Ian McEwan - Der Zementgarten

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 8.544 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

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    Inhalt (von amazon.de)


    In einem allein stehenden Haus inmitten eines Abbruchviertels lebt der 13-jährige Ich-Erzähler Jack mit seinen Eltern und drei Geschwistern. Die Familie ist isoliert von anderen Menschen; der Kontakt zu Verwandten ist längst abgebrochen, die Schulkameraden der Kinder werden nicht eingeladen.
    Bei dem Versuch, den häuslichen Garten zu zementieren, überanstrengt sich der Vater und stirbt an einem Herzinfarkt. Jack, den vor allem seine gerade erwachende S.e.x.ualität beschäftigt, ist von dem Wunsch getrieben, eine engere Beziehung zu seiner Mutter aufzubauen, scheitert jedoch an seiner eigenen Indifferenz. An seinem 15. Geburtstag stirbt die Mutter nach einer längeren Krankheit, so dass die vier Kinder fortan auf sich allein gestellt sind. Aus Angst, von den Behörden getrennt zu werden, verschweigen sie ihre Situation und zementieren die Leiche in einer Kiste im Keller ein. Da gerade die Zeit der Sommerferien begonnen hat, reduzieren sich die ohnehin spärlichen Außenkontakte auf ein Minimun. Doch nicht nur die Gruppe kapselt sich immer mehr von ihrer Umgebung ab, auch jeder Einzelne ist in zunehmendem Maße der Isolation ausgesetzt.


    Persoenliche Meinung


    Die Geschichte hat mich noch lange nach dem Fertiglesen beschaeftigt. Sie ist einerseits sehr skurril, unheimlich beklemmend und verstorend. Einzelne Passagen fand ich schlicht abstossend. Ian McEwan schafft eine ganz eigene Atmosphaere, ohne grobe oder blutruenstige Worte zu verwenden. Die ganze Erzaehlung spitzt sich ganz subtil auf eine Katastrophe zu, aus der es kein Entrinnen gibt, trotzdem ist das Buch nicht deprimierend.
    Sehr beeindruckend sind die Gedanken, Gefuehle des Ich-Erzaehlers Jack, dem zweitaeltesten der 4 Kinder, der sich mitten in der Pubertaet befindet und in dieser Zeit des Umbruchs, der Gefuehlsverwirrung und des Hin- und Hergerissenseins auch die aktuellen familiaeren Situation verabeiten muss.


    Nichts fuer Zartbesaitete, ansonsten absolut empfehlenswert (besonders fuer alle, die selber Kinder haben!!)


    edit 5ratten


    Das Buch gibt es auch in der guenstigen SZ-Bibliothek!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Huhu creativ,


    verrätst Du uns noch, wieviele Leseratten Du vergeben würdest?


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Zitat von "nimue"

    verrätst Du uns noch, wieviele Leseratten Du vergeben würdest?


    Danke fuer den Hinweis, hab ich jetzt nachgeholt (war halt doch noch ziemlich frueh heut :smile:)

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallo!


    Ich habe den Zementgarten gerade beendet und kann mich creatives Urteil nur anschließen.


    Ich fand das Buch sehr bedrückend, vor allem weil ich mir gut vorstellen kann, dass so etwas überall passieren kann. Die Art, wie die Geschwister mit der Situation umgegangen sind zeigt meiner Meinung nach gut den Konflikt, in dem sie durch ihr Alter bedingt stecken. Auf der einen Seite verhalten sie sich unglaublich erwachsen, auf der anderen Seite auch sehr kindisch. Die Katastrophe ist von Anfang an vorprogrammiert und die Art, wie sie darauf zusteuern, hat mich manchmal innerlich aufschreien lassen. Wie unbeteiligt muß das Umfeld gewesen sein um nicht zu bemerken, was schon vor dem Tad der Mutter in der Familie vorgeht?


    bedrückte Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ein typisches McEwan-Buch, haarsträubende Verhältnisse unter der Oberfläche einer scheinbar ganz normalen Familie.


    Der Zerfall der sechsköpfigen Familie beginnt schon mit dem Herztod des Vaters; die Mutter wird von da an immer depressiver, steht irgendwann nicht mehr aus dem Bett auf und überlässt die vier Kinder ihrem Schicksal.


    Eines Tages ist sie tot. Was nun? Julie, die Älteste, fürchtet, dass man die Geschwister trennen und zu Pflegeeltern oder in Heime stecken wird, also beschließen Julie und der 15jährige Jack, niemand vom Tod der Mutter zu erzählen und sie im Keller unter Zement zu verstecken, während die beiden Großen die Elternrolle für Sue (10 oder 12) und Tom (6) übernehmen. Zwischen den Geschwistern entwickeln sich völlig neue Beziehungen, niemand wagt es, wirklich über seine Gefühle zu sprechen, vor allem, was die Mutter betrifft...


    Den offenen Schluss fand ich ein wenig schade, weil in der Luft hängenbleibt, was aus den Geschwistern werden wird.


    Mich hat auch gewundert, wie gut das alles verborgen bleiben konnte, dass niemand die Frau vermisst hat, dass sich kein Mensch um die Familie gekümmert hat, nachdem der Vater tot war. Da fragt man sich, ob so was tatsächlich passieren könnte :entsetzt:


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe das Buch für den Deutsch-Unterricht lesen müssen, wo wir es auch besprochen haben. Ich kann mich den vorherigen Meinungen nur anschließen. Es ist bedrückend und übt herbe Gesellschaftskritik. Den Tod der Mutter hat niemand mitbekommen, weil sich ja auch niemand für die Familie interessiert hat. Ich denke schon, dass sowas auch in der Realität möglich ist. Man hört doch dauernd davon, dass zurückgezogen lebende Rentner mitten in der Stadt erst Wochen nach dem Tod in ihrer Wohnung gefunden wuden, weil die Nachbarn sich über den Verwesungsgeruch gewundert haben.
    Beim Lesen ging es mir so, dass ich sowohl Abscheu als auch Faszination (ist nicht das richtige Wort) empfunden hab. Alles in Allem ist es wirklich ein beeindruckendes Buch.


    4ratten

    Dieser Satz kein Verb

  • Ich kenne nur den Film, das Buch liegt schon länger hier rum. Kann mich nicht so recht entschliessen, weil ich denke, dass die Filmbilder doch sehr dominant sind.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Zitat von "Weratundrina"

    Ich kenne nur den Film, das Buch liegt schon länger hier rum. Kann mich nicht so recht entschliessen, weil ich denke, dass die Filmbilder doch sehr dominant sind.


    Über den Film hab ich einen Vortrag in Deutsch gehalten. Es mag sein, dass es daran gelegen hat, dass ich den Film für die Schule sehen musste und dass die Qualität des Filmes (*hust*) sehr schlecht gewesen war, aber ich war von dem Film nicht unbedingt begeistert. Er hatte meiner Meinung nach was "trashiges" :zwinker:

    Dieser Satz kein Verb

  • Ich habe das Buch vor vielen Jahren (circa Anfang der 80er) gelesen und es nie wieder vergessen. Zwar hatte es mir damals nicht besonders gefallen - es war mir zu... ich weiß nicht, welches Wort ich wählen soll, brutal trifft es in gewisser Hinsicht, bedrückend noch mehr, aber gerade das macht wohl, wie mir später klar wurde, seine Qualität aus. Gerade die Tatsache, dass mir viele Szenen noch immer deutlich vor Augen stehen, zeigt, wie eindringlich McEwans Schilderungen sind.


    Ich sehe gerade, Nika spricht von "Abscheu und Faszination"; das trifft auch auf meine Reaktion zu.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    meiner Ansicht nach ist dieser Roman einer der besten der zeitgenössischen englischen Literatur.


    Gerade das Karge, Bedrückende und teilweise Abstoßende an Inhalt und Darstellung ist sein Bestes: Beides stimmt nämlich wunderbar zusammen.
    McEwan verliert kein Wort zu viel, urteilt nicht, erzählt nur.


    HG
    finsbury

  • hallo!


    ich habe das buch auch gelesen.


    für mich war es absolut nicht brutal oder erschreckend in dem moment wo ich es gelesen habe.
    mcewan beschreibt das alles, als wäre es ganz normal und ich habe nicht das gefühl bekommen, dass die kinder etwas falsches gemacht haben.
    das schreckliche wird zu etwas ganz alltäglichem.
    erst im nachhinein, als ich über das buch nachgedacht habe ist mir bewusst geworden was da eigentlich geschehen ist...


    alles liebe
    mara


    5ratten

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

  • Ich bin gerade fertig geworden mit dem Zementgarten und auch hin- und hergerissen zwischen Faszination und Abscheu. Wenn man überlegt, in welcher selbst gewählten Isolation sich zuerst die Familie und dann die einzelnen Kinder befanden, ist es nicht verwunderlich, dass die Geschichte so endet. Gerade die beiden älteren Geschwister, die noch nicht erwachsen, aber auch keine Kinder mehr sind, konnten sich eigentlich nur aneinander festhalten.


    @ Valentine
    Am Schluss des Buches kam die Polizei, was im wirklichen Leben damit enden würde, dass die Geschwister in verschiedenen Heimen landen und Psychologen herauszufinden versuchen, welche bleibenden Schäden sie davontragen werden. So stelle ich mir das Ende vor. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es ähnliche Fälle in unseren Großstadt-Ghettos gibt, wo zwar die Mutter nicht gerade im Keller einzementiert wird, aber manche Kinder auf ähnliche Weise sich selbst überlassen werden.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Habe das Buch auch gelesen und ich denke (bevor ich jetzt das alles wiederhole, was hier schon gesagt wurde), mara84's Zitat

    das schreckliche wird zu etwas ganz alltäglichem.


    trifft es wohl am besten.
    McEwan schafft es hier, ein surreales Buch glaubhaft zu vermitteln und baut somit eine dunkle und unheimliche Atmosphäre auf. Besonders die Beziehung zwischen großer Schwester und Bruder hat mich nach dem Buch sehr beschäftigt. Immer mehr und mehr nehmen sie die Rolle der fehlenden Eltern an. Natürlich kommen sie sich dabei auch persönlich näher, es kommt sogar zum kleinen Konkurrenzkampf zwischen dem Freund der Schwester und dem Bruder..
    Die gesamte Handlung spielt in ein und demselben Haus, die vier Geschwister leben miteinander, als wenn alles in Ordnung wäre und bilden eine engere Gruppe als es die Familie vorher je war. Ich finde diesen Gedanken McEwans genial und er überspitzt sozusagen eine in manchen Gesellschaftsgruppen traurige Realität...


    "Der Zementgarten" stand in unserer SZ-Bibliothek und hat mich wirklich neugierig gemacht auf Ian McEwan, den ich bis dato noch nicht kannte. "Abbitte" und "Saturday" werden folgen, dank Weihnachten freu ich mich schon auf den SUB-Wettbewerb! ;)


    Mein Wertung ganz klar: 5ratten

    Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.<br />10/10 - tatsächlich geschafft!

  • Für alle, die dieses Thema noch interessiert, habe ich hier einen Buchtipp:


    Lesley Glaister - Du sollst Deinen Vater ehren


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    Hier wird von vier Schwestern berichtet, die in England in einer ähnlichen abgeschiedenen Situation aufwachsen. Erzählerin ist eine der Schwestern, die mittlerweile im hohen Alter sind. Sie erinnert sich an die Vergangenheit und erzählt gleichzeitig von den gegenwärtigen Zuständen, die wirklich haarsträubend sind. Ähnlich wie im Zementgarten packt einen auch hier die Mischung aus Abscheu und Mitgefühl.


    Sprachlich kommt es nicht an McEwan heran, ist aber ähnlich sachlich geschrieben und liest sich gut. Ich kann es wirklich empfehlen.


    Grüße
    Doris

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    Klappentext (nochmal zu Erinnerung)
    Ein Kindertraum wird Wirklichkeit: Papa ist tot, Mama stirbt und wird, damit keiner was merkt, einzementiert, und die vier Kinder - zwei Mädchen und zwei Jungen zwischen 6 und 16 - haben das große Haus in den großen Ferien für sich. Im Laufe des drückend heißen, unwirklichen Sommers kapselt sich die Gemeinschaft der Kinder mehr und mehr gegen die Außenwelt ab, und keiner merkt, dass etwas faul ist.


    Meine Meinung
    Realistisch-deprimierende Literatur ist eigentlich nicht mein Ding ... meistens fühlt man sich während der Lektüre so leer und traurig. Wenn es dann auch noch gut geschrieben ist, gibt es ein emotionales Leseereignis der besonderen Art. Aber manchmal packt es mich dann doch und ein solches Buch muss her. "Der Zementgarten" ist auf jeden Fall so eines.
    Von Anfang an ist die Stimmung bedrückend und man stellt sich vor, dass alle Figuren nur gebückt herum laufen. Am schlimmsten fand ich die Atmosphäre, als die Mutter noch lebt, aber oben in ihrem Zimmer liegt und quasi nur noch eine lebende Tote ist.
    Die ganze Geschichte wird aus der Sicht des jugendlichen Jack erzählt. Eigentlich ist er ein ganz normaler Jugendlicher, der ständig ornaniert und sich nicht wäscht ... allerdings schlägt bei ihm alles ins Extreme um. Er wäscht sich irgendwann gar nicht mehr und wird von Pickeln überwuchert. Ziemlich eklige Vorstellung. Auch die anderen Charaktere sind eigentlich recht normal, aber irgendwie haftet ihnen allen etwas Absonderliches an. Die Isolation verstärkt diese Vorstellung nur noch.
    Obwohl ... die Isolation ist nicht perfekt. Der Jüngste spielt ständig mit einem Freund und Julie (die Älteste) bringt bald einen Mann mit nach Hause. Aber diese "Einbrüche" aus der äußeren Welt verstärken nur noch die bizarre Wirkung der Einsamkeit und des heißen Sommers. Als Jack einmal in die Stadt geht, kam mir die ganze Situation surreal und unheimlich vor und ich war fast froh, als er wieder zu Hause (in Sicherheit) war.
    Insgesamt ist Ian McEwan ein Buch mit einer Atmosphäre gelungen, die den Leser die ganze Zeit umgibt, sich aber nicht richtig fassen lässt. Man fühlt, dass etwas unter der Oberfläche brodelt und wartet auf die Explosion ... sehr nervenaufreibend und faszinierend!
    Ich gebe: 4ratten

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Meine Meinung:
    Dieser Roman ist wie ein heißer, träger Sommernachmittag. Man hat das Gefühl nach draußen zu sehen und kein Halm und kein Gras regt sich weil es so heiß ist, in der Ferne meint man Kindergeschrei zu hören aber man selbst liegt lieber faul in der Hängematte und trinkt noch einen Schluck eisgekühlter Limonade. Aber am Abend dann folgt das Gewitter.
    Ich versuche mir gerade klar zu machen weshalb mir der Roman weniger als Abbitte oder Am Strand gefallen hat. Es sind nur kleine Unterschiede. Ich glaube irgendwie fand ich den Schluss nicht so gelungen. Da hätte ich mir eine etwas andere Wendung gewünscht.
    Die Handlung als solche mochte ich aber. Die Beziehung zwischen den Geschwistern baut eine Spannung auf der man sich nur schwer entziehen kann. Es knistert und man wartet auf den Funken. Julie ist für mich ein richtiges manipulatives Miststück der es schon sehr gefällt nun alles herumkommandieren zu können. Ich denke es gefällt ihr auch die Mutterrolle zu übernehmen. Vor allem im Umgang mit Tom - dem jüngsten- bekommt man davon einen recht guten Eindruck. Auch wenn diese Beziehung doch auch in eine irgendwie gruselige Entwicklung abrutscht. Insofern scheint eigentlich irgendwie klar das alles auf Dauer nicht funktionieren kann. Vor allem auch das Inzestthema verweist eigentlich schon auf das Ende das im Grunde kein gutes Sein kann - zumindest für die Kinder. Ich finde irgendwie verstört diese Geschichte regelrecht. Man weiß aber nicht genau was einen verstört. Denn vieles erscheint einem beim Lesen so normal. Selbst als die Kinder ihre Mutter in Zement gießen hat man damit weit weniger Probleme als mit Derek, Julies Freund der in die Gemeinschaft der Geschwister eindringt. Ja ich habe ihn als Eindringling empfunden und dachte mir: wann verschwindet er endlich? Vielleicht ist das ja das verstörende? Das man sich auf die Seite der Kinder stellt und sie von der Außenwelt abschirmen möchte. Es ist diese merkwürdige Stimmung die das Buch ausströmt die aber auch eine gewisse Faszination mit sich bringt. Ian McEwan ist ein Schriftsteller der es einfach perfekt versteht solche Stimmungen zu beschreiben ohne das man weiß was er genau macht um sie ein zu fangen.


    4ratten