J. L. Carr - Ein Monat auf dem Land

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 3.921 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Alice.

  • Ein Monat auf dem Land
    von J.L.Carr


    Originalausgabe von 1980 ("A Month in the Country")
    Deutsche Erstveröffentlichung 2016, übersetzt von Monika Köpfer


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    Rückseite + Klappentext
    (etwas zusammengefasst)
    Yorkshire im Sommer 1920: Der Londoner Restaurator Tom Birkin steigt im nordenglischen Oxgodby aus dem Zug. Tom Birkin hat im ersten Weltkrieg gekämpft, als traumatisierter Veteran wurde er von seiner Frau verlassen. Nun ist er damit beauftragt, ein mittelalterliches Fresko in der Dorfkirche freizulegen. In der Ruhe der Landschaft hofft er Frieden zu finden. Und tatsächlich: Je näher er dem Meisterwerk hinter dem Putz der Kirchenwände kommt, desto näher kommt er auch sich selbst und den Menschen in seiner Umgebung.


    "Ein Monat auf dem Land" ist ein Buch über das Leben, die Verletzungen, die es uns zufügt, und die Möglichkeit sie zu überwinden. J.L. Carr erzählt von einem Mann, der überlebt, und von der Rettung, die in uns wie den anderen liegt. Dieser moderne Klassiker der englischen Literatur ist in seiner sprachlichen Leichtigkeit und Eleganz eine echte Wiederentdeckung. Er liegt jetzt erstmals in deutscher Übersetzung vor.


    Über den Autor:
    Joseph Lloyd Carr auch Jim oder James (geboren 20. Mai 1912 in North Yorkshire; gestorben 26. Februar 1994 in Kettering) war ein britischer Schriftsteller. Nachdem er jahrelang als Lehrer gearbeitet hatte, gründete er 1966 einen eigenen Verlag und verfasste acht Romane. "Ein Monat auf dem Land" ist Carrs bekanntestes Werk und war 1980 für den Booker-Preis nominiert. Wikipedia



    ***


    Diese kleine Büchlein hat mir in den letzten Tagen, trotz des grauen Novembers draußen, ein kleines Stück Sommer und Wärme zurückgeholt. Der vom Krieg seelisch schwer geschädigte Tom Birkin tritt nach Kriegsende eine Flucht in die ländliche Einsamkeit an, nur die Restaurierung des Wandgemäldes soll seine Tage bestimmen. Er reduziert sein Leben auf die einfachsten Handlungen, den Rythmus seiner Arbeit, schläft auf dem Boden in einer kargen Turmkammer, lehnt jeden Komfort ab um möglichst nahe an seiner Arbeit zu sein und will sich ansonsten aus allem heraushalten. Es ist ein Fest wie er sich Schritt für Schritt an das Freilegen des Freskos macht, nach und nach die Figuren entdeckt, über die Farben und den Künstler nachdenkt und die Größe des Werks erkennt. So meditativ und heilsam dieses Tun für den Protagonisten ist, so wirkt es auch weiter, über das Buch hinaus, auf den Leser.


    Tom stellt aber auch nach und nach fest: So einfach wie man es sich als Großstädter denkt, ist das mit dem Rückzug auf dem Land gar nicht. Nach und nach beziehen die Dorfbewohner den zurückgezogenen Mann in ihr Leben mit ein und langsam öffnet sich auch für ihn wieder der Blick auf das Leben um ihn herum.


    Die Geschichte wirkt sommerlich leicht, manchesmal auf leise Art humorvoll, niemals kitschig. Man riecht den Sommer geradezu, fühlt die Wärme auf der Haut, sieht das Flirren in der Luft, gleichzeitig macht das Buch aber auch nachdenklich und melancholisch es geht um das Geschenk des Lebens und um Vergänglichkeit und es verdeutlicht, trotz aller Leichtigkeit, die Unmenschlichkeit, den Irrsinn eines jeden Krieges - um es kurz zu machen: Für mich eins der (leider wenigen) Lesehighlights dieses Jahres, Balsam für die Seele, hat für mich das Zeug zu einem persönlichen Lieblingsbuch zu werden, welches man hervorholt wenn man Trost sucht.


    Erwähnen möchte ich auch die hochwertige und wunderschön schlichte, perfekt zum Inhalt passende Aufmachung des Büchleins, aufgelegt vom Dumont-Verlag, das mich allein schon damit angezogen hat.



    Uneingeschränkte 5ratten

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Danke für diese schöne Rezi. Das Buch ist sofort auf den Wunschzettel gewandert!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Was für eine schöne Rezension! Vielen Dank dafür! Auch bei mir ist das Buch direkt auf meinen Wunschzettel gewandert - wobei ich überlege, es direkt zu bestellen ;)

  • Es liegt abholbereit in meiner Bibliothek - und ist schon länger auf meinem Leseradar :zwinker:
    Ich freu mich auch auf dieses Buch!! :klatschen:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Danke! :smile: Freut mich wenn die Rezi Euch gefällt. Und hoffentlich gefällt Euch dann das Buch auch .. ist ein sehr stilles Büchlein, aber ich fands wirklich sehr schön und obwohl es teilweise auch sehr nachdenklich und melancholisch ist, ist es eben doch auch wirklich herzerwärmend, grad richtig zur kalten Jahreszeit. Hat mir so ein bisschen dieses Lesejahr versüßt, weil ich auch viele Nieten gezogen habe dieses Jahr.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Ich habe im Internet ins Buch reingelesen und mir hat der Anfang schon so gut gefallen, dass ich es in meiner Buchhandlung bestellt habe. Nun liegt es hier lesebereit auf meinem Tischchen, aber vorher sind erst noch zwei andere Bücher dran. Allerdings spornt es ziemlich an, schnell mit den anderen Büchern fertig zu werden ;)

  • Die Rezension ist schön, Firiath - hat mir auch gut gefallen, "Ein Leben auf dem Land"
    Habe es heute ausgelesen und es war vermutlich das letzte Buch aus 2016 :breitgrins: Die neuen Bücher warten mit dem Neuen Jahr bereits auf mich :zwinker::winken: guten Rutsch allerseits und lesereiches, tolles 2017!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Gleich vornweg:
    Ich hab mir das Buch anders vorgestellt und hab vielleicht auch etwas zu viel eingefordert, was es nicht ganz halten konnte. Dennoch, es ist ein schönes Buch, das mich mit seinen leisen Tönen berührt hat.


    Ich habe mir Tom Birkin als jemand vorgestellt, der aus der Welt fliehen möchte. Aber das möchte Birkin eigentlich gar nicht. Er hat Herz und er hat ein Gespür für seine Mitmenschen, die ihn schnell in ihr Herz schließen. Und er genießt es, in ihre Gemeinschaft aufgenommen zu werden.


    Wie bereits gesagt, hat mich das Buch sehr berührt, weil es mit viel Feingefühl geschrieben wurde. Auf alle Fälle ein lesenswertes Buch!


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Hafermilch:


    Das ging mir ganz ähnlich; mir hat es auch wirklich gut gefallen (Schreibstil), jedoch habe ich festgestellt, dass mich die Inhalte um die Restauration der Kirche in diesem Falle nicht so ganz erreichen konnten - die menschlichen Beziehungen allerdings und die angedeuteten Kriegstraumata von Birkin und dem Kollegen fand ich ganz ausgezeichnet dargestellt. Von mir gab es auch 4 Ratten...

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Genau so habe ich es auch empfunden - seine Arbeit konnte mich nicht recht abholen, aber ich habe die Wärme des Sommers gespürt und mit großer Freude gelesen, wie sich Birkin den Menschen in Oxgodby und die Menschen sich Birkin öffnen. Ein Sommer, dem ein Zauber inne liegt.

  • Ich habe es nun auch endlich gelesen und war auch sehr angetan von "A Month in the Country".


    Tom Birkin landet auf dem Land, um eine Wand in einer Kirche zu restaurieren. Aus der erwarteten ruhigen Zeit wird aber nichts, denn die Dorfbewohner sind neugierig, wer da nun bei ihnen lebt. Sie besuchen ihn zufällig, fragen ihn auch mal ein wenig aus und tratschen untereinander über ihn. Und auch Birkin lernt die Bewohner des Dorfes besser kennen. Am Ende des Sommers hat er seine Arbeit allerdings beendet und verlässt das Dorf wieder.


    Ein kurzes Buch und auf den ersten Blick passiert nicht viel. Doch auch diese ruhige tägliche Routine, die sich bei Birkins Arbeit und Leben einstellt, hat etwas, dass mich beim Lesen schon irgendwie reizte. Gerade die Neugier der Dorfbewohner, so dass von Beginn an klar war, dass Birkin den Sommer nicht zurückgezogen und allein verbringen würde, war amüsant.
    Dazu noch diese besondere Sommerstimmung, die meiner Meinung nach sehr gelungen dargestellt wurde, dies alles macht das Buch zu einer kurzweiligen interessanten Lektüre.


    4ratten

  • Yorkshire 1920, Restaurator Tom leidet noch unter den Nachwirkungen seiner Zeit im Ersten Weltkrieg. Sein Auftrag in dem kleinen Dörfchen ist es ein Fresko in der Kirche freizulegen. Schnell freundet er sich mit einem anderen Veteranen an, der aus dem gleichen Erbschaftsgeldtopf den Auftrag erhalten hat, ein altes Grab zu suchen. Doch auch unter den Dorfbewohnern macht er Bekanntschaften und wird in deren Leben eingebunden. Und während der Sommer vergeht, findet er Ruhe und wieder zu sich selbst.


    Die Darstellung Birkins und wie er unbewusst mehr und mehr ins Dorfleben eingebunden wird gefiel mir (aber sind englische Dörfler wirklich so aufgeschlossen Fremden gegenüber oder ist Birkin solch ein außergewöhnlich netter Kerl?)


    Irgendwie fand ich den Titel im Verlauf der Geschichte mehr und mehr irritierend, der Erzähler verbringt einen deutlich längeren Zeitraum als nur den einen (geplanten?) Monat auf dem Land, („Mittlerweile verbrachte ich jeden Sonntag…“ – Wie viele Sonntage hat denn so ein Monat?)


    Ich habe mir von dem Buch ziemlich viel versprochen, überall wurde seine Stimmung gepriesen. So ganz kann ich mich den Begeisterungsstürmen für das Buch aber nicht anschließen. Ja, das Buch ist nett, stimmungsvoll, sympathisch, aber nicht so etwas ganz Besonderes.


    4ratten

  • Meine Meinung

    Ich habe mir von dem Buch ziemlich viel versprochen, überall wurde seine Stimmung gepriesen.

    Dann ist die Erwartung natürlich hoch. Mir ging es genauso. Ich habe mir den Titel hier notiert und hatte auch viele begeisterte Meinungen dazu im Kopf. Da kann ich mich nicht ganz anschliessen. Die Stimmung hat mir gut gefallen, von Tom war ich angenehm überrascht. Ich hatte ihn mir von dem, was ich über ihn gelesen hatte, eher als gebrochenen Mann vorgestellt, so hat er auf mich nicht gewirkt. Sicherlich haben ihn seine Erlebnisse geprägt, aber das merkt man ihm nicht auf den ersten Blick an. Die Menschen im Dorf kamen mir dagegen teilweise zu klischeehaft vor. Insegesamt hat mir Ein Monat auf dem Lande gut gefallen, aber für die volle Rattenzahl fehlt noch etwas.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Mir wurde das Buch damals nach dem Erscheinen von meinem damaligen Lieblingsbuchhändler (I miss him, habe hier noch keine nette Buchhandlung gefunden) empfohlen, aber irgendwie wurde es meinen (hohen) Erwartungen nicht gerecht. ?

    Mir fehlte da das Innenleben von Menschen, es war ein nettes Büchlein, aber mehr als betrachte man einen Ameisenhaufen ohne seine internen Strukturen kennenzulernen.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


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    Herausgeber ‏ : ‎ DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; 8. Edition (9. Januar 2017)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 158 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3832198350

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3832198350

    Originaltitel ‏ : ‎ "A Month in the Country"

    Inhaltsangabe:


    Sommer 1920 im nordenglischen Oxgodby: Als auf dem Bahnhof ein Londoner aus dem Zug steigt, weiß gleich das ganze Dorf Bescheid: Er ist der Restaurator, der das mittelalterliche Wandgemälde in der örtlichen Kirche freilegen soll. Doch was steckt hinter der Fassade des stotternden und unter chronischen Gesichtszuckungen leidenden Mannes? Tom Birkin hat im Ersten Weltkrieg gekämpft, als traumatisierter Veteran wurde er von seiner Frau verlassen. Er hofft, in der Ruhe und Einfachheit Yorkshires zu gesunden. Und tatsächlich: Je näher er dem Meisterwerk hinter der Kirchendecke kommt, desto näher kommt er auch sich selbst. Und seinen Mitmenschen. Langsam gelingt es ihm, sich der Welt um sich herum zu öffnen, vielleicht sogar der Liebe. Der Monat auf dem Land ist ein Monat der Heilung. Was Birkin hier erlebt, wird er sein Leben lang mit sich tragen…


    Autoreninfo:


    J. L. CARR wurde 1912 in der Grafschaft Yorkshire geboren und starb 1994. Nachdem er jahrelang als Lehrer gearbeitet hatte, gründete er 1966 einen eigenen Verlag und verfasste acht Romane. "Ein Monat auf dem Land" (DuMont 2016) war 1980 für den Booker-Preis nominiert. Bei DuMont erschienen außerdem "Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten" (2017) und "Ein Tag im Sommer" (2018).


    Meine Meinung:


    Titel: Auf dem Land liegt die Ruhe...


    Dieser Schatz schlummerte schon länger auf meinem SUB, völlig zu Unrecht wie ich nun entdecken musste.


    Tom Birkin hat den Krieg überlebt, körperlich halbwegs unverletzt, seelisch dafür umso mehr. In Oxgodby soll er in der örtlichen Kirche ein mittelalterliches Wandgemälde freilegen. Wie lange wird er dafür brauchen und was wird er alles finden?


    Der Roman besticht durch seine ruhige Art des Erzählens, denn nur langsam tauchen wir in die ländliche Region ab.


    Mir hat gefallen, dass die Bewohner des Ortes Tom erst einmal beschnuppern, eh sie richtig auf ihn zugehen und ihn als Teil des Dorfes annehmen. Vorurteile werden abgelegt.


    Zudem mochte ich, dass Tom durch die Ruhe der Arbeit und der Natur wieder zu sich findet. Sicherlich wird er die Erlebnisse aus dem Krieg nie vergessen, aber ein Leben ohne Zuckungen und starkes Stottern wird ihm gewiss helfen, auch zukünftige Jobs zu finden.


    Zauberhaft war auch das Knospen einer zarten Liebe und dem Wiederentdecken von Gefühlen.


    Fazit: Eine Geschichte, die auf leisen Sohlen daher kommt und vor allem sprachlich und emotional überzeugt. Lesenswert.


    Bewertung: 4ratten

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Dazu gibt es schon hier einen Thread, allerdings bei der Gegenwartsliteratur.

    Fazit: Eine Geschichte, die auf leisen Sohlen daher kommt und vor allem sprachlich und emotional überzeugt. Lesenswert.

    Damit beschreibst du sehr schön die Gefühle, die ich beim Lesen hatte.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • A Month in the Country 

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    Ich habe das Buch eben im englischen Original beendet. Leider ist es mir unmöglich, die Worte zu einer Rezension zu finden, die diesem Meisterwerk gerecht würde.


    Daher nur soviel:

    Ich möchte das Buch (ich habe es aus der Bib) im Regal stehen haben.

    Ich möchte alles anderen Bücher von J. L. Carr lesen.

    Und vor allem:

    Ich würde das Buch am liebsten gleich noch einmal lesen.


    5ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Wie schön, dass Dich dieses Buch auch so einfangen konnte Saltanah ! Ich hab zwar die deutsche Übersetzung gelesen, aber auch die hat für mich die besondere Stimmung gut rübergebracht. (Ging aber wohl nicht jedem so - vor kurzem noch gab es hier eine sehr gespaltene Diskussion darüber..)