Bis Kapitel 8
Die Gegebenheiten in Lowood erinnern eher an ein asketisches Mönchskloster als an eine Schule - erbauliche Lektüre, Waschen mit kaltem Wasser (wenn es nicht gerade gefroren ist) und ungenießbares Essen, das zudem nicht ausreicht. Dazu noch jede Menge Gerede vom Höllenfeuer und von der Schlechtigkeit des Menschen. Ich mag das gar nicht glauben, aber solche Zustände scheinen keine Erfindung gewesen zu sein, sondern das, was herauskam, wenn sich selbstgerechte Möchtegern-Vorzeigechristen zu "Wohltätern" mittelloser Waisen aufschwingen. So sieht wahre Nächstenliebe ganz bestimmt nicht aus.
Er kann sich damit eben richtig profilieren. Das Problem ist, dass die Bedürftigen wahrscheinlich so froh sind über die Hilfe, dass sie sich nicht trauen, gegen die offensichtlichen Missstände zu klagen. Es sind sicher einige unter ihnen, die ohne die Schule verhungern würden oder im Krankheitsfall keine Abwehrkräfte hätten. So ist das strenge Regiment das kleinere Übel.
Vor allem diesen Brocklehurst könnte ich würgen. Das Leben dieser Mädchen ist schon schwer genug, und er koffert sich über Brot und Käse oder ein frisches Halsband oder -tuch auf und über rotes lockiges Haar, während seine ehrenwerten Begleiterinnen in Samt und Seide und Pelz gewandet sind?
Vor allem geht er davon aus, dass das den Schülerinnen nicht auffällt. Das ärgert mich daran am meisten.
Auch Helen Burns tut mir irgendwie leid, die glaubt ja ihre eigenen salbungsvollen Sprüche
Klingt nach erfolgreicher Gehirnwäsche. Sie hat die entsprechenden Sprüche oft genug gehört, um daran zu glauben. Ohne ihren Glauben an Gott und die Kraft, die sie darin findet, könnte sie sich längst nicht so gut mit den Gepflogenheiten in der Schule arrangieren.