Ali Shaw - The Girl With Glass Feet/Das Mädchen mit den Glasfüßen

Es gibt 58 Antworten in diesem Thema, welches 10.892 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.


  • Meine Eindrücke
    Von zwei Vorstellungen musste ich mich nach und nach verabschieden. Das Buch ist meiner Meinung nach weder ein Jugend- noch ein Fantasybuch.


    Da hast du Recht. Vielleicht sollte man den Thread verschieben? Ich würde "sonstige Literatur" vorschlagen. Ich hatte aber auch nie angenommen, dass es ein Fantasybuch wäre, wenn dann eher etwas in Richtung Paranormal Romance. Das ist es aber definitiv auch nicht.



    Doch ich musste aufpassen dass die Atmosphäre des Buches nicht auf mich übergreift und ich habe mich gefragt, was den Autor dazu bewegt hat, diese Geschichte zu schreiben.


    Das ist tatsächlich eine interessante Frage, die ich mir so noch gar nicht gestellt habe. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, eine Geschichte zu erfinden, in der es kaum Glück gibt.



    Für das Buch würden auch folgende alternative Titel passen:
    Zerbrechliches Glück
    Die Insel der unglücklich Liebenden


    Wow, die finde ich beide gut und sehr passend!


  • Da hast du Recht. Vielleicht sollte man den Thread verschieben? Ich würde "sonstige Literatur" vorschlagen. Ich hatte aber auch nie angenommen, dass es ein Fantasybuch wäre, wenn dann eher etwas in Richtung Paranormal Romance. Das ist es aber definitiv auch nicht.


    Es wäre sicher sinnvoll den Thread in das von dir genannte Genre zu verschieben.
    Aufgrund der Leseprobe hatte ich mit mehr Fantasyelementen gerechnet.



    Das ist tatsächlich eine interessante Frage, die ich mir so noch gar nicht gestellt habe. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, eine Geschichte zu erfinden, in der es kaum Glück gibt.


    Mich würde interessieren, wie das Leben von Ali Shaw bisher verlaufen ist, ob es viele traurige Momente darin gab und ob er für sich selbst eine dauerhafte Liebesbeziehung gefunden hat. Wenn ich Zeit habe stöbere ich mal im www.


    Liebe Grüße
    Aurian

  • So, habe das Buch gestern Nacht noch bis 0:30 fertig gelesen und versuche jetzt mal, einige von meinen Eindrücken los zu werden.


    Gleich vorneweg: ich gebe dem Buch die volle Punktzahl
    5ratten
    auch wenn (und vielleicht gerade weil) es mich oft irritiert hat und gar nicht meinen Erwartungen entsprochen hat.


    Erwartet hatte ich ein irgendwie "märchenhaft-zeitloses"setting, Fabeltiere, wundersame Krankheiten und Verwandlungen; daher war gleich ziemlich irritiert, als von Photographie die Rede war, dazu noch digital.


    Einige in der Leserunde finden ja diese phantastischen Elemente überflüssig, da sie weder richtig erklärt werden, noch größtenteils eine wirkliche Rolle für die Geschichte spielen. Man hätte die Geschichte sicher auch ganz "normal" erzählen können: Mädchen hat rätselhafte, vermutlich unheilbare Krankheit, verliebt sich in introvertierten Jungen, lernt verschiedene andere Menschen kennen, die alle ihre seelischen Verletzungen haben etc etc. Gibt es alles schon tausendfach und hätten wir vielleicht nicht nochmal gebraucht. Die phantastischen Elemente sind wie der Pfeffer auf der Erdbeere oder die Ananas im Curry-Gericht, die aus einem Allerweltsessen etwas besonderes machen, weil sie das Gewohnte kontrastieren und damit deutlicher machen.


    Ich muß mir das Buch gerade wie eine Theateraufführung denken: die Bühne ist eher minimalistisch gehalten, viel Grau und Weiß und Schwarz, ein paar exotische Elemente kontrastieren damit, die Figuren sind aber sehr realistisch. Das hat mich an dem Buch eigentlich am meisten fasziniert: wie die Personen gezeichnet werden. Alle haben sie ihre seelischen Verletzungen, Traumata, sind gefangen in ihrer eigenen und familiären Vergangenheit. Das mag zunächst etwas pessimistisch wirken, entspricht aber ganz meiner eigenen Beobachtung. Die meisten Menschen (alle?) sind eben nicht die autonomen Akteure, die selbstbestimmt und rational ihr Leben gestalten, sondern stecken durch unzählige eigene und fremde Entscheidungen wie in einer engen Einbahnstrasse fest und können nur in eine Richtung weiter, ob sie wollen oder nicht (und oft manövriert man sich - kenne ich an mir selbst - auch selbst bewußt/unbewußt in solche Einbahnstraßen, weil oft die Freiheit der Entscheidung schwerer zu ertragen ist, als das alternativelose Tun dessen, was nicht zu verhindern ist).


    Auch finde ich die vielen losen Enden nicht störend, wie verschiedentlich angemerkt; für mich ist das auch eher ein Zeichen von großem Realismus, denn das Leben ist eben selten so ordentlich, dass alle losen Enden verknotet, alle Geschichten fertigerzählt und alle Tränen getrocknet werden. Dazu fällt mir ein Artikel in der ZEIT ein, in dem ein buddhistischer Priester über den östlichen Umgang mit Katastrophen und großem Leid befragt wurde. Er merkte an, dass die westliche Kultur immer bemüht sei, eine große, stimmige Narration für alles zu erreichen: Leid muß einen Grund haben und ein Ende und wenn wir eine solche Narration nicht stimmig hinbekommen dann leiden wir und gehen zum Therapeuten, der dann für uns eine solche Narration entwickeln soll. In den östlichen Kultuten ist das anders: Leid passiert, blind, absichtslos und ob wir das akzeptieren oder nicht und unsere einzige Aufgabe ist es, weiter zu leben (und jetzt, wo ich das schreibe, fällt mir auf: im Buch ist ja gerade Henry Fuwa, ein Japaner, der dies genauso sagt).


    Ich wollte eigentlich noch etwas zum Schreibstil sagen, aber das kommt vielleicht später noch - erstmal ruft die Pflicht.


    Morwen


    PS: ich sehe gerade, der Autor hat eine eigene Homepage, mit Blog, Infos über sein zweites Buch (The Man who Rained) und eigenen Zeichnungen - SEEEHR interessanter Mann, den werde ich definitiv im Blick behalten.


    PPS: ich hatte mir das Buch kurzentschlossen bei Amazon als eBook gekauft - 3,46€ für die englische Ausgabe sind ein Witz, aber ich werde mir das Buch auf jeden Fall auch noch als gedrucktes Buch kaufen.

    "What we remember is all the home we need."

    Roberet Holdstock, Avilion


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    Einmal editiert, zuletzt von Morwen ()

  • Meine Rezi:


    Vor einem halben Jahr machte Ida auf St. Hauda’s Land Urlaub. Dabei lernte sie den verschrobenen Henry Fuwa kennen, der ihr von gläsernen Gestalten auf dem Grund des Tümpels und von Ochsenmotten erzählte. Als sich nun ihre Füße in Glas verwandeln, kommt sie zurück, um bei Henry Fuwa Hilfe zu finden. Doch leider hat sie keine Ahnung, wo auf der Insel der alte Mann lebt. Auf der Suche nach ihm begegnet sie im Wald Midas. Midas, ein junger Mann ca. Mitte 20, der nach vielen Enttäuschungen in seinem Leben sehr zurückgezogen lebt und den Kontakt zu anderen Menschen scheut, fühlt sich von der jungen Frau mit den viel zu großen Stiefeln seltsam berührt. Ganz sachte bahnt sich hier nach und nach eine zarte Liebe an, die Midas‘ Leben auf den Kopf stellt.


    Wie nebenbei erfährt der Leser durch Rückblicke, wie aus Midas dieser introvertierte scheue junge Mann geworden ist. Diese Ausflüge in die Vergangenheit sind zuweilen interessanter und gehaltvoller als das Geschehen in der Gegenwart. Für mich haben sie den Lesefluss nicht gestört, sie passen einfach an die jeweilige Stelle und es ist auch gut ersichtlich, dass es sich um Rückblenden handelt.


    Ida, Midas und auch Carl, ein Freund von Idas verstorbener Mutter, suchen zwar nach einem Heilmittel für Idas „Glaskrankheit“. Auf ihrem Weg lernen sie aber auch eine ganze Menge über sich selbst, was mir noch viel wichtiger scheint.


    „Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ ist ein leises, ruhiges Buch. Es fesselt nicht durch atemberaubende Spannung, sondern durch eine wunderschöne Erzählweise. Fast poetisch beschreibt Ali Shaw sehr detailliert die Landschaften von St. Hauda‘s Land, die Menschen, die fast alle auf ihre Weise Außenseiter sind, und das Wetter. Diese Beschreibungen sind so anschaulich und eindringlich, dass man sich mitten im Geschehen wähnt. Es gelingt dem Autor hervorragend, die melancholische Stimmung auf der winterlichen Insel einzufangen und dem Leser nahezubringen.


    Während des Lesens bin ich auf einige Fehler gestoßen, die z.T. wohl dem Übersetzer zu verdanken sind: Hirschkühe werden mit Rehen gleichgesetzt, der Vorgang der Glasbildung wird als Kristallisation bezeichnet (im englischen Original „petrification“=Versteinerung, was genauso falsch ist), eine Digitaluhr kann nicht auf einer bestimmten Uhrzeit stehenbleiben. Hier sollte man doch etwas genauer arbeiten, es ist einfach schade um das schöne Buch.


    Trotz fantastischer Elemente wie den faszinierenden Ochsenmotten, dem weißen Tier, dessen Blick alles weiß werden lässt, oder der „Glaskrankheit“ ist dieses Buch sicherlich kein Fantasyroman. Das Hauptaugenmerk liegt auf Midas, seiner Entwicklung, seiner Einstellung zum Leben und zur Liebe.


    Was mir an diesem Buch überhaupt nicht gefällt, sind Figuren, die keinen tieferen Sinn in der Handlung haben. Auch ohne sie wäre die Handlung nicht anders abgelaufen. Außerdem bleiben am Ende zu viele Fragen offen. Es hat mich nicht wirklich befriedigt.


    3ratten

  • Grundsätzlich hat mir das Buch gefallen, die Arbeit einer Rezension tue ich mir aber jetzt nicht an, weil es schon so viele tolle gibt. :breitgrins:



    Was mir an diesem Buch überhaupt nicht gefällt, sind Figuren, die keinen tieferen Sinn in der Handlung haben. Auch ohne sie wäre die Handlung nicht anders abgelaufen. Außerdem bleiben am Ende zu viele Fragen offen. Es hat mich nicht wirklich befriedigt.


    Bei den Figuren ohne tieferen Sinn kann ich dir nur zustimmen. Sie kommen auch noch vor, nachdem sie in die Handlung eingegriffen haben und dies eindeutig nicht mehr tun werden. Manchen kann es gefallen, dass alle Figuren eines Romans einen Abschluss finden, mich hat es eher gestört.
    Dass vieles am Ende unklar bleibt, finde ich vielleicht sogar ganz gut. All jene Belange geben während des Lesens des Buches nämlich reichlich Anstoß über das Buch nachzudenken und man wird sich sicher auch noch kurz danach mit den aufgeworfenen Fragen beschäftigen, sich fragen, ob manches nicht einfach als Metapher zu verstehen ist.

    Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist.<br />- Elias Canetti

  • Schon als ich das Cover zum ersten Mal sah, wusste ich, dass dieses Buch etwas ganz Besonderes sein muss. Zum Glück hat der erste Eindruck nicht getäusch und ich bin mir sicher, dass ich mit diesem Buch eines meiner Jahreshighlights gelesen habe, auch wenn 2012 gerade erst angefangen hat.


    Idas Füße verwandeln sich langsam aber sicher zu Glas. Da sie nicht weiß, wie sie mit dieser seltsamen Krankheit umgehen soll, reist sie nach St. Hauda’s Land, wo sie vor einiger Zeit mit jemandem über ein ähnliches Phänomen gesprochen hat. Doch diese Person ist nicht so leicht aufzuspüren. Auf ihrer Suche trifft sie Midas, der schon seit seiner Geburt auf der abgelegenen Inselgruppe lebt. Er ist sehr introvertiert und unsicher im Umgang mit Menschen, doch irgendetwas an Ida bringt ihn dazu, sich langsam zu öffnen und es entwickelt sich eine zarte Romanze, während die Glaskrankheit ihren Lauf nimmt.


    Wie man an der Inhaltsbeschreibung schon sehen kann, gibt es in diesem Roman fantastische Elemente. Außer der langsamen Verwandlung zu Glas tauchen auch kleine geflügelte Rinder und ein geheimnisvolles Tier, das mit seinem Blick alles weiß färbt auf. Man darf sich hier allerdings nicht täuschen lassen, denn um einen Fantasyroman handelt es sich nicht. Abseits von diesen kleinen Details befinden wir uns in der realen Welt, in der alles seinen gewohnten Gang geht.


    Die Grundstimmung ist sehr melancholisch, wiederholt wird die Landschaft oder Personen als monochrom beschrieben. Es gibt zwar kleine Lichtblicke oder Farbkleckse, aber im Großen und Ganzen handelt es sich eher um ein trauriges Buch. Man sollte dringend mit den richtigen Erwartungen an den Roman gehen, denn wer eine lockerleichte Liebesgeschichte in einer Fantasywelt erwartet, kann nur enttäuscht werden.


    Bemerkenswert ist, dass es in diesem Buch niemanden mit einer glücklichen Vergangenheit zu geben scheint. Jeder hat mit den Nachwirkungen einer verkorksten Kindheit oder einer unerfüllten Liebe zu kämpfen. Auch Charaktere, die als sehr unsympathisch und negativ beschrieben werden, sind mir dank ihrer tragischen Geschichte nach und nach ans Herz gewachsen und ich habe an ihrem Schicksal Anteil genommen, obwohhl sie es oberflächlich betrachtet verdient haben. Der Personenkreis ist sehr eingeschränkt und gerade deshalb kann sich jeder Charakter in seiner eigentümlichen Art voll entfalten. Besonders liebgewonnen habe ich Midas, der so sehr in sich selbst gefangen ist und seinen eigenen Zwängen nicht entkommen kann, obwohl er sich nichts sehnlicher wünscht, als auszubrechen.


    Ich bin wirklich begeistert, angefangen beim Cover und dem silbernen Buchschnitt bis zu den liebevoll beschriebenen, einzigartigen Charakteren! Wer sich auf eine kleine Prise Fantasy in einer wunderbar romantischen, aber gleichzeitig sehr tragischen und melancholischen Geschichte einlassen will, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen!
    5ratten


    P.S. Es gibt noch einen zweiten Thread zum Buch: Hier
    Vielleicht kann die mal jemand zusammenfügen :winken:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Ida stammt vom Festland und besucht nun zum zweiten Mal in ihrem Leben die Insel St. Hauda’s Land. Dort lebt Midas, der im Blumenladen seines Freundes beschäftigt ist und mit großer Leidenschaft seinem Hobby, der Fotografie, nachgeht. Ida ist auf der Suche nach Henry Fuwa, einem Mann, den sie bei ihrem ersten Besuch auf der Insel getroffen hat und der ihr neben vielen anderen fantastischen Geheimnissen auch von in den Sümpfen verborgenen gläsernen Körpern berichtet hat. Ida hofft von ihm mehr zu erfahren, denn seit einiger Zeit gehen Veränderungen mit ihrem Körper vor. Ihre Füße beginnen zu Glas zu werden und Ida glaubt und hofft auf Hauda’s Land Antworten zu finden und Hilfe zu bekommen.

    Bei einem Streifzug mit der Kamera lernt Midas die junge Ida kennen und fühlt sich ihr nahe. Das ist ungewöhnlich, denn eigentlich lebt Midas als eine Art Einsiedler. Seine Vergangenheit hat ihn zu dem gemacht was er heute ist: Ein Einzelgänger. Ida und Midas kommen sich näher und so kommt Midas hinter das Geheimnis der jungen Frau und versucht ihr zu helfen.

    In Rückblicken erfährt der Leser vieles über das Leben von Ida und Midas und lernt auch deren Angehörige und Freunde kennen. Wirklich glücklich scheint hier keiner zu sein und auch Hauda’s Land selbst ist eine traurige, graue Gegend ohne viel Abwechslung.

    Mit einer sehr bildreichen Sprache entführt der Autor Ali Shaw seine Leser in diese Geschichte, deren eigentliche Handlung recht minimal ist. Hier geht es mehr um Emotionen, in erster Linie um Trauer, Verzweiflung, Angst, Eifersucht und noch viel mehr negative Gefühle. Das Glück einfach zulassen, die Zeit die bleibt genießen, das Leben annehmen, so wie es ist, das alles ist für mich die Botschaft, die der Autor seinen Lesern hier vermittelt. Das gelingt ihm auch auf eine außergewöhnliche Art und Weise.

    Gestört haben mich allerdings im Rückblick die fantastischen Elemente, die mit in die Geschichte einfließen. Hier gibt es sonderbare Tiere und Erscheinungen, deren Sinn und Zweck aber nichts zur Handlung und Auflösung beitragen. Sie sind eine Art Nebenstrang, der für mich nach Beendigung des Buches einfach nur überflüssig ist. Hier entstehen viele Fragen, die nicht beantwortet werden. Das ist sehr schade, denn die geschaffenen Fantasygestalten haben mich neugierig gemacht und mich auf eine Verbindung zu Ida und ihren körperlichen Veränderungen hoffen lassen. Für das was der Autor hier deutlich machen möchte, hätte es dieser Lebewesen nicht bedurft.

    Die Aufmachung des Buches ist einfach wunderbar. Der silberne Schnitt und das blassgrüne Cover mit schwarzer und silberner Schrift verdeutlichen die Stimmung der Insel, die den Leser erwartet, wenn er gemeinsam mit Ida St. Hauda’s Land betritt.

    Ein Buch, das viel ausdrücken kann aber eventuell auch falsche Hoffnungen beim Leser weckt.


    3ratten

    Lesen ist meine Leidenschaft

  • So, hier kommt nun endlich meine Meinung zu Ali Shaw: Das Mädchen mit den gläsernen Füßen. Es fiel mir schwer, sie zu formulieren (in der Leserunde wurde ja schon deutlich, daß ich zur nicht so begeisterten Fraktion gehöre).


    Ida Maclairds Füße verwandeln sich von den Zehen aufwärts langsam in Glas. Deshalb reist sie auf die Inselgruppe St. Hauda´s Land, wo sie ein halbes Jahr zuvor Henry Fuwa kennengelernt hat, der ihr von gläsernen Menschenkörpern erzählt hat, die man in den Sümpfen auf St. Hauda´s Land angeblich finden kann. Sie macht sich auf die Suche nach Henry Fuwa und trifft den jungen Fotografen Midas, zu dem sie sich hingezogen fühlt.


    Auch Midas fühlt sich zu Ida hingezogen und ganz langsam entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. Allmählich erfährt der Leser immer mehr Details aus Idas und vor allem Midas´ Vergangenheit, wobei immer wieder Bezug auf zuvor gegebene Informationen genommen und manches nur angedeutet wird, man muß also aufmerksam lesen. Stück für Stück fügt sich das Bild von Midas´ nicht sehr glücklicher Kindheit, von der Ehe seiner Eltern zusammen. Man erkennt, warum er sich als Erwachsener nur schwer auf Ida einlassen kann. Die beiden machen sich gemeinsam auf die Suche nach Henry Fuwa, einem Sonderling und Eigenbrötler, und nach einer Lösung für Idas Problem.


    Das alles wird geruhsam geschildert, mit vielen detaillierten, atmosphärisch schönen Landschaftsbeschreibungen und phantastischen Details (auf St. Hauda´s Land gibt es kleine fliegende Rinder und ein Tier, dessen Blick alles weiß färbt, was er trifft). Sehr gut gefallen hat mir die wunderschöne Aufmachung des Buches, mit einem schönen Cover, silbernem Buchschnitt und hübschen Illustrationen an jedem Kapitelanfang.


    Der Autor schreibt in poetischen Bildern, die größtenteils sehr schön sind, allerdings kommt es hin und wieder vor, daß seine Vergleiche übertrieben sind oder haarscharf danebentreffen. Letzteres geschieht insbesondere dann, wenn naturwissenschaftliche oder technische Details erwähnt werden und hinterläßt einen verwirrenden Beigeschmack. Man hat das Gefühl, der Autor versteht an diesen Stellen nicht was er schreibt oder formuliert zumindest sehr unexakt.


    Die Grundstimmung des Buches ist melancholisch und wirkt auf den Leser mitunter niederdrückend. Bei den Haupt- und Nebenpersonen häufen sich unglückliche Ehen, Unfälle, Krankheiten. Die Glaswerdung Idas kann man deuten als Metapher für eine tödliche Krankheit oder ein unausweichliches Schicksal. Ida findet recht schnell ihre Position dazu, nur leider erfährt man als Leser wenig über Idas Gedanken und Gefühle und ihren Weg dorthin. Eine umso größere Rolle spielt die Entwicklung von Midas, der (angestoßen von Ida und ihrem Schicksal) einen Loslösungsprozeß von seinem Vater beginnt, der aber auch leider kein so optimistisches Ende hat, wie man es sich wünschen würde.


    Auf jeden Fall bietet das Buch gerade durch die am Ende offen gelassenen Fragen jede Menge Raum zum Nachdenken und Interpretieren. Das finde ich gut. Negativ aufgefallen sind mir einige Botschaften, die man in die Geschichte hineindeuten kann:


    Carl Maulsen (der Freund von Idas verstorbener Mutter) ist derjenige,

    Sich einem unausweichlichen Schicksal zu stellen ist das eine, aber deshalb diejenigen pauschal zu verdammen, die eine Krankheit heilen oder erklären wollen, halte ich für höchst zweifelhaft.


    Und nun möchte ich noch einige Punkte aus Morwens Rezension aufgreifen:



    Das mag zunächst etwas pessimistisch wirken, entspricht aber ganz meiner eigenen Beobachtung. Die meisten Menschen (alle?) sind eben nicht die autonomen Akteure, die selbstbestimmt und rational ihr Leben gestalten, sondern stecken durch unzählige eigene und fremde Entscheidungen wie in einer engen Einbahnstrasse fest und können nur in eine Richtung weiter, ob sie wollen oder nicht (und oft manövriert man sich - kenne ich an mir selbst - auch selbst bewußt/unbewußt in solche Einbahnstraßen, weil oft die Freiheit der Entscheidung schwerer zu ertragen ist, als das alternativelose Tun dessen, was nicht zu verhindern ist).
    Auch finde ich die vielen losen Enden nicht störend, wie verschiedentlich angemerkt; für mich ist das auch eher ein Zeichen von großem Realismus, denn das Leben ist eben selten so ordentlich, dass alle losen Enden verknotet, alle Geschichten fertigerzählt und alle Tränen getrocknet werden.


    Also, meiner Beobachtung entspricht das nicht. Natürlich werden wir alle durch unsere persönliche Geschichte und durch äußere, nicht optimale Bedingungen geprägt, beeinflußt und gestört. Ich erlebe es aber nicht so, daß Menschen sich dem vorwiegend ausliefern. Ich kenne sehr viele Menschen, die mit diesen Bedingungen positiv umgehen, sich aus Abhängigkeiten befreien, das Beste aus ihrer Situation machen, die Fehler ihrer Eltern nicht wiederholen (z. B. nicht wie Midas´ Vater Frau und Kind mißhandeln, obwohl sie selbst als Kind mißhandelt wurden). Ich erlebe Menschen, die einander beistehen, und Partnerschaften, die zu 80-90% gelingen (und nicht zu 0% wie in dem Buch). In der Hinsicht bildet das Buch eben gerade nicht das reale Leben ab.
    Ich persönlich finde es wesentlich spannender, wenn Literatur Wege aufzeigt, die aus den oben genannten Verhältnissen herausführen, statt sie einfach nur zu schildern (letzteres tut Ali Shaws Buch). Aber letzlich ist das wohl eine Frage des persönlichen Lesegeschmacks.



    Dazu fällt mir ein Artikel in der ZEIT ein, in dem ein buddhistischer Priester über den östlichen Umgang mit Katastrophen und großem Leid befragt wurde. Er merkte an, dass die westliche Kultur immer bemüht sei, eine große, stimmige Narration für alles zu erreichen: Leid muß einen Grund haben und ein Ende und wenn wir eine solche Narration nicht stimmig hinbekommen dann leiden wir und gehen zum Therapeuten, der dann für uns eine solche Narration entwickeln soll.


    Das wurde entweder mißverstanden oder ist ein Gemeinplatz. Die Ursachen für Leid zu hinterfragen ist menschlich, unabhängig von östlicher oder westlicher Kultur. Auch wenn man eine Erklärung für Leid sucht und findet, kann man es akzeptieren und wenn man diese nicht findet, genauso. Ich wüßte nicht, daß unsere westliche Kultur dies nicht zulassen sollte. Es ist legitim und menschlich, zu fragen, wie man helfen und Leid vermeiden kann und auch die Frage "warum gerade ich", die Ida sich vermutlich mehr als einmal gestellt hat, ist, selbst wenn es keine Antwort darauf gibt, legitim - immerhin ist Ida noch sehr jung.



    In den östlichen Kultuten ist das anders: Leid passiert, blind, absichtslos und ob wir das akzeptieren oder nicht und unsere einzige Aufgabe ist es, weiter zu leben (und jetzt, wo ich das schreibe, fällt mir auf: im Buch ist ja gerade Henry Fuwa, ein Japaner, der dies genauso sagt).


    Auch im Buddhismus ist es eine zentrale Sache, Leid zu vermeiden und mitzuempfinden. Das schließt auch ein, es zu hinterfragen. Alles andere wäre ein Freibrief für jede Tyrannei und das ist für mich eine sehr, sehr zweifelhafte Botschaft.
    Außerdem ist es ja gerade Henry Fuwa, der das zwar sagt, aber selber nicht danach handelt: wenn er Evalines Leid akzeptieren würde, würde er ihr dann nicht beistehen, statt sie alleinzulassen und zu sagen, sie sei nicht mehr sie selbst? Einer Frau ihre Persönlichkeit abzusprechen, nur weil sie nicht so funktioniert wie sie soll und weil sie depressiv ist, halte ich für die größte Unbarmherzigkeit in diesem Roman.



    Gerne würde ich das Buch mit drei bis vier Leseratten bewerten, weil es originell und gut geschrieben ist und gerade auch weil es Stoff zum Nachdenken liefert, doch angesichts der zuletzt genannten Gesichtspunkte kann ich mich dazu leider nicht durchringen.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich habe mich auch schwer getan, meine Meinung zu formulieren - und so wortgewandt wie kaluma war ich dabei leider nicht.


    Ali Shaw - Das Mädchen mit den gläsernen Füßen


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    St. Hauda's Land ist eine kleine Insel, die einem in sich geschlossenen System gleicht. Der mehr als schüchterne Midas, ein Einheimischer, lernt hier Ida kennen, die von außerhalb bereits zum zweiten Mal St. Hauda's besucht. Ida ist sehr krank, ihre Füße verwandeln sich in Glas, und sie erhofft sich hier auf der Insel Hilfe von einem geheimnisvollen Mann, den sie bei ihrem ersten Besuch hier kennenlernte. Ida und Midas versuchen gemeinsam, der eigentümlichen Krankheit auf die Spur zu kommen.


    Ich bin sehr zwiegespalten, was die Bewertung dieses Buches angeht. Das kommt zum einen daher, dass ich etwas anderes erwartet hatte – nämlich eine romantische Liebesgeschichte vor einem Fantasy-Hintergrund. Bekommen habe ich etwas ganz anderes, nämlich eine melancholische Liebes- und Leidensgeschichte, die die fantastischen Elemente nur als schmückendes Beiwerk benutzt.


    Zum anderen hatte ich meine Schwierigkeiten mit dem Ende. Das Buch liest sich zum größten Teil absolut spannend. Mit jeder Enthüllung, die stattfindet, wird die Neugier auf die Lösung des ganzen Rätsels um die Glaskrankheit, die erwähnten fantastischen Kreaturen, Midas' Eltern und die Sache mit der Frau seines besten Freundes größer und größer. Das Ende jedoch beantwortet einfach keine offenen Fragen – der Leser steht am Schluss da und denkt: „Und nun?“


    Das Buch ist eigentlich schön geschrieben, baut die Spannung gut auf, bietet unendlich viele Möglichkeiten zur Spekulation und Interpretation; es baut eine ganz eigene melancholische Stimmung auf, die sich mit der Stimmung eines französischen Filmes vergleichen lässt (als Film gewänne es sicher eine Goldene Palme in Cannes) und am Schluss stößt es den Leser einfach in ein tiefes Loch und jener muss zusehen, wie er damit zurecht kommt. Das hat mich mit einigem Unmut zurückgelassen. Ich kann auch jetzt, nachdem nun einige Tage seit Beenden des Buches vergangen sind, einfach nicht mehr als 3ratten vergeben.

    Liebe Grüße,<br />Verena<br /><br />&WCF_AMPERSAND"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben?&WCF_AMPERSAND" Gandalf in &WCF_AMPERSAND"Die Gefährten&WCF_AMPERSAND", J.R.R. Tolkien

  • Hier auch noch meine kurze Meinung:


    Die Insel St. Hauda's Land ist Dreh- und Angelpunkt dieser Erzählung, die gleichzeitig bedrückend wirken kann und an anderen Stellen wieder kurze Momente der Hoffnung aufblitzen lässt. Fast schon dystopisch anmutend, bildet St. Hauda's Land die Kulisse für ein Ensemble aus verlorenen Liebenden, verzweifelt Liebenden und nahezu besessen Liebenden. Das Glück zeigt sich auf dieser als monochrom beschrieben Insel nur in sehr kurzen Momenten, die genauso flüchtig sind, wie das Licht, das Midas versucht mit seiner Kamera einzufangen.


    Vor diesem Hintergrund trifft der Leser auf die Protagonisten Midas und Ida, die beide emotionale Lasten zu tragen haben. Während Midas keine Nähe zulassen will, verzweifelt Ida an der zunehmenden Verglasung ihrer Füße. Erst durch gegenseitige Hilfe und Verständnis, schaffen es die beiden doch noch, gemeinsames Glück zu erfahren.


    So schön und poetisch die Beschreibungen in diesem Roman stellenweise sind, so gezwungen wirkten sie auf mich an anderen Stellen. Teilweise hatte ich als Leserin das Gefühl, dass der Autor hier versucht, auf Biegen und Brechen ein Buch zu schaffen, das über 400 Seiten hinweg "wohlklingend" und sprachgewaltig ist, was meiner Meinung nach dazu führte, dass die Metaphern teils zu absurd und auch einfach zu zahlreich für meinen Geschmack waren. Dies hat bei mir auch leider dazu geführt, dass der Lesefluss häufig gebremst wurde und ich keine wirkliche Beziehung zu den Charakteren aufbauen konnte. Dazu beigetragen haben in meinen Augen sicherlich auch die phantastischen Elemente, mit denen der Autor versucht der Erzählung einen Hauch Magie zu verleihen. Bei jeder Erwähnung dieser Schmuckelemente hat bei mir so etwas wie ein Verfremdungeffekt eingesetzt, der mich mit einem Stirnrunzeln wieder vom Plot distanziert hat.


    2ratten

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • Ich hab ja schon fast Angst den Roman zu lesen :breitgrins: Ich versuche grade meine Erwartungshaltung herunter zu schrauben und die Rezis hier auszublenden. Sonst kann ich das Lesen gar nicht mehr objektiv genießen. Ich finde es ja echt interessant wie unterschiedlich das Buch hier bewertet wurde. Da ist ja so langsam echt alles dabei. Sehr spannend.


  • - und so wortgewandt wie kaluma war ich dabei leider nicht.


    Wortgewandt, naja... eher wohl wortreich :redface:. Du hast es doch mit viel weniger Worten geschafft, deine Meinung auf den Punkt zu bringen. :winken:


    @Holden
    Ich warte schon gespannt auf deine Meinung, wenn du das Buch dann mal gelesen hast! :breitgrins:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Wortgewandt, naja... eher wohl wortreich :redface:. Du hast es doch mit viel weniger Worten geschafft, deine Meinung auf den Punkt zu bringen. :winken:


    Danke, kaluma. Ach, wir haben das schon beide gut gemacht :breitgrins: :knuddel:



    @Holden
    Ich warte schon gespannt auf deine Meinung, wenn du das Buch dann mal gelesen hast! :breitgrins:


    Ja, da bin ich jetzt auch schon gespannt. Ich vermute, dass das Buch die Leserschaft auf jeden Fall sehr beschäftigen wird :breitgrins:

    Liebe Grüße,<br />Verena<br /><br />&WCF_AMPERSAND"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben?&WCF_AMPERSAND" Gandalf in &WCF_AMPERSAND"Die Gefährten&WCF_AMPERSAND", J.R.R. Tolkien

  • Midas lebt auf St. Hauda´s Land, einer zauberhaften Insel. Inmitten winterlicher Natur geht er seiner Leidenschaft nach und beschäftigt sich mit Fotographie. Bei einem seiner Ausflüge lernt er Ida kennen und sie geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Ihr ungewöhnlicher Gang in den viel zu großen Stiefeln macht Midas neugierig. Bald schon deckt er das Geheihmnis auf: Ida ist auf der Insel, um das Rätsel ihrer Krankheit zu lösen. Midas wird fortan ihren Weg begleiten. Gemeinsam suchen sie nicht nur nach Heilung für Ida, sondern stellen sich auch der Vergangenheit.


    Das Buch beginnt mit tollen Beschreibungen der Ferieninsel und ich stellte mir ein verlassenes Irland vor. Dazu passten ganz wunderbar die Details der Phantastik. Ungewöhnliche Tiere und die Glaskrankheit sorgen für Spannung. Im Laufe der Geschichte schlägt der Roman jedoch in eine andere Richtung. Der Autor gibt vielen Charakteren und ihrem Leben die Möglichkeit, sich zu entfalten. Durch schnellen Personenwechsel und die Vermischung von Gegenwart und Vergangenheit, empfand ich es manchmal sehr irreführend und oftmals konnte ich der Geschichte nicht folgen. Die Figuren stehen in Verbindung, keine sticht richtig hervor und der Autor möchten allen den gleichen Raum geben.


    Das Ende frustriert etwas. Zwar finden alle Charaktere einen Abschluss und die Traurigkeit des Buches findet sich wieder. Es geht um Liebe, Abschied und Neuanfänge, aber Rätsel blieben Rätsel ohne jeden Hinweis. Über die mysteriöse Glaskrankheit und die ungewöhnliche Tierwelt der Insel kann man nur spekulieren. Für mich war das zu mager, denn gerade die phantastischen Elemente mochte ich an der Geschichte.


    3ratten


    Fazit: Ein sehr erwachsenes Jugendbuch über menschliche Schicksale, mit einem unvollständigen Hauch Phantastik.

  • Ich muß noch einmal zu diesem Buch zurückkommen - eure Rezensionen, die ja teilweise recht verschieden von meiner ausgefallen sind, haben mich etwas in's Grübeln gebracht, ob ich etwas vorschnell 5 Punkte vergeben habe. Manchmal ändert sich ja noch die Wahrnehmung eines Buches, wenn man es ein paar Tage weggelegt hat, kleine Mängel, die man in der ersten Begeisterung übersehen hat, werden deutlicher, anderes tritt dafür vielleicht eher in den Hintergrund. Heute würde ich dem Buch wahrscheinlich 4 bis 4 1/2 Punkte geben, einige handwerklichen Schnitzer muß ich mittlerweile auch zugestehen, bleibe aber dabei, dass mich das Buch insgesamt begeistert hat.


    Die Grundprämisse des Buches (die gläsernen Füße, die eingestreuten phantastischen Elemente, die Personen mit ihren vielfachen Traumata, Problemen und seelischen Verletzungen) finde ich weiterhin überzeugend, die Grundstimmung des Buches mit ihren starken Bezügen zu Natur und Wetter ist für mich fast das stärkste Moment des Buches. Auf der Homepage des Autors sieht man, dass er eine sehr stark von der Natur und Landschaft her denkt, er schreibt dort zB

    Zitat

    I love writing about landscapes. I’m probably guilty of finding them far more interesting to write about, at times, than human beings. That’s because I think so much of humanity is defined by the natural world we emerged from (and I include the weather as a part of that).


    Mir ist diese Sichtweise sehr sympathisch, und gerade den zweiten Satz kann ich als Ökologin und Geographin nur unterstreichen.


    Das Buch hat zweifellos auch seine Schwächen: das letzte Kapitel ist nicht wirklich überzeugend, es wirkt etwas unverbunden an das Buch angehängt, auch wenn ich die Idee dahinter, den Neuanfang für Midas durchaus akzeptieren kann. Stilistisch sind die ganzen Grunzer von Midas (hmm, um im Englischen) vielleicht nicht wirklich elegant gelöst und es gibt auch ein paar logische Schwächen (eine Digitaluhr kann nicht bei 2:32 stehen bleiben), aber ich bin geneigt das alles bei einem Debutroman zu verzeihen.


    Vielleicht ist es so, dass es Bücher gibt, bei denen man sich einmal entschieden hat, sie gut zu finden, so dass auch gewisse Schwächen und Fehler diesen Eindruck nicht mehr ändern können. Für mich ist dieses Buch so ein Fall: diese Buch ist so eigenwillig, so überraschend und klingt mit seiner Atmosphäre so lange bei mir nach (bei Weinen würde man von einem langen Abgang sprechen), dass ich im trotz gewisser Mängel immer noch 4ratten gebe.


    Morwen

    "What we remember is all the home we need."

    Roberet Holdstock, Avilion


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  • In der Geschichte "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" geht es um Ida, deren Füße zu Glas werden. Es geht um Midas, der sehr unter seinem Vater litt und sich vor anderen Menschen zurück gezogen hat. Es geht um Midas Vergangenheit und um die Menschen, die darin direkt und indirekt eine wichtige Rolle spielten. Es geht darum, dass sich Ida und Midas treffen und sich ineinander verlieben. Und nicht zuletzt geht es darum, das Glas aufzuhalten sich auf und in Ida auszubreiten.


    "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" ist eine ruhige aber eindringliche und tiefsinnige Geschichte über den Mut zu Lieben, über die Vergangenheit und diese zu bewältigen, egal wie sie war. Es geht um Verständnis und Vergebung. Diese Geschichte kommt nicht mit großen Worten daher und super viel Spannung und super viel Fantasy; es hat von allem etwas - in genau dem richtigen Maße. Man muss sich auch auf ruhigere Geschichten einlassen können, damit dieses Buch seine Wirkung entfalten kann.


    Die Geschichte spielt in der Gegenwart und der Vergangenheit und Stück für Stück versteht man die Protagonisten mehr und auch Hintergründe, die selbst Midas und Ida nicht kennen. Was ich erfrischend fand ist, dass Midas und Ida keine Teenies sind, sondern breits mitte 20. Sie handeln stets logisch und nachvollziehbar und trotzdem emotional.


    Der Fantasyteil in dieser Geschichte hat nichts mit Zauberei oder diversen Gestalten zu tun, sondern mit Mystik und Magie. Eine Magie, die der verwunschenen Insel St. Hauda's Land innewohnt. Man kann es sich so gut vorstellen, als ob man selbst einmal dort gewesen ist.


    Es ist keine fröhliche Geschichte, sie ist bedrückend und schwermütig und doch hinterlässt sie Hoffnung und als Leser kann man so viel für sein eigenes Leben mitnehmen und wird zum Nachdenken angeregt.


    Ich kann diese Geschichte allen ab 16 empfehlen, allen die keine reißerische Story brauchen, allen Lesern die auch Traurigkeit ertragen können und gerne über ihr Leben und das Leben an sich nachdenken können und möchten. Mir hat es gut gefallen, denn es ist ein kleiner Schatz in Bücherform. Sowohl optisch als auch inhaltlich.


    4ratten

    Hinter den Wolken ist der Himmel blau.

  • Hallo Ihr Lieben,


    nach der Leserunde hier im Forum, will ich dann auch noch hier meine Meinung zum Buch schreiben:


    Ida ist von einer ungewöhnlichen Krankheit befallen: Sie beginnt sich von ihren Füßen aufwärts in Glas zu verwandeln. In der Hoffnung auf Hilfe begibt sie sich auf die Insel St. Hauda's Land, um den einzigen Mann zu finden, der bis jetzt jemals vor ihr von anderen Menschen mit der gleichen Krankheit gesprochen hat. Auf der Insel lernt sie Midas kennen. Einen Einzelgänger, der aufgrund von Erlebnissen in der Vergangenheit sich den Menschen um sich herum komplett verschlossen hat. Es entwickelt sich eine zarte Liebe zwischen ihnen, aber haben sie genug Zeit diese Liebe zu leben und hat ihre Liebe überhaupt eine Chance?


    Der ganze Roman ist sehr melancholisch. Dazu trägt zum einen die Stimmung auf der Insel bei. Alles ist eher grau und nebelig und nur sehr selten blitzt ein Farbtupfer auf. Zum anderen sind alle auftretenden Menschen in sich und ihrer Vergangenheit gefangen und keiner hat ein wirklich glückliches Leben. Jeder lebt doch ein bisschen in seiner eigenen Welt, kann sich daraus nicht befreien und ist doch nicht glücklich mit der momentanen Situation. Traurig war das für mich zu lesen, wie es keiner der Figuren gelingt ihr Leben zu verbessern und ihr Glück selber in die Hand zu nehmen. Alle sind sie Gefangene und Getriebene gleichzeitig und leider bleibt dieses düstere Bild auch bis zum Ende erhalten.


    Insgesamt liegt der Fokus dieses Buches für mich gefühlt auch weniger auf den Menschen. Viele der auftretenden Figuren bleiben sogar eher blass und obwohl der Autor doch Stück für Stück die Hintergründe enthüllt, verhindert er doch, dass ich als Leser die Personen schließlich gesamthaft verstehen durfte und konnte. Die Möglichkeit der Auflösung wird versäumt und ich als Leser blieb mit einem unbefriedigten und auch deprimierten Gefühl zurück.


    Dafür verwendet der Autor sehr viele Zeilen darauf die Natur und ihre Phänomene zu beschreiben. Diese Beschreibungen waren immer sehr bildhaft und schön und standen damit oft im Widerspruch zu der Gefühlswelt der Menschen. Fasziniert war ich dabei auch von den phantastischen Wesen, die der Autor sehr bildhaft beschreibt und einführt. Leider führt er aber auch hier diese Elemente zwar ein, verzichtet aber darauf, näher auf sie einzugehen und ihnen einen Platz in der Geschichte einzuräumen. So bleiben sie nur hübsches, aber in keiner Weise zur Handlung beitragendes Schmuckwerk.


    Insgesamt muss ich sagen, dass das Buch für mich viel mehr Fragen aufwirft, als beantwortet und ich nach dem Lesen des Buches nur mit einem großen Fragezeichen zurück geblieben bin. Noch schlimmer ist für mich, dass das Buch so eine melancholische, teilweise schon depressive Grundstimmung verströmt und diese auch am Ende beibehalten wird. Es gibt keinen wirklichen Hoffnungsschimmer und ich habe das Buch schließlich eher gefrustet zugeklappt und mich gefragt, warum jemand so eine tieftraurige und hoffnungslose Geschichte schreibt.


    So schön das Cover und auch die Sprache ist, so leer und kalt bleibt der Inhalt. Da kann auch die Verwendung von seltenen englischen Begriffen und Wendungen nicht darüber hinweg retten. Im Gegenteil: Ab der Hälfte des Buches fand ich die andauernde Häufung von englischen Wörtern, die man sonst so gut wie nie verwendet eher ermüdend und noch zusätzlich erschwerend.
    Dies auch als Warnung: Auch wenn man oft und viele englische Bücher liest, ist dieses Buch doch sehr herausfordernd, was die englische Sprache betrifft.


    Alles in allem vergebe ich noch 2ratten für die schöne Idee und die wunderbaren Beschreibungen der Natur. Leider wurde der gute Ansatz für mich nicht befriedigend umgesetzt.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Seltsame Dinge gehen auf St. Hauda's Land vor: Eigentümliche geflügelte Kreaturen schwirren umher, in schneebedeckten Wäldern versteckt sich ein Tier, das mit seinem Blick alles in Weiß verwandelt, im Meer sind wundersame Feuerwerke zu beobachten und Ida Maclaird verwandelt sich langsam, von den Füßen aufwärts, zu Glas.
    Nun kehrt sie an den Ort zurück, wo alles begann, in der Hoffnung, hier Hilfe zu finden. Doch stattdessen findet sie die große Liebe: Mit ihrer traurigen und trotzigen Art schafft Ida es, die Knoten in Midas Herzen zu lösen. Gemeinsam versuchen sie nun, das Glas aufzuhalten.


    Die Stimmung ist sehr melancholisch und bedrückend auf St. Hauda's Land und zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Gleichzeitig wird die Natur und die Landschaft sehr einfühlsam beschrieben.
    Interessanterweise steht Ida's Verwandlung in Glas nicht im Vordergrund, denn es geht hauptsächlich um die Charakterentwicklung der Hauptfiguren. So kann Ida erreichen, dass Midas langsam "auftaut", während sie selbst immer weiter erstarrt.
    Die Fantasyelemente wie die Ochsenmotten tauchen nur hin und wieder auf, haben jedoch keinen weiteren Sinn als etwas Eigentümlichkeit mit einzubringen.


    Insgesamt wirkt das Buch etwas zusammengesetzt und ganz in sich schlüssig. Der Schluss kommt eher überraschend und Midas Entschluss gegen Ende ist meiner Meinung nach mehr als fraglich.
    Weil das Buch so besonders und eigenartig erscheint und die Stimmung und Naturbeschreibungen sich sehr gut einfügen, gibt dies einen Pluspunkt. Leider konnte das Buch insgesamt nicht vollends überzeugen.


    Es sind aber immer noch 4ratten


    Ich muss dazu sagen, dass dies ein Buch ist, dass ich bis jetzt, obwohl ich es im Januar gelesen habe, nur sehr schlecht einschätzen kann. Ich bin immer noch total zwiegespalten und kann meine Meinung nur schlecht in Worte fassen. :confused:

    Goodreads<br />“Happiness [is] only real when shared”<br />― Jon Krakauer, Into the Wild

  • Ich finde, dieses Buch ist etwas ganz besonderes, überzeugen konnte es mich trotzdem nicht so ganz. Das klingt vielleicht etwas seltsam, aber obwohl es mir nicht hundertprozentig gefallen hat, denke ich doch, dass dieses Buch gut und empfehlenswert ist. Vielleicht hätte es mir in der passenden Stimmung auch besser gefallen, denn für diese Anhäufung an negativer Stimmung und deprimierender Probleme brauche ich die passende Einstellung. Und da ich ein märchenhaftes Jugendbuch, wie es derzeit überall auf dem Markt zu finden ist, erwartet hatte, hatte ich definitiv eine falsche Erwartungshaltung.


    Gut gefallen haben mir die vielen märchenhaften Elemente in einer ansonsten normalen Welt. Eine Erklärung, woher sie kommen oder warum sie da sind, gibt es nicht und es fragt auch niemand danach. St. Hauda's Land ist ein verwunschenes Land, wie abgekoppelt von der restlichen Welt und mit einer ganz eigenen Stimmung. Die Insel lernt man sehr genau kennen, denn Shaw spart nicht an Landschaftsbeschreibungen. Mir war das manchmal zu viel, aber irgendwie passt das gut zu der allgemeinen Atmosphäre.


    Mit Ida kam ich gut zurecht, sie ist mit die sympathischste Person in dem Buch. Midas hingegen fand ich manchmal ziemlich anstrengend und wirklich gemocht habe ich ihn nie. Zum Schluß findet dann leider noch ein kompletter Bruch in seiner Charakterentwicklung statt, den ich mehr als seltsam fand. Spannend fand ich aber viele Nebencharaktere. Jeder hat so sein Päckchen zu tragen, auch wenn man nicht alle Details erfährt. Es herrscht ein vornehmlich düstere, deprimierende Stimmung, zu der alle Charaktere beitragen. Eine glückliche Person gibt es nicht.


    Mir persönlich war das Buch zu traurig und deprimierend, als dass es mir wirklich uneingeschränkt gefallen hätte. Das Ende fand ich allerdings ziemlich gelungen (abgesehen von Midas Wandlung). In ein paar Jahren werde ich das Buch vielleicht nochmal lesen, um zu schauen, ob es mir in der richtigen Stimmung besser gefällt.
    3ratten

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

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