Herman Koch : Het Diner / Angerichtet

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  • Herman Koch : Het Diner / Angerichtet

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    Ich lese dieses Buch im Rahmen meiner Niederlande-Liste für die Provinz Gelderland. Herman Koch ist in Arnhem geboren.


    Aus der Amazon-Inhaltsangabe, genauso steht es allerdings auch auf der Verlagsseite
    Ein Abend im Sternerestaurant. Zwei Elternpaare - eine lebenswichtige Entscheidung.
    Der preisgekrönte Bestseller aus den Niederlanden erzählt ein Familiendrama, das um die Fragen kreist: Wie weit darf Elternliebe gehen? Was darf man tun, um seine Kinder zu beschützen? Ein Roman, der ins Herz schneidet.
    Zwei Ehepaare - zwei Brüder und ihre Frauen - haben sich zum Essen in einem Spitzenrestaurant verabredet. Sie sprechen über Filme und Urlaubspläne und vermeiden zunächst das eigentliche Thema: die Zukunft ihrer Söhne Michel und Rick. Die beiden Fünfzehnjährigen haben etwas getan, was ihr Leben für immer ruinieren kann. Paul Lohman, der Erzähler und Vater von Michel, will das Beste für seinen Sohn. Und ist bereit, dafür weit zu gehen, sehr weit. Auch die anderen am Tisch haben ihre eigene, geheime Agenda. Während des Essens brechen die Emotionen auf, schwelende Konflikte zwischen den Brüdern entladen sich, und auf einmal steht eine Entscheidung im Raum, die drei der vier mit aller Macht verhindern wollen.
    Mit unglaublicher Raffinesse und großem Sprachwitz erzählt Herman Koch eine Geschichte von bedingungsloser Liebe, Gewalt und Verrat. Nach und nach nur werden die wahren Abgründe und Motive der Personen sichtbar, ständig wird der Leser herausgefordert, sein moralisches Urteil neu zu fällen.
    […]


    Mein Kommentar
    Die Zusammenfassung passt eigentlich schon ganz gut. Daher werde ich dem ganzen auch nichts mehr hinzufügen, da ich schwer einschätzen kann, was zu viel verrät. Hinzufügen kann man vielleicht noch, dass Serge, der Bruder ein hohes politisches Amt anstrebt und daher auch eine bestimmte Berühmtheit hat.


    Am Ende des Romans ist eigentliche keiner der Eltern einem noch wirklich sympathisch. Es werden Argumente für und gegen die (Selbst)-Anzeige der beiden Söhne vorgebracht, bei dem das Beste für die beiden Söhne nicht immer an erster Stelle steht.
    Ewig im Gedächtnis bleiben wird mir der kleine Finger des Kellners, bei dem Lohman sich immer fragt, was für eine ekelige Hautkrankheit dieser wohl hat, das er den Rest seiner Hand verbirgt. Nachdem man sich dann so richtig geekelt hat, kommt die Auflösung.


    OT:Hätte ich nach dem Buch in einer deutschen Buchhandlung fragen müssen, hätte ich mittlerweile mehrere Titelvarianten im Angebot :breitgrins: :
    Abgespeist, Aufgetischt, Angerichtet


    Ich vergebe 4ratten, den eigentlich habe ich nichts auszusetzen.
    :winken:
    bibse

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

    Einmal editiert, zuletzt von bibse ()

  • Habe das Buch aufgrund eines Buchtipps im WDR bestellt und heute endlich auch gelesen. Der Anfang war ziemlich zäh, da das aber mit zur Grundidee dieses Buches gehört, habe ich mich nach einiger Zeit arrangiert.


    Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das Buch jetzt gut fand oder nicht. Auf jeden Fall aber lesenswert, die Idee, ein so wichtiges Gespräch während eines langwierigen und ständig unterbrochenen Essens in einem Sternerestaurant stattfinden zu lassen, fand ich zum Beispiel großartig. Vor so gekünstelter Kulisse wirkt das Drama, mit dem sich keiner der vier so richtig gern befassen will, noch mal intensiver und absurder.
    Identifizieren kann man sich eigentlich mit keiner der handelnden Personen, wer es versucht, wird im Verlauf des Buches überrascht werden.
    Mehr mag ich dazu an dieser Stelle auch nicht sagen, um nicht zu viel zu verraten.


    Vielleicht am Ende noch ein Tipp: "Angerichtet" lässt sich glaube ich am besten genießen, wenn man Zeit hat, längere Passagen am Stück zu lesen. Die nervigen Rituale im Restaurant, und die anfängliche Vermeidungshaltung aller Akteure führen nicht unbedingt dazu, dass man sich nach einer Pause aufs Weiterlesen freut. Wenn man aber einmal in diese Atmosphäre eingetaucht ist, und sich auf die erzählte Situation eingelassen hat, liest es sich sehr flüssig.

  • Ich habe das Hörbuch dazu rezensiert und dazu diesen Thread in der Hörbuchsparte aufgemacht.


    Ich schließe mich bibse an und fand die tückische Story großartig erzählt.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Es ist schwer, das Buch zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten. Ich würde ja empfehlen, sich von allen Besprechungen fern zu halten und das Buch einfach ohne Vorwissen zu lesen. Dennoch werde ich versuchen, möglichst spoilerfrei zu schreiben.


    Meine Meinung
    Ich fand das Buch genial. An der Seite des Ich-Erzählers Paul Lohmann, einer der beiden Ehemänner, taucht man in eine Geschichte ein, in der zum Schluß alles anders ist als zu Beginn angenommen. Und man fragt sich, in was für einer kranken Welt man eigentlich lebt.


    Dabei fängt alles ganz heimelig an. Man geht mit Paul Lohmann und seiner Frau in eine Kneipe, in der sie vor dem Gespräch mit seinem Bruder Serge noch etwas entspannen wollen. Man fühlt sich wohl mit den beiden. Im letzten Kapitel sitzt man mit eben diesen zwei Menschen am Frühstückstisch ... und man fühlt sich gar nicht mehr wohl, sondern ist geschockt und entsetzt. Herman Koch schafft es, zwischen diesen zwei Szenen den ersten Eindruck komplett zu zerstören, indem er langsam, aber stetig die anfängliche Stimmung kippt, bis man vor einem Scherbenhaufen steht, hinter dem die wahre Geschichte hervorkommt. Meiner Meinung nach ist dem Autor die Gestaltung des Handlungsverlaufs perfekt gelungen.


    Langeweile ist bei mir nie aufgekommen. Das Buch startet zwar langsam, aber das gehört meiner Meinung nach zum Aufbau der Stimmung dazu. Der Leser soll entspannt werden, aber schon ziemlich am Anfang bemerkt man einen drohenden Unterton, der einen gespannt weiterlesen lässt. Bis sich irgendwann die Ereignisse überschlagen.

    Ich vergebe 5ratten für ein Buch, dass ich jedem nur ans Herz legen kann.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Super - da freue ich mich ja noch mehr aufs lesen. Hab deine Rezi mal nicht komplett durchgelesen, da ich noch nicht zu viel wissen will. War also ein guter Tipp der Buchhändlerin. Dann freue ich mich mal auf den ersten guten Tipp von dir :breitgrins: :zwinker:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich finde den Roman lesenswert.


    Er ist spannend erzählt und erst nach und nach enthüllen sich die katastrophalen Zustände in der Familie Lohmann und im Grunde genommen zeigen diese, was mitten unter uns falsch läuft: gelangweilte Kids reicher ignoranter Eltern, die die Verlierer unserer Gesellschaft wie Müll behandeln und an ihnen ihren Frust abreagieren, Eltern, die weder zu Mitleid oder Selbstreflektion fähig sind noch ein Verantwortungsbewusstsein zeigen geschweige denn ihren Kindern vermitteln können; jeder ist sich selbst der nächste und lässt seinen Affekten freien Lauf. Begriffe wie Sozialdarwinismus und Rassismus kommen einem unweigerlich in den Sinn. Der Roman zeigt, dass die angeblichen Pfeiler unserer Gesellschaft sich als zutiefst asozial zeigen (wobei dies keineswegs aus der Luft gegriffen erscheint, denkt man an die immer wieder geführte Diskussion um die Zunahme von sozialer Kälte). Dies wird durch das Ambiente (Essen in einem Luxusrestaurant, das an Dekadenz kaum zu überbieten ist) noch zusätzlich verstärkt.


    In einem Punkt muss ich bibse widersprechen: Zu keinem Zeitpunkt steht die Selbstanzeige der Söhne zur Diskussion. Der einzig vernünftige Lösungsansatz kommt von Serge,

    .


    Eine intelligent inszenierte, spannende Geschichte und bei aller Dramatik gibt es auf den ersten Seiten auch Momente, in denen man herzlich lachen kann.


    4ratten.gif

  • Meine Meinung
    Von Anfang an weiß der Leser, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen wird. Aber was genau passiert ist, das findet man langsam heraus, während sich die beiden Ehepaare durch die verschiedenen Gänge ihres Menüs essen. Wäre für diese Sache nicht ein anderer Platz besser gewesen? Einer, bei dem man nicht wie auf dem Präsentierteller sitzt? Aber vielleicht war das gerade der Hauptgrund für die Platzwahl, denn an einem verschwiegeneren Ort wären sich die Vier wahrscheinlich viel eher an die Kehle gegangen.


    Der Erzähler Paul ist mir am Anfang noch sympathisch. Er wirkt traurig, weil er viel verloren hat und offensichtlich unschuldig ist. In seiner Erzählung schiebt er die Schuld auf seinen Bruder und dessen Söhne. Er selbst und seine Familie wirken so, als ob sie nur zufällig in die Sache verwickelt wurden. Im Verlauf seiner Erzählung ändert sich mein Bild von Paul. Ich erkenne, dass er sich selbst belügt und frage mich, wie viel von dem, was er erzählt, wahr ist. Zum Schluß mag ich eigentlich keinen mehr. Am ehesten noch Serge, der mir am Anfang noch am wenigsten sympathisch war.


    Angerichtet ist ein Buch, über das ich auch nach dem Ende der Lektüre immer noch nachdenke (und wahrscheinlich noch eine Zeitlang nachdenken werde).
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine Meinung:


    Ich hatte von Anfang an keine Sympathien für die Figuren.
    Paul scheint schon zu Beginn der Geschichte unter Selbstzweifeln, Eifersucht und Realitätsverlust zu leiden, was man vor allem bei seiner Beschreibung seines Bruders durchblitzen sieht. Ich hab so meine Zweifel, ob die wunderbare Beschreibung von Claire nicht doch auch, vor allem nach dem Ende, etwas realitätsfern ist. Meiner Meinung nach macht sich Paul da viel vor.


    Die eigentlichen Beweggründe von Babette blieben mir etwas unerschlossen. Und überhaupt finde ich das Ende mehr als seltsam.


    Es ist generell recht schwierig, das Buch zu bewerten, ohne einiges vom Inhalt preiszugeben, deshalb tue ich mir hier recht schwer, die Bewertung nachvollziehbar zu erläutern.


    Hier ein Spoiler:


    Meine Bewertung:


    Grüße,
    3ratten
    Marypipe

  • @Marypipe: es gibt wohl einen genetischen Defekt, bei dem man ein vermindertes Schuldbewußtsein hat. Ich glaube mich zu erinnern, schon darüber gelesen zu haben. Anscheinend haben einige Täter versucht, mit dieser "Ausrede" ihre Strafe ein bisschen zu mildern. Aber ob man den nachweisen kann.... schwierige Frage.


    Die beiden Damen fand ich übrigens auch nicht so sympathisch :rollen:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Die Brüder Paul und Serge treffen sich mit ihren Frauen zum Abendessen in einem Nobelrestaurant. Eigentlich eine ganz alltägliche Begebenheit, doch mit der Zeit zeigt sich, dass es einen Besorgnis erregenden Grund für dieses Treffen gibt, der beide Familien gleichermaßen betrifft.


    Das Essen ist nur die Rahmenhandlung und stellt den Endpunkt einer brisanten Entwicklung dar, in deren Mittelpunkt die Söhne von Paul und seinem Bruder stehen. Paul, aus dessen Perspektive die Ereignisse geschildert werden, enthüllt in Rückblenden immer mehr darüber, was passiert ist und welche Rolle er dabei spielt. Auch während des Essens geschieht einiges, auf das man sich als Leser zunächst keinen Reim machen kann, doch langsam verknüpfen sich die Einzelheiten der beiden Zeitebenen zu einem stimmigen Gesamtbild, das in der Tat erschreckend ist.


    In den meisten Büchern gibt es wenigstens einen unsympathischen Charaktere; bei „Angerichtet“ ist es genau anders, hier sind alle bis auf einen nicht besonders liebenswert. Selbst wenn sich bei den Müttern noch der Hauch eines Gewissens erahnen lässt, überwiegen die negativen Eigenschaften. Es ist verständlich, dass sie ihre Söhne schützen wollen, doch hatte ich trotz allem mehr Betroffenheit erwartet. Ihre Reaktionen waren nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, auch oder gerade weil es sich um ihre eigenen Kinder handelt.


    Paul dagegen ist noch eine ganz andere Kategorie. Bei ihm hat mich gestört,



    Man muss ein bisschen Geduld aufbringen, bis langsam deutlich wird, was in diesen Familien los ist, aber dann ist das Buch spannend zu lesen, vor allem, weil das Thema im wahren Leben gefühlt ungefähr einmal im Monat aktuell ist. Leider hat sich mir nicht ganz erschlossen, welche Botschaft Herman Koch mit der Geschichte vermitteln will. Kritik an Eltern, die aus Angst um ihre Kinder schweigen und so vielleicht den Moment verpassen, Einfluss auf deren Entwicklung zu nehmen? Kritik wegen des Mangels an Toleranz zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten?


    4ratten

  • Doris: schön, dass dir das Buch auch gefallen hat :winken: Als ich gesehen habe dass du es jetzt liest, konnte ich mich an nicht mehr als den Titel erinnern :redface: Dein Spoiler hat aber große Teile der Geschichte wieder zurück gebracht.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ja, ich fand es gut und habe mir schon vorgenommen, Kochs andere Bücher mal genauer in Auge zu fassen. Positiv fiel mir auf, dass es eines der wenigen Bücher ist, in dem wirklich fast alle Protagonisten unangenehme Charaktere sind. Das kommt mir realistischer vor als die vielen Gutmenschen, die sich sonst in den Geschichten tummeln.



    Wäre für diese Sache nicht ein anderer Platz besser gewesen? Einer, bei dem man nicht wie auf dem Präsentierteller sitzt? Aber vielleicht war das gerade der Hauptgrund für die Platzwahl, denn an einem verschwiegeneren Ort wären sich die Vier wahrscheinlich viel eher an die Kehle gegangen.


    Sich an die Kehle zu gehen läge sogar im Bereich des Möglichen, wenn man überlegt, wie die Herrschaften früher schon miteinander umgegangen sind. Trotzdem ist die Örtlichkeit fragwürdig, besonders da Serge als bekannter Politiker derart im Focus steht. Ich als prominenter Gast würde ständig mit lauernden Fotografen oder Journalisten rechnen.

  • Laura Linney kenne ich nicht, dafür aber Richard Gere. Ihn mag ich ganz gerne, daher stehen die Chancen gut, dass ich mir den Film irgendwann ansehe, wenn auch nicht im Kino.

  • Ich habs noch im Regal stehen - vielleicht sollte ich es endlich mal raus holen und lesen.. steht schon länger... :rollen:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich habe mir das Buch nun im Rahmen des SLW auch vorgenommen und stehe dem Buch recht zwiegespalten gegenüber.


    Ich habe mich während des gesamten Lesen wirklich unwohl gefühlt. Ich denke mal, es ist von dem Autoren auch so beabsichtigt. Ich fand aber auch schon die Toilettenszene am Anfang unangenehm, in der der Protagonist Paul das Glied seines Nebenpinklers beschreibt. Ich brauche sowas persönlich wirklich nicht in einem Buch. (Nennt mich gerne prüde. ;) )


    Wie bei Kirsten haben sich die Sympathiepunkte während des Lesens stark geändert, während sie am Anfang bei Paul und weniger bei Serge liegen, war es am Ende genau umgekehrt. Je mehr man über Paul und Claire erfährt, desto entsetzter wurde ich. Doch auch die Beziehung zwischen Claire und Paul erschien mir mehr als seltsam.


    Das Buch spiegelt definitiv eine kaputte Gesellschaft, kaputte Charaktere ohne jegliches moralisches Empfinden wieder. Es ist auf jeden Fall gut geschrieben und die Entwicklung kommt recht unerwartet, aber ein sommerlicher Wohlfühlroman sieht definitiv anders aus.

  • Äh, nein, so eine Toilettenszene bräuchte ich jetzt auch nicht. Es gibt Dinge, die ich einfach nicht wissen will.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen