Anna Enquist - Letzte Reise

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 8.218 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Klappentext


    London 1775: Elizabeth Cook wartet in ihrem Haus auf die Heimkehr ihres Mannes James, der eben seine zweite große Weltreise beendet hat. Obwohl sie immer regen Anteil genommen hat an seinen Entdeckungen und wissenschaftlichen Forschungen, hofft sie, dass er nun endlich bei ihr und den Kindern bleibt und seinen wohlverdienten Ruhm genießt. Immerhin hat er es vom Bauernsohn bis zum Admiral der englischen Flotte gebracht und gehört zur gesellschaftlichen Elite des Landes. Trotz der Aussicht auf ein beschauliches gemeinsames Leben nagen auch Zweifel an Elizabeth: Wie wird es James ohne seine geliebte Seefahrt ergehen, und vor allem, wie wird sie, die sechs Kinder mehr oder weniger allein geboren und aufgezogen und selbständig gelebt hat, mit ihrer neuen Rolle fertig werden – als Frau eines ehrgeizigen, befehlsgewohnten Kapitäns an Land? Doch es kommt anders. Cook bricht das Versprechen, das er ihr gegeben hat, und läßt sich zu einer dritten Reise überreden, von der er nicht mehr zurückkehren wird. Wie Elizabeth damit umgeht, wie sie trotz des Widerstands der Admiralität die unklaren Umstände seines Todes aufdeckt und wie sie die schweren Schicksalsschläge meistert, die das Leben ihr auferlegt – sie überlebt alle ihre Kinder - , das erzählt Anna Enquist spannend und eindringlich, facettenreich und bewegend.


    Anna Enquist


    Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Inzwischen widmet sich Anna Enquist nur noch dem Schreiben.


    Meine Meinung


    Dieser Roman wird oft als "Abenteuerroman" bezeichnet. Dem kann ich nicht zustimmen. Die Entdeckungsreisen des James Cook bilden nur den Rahmen und den Hintergrund dieser Geschichte.


    Auch wer sich einen "Historischen" Roman im herkömmlichen Sinn erwartet, wird vielleicht auch ein wenig enttäuscht werden. Auch diese Aspekte runden die Geschichte ab, bleiben aber eher im Hintergrund und verschaffen einen fasziniernden Einblick in die Welt des 18. Jahrhunderts, gezeichnet von Umbruch, Krankheiten und neuen Erkenntnissen.


    Für mich ist dieser Roman ein großartiges Psychogramm. Elizabeth Cook, eine starke, sehr moderne Frau, die zweifelsohne ihrer Zeit voraus war. Ihre Lebensfreude, ihre Tatkraft, ihr Kampfwille und ihre Energie werden von den vielen Schicksalschlägen und Enttäuschungen untermauert, und am Ende - sie überlebt ihren Mann und alle ihre Kinder - bleibt eine gebrochene, alte Frau, innerlich zerrissen vom ständigen Zwiespalt zwischen Verstand, Pflicht und Gefühl.


    Elizabeth Cook wird nicht als "Heldin" dargestellt. Sie hat Ecken und Kanten, verhält sich oft fragwürdig und ist keine absolute "Sympathieträgerin". Aber gerade das macht sie wohl so menschlich, und gerade deshalb fühlt man mit ihr!


    Ein ganz, ganz wunderbares Buch, von mir eine absolute Leseempfehlung und sicher ein Highlihgt 2007!


    5ratten


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    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Danke nochmal für die schöne Rezension! (Das ging ja echt schnell)
    Das hört sich wirklich sehr interessant an und sagt mir, dass ich das Buch doch schon längst hätte kaufen können. Somit steht es jetzt weit oben auf meinem Wunschzettel.

  • Vielen Dank, creative, für diese wunderbare Rezension! Ehrlich gesagt habe ich jetzt richtig Lust bekommen, dieses Buch von Anna Enquist zu lesen und deshalb ist es auf meinem Wunschzettel deutlich nach oben geschnellt... :smile:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Bisher hatte ich um dieses Buch einen Bogen gemacht, da ich im Allgemeinen mit historischen Romanen nicht viel anfangen kann. Dieser Rezension kann es aber gemeinsam mit dem von mir sehr geschätzten "Die Eisträger" derselben Autorin gelingen, mich doch zu Kauf und Lektüre dieses Romanes zu bewegen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah: ich bin eigentlich auch kein LIebhaber von Historischen Romanen. Aber wie schon erwähnt, tritt das "Historische" sehr in den Hintergrund. Ich könnte mir schon vorstellen, dass Dir das Buch gefallen wird!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Heute morgen habe ich die Letzte Reise von Anna Enquist fertig gelesen. Was für ein wunderschönes Buch! Ich kann mich der Rezension von creative voll anschließen.


    Mich hat das Portrait dieser starken und mutigen Frau sehr fasziniert. Die Autorin hat sehr glaubhaft dargestellt, wie auch nach unfassbaren Schicksalsschlägen ein Weiterleben möglich ist. Elizabeth Cooks Leben war sicher nicht einfach, aber Enquist beschreibt eine Frau mit einer unbändigen und eisernen Energie, die sie immer wieder aus den Tiefen der Verzweiflung herausholt und sie weitermachen läßt.


    Auch von mir 5ratten

  • Das hört sich an, als ob mir dieses Buch auch gefallen könnte.


    Mich würde allerdings vorher noch interessieren, wo spielt denn die Handlung und eventuell auch, welche Zeit.


    Danke...


    gretchen

  • Der Handlungsort ist London, wo Elizabeth Cook mit ihrer Familie lebte. In Briefen und Berichten, die in die Handlung eingebunden sind, reist man jedoch auch oft mit James Cook in die Südsee, nach Tahiti und Hawaii.


    Hinten im Buch ist ein chronologischer Überblick, in den ich während des Lesens immer mal wieder reinschaute. Elizabeth Cook lebte von 1741-1835.

  • Ich kann mich den positiven Rezis meiner Vorgänger nur anschließen und leider wenig mehr hinzufügen, als das Enquist ein wundervolles Frauenportrait geschaffen hat. Sie schafft es Elizabeth als greifbare Person zu beschreiben, die unendlich viele Schicksalsschläge mitgemacht hatte. Ihre Trauer, ihr Zusammenbrechen ist echt, sie ist keine Überfrau die über alles steht und mit allem fertig wird, sondern eine Frau die mit vielen konfrontiert wurde und letztendlich auch daran zerbrochen ist.


    Für mich ist das Buch ein absoluter Tipp und bekommt von mir: 5ratten

  • James Cook ist heute noch immer in aller Munde; ob es die „James Cook Reisen“ im TV oder im Reisebüro sind, oder seine Entdeckungen; sein Name und seine Reiseberichte sind allgegenwärtig.


    Aber was durchlebte seine Ehefrau, Elizabeth Cook? Die im Hintergrund seine Reisen mit vorbereitete, und mit an seinen Journalen bzw. Büchern arbeitete.
    Große Männer haben starke Frauen im Rücken, so heißt es. Und Elizabeth war eine ganze starke Persönlichkeit! Es ist nur gerecht, dass sich Anna Enquist dieses Themas annahm.


    Anna teilt das Schicksal so vieler Frauen im 18. Jh.. Frauen von Seefahrern, die auf sich allein gestellt waren, und die Zügel über Haushalt und Kindererziehung inne hatten. Das weibliche Geschlecht, noch nicht gesellschaftsfähig und emanzipiert, musste ihren Mann stehen. Alle Verantwortung lag auf ihren Schultern, und wurde weder von der Admiralität des englischen Königshaus noch von der Gesellschaft so honoriert, dass die Last schwerer war als sie es hätte sein müssen.
    Wenn man dann das Leben der Elizabeth im Einzelnen liest, welche Schicksalsschläge sie in der damaligen Zeit erleiden musste; den Tod ihrer Kinder, den Verrat ihres besten Freundes, das Hinsiechen ihrer Mutter, und den anrüchigen Tod von James Cook; dann ist man als Leser ergriffen wie diese Frau ihr Leben gemeistert hat.


    Das Buch hat mir äußerst gut gefallen. Es beschreibt so eindringlich die Gefühle von Elizabeth. Den Schmerz, Kummer und ihre Sorgen erlebt man direkt mit. Keinen Ansprechpartner zu haben, die Einsamkeit, Verlorenheit und Verlogenheit, all das stellt ihr das Leben. Selten habe ich so viel Nähe gelesen. Wunderbar!


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Den vorangegangen Kommentaren kann ich nicht mehr allzuviel hinzufügen. Auch ich war sehr angetan von dem Buch :)


    Die Geschichte wird in den Gefühlswelten detailliert und psychologisch sehr geschickt erzählt. Man lebt mit Elizabeth mit, beobachtet und nimmt Anteil daran, wie sie versucht den Spagat zu schaffen zwischen Ehefrau eines in der Öffentlichkeit stehenden Mannes und alleinerziehender Mutter, während ihr Mann tausende Meilen entfernt jahrelang unterwegs ist. Eindringlich wird erzählt, wie die beiden zwischen Annäherung und Entfernung hin und her gerissen werden, schließlich dauert jede der Reisen des James Cook weit über 3 Jahre, teilweise länger. Von seiner letzten Reise kehrt er niemals zurück. In Verlauf der Jahre bekommt Elizabeth fünf Kinder, von denen einige sterben, sie ist immer alleingelassen mit Geburt und Tod. Dennoch ist es kein Bild einer gescheiterten, hilflosen Frau das gezeichnet wird, sondern ganz im Gegenteil einer starken und überlebensfähigen Person mit Ecken und Kanten, die ihren eigenen Weg geht, oft auch abseits der Normen ihrer viktorianischen Zeit. Gleichzeitig erfährt man vieles über die Erlebnisse und Entdeckungen ihres Mannes, kann sich in die Zeit der großen Entdeckungen hineindenken.


    Erst am Ende hab ich mich noch über die Autorin Anna Enquist informiert, sie ist Konzertpianistin und Psychoanalytikern. Beide Bereiche, Musik und Psychologie, sind spürbar in ihr Buch mit eingewoben. Besonders auch die Textstellen die Musik beschreiben und ihre Auswirkung auf die jeweilige Situation, die Gedanken- und Gefühlswelt der Frau Cook haben es mir angetan....


    Insgesamt ein wirklich empfehlenswertes Buch, hat mir viel gegeben :):tipp:

  • Habe das Buch gestern adoptiert und sehe nun all diese positiven Bewertungen. Das macht es ja richtig schwer, mein altuelles - auch sehr tolles Buch - noch in Ruhe zu beenden.

    &quot;Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler&quot; (Philippe Dijan)<br /><br />[url=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/11612.0.html]Mein SUB[/url

  • Zum Inhalt kann ich nichts mehr hinzufügen.


    Was ich im Buch nicht, sondern erst am Ende so richtig wahrgenommen habe war Folgendes


    Den Tod der Söhne fand ich sehr ergreifend geschildert, und bis zum Ende dachte ich: jetzt lass doch wenigsten einen überleben.
    Elizabeth Cook ist mir in dem Buch sehr sympathisch geworden, sie wird sehr menschlich geschildert.
    Anna Enquist hat sich bis auf ein paar Nebenpersonen, die sie eingefügt hat, an die historischen Fakten gehalten.
    Im Buch ist ein Porträt von Elizabeth Cook abgebildet, laut meinen (kurzen) Recherchen das einzige von ihr. Ich habe mit der Google-Bildersuche eine Abbildung gefunden, bin mir aber nicht sicher, ob ich es hier verlinken dürfte, ihr findet es aber mit den Suchbegriffen "Elizabeth Cook" und "Mitchell library". Man mag natürlich zweifeln, wie realistisch das Bild ist, aber ich finde sie sieht da richtig nett aus.


    Ich hab das Buch auf Niederländisch gelesen, im Original heißt es "de thuiskomst", was soviel wie "die Heimkehr" heißt, im Moment grüble ich immer noch, welcher Titel passender is... Das Buch lässt mich im Moment nicht los.



    Viele Grüße
    Bibse
    gerade mit Entsetzen festgestellt, das da 2 Leerzeichen fehlten

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

    Einmal editiert, zuletzt von bibse ()

  • Hallo!


    Ich hab das Buch auf Niederländisch gelesen, im Original heißt es "de thuiskomst", was soviel wie "die Heimkehr" heißt, im Moment grüble ich immer noch, welcher Titel passender is... Das Buch lässt mich im Moment nicht los.


    Bist du mittlerweile zu einem Entschluß gekommen? Ich finde beide Titel passend. Schließlich wartet Elisabeth auf die Heimkehr ihres Mannes, der sich auf seiner letzten Reise befindet- und das in mehrerlei Hinsicht.


    Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung nur anschliessen. Anna Enquist schildert ganz wunderbar die Zerrissenheit Elisabeths. Sie lebt zwei Leben: eines mit und eines ohne ihn und kan ndie beiden nur schwer verbinden. Ihre Gefühle versucht sie zu unterdrücken bis sie dann wie ein Vulkan aus ihr herausbrechen.


    Zu deinem Spoiler:


    Auf jeden Fall hat mir Letzte Reise Lust gemacht, mich mehr mit James Cook zu beschäftigen.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe mich jetzt längere Zeit nicht mehr mit dem Buch beschäftigt, zum Glück hat es mich dann nochmal losgelassen, sonst hätte ich ja keine anderen Bücher mehr lesen können.
    Es ist ein Buch über Elizabeth Cook, und sie reist ja nun mal nicht, sondern wartet zu Hause auf die Heimkehr. Auf Deutsch gibt es den Titel "Heimkehr" sowohl von Bernhard Schlink als auch von Rosamunde Pilcher. Vielleicht wollte man kein drittes Buch, das so heißt.


    :winken:
    bibse

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

  • Vor nicht allzu langer Zeit bin ich durch eure positiven Meinungen auf "Letzte Reise" aufmerksam geworden und es ist erst auf meiner privaten und schließlich auch noch auf meiner Weihnachtswichtel-Wunschliste gelandet. Und glücklicherweise hat es mir die liebe JaneEyre gewichtelt. :smile:


    Inzwischen habe ich etwas über die Hälfte des Buches gelesen und muss sagen, ich bin gleichermaßen beeindruckt wie begeistert. Viele Passagen muss ich einfach mehrfach lesen, so kunstvoll und wunderschön sind sie geschrieben. Es fällt mir leicht, mich in die Protagonistin hineinzuversetzen, ihre Emotionen und Gedankengänge nachzuvollziehen. Das Buch hat eine überwiegend düstere, traurige Grundstimmung, ich muss es langsam lesen, sinken lassen, genießen - und immer wieder über das Gelesene nachdenken. Elizabeths schwierige Beziehung zu James, in der sie ständig versuchen, sich aufeinander zuzubewegen, nur um kurz darauf wieder auseinanderzudriften. Der Verlust der geliebten Tochter, über den Elizabeth nie hinweg gekommen ist. Das Kind, zu dem sie keine Beziehung aufbauen kann und will. Die Autorin schildert das Leid der Familie Cook so tiefgründig, so traurig und berührend, dass ich als Leserin nicht anders kann, als mit dieser kleinen Familie zu leiden.


    Das Buch übt einen unglaublichen Sog auf mich aus, jeden Tag freue ich mich auf die abendliche Lektüre. Ich habe zwar noch knapp die Hälfte des Buches vor mir, doch ich ahne, dass dieses Buch wohl eines meiner persönlichen Jahreshighlights 2011 wird. Natürlich schreibe ich dann noch eine ausführlichere Meinung zu dem Buch.

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • Anna Enquist – Letzte Reise


    Inhalt:


    „Letzte Reise“ ist das Portrait einer sehr starken und beeindruckenden Frauenpersönlichkeit: Elizabeth Cook. Immer wieder ist sie gezwungen, sich allein um ihr Zuhause und ihre Kinder zu kümmern, während ihr Mann sich auf mehrjährigen Entdeckungsreisen auf See befindet. Immer wieder müssen sich die beiden Eheleute neu kennen lernen, immer wieder aneinander annähern und versuchen, die füreinander empfundenen Gefühle neu aufleben zu lassen.


    Als Elizabeth glaubt, ihr Mann würde die Seefahrt endlich aufgeben und sich nur noch um die Familie kümmern, lässt er sich doch nochmals zu einer letzten Reise überreden – einer Reise, die seine letzte sein soll…


    Meine Meinung:


    Selten habe ich ein solch beeindruckendes und häufig anrührendes und erschütterndes Buch gelesen. Die Autorin gewährt hier einen tiefen und tiefgründigen Einblick in Elizabeths Gefühls- und Gedankenwelt. Sie ist eine sehr intelligente und für damalige Verhältnisse sehr emanzipierte Frau, die durch die häufige Abwesenheit ihres Mannes zu einem selbstständigen Leben gezwungen ist.


    Zu Beginn erlebt der Leser die Protagonistin, die wieder einmal die Heimkehr ihres Mannes erwartet. Und dies mit gemischten Gefühlen, denn in den langen Jahren von James Abwesenheit hat sie sich an ihr eigenständiges Leben gewöhnt. Die Autorin vermittelt auf eine sehr gelungene Art und Weise, wie schwierig es für die beiden Eheleute nach dem langen Getrenntsein ist, wieder zueinander zu finden und die Liebe wieder neu entstehen zu lassen.


    Im Anschluss daran wird die Vergangenheit der beiden Protagonisten in Rückblenden vermittelt. Man lernt etwas über Elizabeths und James‘ Kindheit und Jugend und kann verfolgen, wie sie sich schließlich kennen lernen und heiraten. Auch während der restlichen Handlung mischt sich die Gegenwart wieder und wieder mit Erinnerungen und Begebenheiten aus Elizabeths Vergangenheit, so dass der Leser viel über ihr Leben erfährt.
    Elizabeths Leben ist bestimmt durch die Trauer um den Verlust ihrer geliebten, kleinen Tochter Elli, die durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen ist. Ständig macht sie sich bittere Selbstvorwürfe und ist weit davon entfernt, diesen Schicksalsschlag verkraftet zu haben. Umso mehr schmerzte es mich, über Elizabeths weitere Verluste zu lesen, über ihr Gefühl der Vergeblichkeit und der Hilflosigkeit gegenüber dem Schicksal, das ihr ihre geliebten Menschen raubt.


    Auch über James Cook und seine Entdeckungsreisen, seine erfindungsreiche und praktische Art und seinen Fortschrittseifer lernt man viel, genau wie über seine Sehnsucht nach dem Meer, sei es aus den Erzählungen von James selbst, denen seiner Freunde und Kollegen oder auch aus Briefen.
    Briefe sind in diesem Roman ohnehin allgegenwärtig und decken so manches düstere und ungeahnte Geheimnis auf.
    Elizabeth ahnt, dass ihren Mann und seinen Tod Geheimnisse umgeben, dass es düstere Seiten und Wesenszüge an ihm gegeben hat, die sie nicht kennt. Sie macht es sich schließlich zur Lebensaufgabe, dieses Geheimnis aufzudecken. Sie will ihren Mann endlich verstehen, will wissen, wer James wirklich war. Diese Aufgabe hilft ihr schließlich aus so manchem tiefen Loch, in das sie nach den schweren Schicksalsschlägen hinab gleitet, verhilft ihr wieder ins Leben.


    Man begegnet vielen interessanten, meist historisch belegten Nebenfiguren, die allesamt ausführlich und gelungen charakterisiert werden – hier beweist die Autorin (vermutlich berufsbedingtes) psychologisches Fingerspitzengefühl. Interessant ist beispielsweise auch Elizabeths kompliziertes und bis zum Ende undurchsichtiges Verhältnis zu James‘ Freund und Kollegen Hugh Palliser. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, doch schaffen sie es nicht, zueinander zu finden, wobei James sowohl das verbindende als auch das trennende Element zwischen ihnen ist.


    Mir gefiel der detailreiche, genau beschreibende und bildhafte Stil der Autorin sehr gut. Sie hat eine eindringliche Erzählweise, die mich auch im Nachhinein noch fesselt und nachdenklich stimmt. Gerne bedient sie sich Ellipsen und kurzer Sätze zur Beschreibung von Elizabeths Pflichtbewusstsein und Selbstdisziplin. Die Protagonistin gibt sich in Gedanken selbst Befehle, was zu tun ist, und führt sie prompt aus.
    Passend zum schweren Schicksal der Elizabeth Cook ist die Grundstimmung des Romans melancholisch und nachdenklich. Das Motiv des Abschieds und des Loslassens ist das gesamte Buch über immer wieder zu spüren, die Hoffnung auf die Rückkehr des Mannes, die sich schließlich als vergeblich erweist. Gefallen hat mir auch die Art, wie die Autorin Beschreibungen von Elizabeths Umgebung, vom Wetter, der Natur oder auch der Musik mit einfließen lässt, die jeweils perfekt zur Atmosphäre der Szene passen, zu dem, was Elizabeth gerade denkt und fühlt. So werden eindrucksvoll die Emotionen der Hauptfigur übermittelt.


    Ich bin mir jetzt schon sicher, dass dieses Buch eines meiner Lesehighlights dieses Jahres sein wird und ahne, dass es mich in Gedanken noch längere Zeit verfolgen wird. Somit kann ich eine klare Empfehlung für dieses berührende Buch aussprechen und vergebe


    5ratten

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • James Cook kehrte von seiner zweiten großen Reise als Nationalheld zurück und so hegte seine Frau Elizabeth die Hoffnung darauf, ihn endlich für immer für sich zu haben. Während er die nächste große Forschungsreise für die englische Marine vorbereitet und sich schließlich überreden lässt, sie auch selbst zu leiten („alle anderen sind unfähig!“), hofft sie bis zuletzt, dass er bei ihr bleibt und sie endlich ihr Leben teilen können. Sie klammert sich mit aller Macht und wider besseres Wissen an diese Hoffnung, sie musste schon zu viele Schicksalsschläge alleine bewältigen, sie kann und will einfach nicht mehr.


    Auf der einen Seite habe Elizabeth das halbe Buch hindurch anschubsen wollen und ihr sagen, dass sie nicht an Wunder glauben soll, ihr Mann ist in erster Linie Kapitän und Forscher für sein Land, seine Mannschaft, sein Schiff und erst danach kommt seine Familie. Ihre fehlgeleitete Hoffnung auf eine andauernde Gemeinsamkeit und Nähe hat mich ein wenig genervt. Andererseits hat sie in der Abwesenheit ihres Mannes durchaus Stärke an den Tag gelegt, nur als James zurückkehrte und sie endlich glaubte, sich einmal anlehnen zu dürfen und Schwäche zu zeigen, stellte sich heraus, dass dem einfach nicht so ist.


    Wenn die Eckdaten des Romans nicht real wären, müsste man der Autorin vorwerfen, übertrieben zu haben und Elizabeth zu viele Schicksalsschläge zuzumuten, umso mehr muss man eigentlich Elizabeths Durchhaltevermögen bewundern. Doch Enquist ist es gelungen, daraus ein trotzdem glaubwürdiges und auch vielschichtiges Portrait einer Frau zu erzeugen, welches zumindest mir ein bisschen Zusatzwissen über die große Zeit englischer Entdecker zu vermitteln vermochte. Und angenehm zu lesen war es noch dazu


    4ratten