Claire Keegan - Das dritte Licht/Foster

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 1.532 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Clarie Keegan - Das dritte Licht. Steidl Verlag. 96 Seiten.


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    Inhalt (Amazon):
    An einem heißen Sommertag, gleich nach der Frühmesse, liefert ein Vater seine kleine Tochter bei entfernten Verwandten auf einer Farm im tiefsten Wexford ab. Seine Frau ist schon wieder schwanger, noch ein Maul wird zu stopfen sein. Sollen die kinderlosen Kinsellas die Kleine also ruhig so lange dabehalten, wie sie wollen So findet sich das Mädchen an einem seltsam fremden Ort wieder: Hier gibt es einen Brunnen, der nie austrocknet, Milch und Rhabarber und Zuwendung im Überfluss. Hier gibt es aber auch ein trauriges Geheimnis, das einen Schatten auf die leuchtend leichten Tage wirft, auf diesen einen glücklichen Sommer, in dem das Mädchen lernt, was Familie bedeuten kann. Das dritte Licht ist eine kleine, große Geschichte darüber, was ein Kind zum Leben braucht.


    Bewertung:
    Diese kleine Büchlein verzaubert. Es erzählt die Geschichte eines Mädchen welches von der eigenen verarmten Familie in eine Pflegefamilie für einen von vornherein begrenzten Zeitraum gegeben wird. Das Mädchen erfährt eine äußere und innere Zuwendung. Mit äußerer Zuwendung meine ich gutes Essen und moderne Kleidung sowie regelmäßige Körperpflege, mit innerer Zuwendung ist die Gefühlswelt der kinderlosen, sehr liebevollen Kinsellas gemeint. Nicht nur aufgrund des Covers hat, auch aufgrund der doch sehr einfach ausgestatteten Welt, hat man das Gefühl, der Roman spiele in den 1940er Jahren, also etwa zu einer Zeit, in der meine Eltern aufgewachsen sind. Aufgrund eines Hinweises in der Geschichte auf einen Hungerstreik, spielt er jedoch in Wirklichkeit Anfang der 80er Jahre. Die beschriebene Welt entspricht aber keinesfalls meiner Kindheit, sie wirkt wesentlich älter. Das spielt aber für die Lektüre keine weitere Rolle. Die Geschichte um das Mädchen wird mit einer liebevollen Zartheit geschildert, so dass es berührend ist, ihr Schicksal zu verfolgen. Ein gelüftetes Geheimnis der kinderlosen Kinsellas gibt der Geschichte ein wenig Würze. Keinesfalls kitschig, sondern kunstvoll umgesetzt.


    4ratten


    Gruß, Thomas


    Autorennamen im Titel korrigiert. LG, Valentine

    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Das Buch stand mit dem Cover nach vorne in meiner Bücherei und die Augen des Titelmädchens haben mich angestarrt und zugreifen lassen.


    Das Mädchen (aus dessen Perspektive erzählt wird) ist nur eines von zu vielen Mäulern, die gestopft werden müssen, für Liebe hat die Mutter keine Zeit und das fehlende Geld macht das Leben zusätzlich schwer. Der Vater flüchtet sich aus dem Familienleben in Trink- und Spielrunden und trägt so nur noch mehr zu den problematischen Verhältnissen bei. Doch sie kennt es nicht anders, bis sie diesen einen Sommer bei Verwandten abgeladen wird und lernt, was Familie auch bedeuten kann.


    Das Leben wirkt seltsam altmodisch, man hat das Gefühl, in eine Zeit von vor 50 oder 70 Jahren einzutauchen und wenn dann der Staubsauger erwähnt wird oder in einem Laden Gummischwimmtiere auftauchen, fühlt man sich aus der Zeit herausgerissen und merkt, dass der Erzählzeitraum (in meinem Fall) dem der eigenen Kindheit entspricht.


    Auf nur 100 Seiten erzählt Claire Keegan feinfühlig von innerer und äußerer Verwahrlosung und einer zumindest zeitweiligen „Rettung“ und Heilung der daraus entstandenen Wunden. Dass das Mädchen auch für ihre Pflegefamilie Heilung bedeutet und ihnen allein durch ihre Anwesenheit über ihre eigenen Probleme hinweg hilft, merkt man erst im Laufe der Zeit. Die liebevolle und fürsorgliche Art mit der sie mit dem Mädchen umgehen und wodurch es sich vielleicht zum ersten Mal mit allen Fehlern angenommen und geliebt fühlt, wird feinfühlig und zurückhaltend beschrieben. Der Stil ist eher spröde, aber gerade dadurch wird die Geschichte umso berührender.


    Ein kleines, aber sehr feines Buch


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ich hab das Büchlein im englischen Original gelesen ("Foster") und es als kleines Kunstwerk empfunden. Kein Wort ist zu viel oder zu wenig, und es sind immer die richtigen.

    Einige Dinge werden nur angedeutet.

    Die Erzählung erfolgt aus Sicht des Mädchens - die ja auch im Laufe der Geschichte lernt, dass man nicht auf jede Frage antworten muss.

    Wunderschön fand ich auch die Beschreibungen der Umgebung, die so en passant vorkamen.

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    Die Erzählung wird aus der Sicht eines kleinen Mädchens von vielleicht 7, 8 Jahren geschildert und spielt Anfang der 1980er Jahre in Irland. Das Mädchen, dessen Namen man nicht erfährt, wird von ihrem Vater zu Verwandten seiner Frau gebracht. Es soll dort den Sommer über bleiben, bis die Mutter die Geburt des neuen Geschwisterchens hinter sich hat und die Schule wieder beginnt. Aber über einen genauen Zeitraum wird nicht gesprochen - solange man sie behalten will, war die Aussage.


    John und Edna Kinsella leben allein auf einer Farm, die die beiden gut versorgt, ganz im Gegensatz zu der Familie des Mädchens. Dort ist das Heu noch nicht eingebracht, weil, wie das Kind sagt, die Mutter nicht das Geld hat, den Arbeiter zu bezahlen. Aus dieser Aussage und anderen erfährt man, dass der Vater des Kindes ein dem Alkohl zusprechender und dem Glückspiel zugeneigter, nicht eben arbeitsliebender, Familienvater ist.


    Die Kleine antwortet auf Fragen, die ihr gestellt werden, wahrheitsgetreu, aber nach Möglichkeit immer loyal ihrer Familie gegenüber. Erst eine Aussprache mit Kinsella eröffnet ihr ihr Recht auf Schweigen. Von Edna hat sie schon erfahren, dass es in ihrem Haus keine Geheimnisse gäbe, den diese würden Scham erzeugen.

    Das Kind spricht in Gedanken immer von Kinsella und der Frau. Wie sie sie wirklich anspricht, erfährt man nicht.

    Dass es allerdings Dinge gibt, von denen das Mädchen nichts weiß, erfährt so aus anderem Mund. Aber das ist kein Geheimnis, denn es weiß ja jeder, außer dem Kind.


    Die Kleine lernt bei den Kinsellas wohl zu ersten Mal wirkliche Zuwendung kennen. Lernt eine Fürsorge kennen, die die Mutter nicht geben kann. Es entsteht eine Beziehung, die gegenseitig bereichert.


    Der Erzählton ist ruhig, ich möchte sagen, besonnen gehalten. Eine sehr einfühlsame Sprache, was man von so einem jungen Kind eigentlich erst nicht erwarten würde.

    Der deutsche Titel wird gegen Ende des Buches klar und ich finde ihn gut gewählt.

    Das Ende ist offen, so dass für eigene Interpretationen genügend Raum bleibt.



    5ratten   :tipp:

  • Ich habe Foster im englischsprachigen Original Ende letzten Jahres gelesen, weil ich "Kleine Dinge wie diese" von Claire Keegan so toll fand (eines meiner Highlights des letzten Jahres) und ich wurde nicht enttäuscht. Ein ruhiges, aber gerade dadurch eindringliches Buch - absolute Empfehlung!


    5ratten

  • Meine Meinung

    Ein kleines, aber sehr feines Buch

    Ein feines Buch ist es sicher, auch wenn es eine traurige Geschichte erzählt. Den Namen des Mädchens erfahre ich während der ganzen Geschichte nicht. Die Eltern haben ihr bestimmt einen gegeben, aber bei den vielen Kindern daheim ist sie nur ein weiterer Mund, der gefüttert werden muss und auch eine weiter Hilfskraft, um den Chaos daheim Herr zu werden. Für sie sind die Zustände daheim normal und sie nimmt sie hin, ohne zu hinterfragen.


    Bei den Kinsellas werden ihr die Augen geöffnet. Sie erfährt, wie es ist, wahrgenommen und vor allem geliebt zu werden. Sie hat ausreichend zu essen und bekommt schöne Kleidung. Mehr noch: während ihr Vater seine Angelegenheiten schleifen lässt und auch die Mutter nichts unternehmen kann oder will, um etwas zu ändern, sind die Kinsellas harte Arbeiter, die ihr Leben selbst in der Hand haben.


    Wie kann sie nach dieser Zeit, in der sie so viel anderes gesehen hat, wieder in ihr altes Leben zurückkehren? Welche Zukunft wird sie dort haben? Die Antwort auf diese Fragen gibt mir die Autorin nicht, ich muss sie selbst finden.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Foster ist ein Büchlein zum Drüberstreuen.

    Kurz und kompakt im Original auf 88 Seiten in großer Schrift und mit Viel weiß an den Rändern. Umso intensiver ist das in der Kürze Ausgedrückte. Wie es im Buch schon heißt viele verlieren Vieles, weil sie die Gelegenheit nichts zu sagen verpasst haben - schweigen ist gold.


    Die Geschichte fast ein innerer Monolog oder eine Erlebniserzählung der kleinen Protagonistin, die in der Fremde gelernt hat, was es heißt Aufmerksamkeit und Zuneigung geschenkt zu bekommen.


    Die eigenen Eltern im ländlichen Irland mit Problemen der Zeit konfrontiert, Armut, durch den Katholizismus geprägte Familienverhältnisse, ein Kind nach dem anderen. Der Ausweg sind Alkohol und Gleichgültigkeit.


    Die kleine Protagonistin hat den Weg da heraus gefunden, wenn auch nur für kurze Zeit, in einem liebevollen und sinnstiftenden Umfeld, lernt sie, dass es auch ein anderes Leben gibt, als das in ihrer verwahrlosten und ignoranten Familie.


    Viel zu kurz war ihre Zeit bei den Kinsellas, die selbst einen Sohn verloren hatten. Sie hat zu beiden Ziehelternteilen eine innige Beziehung aufgebaut.


    Wofür war das gut, wenn es so schnell wieder enden musste, und ihre Eltern sie wieder zurückbeordern. Dieser glimpse in another world gibt ihr Möglichkeiten in ihrer Zukunft nach einem anderen Leben zu streben, als ihre Eltern. Man ist nicht festgefahren in die Strukturen, in die man hineingeboren wird. Jeder kann sich sein Leben bis zu einem gewissen Grad selbst gestalten. Es reicht ein kleiner Fingerzeig, dass es auch andere Wege wie den bereits beschrittenen gibt.


    In Irland hat sich in den letzten Jahren gesellschaftlich sehr viel getan. Die konservativ-katholische Einstellung ist stark ins Wanken geraten, die Menschen decken nach und nach auf, welche Missstände und Missbräuche durch die Kirche entstanden sind. Auch die vielen heimlichen Adoptionen und das Scheidungsverbot, das oft zu Gewalt und Alkoholismus führte gibt es nicht mehr.


    Mir hat dieses kleine Büchlein sehr gefallen. In wenigen Worten wird soviel gesagt, das ist die wahre Kunst einer guten Kurzgeschichtenschreiberin.

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    Herausgeber ‏ : ‎ Steidl Verlag (18. Januar 2023)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 104 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3969991994

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3969991992

    Originaltitel ‏ : ‎ Foster



    Inhaltsangabe:



    Irland, zu Beginn der 1980er Jahre: An einem heißen Sommertag liefert ein Vater seine kleine Tochter bei entfernten Verwandten auf einer Farm im tiefsten Wexford ab. Seine Frau ist schon wieder schwanger, noch ein Maul wird zu stopfen sein. So findet sich das Mädchen bei dem kinderlosen Ehepaar John und Edna Kinsella wieder. An einem ungewohnt schönen und behaglichen Ort, wo es Milch und Rhabarber und Zuwendung im Überfluss gibt. Aber auch ein trauriges Geheimnis, das einen Schatten auf die leuchtend leichten Tage wirft, in denen das Mädchen lernt, was Familie bedeuten kann.



    Autoreninfo:



    Claire Keegan, geboren 1968, wuchs auf einer Farm in der irischen Grafschaft Wicklow auf. Sie hat in New Orleans, Cardiff und Dublin studiert. Bei Steidl sind von der vielfach ausgezeichneten Autorin bereits die Erzählungsbände "Wo das Wasser am tiefsten ist" und "Durch die blauen Felder" (in einem Band: "Liebe im hohen Gras", 2022) erschienen. Ihre Erzählung "Kleine Dinge wie diese" (2022) stand auf der Shortlist des Booker Prize.



    Meine Meinung:



    Titel: Was ist Familie?



    Erzählbände sind eher eine Seltenheit, dass diese in meine Hände finden und dennoch wollte ich es einmal wagen. Und was soll ich sagen? Ich bekam eine sehr intensive, emotionale Erfahrung.



    In der Geschichte lässt uns ein sehr junges Mädchen als namenlose Ich- Erzählerin an ihrem Leben teilhaben. Die Mutter wieder schwanger. Ein weiteres Maul zu stopfen. Keine Zeit. Da kommt das Mädchen zu entfernten Verwandten. Wie wird es ihr bei den Kinsellas ergehen? Wird sie als billige Arbeitskraft missbraucht oder gar Schlimmeres?



    Keegans Erzählung füllt nur knapp 95 Seiten und weiß so viel zu erzählen wie ein 500 Seiten Wälzer. Mit wenigen Worten erschafft sie eine Intensität, dass zumindest ich beim Lesen Gänsehautmomente hatte.



    Als Leser spürt man sehr intensiv wie sehr das junge Mädchen damit hadert bei den Kinsellas anzukommen. Denn entgegen aller Befürchtungen geht es ihr bei den Fremden viel besser als daheim. Sie wird umsorgt, bekommt neue Kleidung, hat ausreichend zu essen und erlebt scheinbar zum ersten Mal Zuneigung und Fürsorge anstatt andauernde Ablehnung. Das hat mich schon sehr berührt.



    Hinzu kommt noch das Geheimnis dieser beiden alten Herrschaften, welches das Mädchen im Verlauf der Zeit ergründet.



    Über das Ende musste ich dann etwas länger grübeln wie es gemeint war, nur um dann eine herzzerreißende Erkenntnis zu erlangen. Aber dafür müsst ihr dann schon selbst einen Blick ins Buch werfen.



    Fazit: Eine zauberhafte Geschichte mit Tiefgang, die mich im Herzen berührt hat. Nur zu gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.



    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Das Mädchen, das diese Geschichte erzählt und dessen Namen wir nicht erfahren, wird für eine Zeitlang zu Pflegeeltern geschickt. Warum weiß sie gar nicht so genau, aber die Mutter ist wieder einmal schwanger und die Familie vermutlich froh um ein hungriges Maul weniger, das zu stopfen ist. Zunächst ist das Mädchen unsicher und gehemmt, ja ein wenig ängstlich, doch als sie spürt, dass es die Kinsellas gut mit ihr meinen, beginnt sie aufzutauen und aufzublühen und ist erstaunt, wie anders dieses kinderlose Ehepaar mit ihr umgeht als ihre eigenen Eltern, für die sie nur eine unter vielen ist.


    Ein ganz schmales Büchlein mit nur 88 groß gedruckten Seiten im Original, aber auch ganz viel Einfühlungsvermögen in das Kind, das sich zunächst zu Fremden abgeschoben fühlt und dann ganz allmählich in die neue Situation hineinwächst und Gutes darin findet. Es ist schwer, viel über das Buch zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Auf jeden Fall hat es mir gut gefallen, so tief in die Gedanken- und Gefühlswelt des Kindes einzutauchen, und der Schluss hat mich (sofern ich ihn richtig interpretiert habe) dann sehr berührt.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen