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Dan Simmons scheint Gefallen an Schnee und Eis gefunden zu haben. Ging es in "Terror" um Sir John Franklins Versuch die Nordwestpassage zu finden, so handelt "Der Berg" von einer Expedition zur Besteigung des Mount Everest in den 1920er Jahren. Der Originaltitel (The Abominable) lässt wohl etwas mehr Spielraum für Interpretationen. Das Adjektiv abominable bedeutet etwa scheußlich, entsetzlich, The Abominable Snowman ist der Yeti. Dan Simmons spielt hier ein wenig mit den Erwartungen des Lesers, dazu später mehr.
Im Epilog erzählt Dan Simmons von seinen Recherchen zu einem Buch über eine Expedition zum Südpol, während der er den amerikanischen Bergsteiger Jake Perry in einem Seniorenheim besucht. Der gealterte Abenteurer erwähnt, dass er gerne einen Teil seiner Lebensgeschichte niederschreiben möchte und eben diese Geschichte erhält Simmons Jahre später per Post. Der kurze Epilog schafft zweierlei:
Als Idee zum eigentlichen Antarktis-Roman erwähnt Simmons einen Angriff von Monsterpinguinen - damit kann im Roman auf dem Mount Everest alles passieren, lächerlicher als ein Angriff von Monsterpinguinen kann es eigentlich nicht werden.
Außerdem schafft die Begegnung im Seniorenheim einen realen Hintergrund für die folgende Geschichte, eben das wirkte auf mich aber etwas aufgesetzt. Der folgende Roman ist eben doch ein Dan Simmons-Roman und nicht mehr.
Und dann geht es auch schon los, wir befinden uns auf dem Matterhorn, einer der Teilnehmer der Expedition ist der Amerikaner aus dem Epilog (in jungen Jahren, wir schreiben das Jahr 1925). Ich habe keinen Bezug zum Bergsteigen, aber in der Beschreibung der Technik, des Vorgehens und vor allem der Gefühle der Bergsteiger gegenüber dem Berg wird die Faszination und die Liebe zum Bergsteigen deutlich, man fühlt richtig mit.
Noch auf dem Matterhorn erreicht die Nachricht von tödlich verunglückten deutschen und englischen Bergsteigern am Mount Everest die Gruppe. Die drei nutzen die Gunst der Stunde, reisen zur adligen Mutter des verunglückten Engländers und lassen sich von ihr die Expedition zum Mount Everest finanzieren. Das vornehmliche Ziel ist es, die Leiche des Engländers zu finden, natürlich denken die drei Abenteurer auch daran, als erste Menschen den Gipfel zu erreichen.
Die Planung der Reise wird im englischen Club durchgeführt, hier erinnert die Atmosphäre sehr an einen Jules Verne-Roman. Während dieser Planungen kristallisieren sich die Eigenheiten der Charaktere heraus - der militärisch planende Richard Deacon, der technisch begabte Franzose Jean-Claude, immer auf der Suche nach neuer Ausrüstung und natürlich der amerikanische Felskletterer Jake. Nach weiteren Recherchen (unter anderem auch in Deutschland) und Kletterübungen an Fels und Eis geht das Abenteuer dann endlich los.
Die Beschreibung der Expedition selbst, zu der noch der Arzt Dr. Pasang, die Plantagenbesitzerin Reggie und viele Sherpas hinzustoßen ist dann einfach großartig. Man fiebert mit, spürt die Kälte, empfindet die beginnende Höhenkrankheit und nimmt gedanklich an der Planung der nächsten Schritte teil. Auch hier spielt Dan Simmons immer mal wieder mit den Erwartungen des Lesers (der Vergleich zu "Terror" drängt sich ja auf), baut geschickt Fallen in die Story ein und schafft es trotzdem nie ins Lächerliche abzugleiten (keine Angst, es gibt keine Monsterpinguine).
Auch wenn die Geschichte am Ende die ein oder andere Wendung nimmt, die ich gar nicht mehr gebraucht hätte, hat mich das Buch bis zum Schluss gefesselt. Großartig!
Seoman