Donna Tartt - Die geheime Geschichte

Es gibt 35 Antworten in diesem Thema, welches 9.492 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Nach langer Zeit und auch noch als Neuling krame ich diesen Thread wieder aus :smile:


    Ich habe auch noch einmal nachgegraben, schließlich bin ich durch diesen Thread auf das Buch aufmerksam geworden. Vieles von dem, was ich mir zu dem Buch notiert habe, ist schon gesagt worden. Der Erzähler Richard war mir am Anfang noch nicht sympathisch, dazu hat er mir zu viel gejammert. Natürlich hat er es nicht leicht gehabt und musste kämpfen, um seinen Traum zu verwirklichen, aber trotzdem ist mir sein Jammern anfangs ein bisschen auf die Nerven gegangen. Seine Geschichte dagegen hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen.


    Allerdings konnte ich nicht verstehen, warum er unbedingt in diese Clique aufgenommen werden wollte, denn es kam mir nicht so vor, als ob er deren Mitglieder wirklich mochte. Aber vielleicht liegt es nur daran, dass er die Geschichte rückblickend erzählt und da natürlich ganz andere Gefühle mitspielen. Trotzdem: keiner von ihren wäre etwas für mich gewesen und so konnte ich nicht verstehen, dass Richard so begeistert war. Ich fand von Anfang an, dass die Fünf (mir fällt es schwer, sie als einzelne Personen zu sehen) etwas Unheimliches an sich hatten. An mehreren Punkten hätte ich mich so unwohl gefühlt, dass ich "ausgestiegen" wäre. Richard aber macht weiter, zu seinem eigenen Schaden.


    Es ist ein interessantes psychologisches Spielchen, das da abläuft. Die Clique hat sich fest im Griff. Aber irgendwann schlägt die Stimmung um. Plötzlich weckt die Idee, für immer an sie gebunden zu sein, bei Richard nur noch Ekel. Da ist es aber für ihn zu spät. Trotzdem gibt es für ihn zum Schluss eine Art Entkommen, auch wenn es leider keine weiteren Konsequenzen zu geben scheint. Ich finde, sie sind alle zu leicht davongekommen.


    Die Geschichte hat auch für mich zwischendurch ein paar Längen, aber sie ist auch etwas Besonderes.
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ihr habt mich grad so angefixt auf dieses Buch, dass ich es mir soeben bestellt habe! :grmpf:
    Ich bin nun seeeehr gespannt darauf! :bang:

    Ein Tag ohne Buch ist kein guter Tag!<br />______________________________<br /> :lesen: &quot;Der Tod und die Diebin&quot; - Swantje Berndt<br /> :lesen: &quot;Elyson&quot; - Thomas Elbel<br /> :lesen: &quot;Der Märchenerzähler&quot; - Antonia Michaelis<br /><br />TAMKA 2/4&nbsp; März 2/3&nbsp; Mai 1/2

  • Kirsten: :growSUB: :buecherstapel: (Mehr bleibt nicht mehr zu sagen... hihi)

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  • Das Buch ist so genial das hat noch einen weiteren Schubs verdient :smile:


    Das Wichtigste zuallererst: "Die geheime Geschichte" ist kein klassischer Kriminalroman. Schon auf den ersten Seiten weiß der Leser, wer der Mörder ist und wer sein Opfer war.
    Der Ich-Erzähler plaudert ganz unbekümmert von diesem Moment, so als wäre es eine selbstverständliche Tat gewesen, um danach zurückzugreifen und zu erklären, wie es zu diesem Mord kommen musste. Sie konnten gar nicht anders, wirklich.
    Der Leser erfährt über sein Leben als Außenseiter, von seiner Mühe und seinem Wunsch sich in den erlesenen Kreis von altgriechisch Studenten einzuhandeln.
    Selbst als Leser wurde ich von diesen Studenten geblendet, nicht nur von ihrem vorbildhaften Studentendasein: Ist es geschickte Manipulation oder ein genialer Schachzug der Autorin, aber immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich mit den Mördern sympathisiere und ihnen Verständnis entgegenbringe.
    Donna Tartt beschreibt das Miteinander dieser kleinen Gruppe von Studenten. Von Aussen betrachtet, sind sie gewissenhaft, selbstbewusst, und vor allem reich. Sie verweigern sich, sich mit den ordinären Studenten zu vermischen und saufen, koksen wie viele andere Studenten auch. Richard muss feststellen, dass unter der Oberfläche alles ganz anders ist, als das, was er sich in seinen Vorstellungen erträumt hat.
    Das Buch besteht, nach dem Mord, aus zwei Teilen. Zuerst wird beschrieben, wie es zum Mord kommen konnte, wie eine handvoll Studenten zu dieser Tat fähig wurden. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Folgen, mit dem Leben nach dem Mord.
    Flüssig und mit einem fesselnden Schreibstil wird der Leser in die Geschichte hineingezogen. Obwohl man von Anfang an weiß, was passiert ist, gelingt es der Autorin trotzdem die Spannung hoch zu halten. Hier und da eingestreute Landschafts- und Personenbeschreibungen lassen die Geschichte lebendig wirken, ohne sie zu überladen.
    Irgendwie passt einfach alles. Man merkt deutlich, dass Donna Tartt Jahre an diesem beeindruckenden Buch geschrieben hat.
    "Die geheime Geschichte" hat mich vom Anfang bis zum Schluss vollkommen überzeugt. Sie hat weder Längen noch Schwächen und ist zeitlos, an keiner Stelle ist mir auch nur aufgefallen, dass der Roman schon älter ist.


    5ratten

  • Ich lese das Buch schon ein Weilchen (ok ich hab eine Lesepause eingelegt, weil ich plötzlich so viel lesen wollte *gg*) und finde vor allem die Dynamik innerhalb der Gruppe sehr spannend. So richtig durchschaut hab ich das Ganze bisher noch nicht, aber mir gefällt, das man merkt, wie Richard sich dem kaum noch entziehen kann.

  • Ich muss das unbedingt mal wieder lesen. Meine erste und einzige Lektüre liegt schon fast 20 Jahre zurück und ich weiß nur noch, dass es mir gefallen hat, aber die Details sind allesamt weg.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Es ist Ewigkeiten her, daß ich es gelesen habe, aber ich kann mich erinnern daß ich richtig begeistert war davon. Eine ungewöhnliche Geschichte die völlig anders verläuft als man anfangs erwartet. Wär wirklich was für einen Re-read, weil es mir mit den Details wie Valentine geht. Ich hab nur noch schemenhafte Erinnerung an die eigentliche Handlung, eher Stimmungen, als Einzelheiten.


    Viel Freude weiterhin damit HoldenCaulfield

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • Meine Meinung:

    Woher die Pressestimme auf meiner Ausgabe, hernimmt, dass der Roman nerventaufreibend spannend sei, weiß ich nun ja nicht. Die geheime Geschichte ist vieles, aber spannend würde ich den Roman nun ja nicht gerade bezeichnen. Das heißt nicht, das er nicht trotzdem grandios ist ;)

    Der Roman hat viele viele andere Qualitäten, die dafür sorgten, das ich dermaßen gefangen von der Geschichte war.
    Ich habe eine extreme Schwäche für die Clique entwickelt, die so sehr von sich eingenommen ist, egoistisch darauf bedacht, das niemand hinter ihr Geheimnis kommt. Gerade die Gruppendynamik hat mich fasziniert und angezogen. Es ist ein seltsames Ungleichgewicht, einerseits sind sie eben ganz normale, etwas versnobbte junge Leute, aber gleichzeitig haben sie nicht nur einmal ein Verbrechen begangen. Es ist als ob es zwei Welten gibt, die sich nicht immer überschneiden. Und selbst wenn sie es tun, irgnoieren sie das.


    Richard als Erzähler ist dabei Klug gewählt, denn durch die Tatsache das er als Neuling zu dieser Gemeinschaft stößt, nimmt er gemeinsam mit den Leser*innen die Beobachterposition ein. Nach und nach wird man so aber auch Teil der Clique und des perfiden Plans, der langsam Gestalt annimmt, um noch mehr zu vertuschen. Die Wechselbeziehung und Machtverhältnisse innerhalb der Gruppe fand ich persönlich dabei besonders interessant. Das Gefüge ist fragiler, als es nach außen hin erscheint. Seltsam fand ich vielleicht nur, das Julian, obschon Ausgangspunkt für die enge Beziehung kaum eine Rolle spielt. Im Grunde ist er weniger als eine Nebenfigur, so selten wie er in Erscheinung tritt.

    Wenn ich so darüber nachdenke, ist die Handlung oberflächlich betrachtet recht trivial. Aber Tartt gelingt es das ganze so einnehmend zu beschreiben, ich konnte nicht genug davon bekommen.


    Faszinierend finde ich auch, das ich die Figuren wirklich mochte. Das liegt sicher auch daran, das man sie sehr stark aus Richards Perspektive kennenlernt und kaum eine Möglichkeit hat, sie wirklich objektiv zu bewerten. Selbst der Mord, und was dem vorrausgeht, macht es einem nicht unbesdingt leichter. Manchmal musste ich mich regelrecht zwingen, nicht zu vergessen, mit was für Menschen man es hier eigentlich zu tun hat. Einerseits wirken sie so,als würde ihnen das erlebte durchaus nahe gehen- allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Immer dann, wenn es darum geht, das sie sich dem ganzen Stellen müssten, schieben sie ihre Taten beiseite und ignorieren, das sie diejenigen sind, die das zu verantworten haben. Diese Ambivalenz hat mir glaube ich dabei am meisten gefallen. Mir ist sehr klar, das ich das ganze Verurteile. Trotzdem sind sie eben sehr einnehmend und man versteht sehr gut, weshalb Richard gar nicht anders konnte, als Teil des ganzen sein zu wollen.


    Die großen und kleinen Geheimnisse, die Richard eigentlich nur deshalb erfährt, weil der Mord und alles was danach passiert, ein Katalysator dafür ist, das er hinter die Fassade seiner Freunde blicken kann, sind vielleicht das, was man am ehesten als spannend bezeichnen könnte. Die neue Dynamik die durch diese Ereignisse entsteht, sorgt dafür, das man sich immer wieder fragt, ob noch ein großer Knall das Kartenhaus zum Einstürzen bringen wird, oder ob es wirklich keinerlei rechtliche Konsequenzen für die Gruppe gibt. Das ganze bewegt sich am Rande des Wahnsinns. Gleichzeitig erkennt man sehr wohl, das die Konsequenzen vor allem psychischer Natur sind. Aber auch, das vielleicht erst dadurch eine Emanzipation voneinander möglich ist. Vor allem die Zwillinge Charles und Camilla (jap die heißen wirklich so :lachen: ) haben perfiderweise erst dadurch die Möglichkeit, sich neu zu definieren.

    Die Spannungen zwischen allen treten immer stärker hervor, nach und nach wird klar das Richard so einiges falsch gedeutet hat, weil er nicht alle Informationen hatte. Erst dadurch konnte er aber überhaupt in das Ganze Spiel hineingezogen werden. Aufgrund der schon beschriebenen Perspektive, kann man auch von außen vieles erst mit Richard gemeinsam anders bewerten. Auch wenn einen hi und da schon Vorahnungen beschleichen.

    Diesen Wahnsinn zu beobachten ist wirklich faszinierend, für mich ist "Die geheime Geschichte" einer der besten Romane, die ich jemals gelesen habe.


    5ratten

  • Ich muss das echt noch mal lesen, ich weiß praktisch gar nichts mehr darüber, außer, dass ich es sehr mochte. Ich muss mal gucken, wo das bei uns rumsteht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung

    Ich habe eine extreme Schwäche für die Clique entwickelt, die so sehr von sich eingenommen ist, egoistisch darauf bedacht, das niemand hinter ihr Geheimnis kommt.

    Bei mir waren es genau die Gründe, warum ich die Clique nicht mochte. Auf mich haben sie wie eine Einheit gewirkt und nicht wie einzelne Persönlichkeiten. Sind die Mitglieder aber alleine aufgetreten, war mein Eindruck ein anderer: da haben sie sich ganz anders verhalten und aus ihrem Verhalten und dem, was sie erzählt (oder manchmal auch gerade nicht erzählt) haben, hat sich ein interessantes Bild auf die Clique ergeben.


    Ich fand sehr spannend, wie Richard ganz langsam in den Sog der Clique gezogen wurde und irgendwann auch deren Denkweise angenommen hat. Ihm ist nicht mehr aufgefallen, wie seltsam das Verhalten untereinander und zu Außenstehenden manchmal war. Da ist es kein Wunder, dass sich die Dinge so entwickelt haben.


    Auch beim zweiten Lesen hat mich The secret history überzeugt, auch wenn mir die in meiner ersten Rezi erwähnten Längen auch dieses Mal aufgefallen sind.

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Sind die Mitglieder aber alleine aufgetreten, war mein Eindruck ein anderer: da haben sie sich ganz anders verhalten

    Das ist ja gar nicht so abwegig und auch im real life durchaus so zu beobachten.


    Ihr habt mir mit den letzten Postings großen Appetit auf einen Re-Read gemacht. Das könnte ein schönes Einkuschelbuch für den Herbst werden, wenn er dann mal kommt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen