Paul Murray - Skippy stirbt/Skippy Dies

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 3.677 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von JaneEyre.

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    "Skippy stirbt" - der Titel des Buches sagt unverblümt, was Dreh- und Angelpunkt des Buches ist. Es passiert gleich in den ersten Zeilen: Daniel "Skippy" Juster fällt beim Doughnutwettessen mit einem Schulfreund von seinem Schnellrestaurantstuhl und ist beinahe auf der Stelle tot.


    Nicht nur für Skippys Familie und Freunde, sondern auch für seine ganze Schule, das altehrwürdige katholische Internat Seabrook in der Nähe von Dublin, zerfällt die Welt an diesem Punkt in ein "Davor" und ein "Danach".


    "Davor" waren Skippy und seine Schulkameraden ein Haufen stinknormaler vierzehnjähriger Jungs, die die Pubertät fest im Griff hat. Zynisch, unflätig, sexbesessen (bzw. besessen vom Gedanken daran), am Unterricht völlig desinteressiert, sofern nicht die hübsche Aushilfslehrerin gerade Erdkunde gibt. Die einen experimentieren mit Drogen herum, Skippys Zimmergenosse Ruprecht bastelt derweil an skurrilen Apparaturen, mit denen er Teile der Stringtheorie beweisen will, und Skippy selbst verliebt sich unerwartet in eine umwerfende frisbeewerfende Schülerin der benachbarten Mädchenschule.


    "Danach", das ist Trauer, Wut, Ratlosigkeit und die quälende Frage Warum. "Danach" zerfallen plötzlich alte Freundschaften, verliert sich die Begeisterung für einstige Leidenschaften, gerät das ganze Gefüge der Schule ins Wanken.


    Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Vielleicht einfach damit, dass ich restlos begeistert war von diesem großartigen Roman, der prallvoll ist mit Leben in all seinen Facetten, eigentlich so ein bisschen wie die Pubertät selbst - todtraurig, brüllkomisch, verrückt, anrührend, gescheit, wahr, authentisch.


    Nach der titelgebenden Tragödie kehrt Murray erst einmal zurück zu dem, was vorher war. Auch wenn die Jungs aus Skippys Klasse im wirklichen Leben wahrscheinlich irre nervig sein können, sind mir die meisten blitzschnell ans Herz gewachsen, diese sperrigen Kerle mit den großen Mäulern und krassen Sprüchen, stets um die ultimative Coolness bemüht und hinter dieser Fassade unsicher und ein wenig verwirrt - kurz, so richtig lebensechte Pubertäter, die permanent auf einer Achterbahn der wildgewordenen Hormone unterwegs sind, manchmal richtig ekelhaft sein können, bescheuerte Streiche aushecken, sich mehr schlecht als recht durch den Unterricht lavieren und angesichts des anstehenden Kostümballs mit Teilnahme der Mädchen von der Nachbarschule in größte Aufregung geraten.


    Daneben porträtiert Murray auch wunderbar die Lehrer, vor allem Howard Fallon, selbst ehemaliger Seabrook-Schüler, dessen Leben sich auf einmal in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale zu befinden scheint, noch bevor Skippys Tod alles bisher Dagewesene durcheinanderbringt. Die Rivalitäten und Ränkeleien im Lehrerzimmer sind großartig eingefangen, ebenso die Auseinandersetzungen zwischen den Überbleibseln aus der "guten alten Zeit", als die Lehrer noch alle Priester waren, und dem fortschrittlichen, wirtschaftlich denkenden Interimsschulleiter, der hofft, erster weltlicher Rektor von Seabrook zu werden.


    Genauso treffend beschreibt er dann, wie nach Skippys Tod vielleicht nicht alles, aber ziemlich viel den Bach runter geht. Es tut schon beinahe weh zu lesen, wie auf einmal überhaupt nichts mehr ist wie früher, wie scheinbar Unerschütterliches plötzlich zu bröckeln beginnt und anderes, das zuvor schon labil war, endgültig ins Rutschen gerät.


    Es lässt sich einfach schlecht erklären, WIE toll ich das Buch fand. Es gab so viele Stellen, die mich aus den unterschiedlichsten Gründen berührt haben, ich habe laut gelacht, ich hatte Herzklopfen vor Aufregung, wie sich bestimmte Dinge entwickeln und hatte trotz der großen Fülle an Personen und Perspektiven keinerlei Probleme, mich mit dem Personal zu identifizieren. Bis zur allerletzten Seite habe ich regelrecht mitgefiebert. Und auch wenn sich eine Sache nicht ganz zu meiner Zufriedenheit aufgeklärt hat, macht es andererseits auch Spaß zu spekulieren, was tatsächlich passiert ist.


    Ein verdammt gutes Buch!


    5ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Und eine verdammt gute Rezension! Das Buch kommt auf die Wunschliste. Danke dafür. :smile:

  • Oh, danke, Ihr Lieben. Da konnte ich meine Begeisterung ja offenbar doch ein wenig vermitteln.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe heute aus einer Laune heraus "Skippie dies" aus meinem Regal gefischt... Ich gebe zu das ich noch nicht so richtig weiß, ob mir das Buch gefallen wird oder nicht. Ich hab aber auch noch nicht ganz lokalisiert, was genau mein Problem ist. Ich hab mir deshalb mal vorgenommen noch ein klein wenig weiter zu lesen und dann erst eine Entscheidung zu treffen (ich bin zur Zeit im knallharten Abbrechmodus, wenn ein Roman nach einer bestimmten Anzahl der Seiten mich nicht packt). Könnte mir aber durchaus vorstellen es zunächst erstmal nur zu parken.


  • (ich bin zur Zeit im knallharten Abbrechmodus, wenn ein Roman nach einer bestimmten Anzahl der Seiten mich nicht packt)


    Ich bin auch strenger geworden. Aber auf Skippie Dies freue ich mich schon lange, also hoffentlich gefällt es dir doch noch. Ich weiß ja, wie meine Motivation auf negative Rezensionen reagiert. :breitgrins:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Das wars. Ich komm einfach nicht in die Handlung und es packt mich nicht. Im Gegenteil ich langweile mich und bekomme keinen Draht zu den Figuren. Sie sind mir irgendwie egal. Sehr schade, die Grundidee fand ich eigentlich gut. Aber es hat für mich keinen Mehrwert weiter zu lesen, also lass ich es. :breitgrins:

  • Ach, schade! Aber wenn es Dich immer noch nicht gepackt hat, war es wohl zumindest nicht der richtige Zeitpunkt. Mich hatte es gleich auf den ersten Seiten erwischt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich bin heute auf das Buch aufmerksam geworden und habe ich Forensuche angeworfen und was sehe ich? Zwei sehr unterschiedliche Rezis. Hatte ich nicht gerade erst gestern festgestellt, dass ihre beide nur selten eine so abweichende Meinung von einem Buch habt? Prompt sehe ich es zum zweiten Mal ;)

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • HoldenCaulfield : vielleicht solltest du Skippie doch nochmal eine Chance geben ;)


    Meine Meinung

    Erwachsen zu werden ist nicht immer leicht. Wie schwer es tatsächlich sein kann, hat Paul Murray wunderbar beschreiben. Die Hackordnung ist Seabrook ist festgelegt. Nicht nur bei den Schülern, sondern auch bei den Lehrern. Ihr zu entkommen, scheint unmöglich.


    Es ist eine seltsame Mischung von Desinteresse und aktivem Wegsehen, die zu Skippies Tod führt. Konnte ich mir anfangs nicht erklären, warum er einfach so vom Stuhl gekippt ist, hatte ich recht bald eine Idee was passiert sein könnte. Nicht nur Skippie, sondern gefühlt jeder an seiner Schule nahm irgendwelche Tabletten, an die die Jugendlichen auf dunklen Kanälen kamen. Wie konnte es passieren, dass niemand etwas merkte?


    Ich hatte den Eindruck, dass die Lehrer teilweise sehr wohl wussten, was an der Schule vor sich ging. Aber genauso hatte ich den Eindruck, dass alles in Ordnung sei solange nichts an die Öffentlichkeit dringt. Vielleicht waren die Lehrer aber auch zu sehr mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt, als sich um die Schüler zu kümmern.


    Skippie dies ist eine sehr vielschichtige Geschichte, die man sehr genau lesen muss. Denn das Buch lebt auch davon, was zwischen den Zeilen steht.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • HoldenCaulfield :guter Ansatz ;) Ich fand den Anfang etwas seltsam und bin nicht gleich ins Buch gekommen. Das lag vielleicht daran, dass ich im Schwimmbad war und mich nicht wirklich konzentrieren konnte. Als ich Ruhe hatte, war es ganz anders.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Dieses Buch, das ich im englischen Original gelesen habe (was dieses Mal meine Lesegeschwindigkeit definitiv herabgesetzt hat, da der Stil so eigenwillig ist..), war dadurch noch mal eindrucksvoller für mich, dass ich - rein zufällig! - anfangs dazu einen Roman parallelgelesen habe, der sich mit diesem inhaltlich in weiten Teilen auf schon geradezu unheimliche Weise ergänzt:

    John Boyne - Die Geschichte der Einsamkeit

    ..aber vor Allem auch um den Umgang von Institutionen, die sich selbst glorifizieren, mit Schuld - und um ihr (fragwürdiges) Selbstverständnis, das in zahlreichen Szenen entlarvt wird.


    Während sich John Boynes (sehr guter!) Roman auf die Sicht des erwachsenen Protagonisten beschränkt (und damit deutlich leichter "lesbar" ist), geht Paul Murray viel weiter: In einem stilistischen Kaleidoskop versucht er nachzuempfinden und darzustellen, was so alles in einem Teenagerhirn vorgehen kann, wenn es dem Reifeprozess, einer Menge an Hormonen und auch Drogen ausgesetzt ist. Das ist zuweilen krass bis zur Schmerzgrenze.. der Stil erinnert da mitunter an ein Schlagzeugsolo.

    Je weiter man im Roman lesend fortschreitet, desto mehr kann man die kunstvolle Art würdigen, auf die Paul Murray seine Erzählfäden führt - definitiv lohnend, wenn man sich drauf einlässt.


    4ratten+:marypipeshalbeprivatmaus:

    2 Mal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Oh, schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat.


    Der Vergleich mit Boyne ist wirklich passend. Das Buch kannte ich damals allerdings noch nicht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Klingt richtig schön und begeistert - kommt gleich auf die haben-will-Liste

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane