Sind Klassiker langweilig?

Es gibt 101 Antworten in diesem Thema, welches 19.917 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Mrs Brandon.

  • Ich finde es schwierig, wie Du Themen miteinander vermischst. Möchtest Du die Dickens- und Adeldiskussion auf Deutschland oder auf England beziehen? Die Mittelschichtsdiskussion aktuell in Deutschland oder historisch in England? das sind völlig verschiedene Dinge und so wild durcheinander zuargumentieren ist für mich an dieser Stelle sinnlos.


    NB. Die heutige Existenz des britischen Adels belegt zweifelsfrei, dass Dickens sich geirrt hat (wenn er das denn so von sich gegeben hat, das kann ich nicht beurteilen).


    Du hast geschrieben, daß Klassiker deswegen als Klassiker anzusehen sind, weil sie Themen ansprechen, die zeit- und modeübergreifend sind. Damit müßten die Diskussion in jedem Land berechtigt sein, sowie zu jeder Zeit, welche Dickens als Klassiker ansieht. Also auch im modernen Deutschland. Richtig?


    Aber gut: England? Wunderbar, mein Lieblingsland, begrenzen wir uns darauf. Als eigentlich halber Engländer kann ich Dir übrigens sagen, daß es dort kaum noch irgendwelche Adelsdiskussionen gibt. Die "Adeligen" werden meistens nur noch als Zirkusfiguren angesehen, lokale Kuriositäten ohne jede Bedeutung. Von Klassenkämpfen weit und breit Spur.


    Auch die englische Mittelschicht, die ja, nach Deiner Aussage, sehr im NIedergang ist, hält sich bestens:
    http://www.telegraph.co.uk/new…dle-class-poll-shows.html


    Aus Deiner eigenen Argumentation heraus: wieso ist daher heutzutage Dickens in England (und in Deutschland) als Klassiker anzusehen?


    Manchmal habe ich das Gefühl, es wäre besser, wenn Menschen auch Literatur aus der vergangenen Zeit mit demselben Blick anschauen würden, wie sie die modernen Werke ansehen.


  • Gut, ich stimme dir zu, dass wir hier nicht über zukünftige Klassiker entscheiden können. Aber worin die Qualitäten von Shades of Grey liegen, konnte mir bisher auch noch niemand schlüssig aufzeigen. Heute zählt das Werk nicht zu einem (modernen) Kanon. Oder würdest du das ebenfalls anzweifeln?


    Gruß, Thomas


    HEUTE zählt Shades of Grey nicht zum modernen Kanon, richtig. Ebenso wie Abertausende anderer Bücher. Zu dem Buch an sich kann ich nicht sagen, da ich es nicht gelesen habe. Aber ich unterstelle mir nicht, darüber Urteil abzugeben, ob es literarisch wertvoll ist, oder nicht.


    Vielleicht werden unsere Urenkeln einst sagen, daß genau dieses Buch unsere Gesellschaft und unsere Mentalität am besten widerspiegelt und daher in den Schulen zu unterrichten ist. Wer weiß?

  • Vor rund 100 Jahren hätten alle darauf gewettet, dass Gustav Freytag und Paul Heyse es in die Liste der immerwährenden Klassiker schaffen würden. Vor 200 Jahren dachte man dasselbe von Theodor Körner.


    Ich finde diese Informationen sehr interessant, wäre aber erfreut, wenn du - sofern dir das möglich ist - mal näher beschreibst, warum man das geglaubt hat und woran es dann (möglicherweise) gescheitert ist.


    Gruß, Thomas


  • Gut, ich stimme dir zu, dass wir hier nicht über zukünftige Klassiker entscheiden können. Aber worin die Qualitäten von Shades of Grey liegen, konnte mir bisher auch noch niemand schlüssig aufzeigen. Heute zählt das Werk nicht zu einem (modernen) Kanon. Oder würdest du das ebenfalls anzweifeln?


    Zwar verreißt Denis Scheck das Buch, aber dennoch finde ich es interessant, wieviel Interpretation "Shades of Grey" überhaupt zulässt. Da fallen Sätze wie


    Zitat

    sozusagen den Vampir durch den Milliardär ersetzt, übrigens eine tolle Gleichsetzung, und das bringt mich auf meine These, dass im Grunde der Gegenstand von "Shades of Grey" gar nicht der Masochismus oder Sadismus sowie Bondageszenen sind, der SM-Porno-Anteil, sondern das wirklich Obszöne an diesem Buch ist die Darstellung des Reichtums des Milliardärs Grey, der ja im Vordergrund steht.


    Zitat

    Eigentlich ist es eben ein Kapitalismusporno


    Zitat

    Das reiht sich ein in eine lange Geschichte der einhändigen Lektüren - denken Sie nur in den 70er-Jahren an Erica Jong, "Angst vorm Fliegen", das gab es ja immer wieder mal solche Straßenfeger-Literatur quasi.


    Zitat

    Aber ich glaube, hier ist es weniger die Unterwerfungssehnsucht oder die SM-Vorliebe, sondern ich glaube, es handelt sich um eine intellektuelle Entlastungssehnsucht, ein quasi so ein Phänomen des "mir ist das alles irgendwie zu viel".


    Schrottprosa zwischen zwei Buchdeckeln


    Wäre das einigermaßen gut geschrieben... wer weiß. Gerade der Punkt der intellektuellen Entlastungssehnsucht im Zeitalter von Burnouts ist doch eigentlich ein wunderbarer Spiegel unserer Gesellschaft, oder?

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Vielleicht werden unsere Urenkeln einst sagen, daß genau dieses Buch unsere Gesellschaft und unsere Mentalität am besten widerspiegelt und daher in den Schulen zu unterrichten ist. Wer weiß?


    Ja, das kann sein. Wobei unsere heutigen Klassiker gar nicht so sehr allein die Mentalität der damaligen Zeit nachspüren sollen, sondern uns auch heute noch was zu sagen haben und damit einen gewissen Anspruch auch für die universitäre Beschäftigung voraussetzen. Aber auch das kann sich natürlich in Zukunft ändern.


    Gruiß, Thomas

  • Wäre das einigermaßen gut geschrieben... wer weiß. Gerade der Punkt der intellektuellen Entlastungssehnsucht im Zeitalter von Burnouts ist doch eigentlich ein wunderbarer Spiegel unserer Gesellschaft, oder?


    Der Punkt gefällt mir.


    Entscheidet eigentlich wirklich der gemeine Urenkel über den Klassiker, oder sind es nicht eher universitäre Eliten oder intellektuelle oder gar selbstverliebte Verleger?


    Gruß, Thomas


  • Entscheidet eigentlich wirklich der gemeine Urenkel über den Klassiker, oder sind es nicht eher universitäre Eliten oder intellektuelle oder gar selbstverliebte Verleger?


    Gute Frage :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Entscheidet eigentlich wirklich der gemeine Urenkel über den Klassiker, oder sind es nicht eher universitäre Eliten oder intellektuelle oder gar selbstverliebte Verleger?


    In vielen Fällen: Schriftsteller-Kollegen ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • [quote author=MeinLesesessel link=topic=29133.msg722117#msg722117 ]
    Aber gut: England? Wunderbar, mein Lieblingsland, begrenzen wir uns darauf. Als eigentlich halber Engländer kann ich Dir übrigens sagen, daß es dort kaum noch irgendwelche Adelsdiskussionen gibt. Die "Adeligen" werden meistens nur noch als Zirkusfiguren angesehen, lokale Kuriositäten ohne jede Bedeutung. Von Klassenkämpfen weit und breit Spur.


    Auch die englische Mittelschicht, die ja, nach Deiner Aussage, sehr im NIedergang ist, hält sich bestens:
    http://www.telegraph.co.uk/new…dle-class-poll-shows.html


    [/quote]


    ich bezog mich auf die deutsche Mittelschicht, weil Du dich auf den deutschen Adel bezogen hattest. Bezüglich der sozialen Schichten in England gehen die Meinungen wohl auseinander. Kate Fox hat ja in Watching the English (was durchaus auch von den Briten ausgiebig diskutiert wurde) durchaus auf die Klassenunterschiede und noch vorhandene Upper-Class hingewiesen.


    Dickens ist vor allem deshalb relevant, weil er (so weit sich das beurteilen lässt, aber für Zeitgenossen war dem wohl auch so), detailgetreu Missstände wiedergegeben hat, die es auch heute lohnt zu lesen.


    Deine Ansichten zur Beurteilung von Literatur erinnern mich so ein wenig an meine Schulzeit, als die Kinder mit schlechten Noten auf Aufsätzen immer argumentiert haben, dass es ja eigentlich keine Kriterien geben könne und nur der Lehrer zu doof war, den Wert ihres Geschreibsels zu erkennen.

  • Was denn nun wieder sehr langweilig ist. Und mit ein Grund, warum Böll mittlerweile vergessen geht: Politische und gesellschaftliche Relevanz - abgesehen davon, dass diese Begriffe einzeln und im Zusammenspiel erst noch definiert werden müssten - sind kurzlebige Phänomene. Also für potentielle Klassiker absolut ungeeignet.


    Ich persönlich fände es nicht langweilig. Es gibt durchaus Klassiker, die gesellschaftlich und politisch relevant waren udn auch heute noch rezipiert werden, beispielsweise die Werke von Voltaire, Molière oder Anouilh (wobei dieser in Deutschland glaube ich nicht gelesen wird und somit sich die Frage nach dem "Klassiker" wieder stellt).

  • Der Punkt gefällt mir.


    Entscheidet eigentlich wirklich der gemeine Urenkel über den Klassiker, oder sind es nicht eher universitäre Eliten oder intellektuelle oder gar selbstverliebte Verleger?


    Gruß, Thomas


    Du hast die Kultusminister vergessen, die die Sternchenthemen festlegen :)

  • Böll und seine Katharina Blum. Die war schon in meiner Schulzeit total veraltet und öde :schnarch:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • [quote author=MeinLesesessel link=topic=29133.msg722117#msg722117 ]
    Aber gut: England? Wunderbar, mein Lieblingsland, begrenzen wir uns darauf. Als eigentlich halber Engländer kann ich Dir übrigens sagen, daß es dort kaum noch irgendwelche Adelsdiskussionen gibt. Die "Adeligen" werden meistens nur noch als Zirkusfiguren angesehen, lokale Kuriositäten ohne jede Bedeutung. Von Klassenkämpfen weit und breit Spur.


    Auch die englische Mittelschicht, die ja, nach Deiner Aussage, sehr im NIedergang ist, hält sich bestens:
    http://www.telegraph.co.uk/new…dle-class-poll-shows.html


    ich bezog mich auf die deutsche Mittelschicht, weil Du dich auf den deutschen Adel bezogen hattest. Bezüglich der sozialen Schichten in England gehen die Meinungen wohl auseinander. Kate Fox hat ja in Watching the English (was durchaus auch von den Briten ausgiebig diskutiert wurde) durchaus auf die Klassenunterschiede und noch vorhandene Upper-Class hingewiesen.


    Dickens ist vor allem deshalb relevant, weil er (so weit sich das beurteilen lässt, aber für Zeitgenossen war dem wohl auch so), detailgetreu Missstände wiedergegeben hat, die es auch heute lohnt zu lesen.


    Deine Ansichten zur Beurteilung von Literatur erinnern mich so ein wenig an meine Schulzeit, als die Kinder mit schlechten Noten auf Aufsätzen immer argumentiert haben, dass es ja eigentlich keine Kriterien geben könne und nur der Lehrer zu doof war, den Wert ihres Geschreibsels zu erkennen.
    [/quote]


    So langsam blicke ich bei dir nicht durch. Ich beziehe mich auf die deutsche Mittelschicht, das gefällt dir nicht, weil Dickens ja in England geschrieben hat. Also wende ich englische Mittelschicht an, wieder weichst du zurück, du hättest deutsche gemeint.


    Ich schlage vor, du machst dir selbst erstmal klar, was du eigentlich möchtest, bevor man die Diskussion weiterführt.


    Zum letzten Satz nur so viel: hochnässige Möchtegern-Kritiker gabs und wird es immer geben. Glücklicherwiese sind nicht sie es, die über Literatur zu befinden haben.

  • Es gibt durchaus Klassiker, die gesellschaftlich und politisch relevant waren udn auch heute noch rezipiert werden, beispielsweise die Werke von Voltaire, Molière oder Anouilh (wobei dieser in Deutschland glaube ich nicht gelesen wird und somit sich die Frage nach dem "Klassiker" wieder stellt).


    Schlechte Beispiele, tut mir leid: Von Voltaire wird heute praktisch nur noch "Candide" gelesen - eine Auseinandersetzung mit Leibniz' Philosophie. Molière: "Der eingebildete Kranke", "Der Menschenfeind", "Der Geizige" - vor allem Typenkomödie, die ganz am Rande auch politische Brisanz haben kann. Anouilh ist Existenzialist und beklagt das Los des Menschen im Allgemeinen. Sein bekanntestes Stück, "Antigone" verarbeitet die griechische Klassik.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Schlechte Beispiele, tut mir leid: Von Voltaire wird heute praktisch nur noch "Candide" gelesen - eine Auseinandersetzung mit Leibniz' Philosophie. Molière: "Der eingebildete Kranke", "Der Menschenfeind", "Der Geizige" - vor allem Typenkomödie, die ganz am Rande auch politische Brisanz haben kann. Anouilh ist Existenzialist und beklagt das Los des Menschen im Allgemeinen. Sein bekanntestes Stück, "Antigone" verarbeitet die griechische Klassik.


    Von Voltaire wird noch viel mehr gelesen als nur Candide. Das mag das bekannteste sein, aber zu meiner Schulzeit durften wir selbstverständlich auch Zadig und den Ingénu und Teile des Dictionnaire lesen. Natürlich aht er sich mit Leibniz auseinandergesetzt, aber deswegen kann man nicht alle anderen Themen unterschlagen. Als einer der Wegbereiter der Revolution dürfte siene gesellschaftliche Relevanz ohnehin eigentlich nicht zur Diskussion stehen.


    Auch bei deinem Urtiel über Molière würde ich nur bedingt zustimmen, ich sehe beispielsweise den Tartuffe oder die Précieuses nicht als bloße belanglose Komödien. Aber ich ziehe hier traditionelle Interpretationen (wie meistens) vor.


    Anouilhs Antigone ist eigentlich eines der (mir) bekanntesten Werke politischer Kritik :hm: ok, eine reine werkimmanente Interpretation lässt diesen Aspekt außen vor.

  • Vielleicht lese ich ja unwissentlich den einen oder anderen Klassiker von morgen? :breitgrins:


    Klassiker von gestern habe ich - freiwillig, notgedrungen oder unfreiwillig - in jungen Jahren gelesen, komme aber heute nicht mehr dazu. Mich jagen die aktuellen Verlagsprogramme. Bin mir aber nicht mal sicher, ob ich heute noch freiwillig danach griffe. Früher waren die Klassiker Schullektüre (würg!) oder ich las sie, weil ich aus Mangel an Lesestoff die Bücherregale älterer Verwandter plünderte. Shakespeare habe ich als Teenager geliebt, allerdings eher auf der Bühne als gelesen. Und von den russischen Romanen, die ich meinem Vater stibitzt habe, ist mir hauptsächlich eine Vielzahl komplizierter Namen in Erinnerung, die ich nur unter Schwierigkeiten auseinanderhalten konnte.


    Ich muss wohl davon ausgehen, dass ich nicht intellektuell genug bin, mich aus eigenem Antrieb mit klassischer Literatur zu befassen. Das werden die Klassiker überleben. Und ich auch.

  • Als einer der Wegbereiter der Revolution dürfte siene gesellschaftliche Relevanz ohnehin eigentlich nicht zur Diskussion stehen.


    Zugegeben, aber das hat aber mit literarischer Qualität, die ich als Grundlage eines "Klassikertums" betrachte, herzlich wenig zu tun.


    ich sehe beispielsweise den Tartuffe oder die Précieuses nicht als bloße belanglose Komödien.


    Belanglos?!? Keineswegs. Aber hier zeigt sich der Unterschied zwischen uns beiden drastisch: Für Dich ist politisch relevant = wichtig, politisch unrelevant = belanglos. Ich für meinen Teil behaupte nicht, dass politisch relevant = belanglos ist, und auch nicht, dass politisch unrelevant = belangvoll. Aber ich halte politische Relevanz für ein ganz schlechtes Kriterium für literarische Qualität, die ich für einen Klassiker voraussetze. Gute Politik ist zeitimmanent, gute Literatur nicht.


    Aber ich ziehe hier traditionelle Interpretationen (wie meistens) vor.


    Traditionelle 68er, ja. Es gab mal was anderes, glaub mir! :breitgrins:


    Anouilhs Antigone ist eigentlich eines der (mir) bekanntesten Werke politischer Kritik :hm: ok, eine reine werkimmanente Interpretation lässt diesen Aspekt außen vor.


    Klingt, als ob Du "werkimmanent" als Schimpfwort betrachten würdest. Ist aber keines ... Abgesehen davon, dass ich nicht werkimmanent arbeite ... :breitgrins:


    Vielleicht lese ich ja unwissentlich den einen oder anderen Klassiker von morgen? :breitgrins:


    Die Wahrscheinlichkeit besteht. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Vielleicht lese ich ja unwissentlich den einen oder anderen Klassiker von morgen? :breitgrins:


    Möglicherweise :winken:



    Ich muss wohl davon ausgehen, dass ich nicht intellektuell genug bin, mich aus eigenem Antrieb mit klassischer Literatur zu befassen. Das werden die Klassiker überleben. Und ich auch.


    Mir geht dieses elitäre Getue um Literatur grundsätzlich auch ziemlich auf die Nerven. Das finde ich insofern schade, weil durch dieses Gehabe der eine oder andere von schönen Büchern abgeschreckt wird.


    Vielleicht ist ein Merkmal eines Klassikers einfach, dass sich sein Inhalt zu allen Zeiten recht einfach erschließt. Shakespeare beispielsweise hat für zahlendes Publikum geschrieben, deshalb einfach. Hätte er Romeo und Julia affektiert herumschwurbeln lassen, dann hätte er bei der Premiere Tomaten an die Rübe bekommen und wir hätten keinen Klassiker. Vielleicht ist es so einfach.


    VG Helmut

  • Zugegeben, aber das hat aber mit literarischer Qualität, die ich als Grundlage eines "Klassikertums" betrachte, herzlich wenig zu tun.


    Wie oben gesagt, ich erachte Bücher insbesondere dann für wertvoll, wenn sie den Menschen zur Entstehungszeit etwas zu sagen haben. Sind sie über ihre Zeit hinaus bedeutsam, umso besser. Eine reine Beurteilung eines Werkes ohne die Umstände der Entstehung und die zeitgenössische Rezeption zu berücksichtigen, ist mir zu wenig. Diesbezüglich finde ich eine reine werkimmanente Interpretation als zu dünn und lehne sie ab.



    Zitat

    Traditionelle 68er, ja. Es gab mal was anderes, glaub mir! :breitgrins:


    Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass ich mcih rein auf die 68er berufen würde, das tu ich eigentlich gar nicht. Wobei nicht alle ihre Ansichten schlecht waren.

  • Wie oben gesagt, ich erachte Bücher insbesondere dann für wertvoll, wenn sie den Menschen zur Entstehungszeit etwas zu sagen haben.


    Da kann ich die Zeitung lesen. Die von heute für mich, und die von 1789 für die Goethe-Zeit. Da brauche ich keine Literatur für ...


    Sind sie über ihre Zeit hinaus bedeutsam, umso besser.


    Ähm ... Genau davon aber reden wir hier: von Klassikern. Büchern, die auch über ihre Zeit hinaus eine Bedeutung haben. Klassiker ... Und wir reden nicht von Literaturhistorikern. Die bestimmen nämlich keineswegs, was ein Klassiker ist oder wird.


    Eine reine Beurteilung eines Werkes ohne die Umstände der Entstehung und die zeitgenössische Rezeption zu berücksichtigen, ist mir zu wenig.


    Ja. Aber so entstehen Klassiker. Indem die Menschen von heute Goethe lesen und finden: "Wow, dieser Werther ist schon ein toller Hecht! Genau so wie ihm geht es mir mit Lieschen Müller. Sniff." Nicht, indem sie finden, dass im "Werther" die Benachteiligung des Bürger in der absolutistischen Zeit besonders gut heraus gearbeitet worden wäre. Was übrigens schon den Zeitgenossen wurscht war.


    Diesbezüglich finde ich eine reine werkimmanente Interpretation als zu dünn und lehne sie ab.


    Darfst Du. Dicker als eine politische ist sie auf jeden Fall. :breitgrins:


    Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass ich mcih rein auf die 68er berufen würde, das tu ich eigentlich gar nicht. Wobei nicht alle ihre Ansichten schlecht waren.


    Weil mit den 68ern - verallgemeinernd ausgedrückt - der Nonsense aufkam, dass Literatur in der Zeit wirksam zu sein habe. 'Politisch relevant' nannten wir das damals. Weshalb Böll, Grass und Walser dann gross geworden sind. Merkwürdigerweise ist das v.a. ein germanisches Phänomen, andere Länder sahen das schon immer lockerer ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)