Zu viel Liebe in der Literatur / unrealistische Erwartungen deshalb?

Es gibt 48 Antworten in diesem Thema, welches 8.395 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Madicken.

  • Ich habe angesprochene Bücher viel gelesen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren und lese sie heute auch noch. Klar, träumt man davon einen der Helden kennen zu lernen und "verliebt" sich in diese. Aber das gilt für Harry Potter genauso, obwohl da Liebe wirklich zweitrangig ist, aber es ist eben genau das: ein Traum!
    Ich persönlich habe meinen realen Traummann dann mit 23 Jahren kennen gelernt und für mich ist unsere Beziehung auch nach einigen Jahren noch genau wie in diesem Artikel beschrieben: perfekt. Wie lange das so bleibt? Who knows? Vorher gingen alle meine Liebeleien in die Brüche, natürlich hat mich das enttäuscht, aber nicht weil ich vorher romantische Jugendfantasy gelesen habe. Mal davon abgesehen, kenne ich auch einige Paare, die seit der Oberstufe zusammen und mittlerweile glücklich verheiratet sind. (Zur Einordnung: Ich bin Ende 20. ;) )


    Mir ist außerdem schon lange klar, dass die Darstellung von Liebe in Filmen (und auch in Büchern) sehr geschönt dargestellt ist, mir fallen da zwei extreme Beispiele ein: Frauen in Sexszenen und Geburtsszenen. Ich habe bisher von keiner Geburt gehört, die so sauber verlaufen ist, wie das gezeigt und beschrieben wird.


    Also ich halte das ein wenig wie Jaqui, ich denke auch, dass Jugendliche genug Reife besitzen müssten, um zwischen Fiktion und Realität unterscheiden zu können. Zumal bspw. das Ende von Harry Potter auch kritisiert wurde, eben wegen dieser "sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage"-Sache.


    "Faust", "Effi Briest" und "Stolz und Vorurteil" sind schlechte Beispiele. In allen drei Werken wird die Rolle, in die die Frauen von der zeitgenössischen Gesellschaft gedrängt wird, durchaus kritisch gesehen.


    Und es ist einfach eine ganz andere zeitgenössische Gesellschaft als unsere! :winken:


    Zu der anderen Frage: Ich finde, es gibt seit einiger Zeit immer mehr Bücher, Filme und Serien, in denen es starke Frauencharaktere gibt. Mal spielt Liebe mehr, mal weniger eine Rolle. Dass sie immer eine Rolle spielt, hat vielleicht auch mit der Zielgruppe zu tun: Frauen. Und man schreibt Frauen wohl immer noch zu, dass sie gerne ein wenig Liebe in der Story haben wollen. So gesehen beißt sich hier die Katze in den Schwanz. Aber da Liebe zum Leben gehört, finde ich es auch nicht schlimm, wenn sie eine (untergeordnete) Rolle spielt. :winken:

  • Ich wäre auch Vorsichtig mit diesen Verallgemeinerungen und der Frage ob das Auswirkungen auf Realitätssinn hat. Ich denke es ist wie mit vielen Dingen - z.B Computerspiele, Serien etc. etc. wenn man eine entsprechende Persönlichkeit hat, kann das sicher unrealistische Erwartungen noch verstärken.


    Zudem würde ich auch fragen, wer schreibt denn diese Bücher und warum werden sie so eifrig gekauft? Ich würde sagen das diese Bücher eher unsere Gesellschaft schon wiederspiegeln und vielmehr bestimmte Denkmuster dann eher noch unterstreichen oder festigen.
    Ein gutes Beispiel ist nach wie vor Twilight. Dieses Buch spiegelt die Wertvorstellungen einer bestimmten Gesellschaftlichen Gruppe in den USA wieder, gleichzeitig gibt es aber auch Schnittmengen mit anderen Gruppen und das hat sicher auch den Erfolg ausgelöst.
    Gerade dort habe ich andererseits auch erlebt, das viele Teens und auch Erwachsene die geschilderte Liebe erstmal nur sehr positiv betrachtet haben. Mittlerweile hat sich meiner Meinung nach auch das Bewusstsein für die Problematik der Beziehung wie sie in Twilight zwischen Edward und Bella dargestellt wird, verändert.


    Das merke ich z.B bei Youtubern die über Bücher sprechen, die beim ersten Lesen Teenager waren und durch Studium, Arbeitsleben etc. ihre Ansichten verändert haben. Und die Bücher nun sehr kritisch betrachten. Ich denke es kommt nach wie vor und wie immer darauf an, in welchem Umfeld sich Lesende bewegen. Egal wer das nun ist. Klar hat mich meine Lektüre mit beeinflusst und ja, ich würde schon sagen das meine Ansichten über bestimmte Dinge davon stark geprägt sind. Aber das ist trotzdem nicht der einzige Einfluss und das ist eben auch bei anderen Lesenden so.

  • Ich weiß nicht....
    Unterschätzt du die "Mädels" da nicht vielleicht etwas?


    Ich glaube nicht. Ich rede ja nicht davon, dass alle so sind. Aber es gibt Jugendliche, die sich sehr mit ihren Buchhelden identifizieren und alles für bare Münze nehmen, was denen widerfährt. Meine Tochter wird bald 14, und an ihr und ihren Freundinnen sehe ich, wie blauäugig sie manchmal sind. Da fehlt es einfach noch an eigenen Erfahrungen. Alles, was sie wissen, kennen sie aus Büchern oder dem Internet, und da bleibt immer etwas hängen.


    Und bitte, um das nochmal zu verdeutlichen: Ich rede nicht von allen Jugendlichen.

  • Mit 14 Jahren denkt man oder erträumt man sich vielleicht noch so eine Beziehung à la Twilight, aber wenn man dann ein paar Jahre älter wird, dann sieht man doch schon das Unrealistische an der Sache, oder? Mal davon abgesehen sind auch die Mädels in den Büchern ein paar Jahre älter, wenn man sich mit denen vergleichen will.

  • Ich stelle mir halt auch die Frage ob man dann wirklich auf dauer unrealistische Bilder im Kopf hat. Denn wie nach und nach stellen sich ja dann auch reale Ereignisse ein und man merkt das vieles von dem eben einfach nicht mit dem wahren Leben übereinstimmt.


  • Mit 14 Jahren denkt man oder erträumt man sich vielleicht noch so eine Beziehung à la Twilight, aber wenn man dann ein paar Jahre älter wird, dann sieht man doch schon das Unrealistische an der Sache, oder?


    Das denke ich auch. Dann kommen ja auch eigene Erfahrungen und Einsichten dazu.


  • Mit 14 Jahren denkt man oder erträumt man sich vielleicht noch so eine Beziehung à la Twilight, aber wenn man dann ein paar Jahre älter wird, dann sieht man doch schon das Unrealistische an der Sache, oder?


    Nicht unbedingt. Ich kenne einige Frauen, die in ihrer Teeniezeit stehen geblieben sind. Da ging es zwar um Eishockeyspieler, die sie irgendwann erhören würden, aber die Hoffnung scheint immer noch nicht gestorben zu sein, auch wenn man weiß dass der Traum unrealistisch ist. Das ist meiner Meinung nach keine Frage des Alters, sondern der Persönlichkeit.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine erste große Liebe endete auch schmerzhaft, und das ganz ohne Twilight (bin ich alt..! :breitgrins:). Würde sie noch andauern, wäre das allerdings noch wesentlich schmerzhafter.
    Ich habe mich in dem Alter allerdings auch gefragt, wo es eigentlich die ganzen netten, verständigen Jungs aus den Jugendbüchern gibt und warum bei mir in der Gegend im Grunde nur grölende Rüpel zu finden sind! (Abgesehen davon, dass man in den Büchern immer die Ärsche gleich auf drei Kilometer Entfernung erkannt hat, was auf dem Pausenhof nicht immer so einfach war.)


    Ich halte das für einen weiteren wichtigen Lernprozess im Rahmen des Erwachsenwerdens, ähnlich wie mit Werbung, von deren Versprechungen man auch irgendwann kuriert ist.
    Auch die Verfasserin des Blogbeitrags räumt ja ein, dass sie im Grunde schnell raus hatte, dass das Leben kein Roman ist. Ich denke, das darf man auch den meisten anderen Menschen zutrauen.


    Tragikomisch daran ist, dass die Jungs ja meist ebenso in einem Zimmer der Traumfabrik leben (Stichwort Porno), nur am anderen Ende des Flurs. Das ist schon ein bisschen absurd, wenn man sich die Gedankenprozesse beim Aufeinandertreffen der Geschlechter dann bildlich ausmalt...


  • Nun gibt es aber auch schon diverse Untersuchungen, die so etwas im Zusammenhang mit Pornografie herausgefunden haben. Nämlich, dass durch den Konsum pornografischer Filme die Erwartungen von jungen Männern in falsche Bahnen gelenkt werden:


    Je Porno desto Schrumpfhirn


    Wobei diese Studie kein so gutes Beispiel ist. Die Medien haben sich zwar in reißerischen Titeln übertreffen versucht, methodologisch ist sie aber ziemlich schwach und macht Aussagen, die sie aufgrund der Daten gar nicht machen kann.
    Der Artikel erwähnt es im letzten Absatz: die Kausalität ist überhaupt nicht geklärt und letzten Endes haben die Autoren nur eine Korrelation gefunden. Daraus wissen wir nicht mal, ob es überhaupt einen Zusammenhang gibt und es eine echte Korrelation ist. (Es gibt zum Beispiel eine mittelgroße (Schein-)Korrelation, dass in den USA umso mehr Menschen durch Ertrinken im Swimmingpool sterben, umso mehr Nicolas Cage Filme in diesem Jahr in die Kinos gekommen sind :breitgrins: )
    Dass ein Gehirnareal kleiner ist, heißt auch nicht immer, dass es schlechter arbeitet oder sich negative Konsequenzen daraus ergeben müssen. Da ist die Forschung in ihren Interpretationen mittlerweile vorsichtiger geworden.


    Leider ist das auch das Problem von den meisten Studien zum Thema Pornographie und Jugendliche, nämlich dass zwar Zusammenhänge gefunden werden, aber unklar ist, woher sie kommen (Henne-Ei). (Quelle)

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

    Einmal editiert, zuletzt von tári ()

  • Grundsätzlich glaube ich, dass Bücher - neben vielem anderen - natürlich einen Einfluss auf unsere Erwartungen haben können. Ich glaube aber nicht, dass wir hier nur von Jugendlichen reden sollten :zwinker: Erwartungen können immerhin auch unbewusst sein.
    Natürlich sind Jugendliche aufgrund ihrer Entwicklung "anfälliger" für prägende Einflüsse, aber das heißt ja nicht, dass Erwachsene gegenüber solchen Reizen völlig erhaben wären.


    Nur weil ich als Erwachsene oder Jugendliche weiß, dass es den Traumprinzen aus diesen und jenen Buch nicht gibt, heißt das ja noch nicht, dass es nicht in irgendeiner Art und Weise einen unbewussten Einfluss auf mich hat. Vor allem wenn ich ein Traumprinzen-Buch nach dem anderen lese.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.


  • (Abgesehen davon, dass man in den Büchern immer die Ärsche gleich auf drei Kilometer Entfernung erkannt hat, was auf dem Pausenhof nicht immer so einfach war.)


    Ja, das ist auch eine Lektion, die man beim Erwachsenwerden lernt - die Welt ist nicht schwarzweiß. Undifferenzierte, rein gute/rein böse Charakter nerven. In allen Büchern.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich kenne einige Frauen, die in ihrer Teeniezeit stehen geblieben sind. Da ging es zwar um Eishockeyspieler, die sie irgendwann erhören würden, aber die Hoffnung scheint immer noch nicht gestorben zu sein, auch wenn man weiß dass der Traum unrealistisch ist. Das ist meiner Meinung nach keine Frage des Alters, sondern der Persönlichkeit.


    Das stimmt. Aber dann hat es ja eigentlich auch nichts mit den Büchern zu tun, die man liest, oder?



    Was mir noch eingefallen ist: Ich lese eigentlich deswegen gerne von Liebesgeschichte, weil sie unrealistischer (und schöner) sind als in der Realität. :breitgrins:

  • Das stimmt. Aber dann hat es ja eigentlich auch nichts mit den Büchern zu tun, die man liest, oder?


    Da hast du recht. Ich finde, das Thema kann man aber nicht vollständig trennen. Gerade als Teenager hat man oft unrealistische Vorstellungen von der Liebe und allem, was dazu gehört. Und aus denen muss man herauswachsen, sonst wird man immer enttäuscht werden.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das sehe ich absolut auch so. Unrealistische Erwartungen vor allem in Bezug auf Liebe und Beziehungen sehe ich zuhauf. Aber ich denke nicht, dass Jugendromane da alleine dran Schuld sind. In meinem persönlichen Umfeld würde ich da eher Vorabendserien für verantwortlich machen. Aber wahrscheinlich trifft auch das nicht zu, sondern es ist im Allgemeinen was über Medien jeglicher Art suggeriert wird. Sich davon zu lösen oder distanzieren, ist nicht immer einfach.

  • Unrealistische Erwartungen vor allem in Bezug auf Liebe und Beziehungen sehe ich zuhauf.


    Vielleicht ist das auch ganz einfach menschlich? Und hat weder mit Büchern, noch mit Filmen, noch mit TV-Serien zu tun? Sondern ist einfach in uns drin?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Natürlich, sandhofer. Das streite ich nicht ab. Nur kann ich mich nicht mit jeder Form anfreunden.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Zum Thema Liebesromane kann ich nichts sagen, aber folgendes Anekdötchen zum Thema Krimi erzählen.
    Ich habe vor einigen Jahren mehrer Krimis, die in Brugges pielen gelesen und wollte dann Brügge auch mal live sehen. Kurz vorher habe ich noch den Film "Brügge sehen und sterben" und hatte irgendwie die Vorstellung, dass Brügge eine supergefährliche Stadt wäre.
    Auf die Frage, ob Sie mir auf meiner absoluten "Innenstadt/ Touri-Karte" die Viertel zeigen könnte, die ich lieber nicht besuchen solle, hat meine Gastgeberin ziemlich verwirrt geguckt :zwinker:!
    Und ich habe gelesen, dass die ganzen Kochshows und die Promi-Köche im Fernsehen ein unrealistisches Bild von Kochberuf vermittelt. Das wiederum kann ich mir auch gut vorstellen.


    :winken:
    bibse

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

  • Andererseits gibt es inzwischen auch konkrete Hinweise darauf, dass z.B. Nachrichtenmedien Menschen stark beeinflussen und damit auch Politik gemacht und gesteuert wird. Während das alles nicht immer mit der Realität zu tun hat. Je häufiger über Terroranschläge berichtet wird, umso mehr Menschen haben Angst davor. Rational ist das ebenfalls nicht. Die Menschen empfinden unsere Welt als immer gefährlicher, obwohl Statistiken beweisen, dass sie immer ungefährlicher wird. Der Mensch ist meistens kein rationales Wesen und ich finde es merkwürdig, da so unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen. Liebe, Angst - das alles sind Emotionen.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.