Gerade habe ich mal wieder so geschaut, was es heute für kostenlose Bücher bei Amazon gibt, da bin ich auf ein Autorenstatement gestoßen. Bodo Lanza erklärt in der Kurzbeschreibung seines Buchs "Bargeld" warum er zukünftig auf kostenlose Aktionen verzichten wird.
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Zitat von Bodo LanzaVom 26. bis 30. Oktober 2012 gibt es dieses Buch vorerst zum letzten Mal kostenlos.
Leider haben kostenlose Aktionen bei meinen anderen Büchern nur zu schlechten Kritiken geführt, da diese Leser - der kostenlosen Schnäppchen wohl überdrüssig - Bücher nur anlesen und anschließend mit wenig Sachverstand verreißen, gehäufte Rechtschreibfehler finden und "Metaphern" bemängeln. Sogar Downloadprobleme, für die Amazon verantwortlich ist, führen zu Abwertungen, „weil das so gewollt ist" (Amazon-Kommentar). Wer aber ein Buch gekauft hat, behandelt es sowie den Autor mit mehr Respekt.
Dieses Buch kostet 4,67 Euro - eigentlich sollte es 4,99 Euro kosten, doch den Endpreis genau zu berechnen ist nicht ganz einfach. Sei es drum. - Es hat 516 Seiten. Es schildert keine Märchen und keine Fantasiegestalten, sondern ist mit großen Hintergrundwissen und realen Lebens-Erfahrungen in einem Zeitraum von etlichen Jahren geschrieben und seitdem etwa 35-mal überarbeitet worden. Der Leser kann auf den ersten 60 (sechzig!!!) Seiten kostenlos nachlesen, ob ihm das Buch gefallen könnte. Somit halte ich den Preis für angemessen.
Was denkt ihr darüber? Führt ein kostenloses Angebot wirklich zu Geringschätzung?
Zumindest das Buch "Bargeld" hat mit einem Durchschnitt von 4,9 Sternen bei sieben Rezensionen keine solchen negativen Kritiken.
Seine anderen Bücher sind wirklich etwas durchwachsener beurteilt worden.
Tatsächlich bietet ein Großteil der kostenlosen Bücher oft nur geringe Qualität. Solange es nur (nicht allzu häufig) auftauchende Rechtschreibfehler sind, kann ich das tolerieren, aber einige Bücher lesen sich wirklich wie schlechte Schulaufsätze.
Aber was sind "allzu häufig" auftauchende Rechtschreibfehler quantitativ gesehen genau? Das ist wohl recht subjektiv. Ich bin da eher tolerant und überlese sogar meist Fehler, da mein Gehirn automatisch das Richtige liefert. Andere sind wesentlich sensibler und werden durch so etwas massiv im Lesefluß gestört.
Wie in jeder Rezension ist das Ansprechen dieses Kritikpunkts Ermessenssache und in meinen Augen völlig legitim.
Oder kann der Autor wirklich sicher sein, dass in seinem Buch keine Fehler sind? So etwas kann man selbst in aufs professionelste lektorierten Büchern finden, deshalb wage ich das zu bezweifeln.
Ich finde die meisten negativen Kritiken zu Herrn Lanzas Büchern durchaus gut begründet (bis auf die Ausnahme des Download-Problems, für das man den Autor und das Buch nun wirklich nicht verantwortlich machen kann).
Insgesamt finde ich die Art sich heulend an seine Leser zu wenden etwas seltsam, aber dennoch ist diese These durchaus diskussionswert.
Letztlich auch für die Frage, ob sich bei uns die Modelle zur freiwilligen Bezahlung etablieren könnten.
Erst vor ein paar Tagen habe ich in mit die Leseprobe des Bestsellers "Die Kunst des klaren Denkens" von Rolf Dobelli nämlich eine ganz andere (altbekannte) These gelesen. Hier stellt er die Theorie vor, dass Menschen es kaum ertragen in der Schuld eines anderen zu stehen. Weswegen die blumenverschenkenden Krishna-Flugplatzjünger ein Vermögen an Spenden einsammeln konnten (eine beliebte und uns allen sicher bekannte Masche ist heute das Versenden von ungewollten Postkarten, Kalendern etc. mit gleichzeitigen Spendenaufruf für diverse Organisationen) oder man sich immer wieder mit ungeliebten Bekannten trifft, weil man sich ja noch eine Einladung "schuldet".
Wir wollen also etwas geben, wenn wir etwas geschenkt bekommen.
Bei Büchern geben viele Leser Rezensionen im Tausch. Bei gedruckten Büchern ist das sogar eine übliche Praxis und bei E-Book-Selbstverlegern erst recht.
Um genügend Leser anzlocken muss ein neuer Autor sein selbstverlegtes Buch natürlich zunächst kostenlos oder recht preiswert anbieten. Bei genügend positiven Rezensionen und genügend Lesern, kann man dann schließlich, mit dem bekannt gewordenen Namen, doch noch Geld verdienen. Prominentestes Beispiel ist hier wohl E.L. James mit "50 Shades of Grey".
Die Forderung, dass Rezensionen dann gefälligts noch positiv sein sollen, halte ich für reichlich unverschämt. Rezensionen sollten doch vorallem immer ehrlich sein. Ein ernsthafter Schriftsteller sollte das eigentlich wissen und sogar fordern.
Ich bezweifele auch, dass es (viele) Leser gibt, die es sich zum Hobby gemacht haben kostenlose E-Books nur anzulesen, um sie dann zerreißen zu können. Erst recht, wenn ich mir die vielen positiven Kritiken ansehe bei Büchern, die mir nicht gefallen haben, eben weil sie qualitativ schlecht und keinewegs professionell waren. (Gut, das Problem der "Fake"-Rezensionen will ich jetzt gar nicht weiter beleuchten. Die sind aber meist leicht erkennbar.)
Ich selbst gehe jedenfalls an ein kostenloses Buch nahezu genauso unvoreingenommen heran, wie an ein normales Buch. Nur nahezu, da ich im Allgemeinen bei solchen Büchern eher großzügiger gestimmt bin und geringere Erwartungen habe, die eher nur übertroffen werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein kostenloses Buch aus "Dankbarkeit" positiver bewerte als ein gekauftes ist bei mir also einen Tick höher, nicht niedriger. Ich denke andere Leser geht es ebenso?
Wenn mir das Buch dann aber trotz dieses (wenn auch nur kleinen) Vorteils nicht gefällt, habe ich genauso das Recht das sagen zu dürfen, als wenn ich etwas dafür bezahlt hätte!
Ich denke, nicht das kostenlose Angebot führt zu schlechten Kritiken, sondern schlechte Qualiät! Die Qualität an sich muss ganz sicher nicht besser werden, wenn ein Autor auch noch so viele Jahre lang am besagten Buch geschrieben hat. Und eine 35-malige Bearbeitung ist ebenfalls ganz sicher kein Qualitätsmerkmal.
Ich kann die merkwürdige Strategie (al la John Ash, wenn auch nicht ganz so beleidigend) des Autors nicht wirklich verstehen und auch nicht gut heißen. So bekommt er sicher nicht mehr positive Beurteilungen.
Es ist sein gutes Recht seine Bücher nicht in kostenlosen Aktionen anzubieten, aber sich auf diese Art über Rezensionen beschweren? :sauer:
Davon einmal abgesehen, habe ich tatsächlich aber schon die Erfahrung gemacht, dass kostenlose Dinge (meist Gegenstände oder Lebensmittel) geringschätzig behandelt werden und leichtfertig weggeworfen oder kaputt gemacht werden.
Wäre es also doch möglich, dass Rezensionen bei kostenlosen Büchern schneller mal schlechter ausfallen?
Dagegen spricht aber auch, dass Bücher die man geschankt bekommt sicher nicht schlechter bewertet werden als Bücher, die man sich selbst gekauft hat, nur weil man bei ersteren nicht sein eigenens sauer verdientes Geld hergegeben hat.