Kazuo Ishiguro - Was vom Tage übrig blieb

Es gibt 38 Antworten in diesem Thema, welches 20.353 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Hafermilch.

  • Meine Meinung
    Der Butler Stevens nimmt sich nach langen Jahren ein paar Tage frei, um eine alte Freundin zu besuchen. Aber ist Miss Kenton überhaupt eine alte Freundin oder war sie nur eine Kollegin von ihm? Er denkt zwar mit Wohlwollen an sie, aber es ist mir bis zum Ende nicht klar geworden, wie seine Gefühle für sie wirklich sind. Denn Stevens redet zwar gerne über die Gefühle anderer, aber seine eigenen scheinen ihm nicht ganz geheuer zu sein. Sie passen nicht in sein sehr geordnetes Leben, deshalb machen sie ihm ein bisschen Angst.


    Trotzdem macht er sich auf, Miss Kenton zu helfen. In ihrem Brief erwähnt sie, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hat und jetzt nicht weiß, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen soll. Da kommt es ihm gerade recht, dass auf Darlington Hall das Personal knapp ist. Miss Kenton würde diese Lücke fantastisch füllen. Auf der Fahrt zu ihr läßt Stevens sein Leben noch einmal Revue passieren. Er erzählt von den kleinen und großen Ereignissen im Leben eines Butlers. Er erzählt von sich, aber er könnte auch von jemand anderem erzählen. Alles Persönliche ist ihm fremd. Deshalb finde ich es auch irgendwie rührend, das er so eine sentimentale Seite zeigt.


    The remains of the day ist eine zauberhafte, sentimentale und zugleich rührende Geschichte über einen sehr faszinierenden Mann.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Stevens, zeitlebens mit Leib und Seele Butler gewesen, geht zum ersten Mal auf Reisen. Sein neuer Arbeitgeber hat ihm, sehr zu seinem Erstaunen, für ein paar Tage sein Auto geliehen, und nun ist er auf dem Weg nach Cornwall, um dort Miss Kenton zu treffen, die vor langer Zeit auf Darlington Hall zu seinen Mitarbeitern gehörte.


    Mit Miss Kenton verband ihn seinerzeit eine ziemlich spezielle Beziehung. Die selbstbewusste, aufgeschlossene junge Frau, die sich nie gescheut hat, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, und der pflichtbewusste, disziplinierte, stets auf Loyalität und Diskretion bedachte Stevens sind häufig aneinandergeraten, und doch hat Stevens sie sehr vermisst, als sie Darlington Hall verließ, um zu heiraten.


    Während er mit Mr. Farradays Ford über Land fährt und sich immer wieder mit der "ganz normalen" Bevölkerung konfrontiert sieht - Begegnungen, die für ihn völliges Neuland sind - erinnert er sich an die alten Zeiten, als Lord Darlington noch lebte und in seinem Haus hochrangige Besucher empfing, sinniert über den Beruf des Butlers im Wandel der Zeit und lässt Konfliktsituationen Revue passieren.


    So ganz wohl ist ihm ja nicht bei der Erinnerung an Augenblicke, in denen er sich vielleicht nicht ganz richtig verhalten hat. Es ist ihm unangenehm, über Gefühle zu sprechen oder auch nur nachzudenken, weil er offenbar nie gelernt hat, sie zuzulassen, von Anfang an hat er hinter einer Maske der korrekten Professionalität gelebt. Darum fühlt er sich jetzt "draußen" in der Welt auch sichtlich fremd. Flotter Smalltalk, alltagspraktisches Denken und auf das eigene Herz zu hören sind Dinge, die ihm ziemlich schwerfallen.


    Kazuo Ishiguro schafft es hervorragend, sich in diese Figur hineinzuversetzen. Allein schon die wohlgesetzten Worte, die eloquenten, aber ein wenig umständlichen Sätze, in denen sich Stevens ausdrückt, sagen sehr viel über sein Wesen aus und passen perfekt zu diesem Butler wie aus dem Lehrbuch, der sich auf einmal damit konfrontiert sieht, dass die wohlgeordnete Gesellschaft, in der er sich so gut ausgekannt hat, sich inbesondere nach dem 2. Weltkrieg stark verändert hat.


    Stevens mag steif und etwas sperrig wirken und sich manchmal unverständlich verhalten, und doch ist er auf eine leise und ein bisschen traurige Art ein sympathischer Protagonist, dem man am Ende von Herzen wünscht, er möge doch noch lernen, ein wenig lockerer zu werden.


    Ein schönes, kleines Buch mit einer ganz besonderen Atmosphäre, in dem auf nur etwa 250 Seiten sehr viele spannende Themen angesprochen werden.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Kazuo Ishiguro schafft es hervorragend, [...] Allein schon die wohlgesetzten Worte, die eloquenten, aber ein wenig umständlichen Sätze,[...] ein sympathischer Protagonist, [...] Ein schönes, kleines Buch mit einer ganz besonderen Atmosphäre, [...] 4ratten


    Nix für Ungut, aber bei all dem Lob nimmt mich nun doch wunder, wo Du die eine Ratte - doch immerhin 20%! - abziehst ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Kazuo Ishiguro - Was vom Tage übrigblieb

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    OT: The Remains of the Day
    OA: 1989
    288 Seiten
    ISBN:9783442733095


    Inhalt:
    Stevens dient als Butler auf Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Die Jahre vergehen, Stevens lebt ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. „Was vom Tage übrigblieb“ ist ein gesellschaftskritischer Roman, erzählt von jemandem, der sich eine solche Kritik nie erlauben würde, und eine wunderschöne, traurige Liebesgeschichte, erzählt von einem, der nie auch nur ahnte, dass er geliebt hat.


    Eigene Meinung:
    Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte dachte ich: ,Was für ein wundervolles Buch‘. Ich habe nach wie vor diese Meinung, aber wenn ich jetzt schreiben soll, warum es mir so gefiel, dann fällt es mir merkwürdigerweise schwer, dies in die richtigen Worte zu fassen. Vielleicht liegt es daran, dass in diesem Buch nicht viel geschieht. Es beginnt damit, dass Stevens sich auf den weg nach Cornwall macht um Miss Kenton aufzusuchen. Das Treffen mit dieser beinhaltet dann aber lediglich einige Seiten. Dies ist auch der Grund, warum mich die Bezeichnung „Liebesroman“ für dieses Buch stört. Es ist nicht wirklich eine Liebesgeschichte. Es wird schon die Liebe angesprochen, aber auf ihr liegt mitnichten das Hauptaugenmerk. Das bezieht sich alleine auf die Reise und die dadurch entstehenden Selbstreflexionen von Stevens, welcher auf dieser Fahrt sein Leben auf Darlington Hall Revue passieren lässt. Rückblickend, durch Stevens Erinnerungen, erfährt der Leser einiges aus dem Leben des Butlers und genau hier liegt die Dramatik und die Melancholie dieses Buches. Man erfährt etwas über das Leben des Butlers, seine Berufsethik und seine Loyalität seinem Arbeitgeber gegenüber, unabhängig wie fragwürdig diese auch sein mag. Über den Mensch Stevens allerdings erfährt nur der mit Bedacht Lesende, denn alles was sich auf das persönliche Leben von Stevens bezieht, steht lediglich zwischen den Zeilen. Er kann über seinen Beruf reden, aber nicht über sein Dasein als Mensch, denn dies bereitet ihm unglaubliche Schwierigkeiten. Er steht sich selbst im Weg, er spürt dies auch und aus diesem Grund, verdrängt und negiert er seine emotionale Seele. Im Laufe dieser Reise nach Cornwall allerdings, gerät etwas von dieser Selbstbeherrschung ins Wanken und gerade hier findet Ishiguro die perfekten Worte. Sanft, zurückhaltend und zugleich bewegend, wie die Sprache des Autors, bröckelt nach und nach die Fassade und der Leser beginnt zu erahnen, welche tragische Geschichte sich hier verbirgt. Das Ende ist der perfekte Abschluss und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.


    5ratten

  • Das Ende ist der perfekte Abschluss und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.


    Das finde ich auch. Ich hätte ihm zwar ein anderes Ende gewünscht, aber das hätte nicht richtig gepasst.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Ich finde dieses Buch einfach nur so wunderbar! Schön das es dir auch gefallen hat!!


    Was passiert am Ende unsres Lebens? Werden wir uns fragen ob unser Leben anders hätte verlaufen können?


    "Was vom Tage übrig blieb" hat mich auch sehr berührt. Die Geschichte ist m.E. deshalb so bewegend, weil sie uns vor Augen führt, dass es im Leben zwar genug Zeit gibt, aber keine zum Vertrödeln. Sie führt uns vor Augen, dass das Leben auch ohne große Katastrophen scheitern kann, alleine dadurch, dass wir die Gelegenheiten, die sich bieten, vor lauter Pflichterfüllung und Geschäftigkeit nicht sehen oder zu lange zaudern, anstatt beherzt zuzugreifen. Vielleicht fehlt uns manchmal einfach der Mut. Zweimal hat Stevens die Chance zu einer mehr als geschäftlichen Beziehung zu Miss Trenton. Zweimal läßt er die Cahnce ungenutzt verstreichen. Eine dritte wird es nicht geben. Das ist es, was mich am Ende so betroffen macht.

  • "Was vom Tage übrig blieb" hat mich auch sehr berührt. Die Geschichte ist m.E. deshalb so bewegend, weil sie uns vor Augen führt, dass es im Leben zwar genug Zeit gibt, aber keine zum Vertrödeln. Sie führt uns vor Augen, dass das Leben auch ohne große Katastrophen scheitern kann, alleine dadurch, dass wir die Gelegenheiten, die sich bieten, vor lauter Pflichterfüllung und Geschäftigkeit nicht sehen oder zu lange zaudern, anstatt beherzt zuzugreifen. Vielleicht fehlt uns manchmal einfach der Mut. Zweimal hat Stevens die Chance zu einer mehr als geschäftlichen Beziehung zu Miss Trenton. Zweimal läßt er die Cahnce ungenutzt verstreichen. Eine dritte wird es nicht geben. Das ist es, was mich am Ende so betroffen macht.


    Sehr schön ausgedrückt. Diese Gedanken kreisten in ähnlicher Form auch am Ende des Buches in meinem Kopf.

  • Hallo Ihr Lieben,


    vor Kurzem habe ich das Buch hier im Rahmen einer Leserunde gelesen und bin immer noch tief bewegt von dem Buch. Ingesamt geht es mir aber wie dir, tina: ich kann auch nicht genau ausdrücken, was mir so gut gefallen hat und wieso das Buch so nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Ich denke dieses Aussage trifft den Nagel wirklich auf den Kopf:


    "Was vom Tage übrig blieb" hat mich auch sehr berührt. Die Geschichte ist m.E. deshalb so bewegend, weil sie uns vor Augen führt, dass es im Leben zwar genug Zeit gibt, aber keine zum Vertrödeln. Sie führt uns vor Augen, dass das Leben auch ohne große Katastrophen scheitern kann, alleine dadurch, dass wir die Gelegenheiten, die sich bieten, vor lauter Pflichterfüllung und Geschäftigkeit nicht sehen oder zu lange zaudern, anstatt beherzt zuzugreifen. Vielleicht fehlt uns manchmal einfach der Mut. Zweimal hat Stevens die Chance zu einer mehr als geschäftlichen Beziehung zu Miss Trenton. Zweimal läßt er die Cahnce ungenutzt verstreichen. Eine dritte wird es nicht geben. Das ist es, was mich am Ende so betroffen macht.


    Das ist das wirklich sehr schön zusammengefasst.


    Überrascht hat mich ja zu Beginn, dass das Buch aus der Ich-Perspektive von Stevens, dem Butler geschrieben ist. So bekommt der Leser einen tiefen Einblick in Stevens' Innenleben, aber ich hatte immer das gleichzeitige Gefühl, dass Stevens nicht einmal zu sich selber wirklich ehrlich ist. Sein ganzes Leben widmet er der Arbeit und seinem Dienstherrn. Dafür verzichtet er auf alles, lässt die Chance für eine Liebe ungenutzt verstreichen und merkt erst als es zu spät ist, dass er die Chance hat verstreichen lassen. Das ist das Eine, was ich an diesem Buch bewegt und mir auch viel Stoff zum Nachdenken gegeben hat.


    Gleichzeitig finde ich aber auch, dass das Buch auch zeigt, dass man sobald man seine Entscheidungen getroffen hat, zu diesen auch stehen muss und sich nicht in der Vergangenheit verlieren sollte. Natürlich lernt man aus Fehlern der Vergangenheit, aber es macht auch keinen Sinn, sich damit herum zu schlagen, dass man Entscheidungen bereut oder "Was-wäre-wenn-Überlegungen" führt. Und auch diesen Punkt zeigt dieses kleine Büchlein gut auf in Form von Stevens. Dem zwar schließlich klar wird, was hätte sein können, der aber trotzdem weiterhin im Hier und Jetzt lebt und seine Zukunft im Auge hat und sich nicht in der Vergangenheit verliert.


    Ich denke gerade diese beiden Aussagen machen dieses kleine Büchlein so wertvoll. Jeder sollte sich gut überlegen, was ihm wichtig ist und was er möchte, dass am Ende des Tages übrig bleibt. Aber hat man sich entschieden, sollte man auch sein Leben nicht damit vergeuden Reue über die getroffene Entscheidung zu empfinden!


    Für mich ist dieses Büchlein jetzt schon ein eindeutiges Highlight und für mich ein absoluter :tipp:. Dafür gibt es volle 5ratten


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Dies ist ein grossartiges Buch.
    Ich kannte zunächst nur den (schauspielerisch hervorragenden) Film mit Anthony Hopkins und Emma Thompson und wurde dann neugierig auf den Roman. Es ist wunderbar, wie Ishiguro seinen Erzähler (Mr Stevens), der seine eigenen Gefühle kaum thematisiert, weil dies seinem "Ethos" widersprechen würde, ganz allmählich und ohne es direkt anzusprechen durchblicken lässt, dass er Miss Kenton gegenüber keineswegs so gleichgültig war, wie er sich gebärdete, was schliesslich im Bewusstsein darum, dass es nun zu spät ist, in den Satz mündet: "Wahrhaftig – warum sollte ich es nicht zugeben –, in diesem Augenblick brach mir das Herz." Gleichzeitig arbeitet der Roman auch die politischen Verstrickungen von Teilen des britischen Adels mit hochrangigen Nazis auf, jedoch immer konzentriert auf die Charakterstudie über Mr Stevens, der an nichts Anteil zu nehmen scheint ausser seinem Beruf, seiner Würde, seinem Vertrauen auf den Dienstherrn Lord Darlington.


    5ratten

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)

  • Dank dir Rydal. Eine kleine Besprechung, die das Buch wieder in meinen Blick rückt. Na ja, eigentlich bin ich zunächst auf deine passende Thomas-Bernhard-Rezension aufmerksam geworden und habe dann mal geschaut, was du sonst noch so liest.


    GRuß, Thomas

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    Dieses Buch ist ein seltener Leckerbissen, den man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen muss, um seine volle Wirkung spüren zu können. Ishiguro wählt seine Worte mit Bedacht, er versteht es mit wenigen Pinselstrichen, die Figur des Butlers Stevens vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen. Bereits nach nur ein paar Sätzen ist die tiefe Einsamkeit seines Protagonisten zu spüren, seine Trauer um seinen früheren Arbeitgeber Lord Darlington und seine Schwierigkeit, mit der neuen Welt nach Ende des zweiten Weltkrieges zurecht zu kommen. Besonders auffällig für mich war, dass der Roman, obwohl in der ersten Person geschrieben, sehr oft in das unpersönliche "man" wechselt, wenn Stevens versucht, seine Handlungen in der Vergangenheit zu analysieren. Es gab mehrere Stellen in diesem Buch, an dem ich ihn am liebsten einfach nur umarmt hätte, um ihm menschliche Wärme zu schenken - auch wenn er das sicher nicht gut heißen würde.


    5ratten :tipp:

  • Schöne Rezi, und ich freue mich, dass es Dir auch so gut gefallen hat. Das ist wirklich ein kleines Juwel.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ein tolles Buch.
    Ich möchte nur wissen, was den Verlag geritten hat, es auf der Rückseite als "eine bittersüße Liebesgeschichte" zu bewerben? Verkaufsargumente??
    Dieses Buch bietet für mich so viel mehr - und es ist in jeder Hinsicht auf mehreren Ebenen zu lesen. Es geht um "Würde" (eigentlich meist eher "Haltung" - wie man ersieht, habe ich leider nicht im Original gelesen - vielleicht hole ich das mal nach..), Pflichtbewusstsein, Loyalität, Moral, Geschichte und - vor Allem - um Sinnhaftigkeit und Prioritäten. Am Ende dann um ein Fazit, wenn man sich irgendwo geirrt hat.
    Die "Liebesgeschichte" besteht ja vor allem aus der Zurückweisung allein der Möglichkeit derselben - und für mich ist die große Tragödie in Stevens' Leben noch nicht mal so sehr der Verzicht auf diese "Liebesgeschichte" als vielmehr seine Fehleinschätzung der politischen Situation - durch (zu blinde?) Loyalität.
    Ein Buch, das ich wirklich ein zweites Mal lesen würde - und dieses Bedürfnis habe ich inzwischen nur noch selten.
    Das nächste Mal dann eventuell im Original - obwohl die Übersetzung sprachlich durchaus "gepasst" hat.


    (Beim 2. Mal werde ich dann gezielt noch mehr darauf achten, wo genau der Butler überall auch autistische Züge trägt..)


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Liegt auch auf meinem SuB - ziemlich weit oben :breitgrins:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich habe das Buch vor gut zwei Monaten gelesen, nachdem ich es schon sehr lange auf meiner Leseliste drauf hatte. Da hatte ich wohl ein glückliches Händchen :breitgrins:


    Mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen, allerdings hatte ich auch Schwierigkeiten damit, diese bedingungslose Loyalität von Steven nachvollziehen zu können, vielleicht auch gerade weil mir seine Figur sehr sympathisch war.
    Diese Grundhaltung kommt dann ja auch in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen zu tragen und hinterlässt so nicht nur in seinem Leben Spuren.
    Ich fand aber sehr schön, welchen Schluss Steven aus seinen eigenen Erkenntnissen zieht und das Ende des Buches war für mich sehr rührend. Auch ohne bittersüße Liebesgeschichte :zwinker:


    Dieses Buch bietet für mich so viel mehr - und es ist in jeder Hinsicht auf mehreren Ebenen zu lesen. Es geht um "Würde" (eigentlich meist eher "Haltung" - wie man ersieht, habe ich leider nicht im Original gelesen - vielleicht hole ich das mal nach..), Pflichtbewusstsein, Loyalität, Moral, Geschichte und - vor Allem - um Sinnhaftigkeit und Prioritäten.


    Im englischen Original geht es um "dignity", und was einen "great butler" ausmacht. Würde und Haltung schließen sich da meiner Meinung nicht aus, sondern ergänzen sich gut, die "würdevolle Haltung des Butlers" würde ich sagen.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Schön gedeutet, tári! "Dignity" beinhaltet ja tatsächlich beide Aspekte.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich möchte nur wissen, was den Verlag geritten hat, es auf der Rückseite als "eine bittersüße Liebesgeschichte" zu bewerben? Verkaufsargumente??


    Vielleicht wollte der Verlag damit ein breiteres Publikum ansprechen? Dabei braucht das Buch das doch gar nicht.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • "Was vom Tage übrig blieb" ist ein wunderbares, leises, nachdenkliches, aber auch melancholisches Buch, das mich sehr berührt hat.


    Stevens ist Butler durch und durch. Für seinen angestrebten Perfektionismus gibt er eigentlich sein Leben auf und widmet es voll und ganz seinem Beruf. Er ordnet dem alles unter. Mitunter empfinde ich ihn in seinen Eigenheiten ziemlich anstrengend.

    Ich glaube, mit ihm zusammen arbeiten zu müssen, ist sicherlich nicht immer einfach. Man spürt, dass er zwar Gefühle hat, diese aber verdrängt, manchmal würde ich schon sagen, dass er sie nicht mal wahr nimmt. Ein völlig in sich gefangener Mensch. Manchmal tut er mir schon richtig leid. Im Dialog mit anderen Menschen nimmt man besonders war, wie hölzern und unsicher er eigentlich ist, weil er sich selbst und seine Gefühle unterdrückt.


    Ganz besonders berührt haben mich diese Sätze:


    Zitat

    Wahrhaftig - warum sollte ich es nicht zugeben -, in diesem Augenblick brach mir das Herz.

    Zitat

    "Ich habe gegeben, was ich zu geben hatte. Ich habe alles Lord Darlington gegeben"

    Zitat

    "Und zumindest war es ihm [Lord Darlington] gegeben, am Ende seines Lebens sagen zu können, er habe seine eigenen Fehler gemacht. [...] Er entschied sich für einen bestimmten Weg im Leben, es stellte sich heraus, dass es ein falscher war, aber immerhin hat er sich selbst dafür entschieden, das zumindest kann er sagen. Was mich betrifft, so kann ich nicht einmal das für mich in Anspruch nehmen. Sehen Sie, ich habe vertraut. Ich habe auf seiner Lordschaft Klugheit vertraut. All die Jahre, die ich ihm diente, habe ich darauf vertraut, dass ich etwas tue, was der Mühe wert ist. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich meine eigenen Fehler gemacht hätte. Wirklich - man muss sich das fragen -, welche Würde liegt überhaupt darin?"

    Diese Sätze bringen so viel zum Ausdruck, sie bringen alles auf den Punkt.


    Auch wenn das Buch aus Sicht Stevens geschrieben wurde, gilt mein Mitgefühl vor allem Miss Kenton. Denn ich denke, dass sie die Person ist, die am meisten darunter litt und leidet.


    Dieses Buch hat mich wirklich sehr berührt und vor allem diese drei Wörter gehen mir seither permanent im Kopf um: "Was wäre, wenn...?".


    Für mich mein Highligt 2018!


    5ratten