[size=13pt]Umberto Eco – Der Friedhof in Prag[/size]
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OT: Il Cimiterieo Di Praga
OA: 2011
519 Seiten
ISBN: 978-3446237360
Inhalt:
Paris, 1897. Der Italiener Simonini erwacht in einer Pariser Wohnung ohne Erinnerung an die vergangenen Tage. Er beginnt Tagebuch zu schreiben, um sich von seiner Kindheit über die Erlebnisse während des Risorgimento und der Pariser Kommune an die Gegenwart heranzutasten. Doch während er schläft, kommentiert jemand seine Einträge und entlarvt Simonini nicht nur als durchtriebenen Fälscher und Agenten, sondern auch als höchst gefährlichen Antisemiten und Mitverfasser der Protokolle der Weisen von Zion. (Quelle: Amazon)
Eigene Meinung:
Ich habe mir das Buch aufgrund des Klappentextes zugelegt, der eine spannende, mystische und ereignisreiche Geschichte versprach. So zumindest habe ich es verstanden, aber was ich letztendlich las, war ein völlig anderes Genre.
Dieses Buch ist definitiv keine leichte Kost. Eco erzählt von Antisemitismus, Verschwörungen und sehr viel politischer Geschichte des späten 19ten Jahrhunderts. Sein Protagonist wird hier zum Werkzeug. Übrigens einer der wenigen fiktiven Gestalten dieses Buches, welches zum überwiegenden Teil von realen Personen existierte.
Durch ihn bekommt der Antisemitismus und dessen Propagandamaschinerie ein Gesicht und dieses Gesicht ist niemals auch nur annähernd ein angenehmes. Genau dies macht dieses Buch so schwer zu lesen. Simonini ist ein Egoist, ein emotionsloser unehrlicher Zeitgenosse und ein Antisemit aus Überzeugung. Er lebt, weil er hassen kann. Es hat mich sehr oft Überwindung gekostet dieses Buch nach einer Weile wieder zur Hand zu nehmen und weiterzulesen, weil mich der Protagonist einfach nur noch anekelte. Hatte ich dann allerdings angefangen, so konnte ich es kaum aus der Hand legen. Man ist irgendwann einfach nur noch übersättigt an Hasstiraden gegen Juden, Jesuiten und Freimaurern. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass dieser Mensch Simonini und seine Überzeugung in keinster Weise mit der von Eco konform ist, denn sonst hätte dieser dieses Buch niemals geschrieben, aber diese Person per se ist so real, dass es einen schaudert und das ist gut so. Solch ein Mensch darf gar nicht positiv dargestellt werden. Diese emotionslose Haltung des Protagonisten vermittelt sehr drastisch, warum ein Mensch eine ganzes Volk so sehr hassen kann, dass er sich dessen komplette Vernichtung wünscht und dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht.
Eco hat mit diesem Werk die Fälscher entlarvt, die es immer wieder und auch och heute gibt und das nur allzu regelmäßig vor Augen der gesamten Öffentlichkeit. Sie fälschen, weil es ihnen Nutzen bringt und anderen schadet und immer wieder wird es Menschen geben, welche kritiklos alles glauben was man ihnen vorsetzt und, ohne sich eine fundierte eigenen Meinung zu bilden, darauf anspringen. Hier liegt ebenso das Verhalten der Deutschen zu Zeiten der Nazis zu Grunde. Es wurde Propaganda betrieben mit solchen offensichtlichen und skurrilen Ammenmärchen, aber die meisten wollten und haben sie geglaubt ohne Skrupel, ohne Rücksicht auf Verluste und das allerschlimmste ohne Reue.
Eco hat mit diesem Buch sehr genau und erschreckend deutlich das Gesicht des Rassismus skizziert und seine Entwicklung in einer Gesellschaft.
Die Story an sich beruht auf Fakten und wahren Begebenheiten und das macht das Buch nicht nur authentisch, sondern ist auch eine erschreckende Warnung sehr vorsichtig mit Verdächtigungen, Vorurteilen und offiziellen Skripten und Recherchen umzugehen.
Ein ausgesprochen gutes Buch, welches sehr starke Emotionen hervorruft und sehr erschreckend in Erinnerung bleiben wird.
Tina