Simon Lelic - Ein toter Lehrer

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  • Simon Lelic - Ein toter Lehrer
    (erscheint am 14. März 2011)


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    Inhalt
    : Lucia May ist die junge Ermittlerin, die den Fall des Lehrers bearbeitet, der bei einer Schulversammlung erst drei Schüler, eine Lehrerin und anschließend sich selbst erschoss. Die Sache scheint klar zu sein, Lucias Chef will dass sie den Bericht schnell vorlegt und man den Fall abschließen kann. Aber Lucia hat bei ihren Befragungen Dinge erfahren die nicht unter den Tisch gekehrt werden sollten ...


    Meine Meinung: Der Leser ist nicht dabei. Wir lernen den Lehrer nicht kennen der diese Tat begeht, wir lernen die Opfer nicht kennen. Nein, wir steigen aus Lucias Perspektive eine Woche nach der Tat in die Handlung ein. Der Leser ist eigentlich nur ein stiller Beobachter, der außerhalb steht. Selbst Lucia kennt zu diesem Zeitpunkt bereits die Hintergründe der Tat, der Leser muss sie hingegen noch erforschen.


    Die Kapitel wechseln sich hierbei ab. Einerseits verfolgen wir Lucias Weg, wie sie darum kämpft Gehör zu finden und gleichzeitig noch hart an ihren eigenen Problemen zu knabbern hat. Dazwischen lesen wir die Aussagen von mehr oder weniger beteiligten Personen. Dem Direktor, den Kollegen, der Schulsekretärin, von Eltern und Schülern. Diese Monologe muss man schon aufmerksam lesen, denn es wird viel erzählt was den Personen gerade so durch den Kopf geht - oder sie kommentieren was sie gerade tun. Sie geben Antworten und stellen Gegenfragen zu Fragen, die der Leser nicht liest. Zudem weiß der Leser Anfangs nie welche Person dort eigentlich spricht. Erst durch die Aussagen selbst wird es mit den Seiten klar. Von manchen Personen erfährt man nicht einmal die Namen. Trotzdem ist es bemerkenswert wie viel man aus diesen Aussagen über die Personen erfährt. Der Autor schafft es ihnen alle unterschiedliche Stimmen zu geben. Manche Charaktereigenschaften treten klar zu Tage. Einmal schüttelte ich z. B. nur den Kopf ob der total verqueren Wahrnehmung des Sportlehrers. Diesen Aufbau fand ich sehr ungewöhnlich, aber auch gut.


    Es ist spannend zu verfolgen wie sich nach und nach aus den Informationsstückchen ein Bild zusammensetzt, wie ein Puzzle. Und es ist kein schönes Bild. Es geht um Mobbing, Psychoterror, rohe physische Gewalt. Schüler gegen Schüler. Schüler gegen Lehrer. Lehrer gegen Lehrer. (Ermittler gegen Ermittler.) Keiner greift ein, Begebenheiten heruntergespielt, Zeugen werden verschwiegen, Angriffe zu Unfällen deklariert. Ja, das ist aufwühlend. Es bringt zum Nachdenken. Über das was Menschen sich gegenseitig antun und ob man Mitleid mit dem Täter haben darf, der zwar eine monströse Tat begangen hat, aber selbst kein Monster war (so sagt es ein Charakter in diesem Buch).

    Mein Fazit
    : Ein bewegendes Buch. Ich gebe 5ratten.

  • Meine Meinung:


    Die Inhaltsangabe dieses Buches hat mich neugierig gemacht. Dazu kam, dass das Cover ansprechend und einladend gestaltet ist: Der Hintergrund ist als graue Wand dargestellt, in welcher sich Risse zeigen. Auf dem Holzfußboden liegt eine Lehrertasche, sie scheint umgekippt zu sein und der Inhalt ist herausgefallen.
    Lucia May, eine junge Ermittlerin, hat einen schwierigen Fall vor sich: Sie soll den Amoklauf des Lehrers Samuel Szajkowski untersuchen. Allerdings nur zum Schein, denn die Behörden möchten den Fall schnell zu den Akten legen, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Doch Lucy lässt sich nicht beirren und gräbt tief und stößt durch die verschiedenen Zeugenaussagen auf noch andere dramatische Vorfälle an der Schule. Davon möchte aber niemand etwas hören. …


    Der Einstieg in das Buch beginnt mit der Zeugenaussage eines Schülers, der dem Massaker in dem Versammlungsraum entgehen konnte. Darauf folgt dann ein Kapitel, in welchem von Lucys Ermittlungen erzählt wird. Nach diesem Schema ist der ganze Roman aufgebaut, die Kapitel wechseln zwischen Erzählungen aus der Sicht der Zeugen und Schilderungen aus Lucys Sicht. Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen und man erfährt, wie es überhaupt zu dieser grauenhaften Tat kommen konnte.
    Auch wenn ich das Thema dieses Werkes sehr interessant und vor allem schrecklich fand, hat mich dieses Buch leider nicht sehr mitgerissen. Wahrscheinlich lag es daran, dass mir der Stil nicht zugesagt hat. Es wurde erzählt, was passierte, wie die verschiedenen Zeugen das Attentat oder den Täter erlebt haben. Auch die Hintergründe waren nach den ersten drei oder vier Kapiteln zu erkennen, es kamen danach keine neuen Erkenntnisse dazu. Berührt hat mich dieses Buch trotzdem, einfach weil es sich hier um ein Thema handelt, welches leider nur allzu realistisch ist und das man in jedem Betrieb, in jeder Schule und auch privat antreffen kann: Mobbing.


    Lucy als Protagonisten war mir zwar sehr sympathisch, aber zu oberflächlich dargestellt. Durch die Kapiteleinteilungen, welche jeweils immer nur ein paar Seiten umfassten, den einfachen Schreibstil und das große Schriftbild hatte ich das Buch innerhalb von zwei Tagen ausgelesen.


    Fazit:


    Das Buch war eine kurzweilige Unterhaltung, die mich aber auch zum Nachdenken angeregt hat. Ein zweites Mal würde ich diesen Roman allerdings nicht lesen, dafür hat mir noch ein wenig Spannung gefehlt.


    3ratten

    Lese fast alles-fast immer

  • Meine Meinung:
    Dies ist ein Buch, das man so schnell nicht aus der Hand legen kann. Obwohl es nicht unbedingt superspannend ist, ist es doch höchst interessant und regt auf jeden Fall viel zum Nachdenken an. Es ist Wahnsinn, was an dieser Schule, der zum Tatort für einen Amoklauf erkoren wurde, vor sich geht. Doch nicht nur da, denn Lucia May bringt etwas ans Licht, das man so niemals gedacht hätte.
    Der Schreibstil ist super, so dass die Seiten nur so davonfliegen und den Leser in seinen Bann ziehen. Das Buch wird abwechselt als Vernehmungsprotokoll und in der Gegenwart (also nicht aus grammatikalischer Sicht, hierbei wird schon „Es war …“ etc. benutzt :D ) geschrieben. Die Protokolle sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, da jegliche Kennzeichnung der vorkommenden wörtlichen Rede fehlt und am nur die Antworten der Personen liest, nicht aber die dazugehörigen Fragen. Auch weiß man zunächst nie, wer da gerade vernommen wird, das erschließt sich immer erst nach und nach. Dadurch dass der Wechsel zwischen Protokoll und gegenwärtige Handlung sich im gesamten Buch immer wieder abwechseln, weiß der Leser auch erst nach und nach, was genau passiert ist und was den Lehrer im Endeffekt zu der Tat getrieben hat. Der Lehrer soll übrigens gerade mal 27 Jahre alt sein. Von seinem Verhalten, seiner Aufmachung etc. hatte ich jedoch immer einen etwas älteren Mann vor Augen.


    Ich gebe diesem Buch:
    4ratten

    ~~ Was wäre die Welt nur ohne Bücher? ~~


    :lesen: Berühre mich. Nicht. - Laura Kneidl

    :lesen: Hexenblut - Neil White

    :lesen: Sofies Welt - Jostein Gaarder

  • Ich lese diesen Roman gerade auf englisch und brauchte erst ein paar Seiten bis ich mich an die Erzählweise gewöhnt hatte. Man wird im Prinzip ersteinmal ins Chaos gestürzt. In das Chaos das direkt nach dem Amoklauf herrschte und nur langsam kehrt Ruhe ein. Etwas unnötig finde ich das Privatleben der Ermittlerin mit ins Spiel zu bringen, aber andererseits ist sie der rote Faden der die einzelnen Gespräche zusammen hält.

  • Erschreckend das sich nichts geändert hat... vieles von dem was im Roman erzählt wird habe ich so persönlich mit erlebt (auch an eigenem Leib). Daher ist die Lektüre für mich nicht ganz einfach. Es kamen viele Erinnerungen wieder hoch von denen ich nicht wusste, das sie noch da waren.


    Ich wurde beim Lesen jedenfalls langsam aber sicher sehr wütend. Gleichzeitig ist Lelics Roman ein wichtiger. Er versucht die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen und dadurch auch die Vielschichtigkeit hinter der Tat. Es gibt nicht immer nur eine Allumfassende Lösung der Frage nach dem Warum, gerade wenn ein Mensch mehrere Menschen tötet. Ich musste immer wieder an die Amokläufe denken die es auch in Deutschland zu trauriger Berühmtheit geschafft haben. Das heißt nicht das der Mord die Lösung sein soll, aber ich kann auch aus eigener Erfahrung nachempfinden welcher Druck und welche Angst auf einem Lasten können wenn man das Gefühl hat keine Unterstützung zu bekommen, im Gegenteil wenn man niemanden findet der einem glaubt - egal wer - wird alles nur noch viel schlimmer - man zweifelt an sich selbst... um ehrlich zu sein kann das kaum jemand verstehen der nicht genau so schon einmal empfunden hat. Egal wie sehr er es versucht...


    Lelic hat diesen Gefühlen eine Stimme gegeben. Er schreibt nicht das die Tat toll war, aber er zeigt auch das es hinter dieser Tat eine Geschichte gibt und das wir als Gesellschaft genauso daran beteiligt sind wie der Täter. Denn alles was wir vor der Tat nicht tun führt zu ihr hin. Wenn wir Glück haben ist es ein langer weg und irgendwo findet sich doch jemand der ihn unterbricht. Aber nur so zu tun als ob man selbst eh nie etwas hätte tun können, kann nicht die Lösung sein.


    Vielleicht hat Lucia deshalb ihre eigenen Probleme - zu Beginn hat mich ihre Geschichte ja eher etwas gestört. Denn durch ihre eigenen Erfahrungen erkennt sie die Vorgänge rund um den Lehrer. Erkennt das da mehr ist als nur ein durchgeknallter Mann der scheinbar ohne Grund um sich geschossen hat. Niemand möchte sich fragen müssen ob man in irgendeiner Form mitschuldig ist. Ob man mehr hätte tun können. Lucia ist unbequem, lässt sich hier nicht abspeisen, auch gegen ihren Chef.

  • Fazit:
    Wie man meinem obigen Beitrag entnehmen kann hat mich die Lektüre persönlich sehr aufgewühlt. Da ist es schwer für mich diesen Roman möglichst objektiv zu bewerten. Durch die Thematik kann ich mich da kaum lösen.
    Lelic hat ein Gespür für seine Figuren das fast unheimlich ist. Jede davon war absolut echt und ich habe kurz überlegt ob er dafür echte Interviews geführt hat. Er nähert sich dieser schweren Thematik an und setzt sie so gut wie möglich um. Trotzdem lässt er die Figuren für sich selbst sprechen und handeln. Man ist als Leser gezwungen auch sein eigenes Handeln zu überdenken. Wo fängt Mobbing an? Wo hört ein harmloser Jungenstreich auf einer zu sein? Und was bedeutet Handeln im Gegensatz zu wegschauen wirklich? Beängstigend nah an der Realität - vielleicht sogar mehr als dem Autor vielleicht bewusst war. Ich war wütend beim Lesen auch über Lucias Unfähigkeit sich zu wehren, aber wohl auch deshalb weil ich dieses Gefühl der Ohnmacht selbst kenne und ich nie wieder so fühlen möchte. Hi und da war ich deshalb fast am Weinen.
    Letztendlich gibt es keine Einfache Antwort auf die Frage was passiert ist. Aber es gibt auch keine einfache Anwort darauf wer außer dem Täter dazu beigetragen hat, das die Ereignisse überhaupt erst ins Rollen kamen.


    Von mir kann es daher nur:


    5ratten geben

  • Ich hab das Buch diese Woche gelesen. Es war vom Stil her recht gewöhnungsbedürftig, aber mal was anderes. Ich muss allerdings sagen, dass mich das Schicksal des Lehrers weniger berührt hat als das von Lucia selbst.


    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

    Einmal editiert, zuletzt von Dottie ()


  • Ich hab das Buch diese Woche gelesen. Es war vom Stil her recht gewöhnungsbedürftig, aber mal was anderes. Ich muss allerdings sagen, dass mich das Schicksal des Lehrers weniger berührt hat als das von Lucia selbst.


    Spoiler!


    Ich bin grade mal den Thread durchgegangen um eure Meinungen zu lesen, da mich das Buch von der Story her schon interessiert.
    Und gerade als ich mich entschieden hatte das Buch auf meine Wunschliste zu packen, lese ich diesen Spoiler. Hoffe es ist nicht zu gravierend das schon vorher zu wissen.


    Trotzdem danke für die Rezensionen!



    Mit freundlichen Grüßen,
    Matthias.

    "Nun, ich pflege Fragen dadurch zu lösen, dass ich mich von ihnen auffressen lasse." Franz Kafka, Brief an Max Brod (1921)


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  • Sorry, Matthias, ich empfinde zwar mein Posting nicht als Spoiler, hab's aber trotzdem mal geändert.

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  • Ja, das müsste er evtl. noch ändern.

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  • Einige unten gespoilerte Geschehnisse werden in meiner Rezension erwähnt. Da die entsprechenden Handlungen bereits auf S. 40 auftauchen, empfinde ich es nicht als zu viel verratend.


    Ein Lehrer läuft Amok. Drei Schüler und eine Kollegin sterben, bevor er sich selbst tötet. Die Ermittlerin Lucia soll den Fall möglichst schnell abschließen – der Schuldige steht fest und ist tot – doch sie will sich nicht mit der Oberfläche zufrieden geben und forscht genauer nach.
    In der Vorgeschichte, die in dem Buch in Aussagen der verschiedensten Personen zusammengetragen wird, offenbart sich ein Mobbing-Alptraum. Der Lehrer konnte sich bei seinen Schülern nicht durchsetzen, fand im Kollegenkreis keine Unterstützung, stattdessen einen Erzfeind und der Rektor hielt sich aus allem heraus. Das alles wird ebenso wie Mobbingfälle im Schülerkreis schön verschwiegen, um als vorbildliche Schule zu gelten. Dass Lucia die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen will, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass sie selbst von einem Kollegen sexuell belästigt und gemobbt wird und keine Unterstützung suchen will oder zu suchen wagt.


    Das Thema mag wichtig sein, aber ich habe einen normalen Krimi erwartet und war dementsprechend frustriert vom Handlungsverlauf. Hinzu kommt, dass mir die vom Autor angebotenen Lösungsvarianten nicht behagen. Gerade bei Lucia finde ich die Lösung, die sie für ihre eigene Situation findet, zwar subjektiv verständlich, aber trotzdem unangenehm. Das mag zwar die Gesamthaltung, dass Mobbing nicht einfach zu behandeln ist, unterstreichen, hat aber bei mir zum negativen Eindruck, den das Buch hinterlassen hat, beigetragen.


    Vielleicht absichtlich so unangenehm…
    3ratten

  • Meine Meinung
    Glücklicherweise habe ich keine Erfahrung mit diesem Thema. Vielleicht kam mir deshalb Samuels Situation an der Schule ein bisschen überzeichnet vor. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Lehrer die beschriebenen Probleme mit seinen Schülern und auch mit seinen Kollegen hat. Aber dass er überhaupt keine Hilfe bekommt, nicht mal von seinem Vorgesetzten... ich weiß nicht. So deutlich, wie mit Samuel umgesprungen wurde, hätte der doch einschreiten müssen. Spätestens nach dem Vorfall mit Elliott hätte etwas passieren müssen. Dass der Direktor nur geschwiegen hat, um seine Schule nicht schlecht darstehen zu lassen und nichts unternommen hat, kann ich mir nicht vorstellen. Unter der Hand hätte er bestimmt eine Regelung gefunden. So oder so hat er hat er versagt.


    Was mir gut gefallen hat, waren die Interviews. Da habe ich stellenweise eine Gänsehaut gehabt. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass sich jeder gerechtfertigt hat. Jeder Kollege hat gewusst, was passiert und niemand hat etwas unternommen. Vielleicht erklärt das auch, warum der Direktor nichts unternommen hat. Vielleicht hat er das allgemeine Schweigen mit Zustimmung verwechselt.


    Ein schwieriges Thema, bei dem ich mich auch mit der Bewertung schwer getan habe. Vieles hat mir sehr gut gefallen (wenn man das bei diesem Thema sagen kann), einiges aber auch nicht.
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Bei mir hat das Buch einen tiefen Eindruck hinterlassen. Es passiert nicht oft, dass mich eine Handlung so gefangen nimmt, dass ich auch abseits des Lesens so intensiv darüber nachgedacht habe. Und ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals einen fiktiven Charakter so gehasst habe wie hier.



    Auch wenn es anfangs einen Moment dauerte, bis ich mich an den Interview-Stil gewöhnt hatte, gefiel mir gerade das mit der Zeit immer besser. Die Beteiligten selbst zu Wort kommen zu lassen, macht alles authentischer. Der heftige Teil war aber der Ablauf rund um die Ermittlerin Lucia, die sich persönlich in einer Lage befindet, die gar nicht so anders ist als die des Amokläufers. Für mich war es ein furchtbares Gefühl, mitzuerleben, wie sie von ihren Kollegen behandelt wird und keinerlei Hilfe bekommt, obwohl die Situation mehr als offensichtlich ist. Diese Kombination von hilflosen Eltern und Lehrern, oder am Rand Beteiligten, die aus Bequemlichkeit die Augen verschließen, Opfern, die es den Tätern leicht machen, das ist eine explosive Mischung. Gerade diejenigen, die einfach abwinken und behaupten, es sei nicht so schlimm, machen sich eigentlich mitschuldig. Wann ist es Zeit, einzugreifen? Wer setzt hier die Maßstäbe? Es ist immer anders, zuzusehen, als selbst betroffen zu sein.


    Ein Mensch wie Lucia hätte meine Hochachtung. Sie hat einen Weg gewählt, der sicher steinig ist, aber im Gegensatz dem Lehrer lässt sie keine unschuldigen Opfer zurück. Kein Rundumschlag, obwohl der angebracht wäre. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, aber man hätte es auf jeden Fall gemerkt.


    Ein Buch, das wirklich nachdenklich macht und nicht zuletzt deshalb verstörend ist, weil man als Leserin plötzlich so etwas wie Verständnis für einen Amokläufer verspürt - wenn auch nicht für die Wahl seiner Mittel.



    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Holden, deine Ausführungen finde ich sehr gut getroffen. Das könnte ich nahezu alles unterschreiben.



    Ein zweites Mal würde ich diesen Roman allerdings nicht lesen, dafür hat mir noch ein wenig Spannung gefehlt.


    Abgesehen davon, dass ich es schon als spannend empfand, war es meiner Ansicht nach nicht die Absicht von Lelic, einen Thriller oder Krimi nach dem herkömmlichen Muster zu schreiben. Es war ja relativ bald klar, in welche Richtung sich die Handlung bewegt. Es ging einfach darum aufzuzeigen, welche Ausmaße Mobbing annehmen kann und was Menschen in eine Lage bringt, aus der sie auf normale und legale Weise nicht mehr herauskommen und wie sich das rationale Denkvermögen abschaltet. Natürlich gibt es massenweise Menschen, die auch in Extremsituation keine Opfer hinterlassen, aber es gibt eben auch die paar Ausnahmen, die dann für Schlagzeilen sorgen.