschen, die gegenüber von London am anderen Themseufer leben, und das ist wahrlich keine besonders aparte Wohngegend, im Gegenteil war ich wieder einmal froh, daß Bücher nicht die Gerüche ihrer Handlungsort transportieren, von dem beschriebenen Dreck und den harten Sitten ganz zu schweigen. Insgesamt paßt die Atmosphäre aber sehr gut zur erzählten Geschichte und wird durch die Abschnitte, die auf dem Land in Surrey angesiedelt sind, auch gut kontrastiert.
Ein weiterer Aspekt ist die Variablität der Sprache. Die einzelnen Teile sind aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei nur Geoff als Ich-Erzähler auftritt. Gerade hier schafft Finnek einen betont lässig-schnoddrigen Stil, der hervorragend zu einem 13jährigen paßt, der für ihn ungewohnter Weise strukturiert und kausal berichten soll. Aber auch die übrigen Abschnitte unterschieden sich durchaus, je nachdem ob bspw. Jezebel oder der Nachbar Ray Webster oder sonst jemand den Fokus bekam. So gut mir die von Geoff erzählten Teile gefallen haben, so geschickt war es, nicht die ganze Geschichte in diesem Stil zu erzählen, der sich darüber abgenutzt hätte. Zudem hätte dies eine Verengung auf Geoffs Perspektive bedeutet, die dem Leser viele Einsichten und Puzzlestücke vorenthalten oder nur mühselig anders hätte präsentiert werden können. Ich mag es auch durchaus, wenn ich eine Szene aus mehreren Perspektiven erleben kann, das eröffnet meist ganz besondere Einblicke – oder auch Verwirrungen, was aber auch seinen Reiz hat.
Einziger Wermutstropfen für mich ist, daß doch die ein oder andere Frage zu viel am Ende offen geblieben ist. Teilweise war das durchaus passend, weil die Beteiligten oder Betroffenen sie nicht mehr auflösen konnten und man sich auch im echten Leben damit würde abfinden müssen. Aber speziell eine Episode aus Mutter Southwoods Vergangenheit hätte noch eine Auflösung erfahren dürfen, das blieb mir ein bißchen zu vage. Aber vielleicht findet Geoff die Antwort noch heraus und wir Leser erfahren sie dann in Gegen alle Zeit
Schönen Gruß
Aldawen