Ich habe die Bücher von Enid Blyton als Kind immer gerne gelesen. Vor allem die Abenteuer-Reihe und die Dolly/Hanni+Nanni Bücher.
Letztere hatte ich immer aufgehoben, für den Fall, das ein Kind das mal lesen möchte.
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So schön damals die Internatsgeschichten waren, es ist Mobbing, das dort gut geheißen wird.
Die Abenteuer Bücher finde ich etwas entspannter, fünf Freunde habe ich nicht so gerne gelesen.
Ich weiß nicht, ob man Kinder da unterschätzt.
Die Bücher sind teilweise extrem unterschiedlich, vor allem die deutschen Ghostwriterbücher.
Es gibt da auf Amazon eine Rezensentin (deren Rezis dieser Bücher ich leider nicht finde, wenn ich ihren Namen aufrufe, sondern nur zufällig, wenn ich die einzelnen Bände anklicke), die das sehr, sehr schön auseinandernimmt. Die Rezis bilden fast eine eigene Geschichte. Es werden Ungereimtheiten innerhalb eines Buches und innerhalb der Reihe oft in sehr witziger Art aufgezeigt.
Ich denke aber, dass Grundschulkinder, die also selbstständig lesen ab der 3. Klasse, schon merken, dass die Bücher eben ein spezielles, veraltetes Bild vermitteln. Ich habe als Kind die Puckibücher gelesen (ich denke, so ab 10) und mir war schon sehr bewusst, dass vieles "komisch" war und nicht in der Realität so vorkommt, jedenfalls nicht in meiner (Frau wird von Ehemann wie Kind behandelt, darf kein Hobby haben, Ausgaben werden von Mann und den eigenen Eltern kritisiert usw.).
Das Kind wird doch merken, dass es in seiner Realität anders läuft. Es könnte sich aber tatsächlich Gedanken machen, ob das früher in England anders war, und ggf. auch, warum. Bswp. warum Schülerinnen ausgeschlossen wurden, die Interesse daran hatten, gut auszusehen. Das könnte ein Kind ja auch anregen, zu überlegen, ob es in der eigenen Klasse andere Mitschüler aus anderen Gründen ausgeschlossen werden.
Als Kind merkt man doch, dass ein Buch "alt" ist, selbst, wenn es erst 10 Jahre alt ist. Die Themen und Trends ändern sich, teilweise die Sprache, die Gepflogenheiten (bspw. technische Hilfsmittel).
Ich denke, als Kind würde einem schon auffallen, dass man da von Gepflogenheiten liest, die man weder kennt, noch akzeptieren würde (ältere Schülerinnen werden bedient, die Klasse beschließt, jemanden zu schneiden - da gäbe es heutzutage doch sofort ein Klassengespräch und das wissen doch die meisten Drittklässler wohl schon).
Trivial finde ich die Bücher auch, es werden halt meist "einfache" Probleme und Schulroutinen beschrieben, man lernt nicht viel von der Sprache, man wird sich die Inhalte nicht aufgrund bahnbrechender Ideen merken, sondern als Unterhaltungslektüre.
Und übrigens: Die "neuen" Ghostwriterbücher sind teilweise mMn ziemlich übel.
Ich hatte mal eine Rezi auf Amazon geschrieben über "Nannis neue Freundin", ein Buch, bei dem mir mehrfach der Mund einfach offen stehen blieb. Und ja, da bin ich froh, dass ich das nicht als Kind gelesen habe.
(Spoiler = mein Rezitext von Amazon. Ich dachte, ich hätte das hier auch schon mal rezensiert, finde da aber nichts mehr.)
Ich bin erwachsen und habe mir aus Spaß ein paar Kinderbücher auf meinen Reader geladen.
"Hanni und Nanni" kenne ich noch von meiner Kindheit. Die Bände sind sehr unterschiedlich in der Qualität, sowohl die Originalbände, als auch zahlreiche neuere Folgen.
Dieses Buch ist einer der Ausreißer. Prinzipien der anderen Bände scheinen hier über Bord gegangen zu sein.
Das Ende hat mich sehr überrascht - es könnte sehr junge Leserinnen zu der Annahme verleiten, sich lieber nicht mit Zwillingen anzufreunden, da die nur unter sich bleiben wollen. Während direkt im Folgeband eine Schülerin dargestellt wird, die erst als Feindbild wahrgenommen wird und später Vergebung erfährt, weil man ihre schwierige persönliche Geschichte kennenlernt, ist es hier überraschenderweise genau umgekehrt. Zudem wird nicht klar, ob die Antagonistin ihre Probleme erfindet, ausschmückt oder tatsächlich gravierende Probleme mit ihrer Mutter hat. Über die Möglichkeit gehen die anderen Schülerinnen jedenfalls im Gegensatz zum Folgeband großzügig hinweg. Es wird ein einsames, sozial ungeschicktes Mädchen gezeigt, dass mit unangebrachten Mitteln versucht, eine beste Freundin zu finden. Warum nur eine, wird nicht ganz klar. Deutlich wird aber die Verzweiflung, die das Mädchen treibt. Am Ende wird klar, dass unter Zwillingen kein Platz für eine beste Freundin eines der Geschwister ist. Während man das liest, wird dem Leser bewusst, dass bisher die meisten wenn nicht alle Freundinnnen der Schwestern tatsächlich immer locker mit beiden befreundet waren, nie eine einzele beste Freundin hatten. Was für ein Geschwister- oder Zwillingsbild wird hier vermittelt? Was denken sich Einzelkinder, was Geschwisterkinder beim Lesen? Ich bin selbst mit einem Zwilling aufgewachsen (zweieiig) und wie man das auch in Pädagogikbüchern immer so liest, war es für uns gerade wichtig, eigene Hobbys, eigene Begabungen, eigene Freunde zu haben - Dinge, die man gerade nicht mit dem Zwilling teilt, weil man sonst auch oft in einen Topf geworfen wird. Das Buch dagegen vermittelt den Eindruck, Zwillinge oder Verwadte blieben am besten unter sich und bräuchten keinen anderen, besonders nicht einzelne beste Freunde nur einer der Zwillinge. Es könnte also Lesern der Eindruck vermittelt werden, sich lieber nicht mit Geschwistern anzufreunden, weil man gegen die anderen Geschwister nie ankommen, immer Freund/in zweiter Klasse sein wird.
Ich denke nicht, dass Eltern diese Bild ihren Kindern vermitteln möchten.
Ich bin der Meinung, dass die meisten Kinder sich hier zumindest Fragen beim Lesen stellen würden und das nicht unkommentiert hinnehmen würden. Sie würden sich fragen, ob Zwillinge keine eigenen Freunde haben. Warum das so schlimm wäre? Warum man kein Verständnis für jemanden aufbringen sollte, der einsam ist und unbedingt eine beste Freunden möchte.
Trotzdem könnte es auch nach hinten losgehen und Leser könnten sich fragen, ob es verwerflich ist, eine beste Freundin haben zu wollen. Ob man mit Geschwistern bzw. speziell Zwillingen nicht befreundet sein sollte. Ob man als Geschwisterkind bzw. Zwillingskind auch mit anderen Freunden eng verbunden sein darf oder sich vor allem auf die Geschwister konzentrieren müsste. Und das würden die meisten Geschwisterkinde, die ich kenne, deutlich verneinen!
Ich denke, da haben die Ghostwriter in mehreren Bänden wirklich mehr verbrochen als Blyton mit dem Original, das sicher in Teilen an Schülern und deren Erfahrungen und Wünschen (Mitternachtspartys, Dosenmilch... ) orientiert war.
Bzgl. Rezensionen:
"Hanni und Nanni feiern Geburtstag" - Rezi von enuma_elish
"Hanni und Nanni geben ein Fest" und andere - Rezi von Nadine1978. Die hat mehrere, sehr köstliche Rezis dieser Art geschrieben, aber zumindest ich finde die nur unter den einzelnen Büchern, nicht in ihrer Rezensionsliste.
Da hat jemand eine richtige Leidenschaft fürs akribische Kritisieren der Fehler der Ghostwriter entwickelt.
Hin und wieder gehe ich mal auf die Suche weiterer Rezis von ihr und es ist jedes Mal ein Erlebnis!